Nachrichten aus Österreich: Dabei geht es oft um Alpen oder Opernbälle. 1999 war das anders. Die Schlagzeilen beherrschten ein Mann und eine Partei, die bislang nördlich vom Bodensee vor allem auf den Politiktischen deutscher Buchhandlungen und in TV-Reportagen für Aufsehen gesorgt hatten. Jörg Haider und seine Freiheitlichen (FPÖ) waren in den Medien wahlweise Schreckgespenster oder politische Erneuerung. Mit Beginn des neuen Jahrtausends waren sie vor allem eines: in der Regierung – gleichberechtigt mit den Konservativen und zweitstärkste Kraft in der Alpenrepublik.
„Ein neuer Hitler in Österreich?“ fragten nicht wenige nach der Nationalratswahl. Oder eine „erdrutschartige Normalisierung“ des Landes? Wähnten manche Rechtsextremisten an der Macht, hofften andere auf die „Entzauberung“ der Haider-FPÖ. „Die Freiheitlichen – Nazistische Reinkarnation oder politische Erneuerung“ geht dem Phänomen FPÖ und den Zäsuren um das politische Millennium in Wien nach. Denn obwohl der Umbruch für die Staatengemeinschaft bei weitem nicht die Folgen hatte, den manch einer befürchtet hatte: Sowohl für die FPÖ selbst wie für das österreichische Parteiengefüge war er von ungeahnter Tragweite.
Für die Politikwissenschaft hingegen war dies ein Analysefall par excellence. Endlich ließen sich die zahlreiche Theorien der Parteien- und Kommunikationsforschung zum Thema Populismus am lebenden Objekt studieren. „Die Freiheitlichen“ dokumentiert denn auch mit vorwiegend historisch-beschreibenden, vergleichenden und empirischen Methoden den Aufstieg, die Entwicklung und die Wandlung der FPÖ von den Ursprüngen zur schwarzblauen Regierung. Woher kamen Ideen und Einflüsse der Partei, die Vorstellungen vom Deutschnationalismus und Liberalismus? Und was davon setzten Jörh Haider und seine Anhänger überhaupt um? Gerade die zahlreichen Widersprüche zwischen den verschiedenen politischen, ideologischen und medialen Wahrnehmungen der FPÖ im Zusammenhang mit ihrer tatsächlichen Bedeutung machen das Phänomen so vielschichtig. Politische Strömungen und mediale Vermittlung gehören in die Betrachtung ebenso wie die publikumswirksamen Personalien.
Die Arbeit berührt verschiedene politikwissenschaftliche Spielfelder – Parteienforschung, internationale Politik, Europäische Union, politische Theorie, Politikgeschichte – und verlässt sich weniger auf Interpretationen als auf eine umfassende Dokumentation der Ereignisse und Quellen, die im Rahmen einer Magisterarbeit ihresgleichen suchen dürfte.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 1.1 Diagnose Problemfeld
- 1.2 Erkenntnisinteresse
- 1.3 Vorgehen
- 2 Theoretische Grundlagen zur politischen Ortsbestimmung
- 2.1 Die extreme Rechte
- 2.1.1 Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus
- 2.1.2 Neue Rechte
- 2.2 Radikaler Rechtspopulismus und New Radical Right (NRR)
- 2.2.1 Populismus – Ideologie oder Strategie?
- 2.2.2 Der Aufstieg radikal rechtspopulistischer Parteien und der Neoliberalismus
- 2.2.3 New Radical Right, neuer Populismus und Wahlfahrtschauvinismus
- 2.3 Diskussion und Schlussfolgerungen
- 2.1 Die extreme Rechte
- 3 Zwischen national und liberal – Die Entwicklung der FPÖ
- 3.1 Ursprünge der Freiheitlichen
- 3.1.1 Drei-Lager-Theorie: Das historische Konfliktlinienmodell
- 3.1.2 Deutschnationalismus als Einigungsfaktor des Dritten Lagers
- 3.1.3 Das Dritte Lager und der Nationalsozialismus
- 3.1.4 Rekonstituierung und Isolierung des Dritten Lagers: Der VdU
- 3.2 Entwicklungsphasen der FPÖ 1956-1999/2000
- 3.2.1 Phase I: 1956 bis 1964 – Deutschnationalismus, Ordoliberalismus und Protest
- 3.2.2 Phase II: 1964 bis 1973 – Der Weg von der Isolation in die politische Mitte
- 3.2.3 Phase III: 1973 bis 1986 – Liberale Phase und Krise
- 3.2.4 Phase IV: 1986 bis 1999/2000 - „Haider-Partei“ und radikaler Rechtspopulismus
- 3.2.5 Die,,Wende“ 1999/2000 – Taktik und „natürliche Koalition“
- 3.3 Diskussion und Schlussfolgerungen
- 3.1 Ursprünge der Freiheitlichen
- 4 Die Binnenebene zwischen Protest und Mitgestaltung – Die Politik der FPÖ
- 4.1 Fundamental- versus Realpolitik: Die Strategie der FPÖ gegen „Proporz- und Parteibuchwirtschaft“
- 4.1.1 Protest und Populismus gegen Proporz und Sozialpartnerschaft
- 4.1.2 Verfassungsalternative „Dritte Republik“
- 4.1.3 Die Selbsteinschätzung der FPÖ und der radikale Rechtspopulismus
- 4.1.4 Protest und Populismus in der Regierungspartei FPÖ
- 4.1.5 Radikalismus und „Under Dog“-Verständnis in der Regierungspartei FPÖ
- 4.1.6 Immer noch die „Haider-Partei“?
- 4.2 „Bürgerliche Emanzipationsbewegung“: Die FPÖ und Ideologie
- 4.2.1 Von der,,Volksgemeinschafts“-Ideologie zur Österreich-Partei
- 4.2.2 Die FPÖ und die Rechte
- 4.2.3 Die FPÖ und der Liberalismus
- 4.3 Die politische Agenda der FPÖ
- 4.3.1 Wirtschafts- und sozialpolitische Standpunkte der FPÖ
- 4.3.2 Die FPÖ und Europa
- 4.3.3 Innere Sicherheit und Ausländerpolitik
- 4.4 Diskussion und Schlussfolgerungen
- 4.1 Fundamental- versus Realpolitik: Die Strategie der FPÖ gegen „Proporz- und Parteibuchwirtschaft“
- 5 Die Außenwirkung zwischen „Rechtsextremismus“, „Neoliberalismus“ und „Hysterie“ – Die Wahrnehmung der FPÖ
- 5.1 Österreich und die FPÖ
- 5.1.1 Die „DÖW-Schule“: Rechtsextremismus und Neoliberalismus im Visier
- 5.1.2 Die „Czernin-Schule“: System-Sklerose und FPÖ-Populismus im Visier
- 5.2 Europa und die FPÖ
- 5.2.1 Europa und die Wahrnehmung der FPÖ 2000 – antifaschistischer Konsens?
- 5.2.2 Der „Weisenbericht“: Institutionalisierte Einordnung der FPÖ
- 5.3 Diskussion und Schlussfolgerungen
- 5.1 Österreich und die FPÖ
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit befasst sich mit der FPÖ und ihrer Positionierung im österreichischen politischen System. Im Zentrum steht die Analyse der Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung der Partei zwischen den Polen Rechtsextremismus, Populismus und Neoliberalismus.
- Entwicklung und Wandel der FPÖ
- Ideologie und politische Agenda der FPÖ
- Wahrnehmung der FPÖ durch die österreichische und europäische Öffentlichkeit
- Beziehung der FPÖ zu Rechtsextremismus, Populismus und Neoliberalismus
- Die Rolle der FPÖ im österreichischen Parteiensystem
Zusammenfassung der Kapitel
Im ersten Kapitel wird das Problemfeld der Arbeit definiert. Die zentralen Fragestellungen und das Erkenntnisinteresse werden dargelegt, sowie das Vorgehen der Untersuchung beschrieben. Kapitel zwei beschäftigt sich mit den theoretischen Grundlagen zur politischen Ortsbestimmung der FPÖ. Hier werden verschiedene Strömungen wie Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und Neoliberalismus analysiert. Im dritten Kapitel wird die Entwicklung der FPÖ von ihren Ursprüngen bis zur "Haider-Partei" und der "Wende" 1999/2000 nachvollzogen. Das vierte Kapitel beleuchtet die Politik der FPÖ, ihre Strategie und die Ideologie der Partei. Das fünfte Kapitel widmet sich der Wahrnehmung der FPÖ durch die österreichische und europäische Öffentlichkeit, wobei die Ansätze der "DÖW-Schule" und der "Czernin-Schule" untersucht werden.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit Themen wie Rechtsextremismus, Rechtspopulismus, Neoliberalismus, FPÖ, österreichisches Parteiensystem, Wahrnehmung, Selbstwahrnehmung, Ideologie, politische Agenda, "Haider-Partei", "Wende" 1999/2000, "DÖW-Schule", "Czernin-Schule".
- Quote paper
- M. A. Stephan Kamps (Author), 2001, Die Freiheitlichen - Nazistische Reinkarnation oder politische Erneuerung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19042