Down-Syndrom. Das Leben mit der genetischen Erkrankung "Trisomie 21"

Von der pränatalen Diagnostik bis zur Lebenswirklichkeit


Trabajo de Investigación (Colegio), 2011

22 Páginas, Calificación: 14 Punkte


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Medizinische Einführung in das Thema Chromosomenanomalien
2.1 Pränatal
2.1.1 Entstehung und Häufigkeit
2.1.2 Non-Disjunction
2.1.3 Translokation
2.1.4 Mosaik
2.2 Begünstigende Faktoren
2.3 Diagnostik
2.3.1 Nichtinvasive Untersuchungsmethoden
2.3.2 Invasive Untersuchungsmetho den

3. Postnatal
3.1 Phänotypische Auffälligkeiten
3.2 Geistige und körperliche Entwicklung
3.3 Frühförderung
3.4 Perspektiven

4. Ethische Beurteilung des Themas

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

1. Einleitung

Jährlich werden in Deutschland 9.500 Kinder mit Down-Syndrom – in der Fachsprache Trisomie 21 genannt - geboren. Trotz dieser hohen Anzahl sind Vorurteile gegenüber dieser Krankheit und mangelndes Wissen darum weit verbreitet.

Diese Facharbeit hat es sich zum Ziel gesetzt, die Mehrdimensionalität der Trisomie 21-Erkrankung darzustellen. Dabei verfolge ich die These, dass behinderte Menschen in der Gesellschaft stark auf ihre Krankheit reduziert werden und sie dadurch in ihrer Lebensweise eingeschränkt werden. Hierbei spielen nicht nur medizinische Fakten eine Rolle, sondern auch psychologische Aspekte sowie das konkrete Leben von Betroffenen. Aus diesem Grund soll die medizinische Darstellung Vorurteilen der Entstehung entgegenwirken und aufklären. Die Fördermöglichkeiten bei Trisomie 21 sollen insbesondere auf die Entwick-lungsmöglichkeiten eines Leben mit Behinderung verweisen.

Im ersten Teil wird der Zeitraum von der Entstehung bis zur Geburt bei einem Kind mit Down-Syndrom näher beschrieben. Das schließt die Erläuterung mehrerer Ursachen der Krankheit und die Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik mit ein. Diese ist besonders relevant, da vorgeburtliche Untersuchungen in den letzten Jahren weiterentwickelt wurden und stark verbreitet sind, haben sie auch einen entscheidenden Einfluss auf die Geburtenrate bei Kindern mit Down-Syndrom.

Der zweite Abschnitt behandelt postnatale Themengebiete. Morphologische und psychische Besonderheiten von Trisomie 21 im Kindesalter werden dargestellt. Da Menschen mit Down-Syndrom in der Gegenwart das Erwachsenenalter erreichen, ist eine beispielhafte Veranschaulichung von Lebensperspektiven mit inbegriffen. Abschließend beurteile ich das Thema aus einer ethischen Perspektive.

2. Medizinische Einführung in das Thema Chromosomenanomalien

Das Down-Syndrom beschreibt rein medizinisch eine Chromosomenfehlverteilung. Im Folgenden beschreibe ich aus diesem Grund zunächst das Chromosom und die Wege, die zu einer Chromosomenumverteilung und dann schließlich auch zu Trisomie 21 führen können.

Ein Chromosom besteht aus Proteinen und spiralisierter DNA, auf der die Erbinformationen gespeichert sind, es befindet sich im Zellkern. Jedes Chromosom besteht aus zwei homologen Chromatiden. In einer normalen menschlichen Zelle existieren 23 Chromosomenpaare, das heißt 46 Chromosomen, wovon jeweils zwei homolog sind.

Bei den Gonaden, also der Eizelle und dem Spermium, liegt jedes Chromosom nur einmal vor (haploid). Durch die Verschmelzung entsteht wieder ein diploider Chromosomensatz.

Normale Körperzellen vermehren sich durch Mitose. Hierbei wird zunächst der Chromosomensatz einer Zelle verdoppelt, um anschließend bei der Cytokinese auf zwei Zellen aufgeteilt zu werden.

Im Gegensatz dazu findet bei Keimzellen eine Meiose statt, wo in der zweiten Reifeteilung während der Anaphase die Chromosomen getrennt werden und jeweils eines der homologen Chromatiden in den entstandenen Zellen vorhanden ist. Bei Chromosomenanomalien liegt hier eine Fehlverteilung vor, die auf die Anaphase zurück zu führen ist, das heißt eine Keimzelle besitzt mehr oder weniger als 23 Chromatiden.

Die Grundlage für diese wissenschaftlichen Erkenntnisse legten 1874 Arnold und 1881 Flemming, die erstmals menschliche Chromosomen beobachteten. Erst 1952 gelang es jedoch Hsu durch einen Fehler beim Präparieren, die Chromosomen zu zählen. Er setzte seinem Präparat aus menschlichen Zellen hypotonische Lösung zu. Durch die Brown'sche Molekularbewegung platzten die Zellen jedoch auf und die Chromosomen wurden besser sichtbar. Die richtige Anzahl von 46 Chromosomen bestimmten 1946 Tijo und Levan.[1]Ihre Arbeit war der Startschuss für die Entdeckung vieler Chromosomenanomalien, unter anderem das Ullrich-Turner-Syndrom, auch Monosomie X genannt, das Klinefelter-Syndrom und mehrere Trisomien, darunter auch Trisomie 21.

Die genaue medizinische Diagnostik war erst 1959 durch Lejeune möglich, doch schon 1866 schrieb der englische Wissenschaftler und Arzt John Langdon Down:

„Sie haben Humor und einen lebhaften Sinn für das Spaßige [...]. Gewöhnlich können sie sprechen, die Sprache ist jedoch oft verwaschen. Beachtliche Fertigkeiten können durch systematisches Training erreicht werden. Der Fortschritt, der durch Übung erreicht wird, ist beachtlich größer als das, was vorausgesagt würde, wenn einem die charakteristischen Eigenheiten dieses Typus nicht bekannt wären.“[2]

Diese Aufzeichnungen zeigen, wie auch ohne Kenntnis über die Ursache der Anomalie typische Verhaltensmuster und Charakterzüge erkennbar sind.

2.1 Pränatal

2.1.1 Entstehung und Häufigkeit

Mit der Häufigkeit von 1:700 zählt die Trisomie 21 zu der häufigsten durch eine Chromosomenstörung verursachte Krankheit. Ungefähr 20 % der eingenisteten Zygoten weisen Chromosomenschäden auf. Wenn der Körper diese Schäden entdeckt, stößt er die befruchtete Eizelle ab und es kommt zu einer Fehlgeburt. Dieser Mechanismus wird dadurch belegt, dass 60 % aller spontanen Aborte im ersten Trimenon (Schwangerschaftsdrittel) genetische Defekte aufweisen. Bei allen Späteren weisen ca. 5 % chromosomale Anomalien auf. Bei Trisomie 21 sind diese Zahlen sogar noch höher: bei 60 % kommt es zu Aborten und in weiteren 20% der Fälle zu Totgeburten.[3]

2.1.2 Non-Disjunction

In 95 % der Fälle liegt bei der Entstehung von Trisomie 21 Non-Disjunction[4] vor. Dieser Mechanismus kann sowohl bei der Mitose, als auch bei der Meiose stattfinden. Von der Norm abweichende Chromosomenanzahlen bezeichnet man als Genommutation. Die dabei entstehenden Zellen werden als Aneuploidien bezeichnet. Das sind Zellen, die im Nucleus entweder monosome oder trisome Chromosomen aufweisen.[5]

Non-Disjunction kann bei der Meiose in der ersten Reifeteilung auftreten. Die Folge ist, dass zwei der vier Keimzellen das betroffenen Chromatid nicht aufweisen und die andere Hälfte es doppelt besitzt (s. Abb. a[6]). Tritt Non-Disjunction während der zweiten Reifeteilung auf, hat dies zur Folge, dass die Hälfte der Gonaden normal ist, die andere besitzt jeweils keines bzw. zwei des betroffenen Chromatids (s. Abb. b[7]). Bei Trisomie 21 liegt also das 21. Chromosom in den Zellen dreimal vor.

2.1.3 Translokation

In 3 % der Fälle liegt eine Translokation vor. Hierbei unterscheidet man zwischen der unbalancierten und der balancierten Translokation. In beiden Fällen kommt es zu einem Brechen der Chromosomen, wobei die Bruchstücke an verschiedenen Orten wieder verschmelzen.

Bei der unbalancierten Translokation sind die Bruchstücke so groß, dass sie ein zusätzliches funktionsfähiges Chromosom bilden. Der balancierten Translokation ist mit inbegriffen, dass es zu keinem Verlust oder Zugewinn chromosomalen Materials kommt. Das 21. Chromosom ist hierbei an ein anderes gebunden. Wenn dieser Fall vorliegt, ist Trisomie 21 nicht phänotypisch erkennbar. In 50 % der Fälle wird es jedoch weiter vererbt, dabei kann es zum Auftreten der Anomalie kommen.[8]

2.1.4 Mosaik

Bei der Mosaikbildung sind nicht alle Zellen von der Trisomie betroffen bzw. ausgeschlossen. Die lässt sich auf ein Non-Disjunction zurückführen. Je früher dies bei der Embryogenese der Fall war, desto höher ist der Anteil an trisomalen Zellen. Überwiegt er jedoch, ist davon auszugehen, dass die Zygote ursprünglich trisomal angelegt war und nur während der mitotischen Teilung einen Chromosomenverlust unterlag. Die Mosaikbildung kommt in ca. 2 % der Fälle vor.[9]

2.2 Begünstigende Faktoren

„Während das Risiko für ein lebend geborenes Kind mit Trisomie 21 bei einer 20-jährigen 1 zu 1500 beträgt, ist das Risiko bei einer 45- jährigen Frau 1 zu 30.“[10]Dieses Zitat zeigt, wie durch das Alter der Mutter das Risiko von Trisomie 21 beim Kind maßgeblich beeinflusst wird. Allerdings müssen auch noch andere Faktoren in Betracht gezogen werden.

Ursache für das erhöhte Risiko ist mutmaßlich das Lockern der Chiasmata. Chiasmata sind verknüpfende Überkreuzungen homologer Chromatiden mit zunehmendem Alter. Das führt dazu, dass homologe Chromosomen nicht richtig erkannt werden können - eine Fehlverteilung wird hierdurch begünstigt.[11]

Darüber hinaus stellen auch radioaktive Strahlen eine Gefahr dar, da sie Translokationen begünstigen können. Man konnte auch ein erhöhtes Auftreten von Trisomie 21 nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl beobachten. Ein gesicherter Zusammenhang ist jedoch nicht erwiesen.

Ein größeres Intervall zwischen Ovulation und Fertilisierung, die Befruchtung der Eizelle, ist wahrscheinlich auch beeinflussend. Hingegen ist das Alter des biologischen Vaters zumindest statistisch irrelevant, da nur in etwa 5 % der Fälle die trinomische Anomalie der Samenzelle zugerechnet werden kann.[12]

Die Beeinflussung dieser Hintergründe auf eine erhöhte Anzahl von aneuploiden Keimzellen ist bisher nicht hinreichend erforscht und stellt größtenteils eine Vermutung dar.

2.3 Diagnostik

Grundlegend wird bei der Pränataldiagnostik zwischen invasiver und nichtinvasiver unterschieden. Beide Themen beinhalten eine Vielzahl von Untersuchungen und Methoden, hier werden die Folgenden vorgestellt, die für die Diagnostik von Trisomie 21 relevant sind.

2.3.1 Nichtinvasive Untersuchungsmethoden

In der Schwangerschaft sind drei Ultraschalluntersuchungen ab der 19. SSW üblich. Diese werden meist im Abstand von zehn Wochen durchgeführt.

Bei diesen nichtinvasiven Methoden können Entwicklungsanomalien entdeckt werden. Sehr auffällige strukturelle Veränderungen werden Hardmarker genannt. Sie erhöhen die Mortalitätsrate nach der Geburt. Herzfehler könne jedoch nur in 5 % der Fälle entdeckt werden. Dies hängt stark von der Erfahrung des Arztes und den zur Verfügung stehenden diagnostischen Instrumenten ab. Durch eine Farbdopplersonographie – das ist eine bestimmte Art der Echokardiotokographie[13]- können gleichzeitig funktionelle und morphologische Defekte entdeckt werden. So werden durch diese Untersuchungsmethode krankhafte Veränderungen des Herzens etwa zwei Wochen früher als durch eine Kardiotokographie diagnostiziert.[14]

Eine Duodenalatresie (s. 3.1 Phänotypische Auffälligkeiten) ist ein wichtiger Indikator für Trisomie 21. Die Atresie ist häufig erst aber der 21.- 24. SSW feststellbar. Sie zeigt sich durch zwei hypoechogene[15]Bereiche in der Nähe des Abdomens. Diese Veränderung führt oftmals zu einer überdurchschnittlich großen Menge an Fruchtwasser. Wenn dieses Krankheitsbild pränatal gesichtet werden kann, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das Ungeborene Trisomie 21 hat, bei 30 %.[16]

Ein nichtimmunologischer Hydrops fetalis (NIHF), der im zweiten Trimenon auftritt, ist auch ein Indikator vor Chromosomenstörungen. Er kann sonographisch diagnostiziert werden. Dies sind Flüssigkeitsansammlungen innerhalb des Körpers und in der Haut.[17]

So genannte Softmarker erhöhen nicht das Risiko des frühen Todes, deuten aber auf Trisomien hin. Einer diese Softmarker ist die Nackentransparenzmessung (NT). Während des ersten Schwangerschaftsdrittels kommt es zu Flüssigkeitsansammlungen im Nacken, diese bilden sich meist im Verlauf der Schwangerschaft zurück. Ist dieses Nackenödem jedoch besonders groß oder bildet es sich nur langsam zurück, liegen in 75 % der Fälle eine Trisomie 21 oder 18 vor. Ein verkürzter Humerus (Oberarmknochen) oder ein verkürzter Femur (Oberschenkelknochen) sind in 2,2 bzw. 2,5 % der Fälle ein Symptom für Trisomie 21.[18]

2.3.2 Invasive Untersuchungsmethoden

Am weitesten verbreitet bei Verdacht auf Trisomie 21 ist die Fruchtwasseruntersuchung, auch Amniozentese genannt. Hierbei wird mit einer Hohlnadel unter Sicht mit dem Ultraschallgerät 10 bis 15 ml Fruchtwasser entnommen. Die gewonnenen Zellen werden ca. zwei Wochen lang kultiviert und anschließend auf aneuploide Zellen und Neuralrohrdefekte[19]hin untersucht. Normalerweise erfolgt die Amniozentese während der 15. bis 18. SSW. In seltenen Fällen und bei konkretem Verdacht auf eine Chromosomenanomalie kann sie auch noch später durchgeführt werden. Dies geschieht dann meistens im Zusammenhang mit einem Schnelltest, wobei das Ergebnis schon nach zwei bis drei Tagen vorliegt. Hierbei sind Fehldiagnosen nicht ausgeschlossen und aus diesem Grund wird in jedem Fall noch eine weitere Kultivierung der entnommen Zellen vorgenommen.[20]

Positiv bei dieser Methode ist die Genauigkeit des Ergebnisses, jedoch sollten m.E. keinesfalls die negativen Aspekte minder bewertet werden. Häufig distanziert sich die Schwangere von ihrem ungeborenen Kind. Dadurch werden zum Beispiel Kindsbewegungen später wahrgenommen und die werdende Mutter empfindet die lange Wartezeit als große psychische und körperliche Belastung. Zudem können Folgekomplikationen wie Krämpfe, Fruchtwasserverlust, leichte Blutungen und Wehen nicht ausgeschlossen werden.[21]

Die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt in Folge einer Amniozentese liegt bei etwa 1:100-200. Zum Vergleich liegt das Risiko für ein lebendgeborenes Kind mit Trisomie 21 durchschnittlich bei 1:700. So ist die Wahrscheinlichkeit höher durch eine Amniozentese einen Abort zu erleben, als ein Kind zu gebären, das das Down-Syndrom hat.[22]

Eine weitere Methode zum Diagnostizieren von Trisomie 21 ist die Chorionzottenbiopsie, auch Plazentapunktion genannt. Diese Untersuchung erfolgt in der 10. bis 13. SSW. Hierbei wird mittels einer Hohlnadel Plazentagewebe entnommen. Da keine Kultivierung notwendig ist, liegt das Ergebnis nach etwa zwei Tage vor. Lediglich zur Sicherheit wird eine Langzeitkultivierung unternommen. Bei dieser Art der pränatalen Diagnostik können eine Vielzahl von Komplikationen auftreten. So kann es zu einer Vermischung des mütterlichen und fetalen Blutes kommen, was bei einer Rhesus positiven Mutter mit einem Rhesus negativem Kind zu starken Beeinträchtigung der Schwangerschaft führen kann. Gegen diese Aggravation werden präventiv Medikamente gegeben. Außerdem ist eine Fehlbildung von Unterkiefer, Finger, Zunge und Zähnen nicht auszuschließen. Beim Vorliegen einer Mosaikbildung kann zudem ein unklarer Befund vorliegen. Das Fehlgeburtsrisiko steigt von 1:25-1:40 auf 1:14-1:29.[23]

Die Fetalblutentnahme ist ab der 18. SSW möglich. Auch hierbei wird mit Hilfe einer Hohlnadel Blut aus der Nabelschnur entnommen. Die Beurteilung der Chromosomenstruktur liegt nach drei bis vier Tagen vor. Das Verfahren wird jedoch nur bei einem unklaren Befund durch Amniozentese oder Ultraschall durchgeführt, da das Fehlgeburtsrisiko bei 1:33-1:100 liegt.[24]

3. Postnatal

3.1 Phänotypische Auffälligkeiten

Die phänotypischen Auffälligkeiten und ihre Ausprägungen sind bei den meisten Betroffenen vergleichbar, obwohl das 21. Chromosom zu den kleinsten gehört und nur etwa 1.5 % der DNA enthält. Ein kompakte Darstellung der morphologischen Anomalien findet sich in Tariverdian und Buselmaiers Werk „Humangenetik“:

„Der Kopf ist brachyzephal[25]mit abgeflachtem Hinterkopf, kurzem Hals und überflüssiger Nackenhaut. Das Gesicht ist rund mit flachem Profil, schräg nach oben außen gerichteten Augenliedachsen, Hypertelorismus[26], Epikanthus[27], spärlichen Augenwimpern, Brushfield-Flecken[28]auf der Iris, flacher Nasenwurzel, kleinem, offen gehaltenem Mund, evertierter Unterlippe, stark gefurchter und großer Zunge, kleinen, […] [fehlentwickelten] tief sitzenden Ohren.“[29]

Bei Neugeboren ist zudem eine Überstreckung der Gelenke möglich und eine Muskelhypotonie[30]weit verbreitet. Abgesehen von diesen morphologischen Anomalien, liegen bei 50% der Menschen mit Trisomie 21 Fehlbildungen des Herzens vor, außerdem Duodenalatresie.[31]

3.2 Geistige und körperliche Entwicklung

Schon vor der chromosomalen Entdeckung der Anomalie wurden 1951 92 % aller vom Down-Syndrom Betroffenen als geistig behindert eingestuft. Eine geistige Behinderung schließt mit ein, dass neue Reize nicht verarbeitet werden können und später ein selbstständiges Leben nicht möglich ist. Hierbei bezieht man sich auf die Intelligenz und soziale Kompetenz.[32]92% der statistisch erfassten Fälle weisen weitere Behinderungen auf.

Diese morphologischen und psychischen Veränderungen können zum Problem werden, da das durchschnittliche Verhalten, dass die meisten Eltern von ihren Säuglingen erwarten, nicht erbracht wird. Starke körperliche Behinderungen bei Säuglingen führt zum Beispiel zu einem apathischen Verhalten, wobei entweder die äußeren Reize von dem Kind nicht aufgenommen werden können oder eine Reaktion keinen Ausdruck findet. Das Gegenteil ist jedoch auch möglich, hierbei ist das Kleinstkind sehr verspannt und schreibt viel, ebenfalls wird es aber nicht sensibel für äußere Reize.[33]Bei Kindern mit Down-Syndrom tritt Letzteres jedoch eher selten auf, da sie meist einen verminderten Muskeltonus aufweisen, vorwiegend werden sie als ruhiger und anspruchsloser beschrieben. Bei starken körperlichen Fehlbildungen, kann zudem das Neugeborene abstoßend auf die Eltern wirken. Alle diese Faktoren stellen eine zusätzliche Belastung vorwiegend für die Eltern dar, die meist durch die Reaktion des Umfeldes noch verstärkt wird.

Die auftretenden Entwicklungsverzögerungen sind sowohl intellektuell als auch motorisch und in der Sprachentwicklung zu beobachten. Ein wichtiger Entwicklungsschritt ist etwa die Fähigkeit, aus der Tasse trinken zu können oder den Löffel zu halten. So können nach den ersten 15 Monaten 30% der Kinder mit Down-Syndrom aus der Tasse trinken – bei den nicht beeinträchtigten Kindern 70%. Lediglich 15 % der Betroffenen könnten mit dem Löffeln essen, der Norm entsprechend wären es 60 %.[34]

Ein interessanter Aspekt ist auch, dass Säuglinge und Kleinkinder mit Down-Syndrom weniger Kuscheltiere oder Licht zum Einschlafen brauchen. Dies lässt sich wiederum auf die geistige Retardierung zurückführen. Die Angst vieler Kleinkinder rührt daher, dass sie bei Dunkelheit Gestalten sehen. Dafür ist jedoch eine gewisse Fantasie notwendig, die behinderte Kinder oftmals nicht besitzen.[35]

Im Alter von vier Jahren werden erneut Entwicklungsstadien erfasst. So können 90 % der gesunden Kinder eine Toilette benutzen, 63% tun dies selbstständig. 20 % der Kleinkinder mit Down-Syndrom besuchen eine Toilette, die Hälfte davon selbstständig. Bei 67% der Unbeeinträchtigten ist es nicht mehr nötig, dass sie nachts Windeln tragen, jedoch in 7 % der Fälle, bei denen eine Trisomie 21 vorliegt.[36]

Beachtlich ist jedoch der Aspekt, dass die Entwicklungsgeschwindigkeit bei Kindern mit Down-Syndrom wesentlich unterschiedlicher ist. 9 % besitzen mit sechs Monaten die Fähigkeit einen Gegenstand von der einen in die andere Hand zu wechseln, der Durchschnitt liegt bei 5,4 Monaten. Andererseits sind auch 2 % der Kinder erst mit 24 Monaten im Stande, so etwas zu vollziehen. Vergleichbares lässt sich auch bei der Sprachentwicklung beobachten. 25 % können im Alter von 10 Monaten Silben wie „ma-ma“ oder „da-da“ verdoppeln, hingegen können 2% dies im Alter von vier Jahren immer noch nicht.[37]

Oft werden Menschen mit Down-Syndrom in ihrer Entwicklung und ihren Bedürfnissen gleichgesetzt. Dass dies falsch ist, zeigt sich schon, wenn die Verteilung der Entwicklungsquotienten genau beobachtet werden. Dann stellt man fest, dass die Entwicklungsspanne noch größer ist als bei Menschen ohne Behinderung. Genaue Gründe konnte man hierfür noch nicht feststellen, jedoch dienen solche Zahlen oftmals als Motivation für Eltern und Angehörige bei der Förderung der Betroffenen.[38][39]

Bei der emotionalen und sozialen Entwicklung wurden zusätzliche Unterschiede festgestellt. Cicchetti und Sroufe wandten 1976 einen Test bei 14 Kindern mit Down-Syndrom im Alter zwischen 4 und 24 Monaten an. Der Test baut auf der Theorie auf, dass der Reiz, durch den sich ein Kind freut, je nach psychologischer Entwicklung variiert. So sind zunächst taktile[40]und auditive Reize ansprechend, darauf folgen später soziale und visuelle. Einerseits wurde eine deutlich verzögerte Entwicklung auch in diesem Bereich festgestellt, andererseits aber auch eine generell abgemilderte Reaktion. Wenn bei unbehinderten Kindern ein Lachen vorlag, so zeigten Babys mit Down-Syndrom lediglich ein Lächeln.[41]

Im selben Jahr führten Serafica und Cicchetti einen Test durch, der die Stärke und Art von Affekten[42]betraf. So zeigten Kinder mit Down-Syndrom keine Gefühlsregung als sie von ihren Müttern getrennt wurden, unbehinderte Kinder fingen hingegen an zu weinen. Auch eine Vermeidung von Blickkontakt wurde festgestellt, dies ist ein weiteres Hindernis beim Spracherwerb und wirkt sich negativ auf die Entstehung sozialer Kontakte aus. Anders als erwartet hält das Kind Blickkontakt zur Mutter, ohne den Blick schweifen zu lassen. Dieses Verhalten wirkt sich positiv auf eine starke Mutter-Kind-Bindung aus. Beachtlich ist m.E. außerdem, dass nur eine geringe Flexibilität der Blickbewegungen vorliegt. Das meint, dass ein Kind zwischen z.B. einem Gegenstand und dem Gesicht der Mutter wechselt. Dieses Verhalten wird eine große Rolle bei der vorsprachlichen Entwicklung zugeordnet.[43]

[...]


[1]Vgl. Tariverdian, Gholamali/ Buselmaier, Werner: Humangenetik, 3. Auflage, s.d. New York, S. 91-92.

[2]Vgl. Wilken, Etta: Menschen mit Down-Syndrom in Familie, Schule und Gesellschaft : ein Ratgeber für Eltern und Fachleute, 2.Auflage, 2009 Marburg, S. 7.

[3]Vgl. Tariverdian, Gholamali/ Buselmaier, Werner: Humangenetik, 3. Auflage, s.d. New York, S. 12.

[4]Engl. „disjunction“- Trennung.

[5]Vgl. Graw, Jochen/ Henning, Wolfgang: Genetik, 5. Auflage, Heidelberg 2010, S. 396.

[6]Ebd., S. 488.

[7]Ebd.

[8]Vgl. Wilken, Etta: Sprachförderung bei Kindern mit Down-Sydrom, 10. Auflage, 2008 Stuttgart, S. 14-15.

[9]Vgl. Tariverdian, Gholamali/ Buselmaier, Werner: Humangenetik, 3. Auflage, s.d. New York, S. 125-126.

[10]Ebd., S. 124.

[11]Vgl. Tariverdian, Gholamali/ Buselmaier, Werner: Humangenetikfür Biologen, Berlin 2006, S.111.

[12]Vgl. Tariverdian, Gholamali/ Buselmaier, Werner: Humangenetik, 3. Auflage, s.d. New York, S. 123.

[13]Echokardiographie - Ultraschalluntersuchung des Herzens.

[14]Vgl. Holzgreve, Wolfgang: Ultraschall in Gynäkologie und Geburtshilfe, 1. Auflage, o.O. 1995, S. 372.

[15]hypoechogen – Schallwellen schwach reflektierend.

[16]Ebd., S. 372.

[17]Vgl. Strass, Alexander: Ultraschallpraxis: Geburtshilfe und Gynäkologie, 2. Auflage, Heidelberg 2008, S. 302.

[18]gl. Holzgreve, Wolfgang: Ultraschall in Gynäkologie und Geburtshilfe, 1. Auflage, o.O. 1995, S. 373.

[19]Neuralrohrdefekt – Fehlbildungen des Neuralrohrs, später Gehirn und Rückenmark

[20]Vgl. Wassermann, Kirsten / Rohde,Anke: Pränataldiagnostik und psychosoziale Beratung: Aus der Praxis für die Praxis, Stuttgart 2009, S. 44.

[21]Ebd., S. 45.

[22]Vgl. Wassermann, Rohde: Pränataldiagnostik und psychosoziale Beratung, Stuttgart 2009, S. 46-47.

[23]Vgl. Jeannine Sabine Peters Spätabbruch: Schwangerschaftsabbruch nach der Pränataldiagnostik, Hamburg 2011, S. 15.

[24]Vgl. Wassermann, Rohde, S. 48.

[25]brachyzephal – kurz- und rundschädelig.

[26]Hypertelorismus – großer Augenabstand.

[27]Epikanthus – Hautfalte am inneren Rand des oberen Augenlids.

[28]Brushfield-Flecken – weiße, über die Iris verteilte Flecken.

[29]Vgl. Tariverdian, Gholamali/ Buselmaier, Werner: Humangenetik, 3. Auflage, s.d. New York, S. 133.

[30]Hypothonie – herabgesetzte Muskelspannung.

[31]Ebd., S.133.

[32]Negru, Liuba: WHO – Weltgesungheitsorganisation, 25.11.11.

[33]Senke, Barbara: Mit geistig Behinderten leben und arbeiten, 7. Auflage, o.O 2004

[34]Vgl. Wendeler, Jürgen: Psychologie des Down-Syndrom, 2. Auflage, Bern 1996, S. 26.

[35]Ebd., S. 26.

[36]Vgl. Wendeler, Jürgen: Psychologie des Down-Sydrom, Band 32, 1. Auflage, 1988 Bern, S. 25-29

[37]Ebd., S. 32.

[38]Ebd., S. 32.

[39]Eine detaillierte Darstellung des Erreichens der einzelnen Entwicklungsphasen finden Sie im Anhang.

[40]taktil - den Tastsinn betreffend.

[41]Ebd.. S.33.

[42]Affekt - zeitlich kurze und intensive Gefühlsregung.

[43]Ebd., S.34.

Final del extracto de 22 páginas

Detalles

Título
Down-Syndrom. Das Leben mit der genetischen Erkrankung "Trisomie 21"
Subtítulo
Von der pränatalen Diagnostik bis zur Lebenswirklichkeit
Calificación
14 Punkte
Autor
Año
2011
Páginas
22
No. de catálogo
V190425
ISBN (Ebook)
9783668668201
ISBN (Libro)
9783668668218
Tamaño de fichero
639 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Down, Down-Syndrom, Trisomie, Trisomie 21, pänatale Diagostik, Ethik, Chromosom, Non-Disjunction
Citar trabajo
Gesche Tuchtfeld (Autor), 2011, Down-Syndrom. Das Leben mit der genetischen Erkrankung "Trisomie 21", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190425

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