Die sich verändernde industrielle Produktionsweise, der erhöhte Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften und die diesen Qualifikationsanforderungen nicht mehr genügende alte handwerklich-ständische Lehrlingserziehung führten am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu erheblichen Qualifikationsproblemen in der Ausbildung von Facharbeitern (Vgl. BEHR, 17).
Die handwerklich-ständische Lehrlingserziehung beruhte auf dem didaktischen Grundsatz „repetitio est mater studiorum“. Charakteristikum der sogenannten Beistellmethode bzw. des Imitationslernen ist die Einheit von Qualifikationsprozess und Produktionsprozess (Vgl. BEHR, 21). Daraus resultierten u.a. folgende Defizite in der Ausbildung von Facharbeitern:
Zunächst bestand die Gefahr, dass nur auf die Produktion eingestellte Betriebe meist nicht genügend Zeit und Ressourcen hatten, um die Lehrlinge in den gewünschten Arbeitsprozessen zu unterweisen (Vgl. BEHR, 14). Ferner hing die Qualität der Ausbildung von den Kompetenzen der Facharbeiter bzw. des Meisters ab, denen der Anzulernende beigestellt war. Eine lückenlose Ausbildung in einem bestimmten Beruf war dadurch gefährdet gewesen, dass die Lehrlinge selbst in einem spezialisierten Betrieb nur jene Handgriffe erlernten, die bei der Produktion, die ihrerseits von eingehenden Aufträgen abhängig war, ausgeführt wurden. Solchermaßen „spezialisierte“ Lehrlinge waren einem anderen, in ihr Berufsfeld fallenden Arbeitsgebiet, nicht gewachsen (Vgl. BEHR, 47). Die Einteilung der Arbeitskräfte nach handwerklichen Berufen gewährleistete keine einheitlichen Qualifikationen in den einzelnen beruflichen Fachrichtungen und kennzeichnet die Krise der Handwerkerlehre.
Die mangelhafte Qualifikationsstruktur im Handwerk hatte weitreichende Folgen für industrielle Großbetriebe: Der Hauptteil der beschäftigten Facharbeiter (Schlosser, Dreher und Me-chaniker usw.) stammte aus dem Handwerk. Damit deckte die Industrie ihren Bedarf an gelernten Arbeitern. Die Zahl der angestellten Lehrlinge ist verschwindend gering gewesen (Vgl. BEHR, 44). Obwohl die aus dem Handwerk in die Industrie kommenden Arbeitskräfte durch sehr unterschiedliche Existenzgründungen der einzelnen Handwerksbetriebe geprägt waren und sich ihre Qualifikationen im jeweiligen Handwerk höchst heterogen darstellten, konnten diese Qualifikationslücken zunächst durch Selektion, Arbeitsteilung, Spezialisierung und Anlernen hinreichend geschlossen werden (Vgl. BEHR, 47, 48).
Inhaltsverzeichnis
- 1 Problemstellung
- 2 Problembearbeitung
- 2.1 Die Entwicklung der Lehrgangsmethode in Russland (Della-Vos)
- 2.2 Konstituenten und Gestaltungsmöglichkeiten der Lehrgangsmethode
- 2.3 Weiterentwicklung und Implementierung in Deutschland
- 3 Berufspädagogische Reflektion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit untersucht die Lehrgangsmethode als Lösung für Defizite in der traditionellen Beistellmethode der beruflichen Ausbildung. Sie beleuchtet die Notwendigkeit, die historische Entwicklung und die Gestaltung der "Russischen Methode" im Kontext der sich verändernden industriellen Produktionsweise und des steigenden Bedarfs an qualifizierten Arbeitskräften.
- Die Defizite der Beistellmethode in der Ausbildung von Facharbeitern
- Die Entwicklung der Lehrgangsmethode in Russland durch Victor Della-Vos
- Die Konstituenten und Gestaltungsmöglichkeiten der Lehrgangsmethode
- Die Implementierung der Lehrgangsmethode in Deutschland
- Die berufspädagogische Reflektion der Lehrgangsmethode und ihrer Vorteile gegenüber der Beistellmethode
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1: Problemstellung
Dieses Kapitel beleuchtet die Herausforderungen der traditionellen handwerklich-ständischen Lehrlingserziehung im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Es zeigt auf, wie die Beistellmethode aufgrund ihrer Defizite, wie mangelnder Systematik, Zeitaufwand und Abhängigkeit von Produktionsaufträgen, zu Qualifikationsproblemen in der Ausbildung von Facharbeitern führte.
Kapitel 2: Problembearbeitung
2.1 Die Entwicklung der Lehrgangsmethode in Russland (Della-Vos)
Dieses Kapitel erläutert die Entwicklung der Lehrgangsmethode, auch bekannt als "Russische Methode", durch Victor Della-Vos an der Kaiserlichen Moskauer Technischen Schule. Della-Vos reagierte auf die Defizite der Imitationsmethode und entwickelte eine neue Ausbildungsform, die den Qualifikationsprozess vom Produktionsprozess trennte und eine systematische und strukturierte Ausbildung ermöglichte. Er gliederte die Ausbildung in Grund- und Hauptstudium und stellte sicher, dass die Lehrlinge sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Fähigkeiten im Kontext realer Arbeitsprozesse erlernten.
2.2 Konstituenten und Gestaltungsmöglichkeiten der Lehrgangsmethode
Dieses Kapitel behandelt die Bestandteile und Gestaltungsmöglichkeiten der Lehrgangsmethode. Es beleuchtet die Rolle des Werkstattmeisters, die Bedeutung von Ressourcen und Materialien, technischen Arbeitszeichnungen, Lehrmitteln und methodischen Hinweisen für den Ausbilder.
2.3 Weiterentwicklung und Implementierung in Deutschland
Dieses Kapitel beschreibt die Weiterentwicklung und Implementierung der Lehrgangsmethode in Deutschland. Es behandelt den Kontext, in dem die Methode Eingang in die Berufsausbildung fand, und die Institutionen, die diese Entwicklung unterstützten.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter und Fokusthemen der Hausarbeit sind: Lehrgangsmethode, "Russische Methode", Beistellmethode, Imitation, Qualifikationsproblem, Facharbeiter, industrieller Produktionsprozess, Werkstatt-Pädagogik, Della-Vos.
- Arbeit zitieren
- Lukas Sobek (Autor:in), 2011, Die Lehrgangsmethode als Lösung defizitärer Ausbildung in der Beistellmethode, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190251