E. T. A. Hoffmanns zu Lebzeiten zuletzt erschienene Erzählung „Des Vetters Eckfenster“, die im Gesamtwerk Hoffmanns aufgrund der autobiographischen Bezüge und der exemplarischen Durchführung seines im Spätwerk herausgearbeiteten poetologischen Konzepts („das serapiontische Prinzip“) eine zentrale Stelle einnimmt, wurde bisher literaturgeschichtlich sehr unterschiedlich eingeordnet. Die Spannweite der Einschätzungen reicht von der Zurechnung zur Romantik über die Schwelle zum Biedermeier bis hin zum poetischen (Früh-) Realismus, wobei viele Interpretatoren den fließenden Übergangs- bzw. Schwellencharakter der Erzählung herausstellen, der auf kommende literarische Epochen verweist. Die Unsicherheit in der literaturhistorischen Einordnung, die zweifelsohne aus Hoffmanns Entwicklung vom nachtseitigen „Gespenster-Hoffmann“ hin zum „späten Hoffmann [, der] andere, historisch konkretere Züge auf[weist] als das Frühwerk“ , herrührt, trübt jedoch in keiner Weise die enorme Wertschätzung, die Hoffmanns letzter Erzählung in der Sekundärliteratur entgegengebracht wird.
Fritz Martini sieht in Hoffmanns „Des Vetters Eckfenster“ „eine seiner letzten und schönsten Erzählungen“ und nennt sie „einen geradezu typische[n] Ausdruck des bürgerlichen Biedermeier mit dem Einschluss eines mühsam gebändigten Grundgefühls schmerzlicher Resignation, mit weltverklärendem Realismus und weltüberwindenden Humor“. Auch Walter Benjamin streicht in seiner Untersuchung zum frz. Lyriker Baudelaire die Nähe der Hoffmannschen Skizze zum Biedermeier heraus. Kurt Willimczik rückt das „Eckfenster“, das er als „Höhepunkt des Hoffmannschen Schaffens“ anerkennt, eher in Richtung des Realismus, von dem „die Anfänger der ‘realistischen Erzählung’ […] lernen könnten“. Zu einem ähnlichen Urteil gelangt Lothar Köhn: Die „Gesamtstruktur [des „Eckfensters“] deutet, unmittelbarer vielleicht als die anderer Hofmannscher Erzählungen, auf die Literatur kommender Jahrzehnte hin.“ Er sieht „Des Vetters Eckfenster“ als Schlusspunkt einer Entwicklung hin zum poetischen Realismus, ebenso wie Karl Riha: „Als literarisches Dokument begründet Hoffmanns Erzählung […] in spätromantischer Landschaft eine der wesentlichen Positionen des deutschen Frührealismus.“
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Forschungsüberblick und Ziele
- Entstehungsgeschichte und autobiographische Elemente
- Der „serapiontische Prinzipienkomplex“ und die exemplarische Umsetzung als poetisches Testament
- Die große Stadt Berlin und das Zeitgenössische
- Das Motiv der großen Stadt
- Erzählte Räume
- Sozialkritik und sozialer Wandel
- Die Isolation des Künstlers
- Zusammenfassung
- Literaturverzeichnis
- Primärliteratur
- Sekundärliteratur
- Bildnachweis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit befasst sich mit der Erzählung „Des Vetters Eckfenster“ von E.T.A. Hoffmann und untersucht die Sonderstellung dieses Werks innerhalb seines Gesamtwerks. Die Arbeit analysiert den Zusammenhang zwischen den Skizzen des Vetters und der beobachteten Wirklichkeit, wobei auch das Verhältnis zwischen der erzählten Wirklichkeit und der alltäglichen Wirklichkeit Hoffmanns beleuchtet wird.
- Die Bedeutung von „Des Vetters Eckfenster“ als autobiographisches und poetologisches Testament
- Der „serapiontische Prinzipienkomplex“ und seine Umsetzung in der Erzählung
- Die Rolle der großen Stadt Berlin in der Erzählung
- Die Isolation des Künstlers in der bürgerlichen Welt
- Das Verhältnis zwischen phantastischen und realistischen Elementen in der Erzählung
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung gibt einen Überblick über die literaturgeschichtliche Einordnung von „Des Vetters Eckfenster“ und stellt die verschiedenen Interpretationsansätze vor.
- Das zweite Kapitel beleuchtet die Entstehungsgeschichte der Erzählung und untersucht die autobiographischen Elemente.
- Das dritte Kapitel befasst sich mit dem „serapiontischen Prinzipienkomplex“, der in „Des Vetters Eckfenster“ exemplarisch umgesetzt wird.
- Kapitel 4 widmet sich der Darstellung der großen Stadt Berlin als erzähltem Raum und beleuchtet die soziale Kritik und den gesellschaftlichen Wandel der Zeit.
- Das fünfte Kapitel analysiert die Isolation des Künstlers in der bürgerlichen Welt.
Schlüsselwörter
E. T. A. Hoffmann, Des Vetters Eckfenster, Poetologie, Serapiontische Prinzipienkomplex, Berlin, Stadtbild, Isolation des Künstlers, Phantastisches, Realismus, Autobiographie, Gesellschaftskritik, Biedermeier, Romantik.
- Quote paper
- Markus Wawrzynek (Author), 2000, 'Des Vetters Eckfenster' als E. T. A. Hoffmanns poetisch-poetologisches Testament, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19073