Budgets und Budgetierung zählen fraglos zu den bewährten Führungs- und Koordinationsinstrumenten in der Unternehmenspraxis. Doch die bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts existierende traditionelle Budgetierung ist neuerdings vermehrt in die Kritik von Wissenschaftlern und Praktikern geraten. Schon in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde der Budgetierung vorgeworfen, dass sie zu starr und unflexibel ist, zu viele Ressourcen benötigt und vor allem zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Zusätzlich zu diesen Kritikpunkten wird in der heutigen Zeit bemängelt, dass die Budgetierung keine strategischen Zielgrößen berücksichtigt. Aufgrund dieses Defizites wurden in den letzten Jahren neue Steuerungsinstrumente wie z.B. die Balanced Scorecard entwickelt, deren volles Potenzial aber aufgrund der Blockade der Budgetierung nicht aus- geschöpft wird. Bisher fehlte eine überzeugende Alternative zur traditionellen Budgetierung, doch Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts haben sich zwei Entwicklungsrichtungen unter den Schlagworten Beyond Budgeting und Better Budgeting herauskristallisiert. Während Ersteres auf die Überwindung der Budgetierung abzielt, versucht Letzteres eine Weiterführung der traditionellen Budgetierung umzusetzen, um somit die Effizienz von Budgetierungsprozessen zu verbessern.
Ziel dieser Arbeit ist es, anhand der Kritikpunkte an der traditionellen Budgetierung Verbesserungen im Sinne des Better Budgeting und des Beyond Budgeting darzustellen, und kritisch zu betrachten, ob diese Vorschläge zum einen brauchbar und zum anderen neu sind. Dazu wird in Kapitel 2 die traditionelle Budgetierung dargestellt und deren Funktionen kurz erläutert. Im Anschluss daran folgen die am häufigsten in der Litera- tur aufgeführten Kritikpunkte mit einer jeweiligen kritischen Wertung. Kapi- tel 3 stellt den Ansatz des Better Budgeting vor, wobei hier in drei Kon- zepte unterschieden wird. In Kapitel 4 folgt die Darstellung des Beyond Budgeting Modells. Hierbei wird der Schwerpunkt auf die zwölf Prinzipien des Modells, mit einer anschließenden knappen Betrachtung der unter stützenden Instrumente und der Implementierbarkeit des Modells, gelegt. In beiden Kapiteln wird jeweils geprüft, inwiefern die Verbesserungsvorschläge bzw. Prinzipien Lösungen für die in Kapitel 2 aufgeführten Kritik- punkte an der traditionellen Budgetierung geben. In Kapitel 5 folgt darauf aufbauend eine kritische Betrachtung der Konzepte
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 TraditionelleBudgetierung
2.1 Entstehungsgeschichte
2.2 Erläuterung wesentlicher Begriffe
2.2.1 Planung
2.2.2 Budget und Budgetierung
2.3 Funktionen
2.4 Zentrale Eigenschaften
2.5 Kritik
2.5.1 Hauptkritikpunkte
2.5.2 Sonstige Kritikpunkte
3 Better Budgeting - Weiterführung der Budgetierung
3.1 Konzept nach Gleich/Kopp
3.1.1 Acht Prinzipien einer neuen Planung und Budgetierung
3.1.2 ErgänzendeAspekte zu den Prinzipien
3.2 Konzept nach Horváth
3.2.1 Änderungen an der Organisation des Planungsablaufes
3.2.2 Änderungen an den Inhalten der Planung und Budgetierung.
3.2.3 Verbesserte Instrumentenunterstützung
3.2.4 SonstigeVerbesserungen dertraditionellen Budgetierung
3.3 Konzept nach Pfläging
3.3.1 Gestaltungsvorschläge des Better Budgeting
3.3.2 Instrumente bzw. Werkzeuge des Better Budgeting
3.4 Zusammenfassung
4 Beyond Budgeting - Überwindung der Budgetierung
4.1 Entstehungsgeschichte
4.2 Konzeptionelle Gestaltung
4.2.1 Sechs Prinzipien zur neuen Führungsvision
4.2.2 Sechs Prinzipien zum angepassten Managementprozess
4.2.3 Zusammenhang zwischen den zwei Prinzipiengruppen
4.3 Instrumentenunterstützung
4.3.1 Darstellung der Instrumente
4.3.2 Zusammenhang der Instrumente
4.4 Umsetzung und Implementierbarkeit
5 Vergleich zwischen Better und Beyond Budgeting
5.1 Kritische Betrachtung
5.1.1 BetterBudgeting
5.1.2 Beyond Budgeting
5.1.3 Abgrenzung beider Ansätze
5.2 Was ist wirklich neu?
6 Zusammenfassung der Arbeit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
Budgets und Budgetierung zählen fraglos zu den bewährten Führungsund Koordinationsinstrumenten in der Unternehmenspraxis. Doch die bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts existierende traditionelle Budgetierung ist neuerdings vermehrt in die Kritik von Wissenschaftlern und Praktikern geraten. Schon in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde der Budgetierung vorgeworfen, dass sie zu starr und unflexibel ist, zu viele Ressourcen benötigt und vor allem zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Zusätzlich zu diesen Kritikpunkten wird in der heutigen Zeit bemängelt, dass die Budgetierung keine strategischen Zielgrößen berücksichtigt. Aufgrund dieses Defizites wurden in den letzten Jahren neue Steuerungsinstrumente wie z.B. die Balanced Scorecard entwickelt, deren volles Potenzial aber aufgrund der Blockade der Budgetierung nicht ausgeschöpft wird. Bisher fehlte eine überzeugende Alternative zur traditionellen Budgetierung, doch Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts haben sich zwei Entwicklungsrichtungen unter den Schlagworten Beyond Budgeting und Better Budgeting herauskristallisiert. Während Ersteres auf die Überwindung der Budgetierung abzielt, versucht Letzteres eine Weiterführung der traditionellen Budgetierung umzusetzen, um somit die Effizienz von Budgetierungsprozessen zu verbessern.
Ziel dieser Arbeit ist es, anhand der Kritikpunkte an der traditionellen Budgetierung Verbesserungen im Sinne des Better Budgeting und des Beyond Budgeting darzustellen, und kritisch zu betrachten, ob diese Vorschläge zum einen brauchbar und zum anderen neu sind. Dazu wird in Kapitel 2 die traditionelle Budgetierung dargestellt und deren Funktionen kurz erläutert. Im Anschluss daran folgen die am häufigsten in der Literatur aufgeführten Kritikpunkte miteiner jeweiligen kritischen Wertung. Kapitel 3 stellt den Ansatz des Better Budgeting vor, wobei hier in drei Konzepte unterschieden wird. In Kapitel 4 folgt die Darstellung des Beyond Budgeting Modells. Hierbei wird der Schwerpunkt auf die zwölf Prinzipien des Modells, mit einer anschließenden knappen Betrachtung der unter stützenden Instrumente und der Implementierbarkeit des Modells, gelegt. In beiden Kapiteln wird jeweils geprüft, inwiefern die Verbesserungsvorschläge bzw. Prinzipien Lösungen für die in Kapitel 2 aufgeführten Kritikpunkte an der traditionellen Budgetierung geben. In Kapitel 5 folgt darauf aufbauend eine kritische Betrachtung der beiden vorgestellten Ansätze. Weiter wird hier insbesonders darauf eingegangen, was wirklich neu ist. Den Abschluss dieser Arbeit bildet Kapitel 6 mit einer Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse und einem Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf.
2 Traditionelle Budgetierung
Dieses Kapitel gibt eine Einführung in die traditionelle Budgetierung, wobei nach einer komprimierten Darstellung der Entstehungsgeschichte, der Begrifflichkeiten, der Funktionen und der Eigenschaften der Budgetierung eine ausführliche und zugleich kritische Beschreibung der derzeitig in der Literatur aufgeführten Kritikpunkte folgt.
2.1 Entstehungsgeschichte
Die traditionelle Budgetierung entstand Anfang des 20. Jahrhunderts unter dem Begriff „Budgetary Control Model“ in den USA als Instrument zur Steuerung von Kosten und Finanzflüssen in großen Industrieunternehmen wie DuPont, General Motors oder Siemens. Ausgangspunkt für die damals neue Art der Unternehmenssteuerung auf Basis von Budgets, Zielvereinbarung und Abweichungsanalyse war der Ansatz eines Scientific Managements, einer rationalen Unternehmensführung, von Frederik W. Taylor.[1]Dieses Organisations- und Steuerungsmodell für die operativen Aktivitäten von Industrieunternehmen war damals sehr technisch orientiert, d.h. es basierte auf einer wissenschaftlichen Analyse von Arbeitsvorgängen mit dem Ziel der Produktivitätserhöhung. Darüber hinaus regte Taylor die Trennung von operativen Aufgaben und planerischen Tätigkeiten an. Er befürwortete also unabhängige Planungsabteilungen, die Planungsaufgaben für die operativen Einheiten leisten sollten. Das Modell von Taylor wurde somit durch eine Managementorganisation und ein managementorientiertes Steuerungsmodell ergänzt, welches den Planungsabteilungen als Werkzeug für die Führung und Steuerung des gesamten Unternehmens aus wirtschaftlicher Sicht diente. An dieser Stelle hat das Budgetary Control Model seine Wurzeln.
In Europa hat sich das Modell erst Anfang der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts durchgesetzt. Anstoß dafür war eine internationale, in Genf stattfindende Konferenz zum Thema Budgetary Control, auf der u.a. die Budgettechnik, psychologische Aspekte und organisatorische Abläufe, sowie Erfahrungsberichte von Anwendern des Modells thematisiert wurden. In den Folgejahren wurde das Budgetthema intensiv in der jeweiligen Fachpresse und auf nationalen Konferenzen diskutiert. Das Budgetary Control Model begann sich mehr und mehr in den Unternehmen zu verbreiten, hat sich aber erst ab den 60er Jahren als ein allgemein akzeptiertes Unternehmenssteuerungsmodell in Europa durchgesetzt.
2.2 Erläuterung wesentlicher Begriffe
2.2.1 Planung
Die Versuche unterschiedlicher Autoren, den Begriff Planung zu definieren, sind vielfältig und zahlreich. Obwohl sich dabei kein einheitlicher Planungsbegriff herauskristallisiert hat, weisen alle Ansätze Gemeinsamkeiten auf, und dementsprechend zeichnet sich die Planung durch die folgenden Merkmale aus:[2]
- Planung wird als ein rationaler, sich an Zielen orientierender Prozess gesehen.
- Planung bezieht sich auf zukünftige Handlungen.
- Planung bedeutet einen Informationsverarbeitungsprozess. Ohne relevantes Wissen kann nicht geplant werden.
Bei der Planung ist es üblich, eine Abstufung in strategische, taktische und operative Planung vorzunehmen, wobei in dieser Arbeit insbesondere die strategische und die operative Planungsstufe von Relevanz sind. Auf der strategischen Stufe wird die grundsätzliche Entwicklung des gesamten Unternehmens für einen längeren Zeitraum von ca. fünf bis über zehn Jahre geplant und kontrolliert. Zu den Inhalten der strategischen Planung gehören u.a. die Entwicklung von Produkten, der Aufbau von Marktpositionen, die Schaffung eines qualifizierten Führungspersonals und Mitarbeiterstamms. Das Ergebnis dieser Planung stellt dann einen Rahmen dar, anhand dessen sich die operative Planung orientieren muss. Diese umfasst einen kürzeren Planungshorizont, nämlich bis ein
Jahr und kürzer, und beinhaltet den Leistungserstellungs- und den Leistungsaustauschprozess im Rahmen gegebener Kapazitäten. Typische Planungsgegenstände sind die Produktionsmengen und deren zeitliche Verteilung, die Losgrößen, der konkrete Produktionsdurchlauf, die Bestellung und der Personaleinsatz. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die strategische Planung einen großen Planungsumfang umfasst und wenig detailliert ist, ganz im Gegensatz zur operativen Planung, die eine konkrete Umsetzung mit hohem Detaillierungsgrad beinhaltet.[3]
Des Weiteren ist es wichtig, zwischen sachziel- und formalzielorientierter Planung, also dem Zielbezug der Planungen, zu differenzieren, damit im Anschluss an diesen Abschnitt die Definition von Budget verständlich wird. Sachzielorientierte, nicht-monetäre Planungen beziehen sich auf die Festlegung und Erreichung von Sachzielen, bzw. realen Objekten durch die dazugehörigen Programme, bzw. Aktionen, wie z.B. die Herstellung einer bestimmten Anzahl eines neuen Produktes oder die Einführung einer neuen Fertigungstechnologie. Der Fokus bei formalzielorientierten, monetären Planungen liegt auf der wertmäßigen Erfolgsplanung und -kontrolle. Diese beziehen sich auf Erfolgs- und Liquiditätsaspekte von Handlungsalternativen, wie z.B. dem Ziel, einen bestimmten Umsatz und/oder eine bestimmte Rentabilität zu erreichen.
2.2.2 Budget und Budgetierung
Für die Begriffe Budget und Budgetierung existieren in der Praxis und in der Literatur keine einheitlichen Definitionen. In der angelsächsischen Literatur wird z.B. der Begriff „budgeting“ oftmals mit „profit planning and control“ gleichgesetzt.[4]Danach ist die Budgetierung eine gewinnorientierte Planung und Kontrolle und ein Budget folglich das Ergebnis der Planung.
In der deutschsprachigen Literatur hat sich dagegen ein planungsbasierter Budgetbegriff durchgesetzt, bei dem als ergänzende Merkmale der Vorgabeaspekt für Entscheidungseinheiten und der Verbindlichkeitscharakter betont werden: „Ein Budget ist ein formalzielorientierter, in wertmäßigen Größen formulierter Plan, der einer Entscheidungseinheit für eine bestimmte Zeitperiode mit einem bestimmten Verbindlichkeitsgrad vorgegeben wird.“[5]Bezogen auf diese Definition stellen Budgets schriftlich fixierte, monetäre Plangrößen dar, die einem Verantwortungsbereich, z.B. einer Fertigungsstelle in Form von Kostenbudgets, für eine Periode vorgegeben werden. Bei dieser Vorgabe wird eine Kostensumme angegeben, die nach Möglichkeit nicht überschritten werden sollte. Auf diese Weise wird jedem einzelnen Bereich ein Rahmen gesteckt, in dem sich seine Maßnahmen bewegen müssen. Den Budgetverantwortlichen sind somit bestimmte Entscheidungs- und Handlungsspielräume gegeben, in denen sie nach eigenem Ermessen agieren können, anstatt nach direkten Maßnahmenplänen zu handeln.[6]Dabei sind die Budgets i.d.R. mit bestimmten Leistungs- oder Aufgabenkomplexen verbunden, deren konkrete Planung und Durchführung dem Bereich obliegt. Laut Horväth/Möller umfasst der Begriff Budgetierung die „Aufstellung, Verabschiedung, Kontrolle und Abweichungsanalyse von Budgets. Die Budgetierung ist somit die Phase im Budgetierungsprozess, in der Aktionspläne in wertmäßige Größen umgesetzt werden.“[7]
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Budgets nach Horváth auf allen Planungsstufen existieren können, und dass das Gewicht und der Detaillierungsgrad der Budgets von der Strategiestufe zur operativen Stufe zunehmen. Dabei müssen auf beiden Stufen sach- und formalzielorientierte Pläne aufeinander abgestimmt werden.[8]
2.3 Funktionen
Es lassen sich den Budgets und der Budgetierung insgesamt drei relevante Funktionen zuschreiben: Prognose, Koordination und Motivation.
Zum einen ist die Prognose zukünftiger Entwicklungen, d.h. die Reduzierung von Unsicherheiten über zukünftige Entwicklungen, von Bedeutung. Zum anderen spielt die Koordination eine zentrale Rolle, da hierbei die dezentralen Entscheidungseinheiten und deren Handlungen in einem Unternehmen koordiniert und gesteuert werden. Wie bereits in Kapitel 2.2.2 erläutert, zeigen die Budgets den Mitarbeitern Handlungsspielräume auf, die zu einer impliziten Verhaltensnormierung führen sollen. Aus diesem Grund ist die Mitarbeitermotivation auch eine wichtige Funktion der Budgetierung.
Wird die Budgetierung als formalzielorientierte Planung aufgefasst, so ergeben sich die Funktionen der Budgetierung zunächst aus den Funktionen der Planung generell.[9] In Abbildung 2-1 stellen hier die grau hinterlegten Felderdie Funktionen der Budgetierung dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2-1: Die Funktionen der Planung[10]
Die drei Funktionen der Budgetierung sind notwendig, weil nicht genügend Mittel in einem Unternehmen vorhanden sind, um alle Projekte zu realisieren. Zur Entscheidungsfindung müssen somit die folgenden Aspekte hinzugezogen werden:
1. Prognosefunktion
Zum optimalen Einsatz begrenzter Mittel ist es zweckmäßig, vor der Durchführung einer Handlung die in der relevanten Umweltsituation existierenden Handlungsalternativen näher zu durchdenken und Prioritäten für konkurrierende Handlungsalternativen aufzustellen. Hierzu ist einerseits die Umweltsituation abzuschätzen, und andererseits sind die Handlungsalternativen auszuwählen. Die Manager werden also dazu gezwungen, präzise über die künftig erzielbaren Erfolge nachzudenken, wobei sie sich stark an der Zukunft und der Beeinflussung von Umweltentwicklungen orientieren müssen. Dabei sollen alle Mitarbeiter diejenigen wertmäßigen Informationen erhalten, die über die Gesamtziele und die Erwartungen des Managements an die dezentralen Einheiten informieren.
2. Koordinationsfunktion
Die Budgetierung führt zu einer Koordination aller Entscheidungseinheiten und deren Aktivitäten durch die Formulierung und Kommunikation von Budgets. Sie hat dabei zum Zweck, alle Entscheidungseinheiten auf die Unternehmensziele hin zu steuern. Vom Management werden somit wertmäßige Budgetziele vorgegeben, die von allen dezentralen Einheiten einzuhalten sind. Diese Vorgabe und die Einhaltung der wertmäßigen Budgetziele auf der Basis einer koordinierten Gesamtplanung sollen dabei zu einem mit der Unternehmenszielsetzung abgestimmten Verhalten führen.
3. Motivationsfunktion
Budgets werden in einem Unternehmen zur Motivation von Führungskräften, d.h. zur Ausrichtung ihres Leistungsverhaltens im Sinne des Unternehmensziels, verwendet. Sie informieren die Budgetverantwortlichen darüber, was die Unternehmensleitung von ihnen erwartet. Anstrengungen zur Erreichung dieser Ziele sind auf Dauer nur dann zu erwarten, wenn die operativen Entscheidungseinheiten diese Ziele akzeptieren und sie ihnen als erreichbar erscheinen. Dies impliziert ihre Mitwirkung bei der
Formulierung der Ziele und der von ihnen abgeleiteten Budgets. Die Budgetierung soll also, in Abgrenzung zur Maßnahmenplanung, Freiraum für dezentrale Entscheidungen lassen und somit stärker motivieren.
2.4 Zentrale Eigenschaften
Aufbauend auf den Begrifflichkeiten und den Funktionen der Budgetierung lassen sich im Anschluss daran die zentralen Eigenschaften der Budgetierung nach Weber/Linderableiten:[11]
- Koordination durch Pläne.
Die Budgetierung erreicht die Koordination einzelner Entscheidungseinheiten durch die Formulierung von Budgets und Plänen.
- Grad derDezentralisierung.
In Abhängigkeit vom Grad der Dezentralisierung im Unternehmen kann die Budgetierung mittlels dreier alternativer Varianten erfolgen:
- Top-Down, als zentralistische, retrograde Variante.
- Bottom-Up, als dezentrale progressive Variante.
- Im Gegenstrom mit zentralem Überblickwissen und dezentraler Detailkenntnis.
Ewert/Wagenhofer führen diese Unterteilung unter dem Aspekt der Partizipation in der Budgetierung durch. Die Bereichsmanager nehmen auf die endgültige Fassung der Budgets Einfluss, wenn sie im Rahmen des Budgetierungsprozesses Informationen an die Zentrale abgeben; sie partizipieren somit an der Budgetfestlegung.[12]
- Vollständigkeit und Detaillierung.
In der Praxis dominiert eine Budgetierung, die (annähernd) alle Bereiche des Unternehmens umfasst, und die sehr detailliert die einzelnen Budgetgrößen festlegt.
- Fortschreibungsplanung.
Die Budgetierung ist in der Praxis oft vergangenheitsorientiert bzw. basiert auf Fortschreibungswerten. Eine Studie bei 331 deutschen Unternehmen ergab, dass 35% der Unternehmen auf eine intensive Neuplanung setzen, 48% dominant auf fortschreibungsbasierte Werte zurückgreifen, und dass die restlichen Unternehmen eine Kombination von Fortschreibung und Neuplanung bevorzugen.[13]Diese Studie macht deutlich, dass eine jährliche analytische Neuplanung nur begrenzt durchgeführt wird.
- Absolute, internorientierte Ziele.
Die Ziele werden auf Basis finanzieller Größen festgelegt und meistens vor Beginn des Geschäftsjahres zwischen der Zentrale und den operativen Einheiten verhandelt. Diese Größen sind für das kommende Jahr fixiert.
- Mittelfristplanfokus.
Die Mittelfristplanung gleicht in ihrer Struktur etwa der Kurzfristplanung[14], bezieht sich aber auf einen Zeitraum zwischen zwei und vier Jahren. Die Planansätze haben dabei nicht denselben Verbindlichkeitscharakter wie bei der Kurzfristplanung, es handelt sich hier mehr oder weniger um eine reine Hochrechnung. Die Budgetierung und die Mittelfristplanung sind laut Weber/Linder aufgrund ihrer Planungsinhalte und -formate relativ eng miteinander verzahnt. In der Praxis besteht jedoch häufig ein Bruch zurdritten Planungsebene, zur strategischen Planung.
- Einjahresfokus.
Die Budgetierung wird als operative bzw. Kurzfristplanung bezeichnet und bezieht sich i.d.R. auf ein Geschäftsjahr. Sie beinhaltet sowohl die Sachziel- als auch die Formalzielplanung für das kommende Jahr.
- Fremdkontrolle.
Die Budgetkontrolle ist ein fest institutionalisierter Prozessschritt im Geschäftsjahr und erfolgt meist durch einen Vorgesetzten Manager und/oder die Controllingabteilung, d.h. nicht durch den Budgetverantwortlichen selber.
- Kombination von Prognose und Motivation.
Bei einer Kombination von Prognose und Motivation ist das Anreizsystem häufig vollständig an die Budgetierung gekoppelt. Wenn Budgets und Anreize miteinander verbunden sind, kann die Budgetierung von Managern missbräuchlich genutzt werden. Hängt die variable Vergütung von den Budgetzielen ab, kann dies ein Anreiz zur Budgetmanipulation sein.
- Starke Formalisierung, aber begrenzte Unterstützung durch Planwerkzeuge.
Die Budgetierung ist in der Praxis durch einen hohen Formalisierungsgrad geprägt, dennoch werden in Unternehmen spezialisierte Planungswerkzeuge nur in begrenzterWeise genutzt.
2.5 Kritik
In diesem Kapitel wird zunächst eine Aufteilung in Haupt- und sonstige Kritikpunkte vorgenommen, in den sich anschließenden Unterkapiteln werden die einzelnen Kritikpunkte erläutert und kritisch betrachtet. Einige der in Kapitel 2.4 aufgeführten zentralen Eigenschaften der Budgetierung werden dabei bemängelt.
Die Budgetierung ist in der letzten Zeit vermehrt in die Kritik geraten. Aussagen wie „the budget is the bane of corporate America“[15]von Jack Welch oder „Corporate budgeting is a joke, and everyone knows it. It consumes a huge amount of executives' time, forcing them into endless rounds of dull meetings and tense negotiations. It encourages managers to lie and cheat, lowballing targets and inflating results, and it penalizes them for telling the truth“[16]von Michael C. Jensen, die die Budgetierung mit Ausdrücken wie „Verderben“ und „Witz“ versehen, sind immer häufiger in der Literatur zu finden. Die Kritik an der traditionellen Budgetierung existiert jedoch nicht erst seit diesem Jahrhundert. Bereits Mitte des letzten Jahrhunderts haben Autoren wie Argyris und Heckert/Wilson Kritik geübt und z.B. damals schon auf dysfunktionale Wirkungen, wie z.B. Budgetmanipulationen, der Budgetierung hingewiesen.[17]
Der traditionellen Budgetierung werden u.a. die in Abb. 2-2 dargestellten Kritikpunkte vorgeworfen. Zwar variieren die Einwände gegen die Budgetierung von Autor zu Autor, doch haben sich insgesamt sechs Hauptkritikpunkte herausgebildet, die in Kapitel 2.5.2 durch weitere drei sonstige Kritikpunkte ergänzt werden.[18]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2-2: Haupt- und sonstige Kritikpunkte
Tabelle 2-1 gibt einen kurzen Überblick darüber, wie häufig die einzelnen Kritikpunkte in den insgesamt 13 Quellen von neun Autoren ausgeführt worden sind. Dabei lässt sich erkennen, dass die ersten sechs Punkte am häufigsten genannt werden. Aus diesem Grund zählen sie in dieser Arbeit auch zu den Hauptkritikpunkten. Lediglich Kritikpunkt 5, der große Zeitaufwand der Budgetierung, wurde fast nur von Hope/Fraser beschrieben, doch aufgrund der Ausführlichkeit der Beschreibung zählt dieser Punkt in der Arbeit ebenfalls zu den Hauptkritikpunkten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2-1: Jeweilige Häufigkeit der Kritikpunkte aller Autoren
Tabelle 2-2 nimmt, darauf aufbauend, eine genaue Klassifikation der einzelnen Kritikpunkte zu allen Autoren vor. Wie schon erwähnt, legen z.B. Hope/Fraser besonderen Wert auf die Ausführung des fünften Kritikpunktes, dem Zeitaufwand. Des Weiteren werden sowohl von Pfläging als auch von Horváth und dessen Partnern, Kopp und Leyk, eine Vielzahl von Kritikpunkten genannt, was in dieser Arbeit insofern von Bedeutung ist, als dass von beiden Autoren Konzepte des Better Budgeting existieren, die im nachfolgenden Kapitel 3 ausführlich erläutert werden. Die Autoren geben somit selbst Verbesserungsvorschläge auf die von Ihnen hier genannten Kritikpunkte. Auch Gleich/Kopp und Rieg haben Prinzipien zur Verbesserung der Planung und Budgetierung definiert, die ebenfalls in Kapitel 3 erläutert werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2-2: Klassifikation der Kritikpunkte zu den Autoren
2.5.1 Hauptkritikpunkte
Kritikpunkt 1: Verwendung von fixen, absoluten Zielgrößen
Bei der Verwendung von fixen, finanzorientierten Budgets wird die strategische Zielrichtung nicht berücksichtigt. Die Budgets sollten zwar idealerweise aus der Strategie abgeleitet werden, haben aber in vielen Unternehmen die Tendenz, sich zu verselbständigen. Die immateriellen Produktionsfaktoren, also so genannte „intangible assets“ wie Markenwerte, Prozessqualität, Wissen der Mitarbeiter, Innovations kraft des Unternehmens, dauerhafte Geschäftsbeziehung zu Kunden oder der Bekanntheitsgrad des Unternehmens[19], die mittlerweile einen großen Anteil des Unternehmeswertes ausmachen, werden nicht durch die etablierten Finanzgrößen repräsentiert.
Des Weiteren erfolgt die Leistungsbewertung aufgrund fixer Budgetvorgaben auf falscher Basis, da dadurch keine Umfeldentwicklungen in die Beurteilung einbezogen werden. Vermeintlich positives Übererfüllen von Plänen verleitet oftmals zu falschen und voreiligen Schlüssen, speziell dann, wenn die relevanten Umfeldentwicklungen, wie z.B. eine Erhöhung des Marktvolumens, keine Berücksichtigung finden.
An dieser Stelle muss kritisch erwähnt werden, dass die Ursache für die mangelnde Berücksichtigung der strategischen Zielsetzung nicht zwangsläufig, wie in der gängigen Literatur beschrieben, an der traditionellen Budgetierung an sich liegt, sondern vielmehr an der Arbeitsweise von Controllern. Wie bereits gesagt, sollen sich die Budgets aus der Strategie ableiten, was aber häufig von den Controllern nicht beachtet wird. Aus diesem Grund sind sie selbst verantwortlich für diese aufgekommene Kritik und der Budgetierung ist diesbezüglich kein Vorwurf zu machen.
Kritikpunkt 2: Unflexibilität und mangelnde Dynamisierung von Budgets
Der Kritikpunkt der Unflexiblität und der mangelnden Dynamisierung von Budgets kommt u.a. deshalb zustande, da die Budgets jährlich fix geplant werden, und nur deren Erreichung kontrolliert wird. Prozessverbesserungen oder Lerneffekte des Managements tauchen in den Budgetzahlen nicht auf.
Des Weiteren führt die Starrheit des strategischen Plans in Verbindung mit dem hohen Detaillierungsgrad auf der operativen Ebene dazu, dass bei Veränderungen im Umfeld nicht schnell genug reagiert werden kann. Speziell in einem sehr dynamischen Umfeld, bspw. in Branchen der New Economy, ist eine auf einen Zeitraum von einem Jahr bezogene Planung und Budgetierung, die bei der traditionellen Budgetierung üblich ist, nicht zweckmässig. Grund hierfür sind die sich schnell ändernden Umfeldgegebenheiten, wie z.B. die sich ständig ändernde Anzahl der Wettbewerber oder Änderungen von Konkurrenzprodukten, welche die Inhalte der Jahresplanung schon ein paar Monate nach dieser als nicht mehr angebracht erscheinen lassen. Aus diesem Grund können lukrative Projekte u.U. nicht bearbeitet oder neue Mitarbeiter nicht angeworben werden, da das Budget ausgeschöpft ist. Ein Beispiel diesbezüglich liefern Hope/Fraser:[20]
Ein englisches Bauunternehmen bekam die Chance, einen TopVerkäufer anzuwerben, der mitten im Jahr, also nicht zum Zeitpunkt der Budgetbeantragung, verfügbar wurde. Dieser Mann passte in allen Punkten zum Unternehmen, einschließlich seiner Erfahrungen, seiner Kenntnisse über Kunden und Wettbewerber, sowie seiner Ideen. Jedoch lag der lokale Manager bereits über seiner budgetierten Mitarbeiterzahl und erhielt trotz Proteste keine Bewilligung fürdie Neueinstellung.
Hier lässt sich kritisch festhalten, dass die Budgetsumme nicht zwangsläufig fix ist, und dass diese weiterhin auch an bestimmte Entwicklungen gekoppelt sein kann. Diese Kopplung oder auch die Anpassung von Bud- gets unterjährig ist allein aus unternehmerischer Vernunft heraus sinnvoll und wird auch üblicherweise durchgeführt. Die vehemente Darstellung fixer, unflexibler Budgets in der Literatur ist dementsprechend vorsichtig zu betrachten. Interessant ist zudem ein Widerspruch zwischen diesem und Kritikpunkt 1. Dort wurde erwähnt und gleichzeitig auch kritisch abgewogen, dass keine strategische Zielsetzung berücksichtigt wird. Die Kritik der Unflexibilität sagt jedoch aus, dass durch die Verbindung der strategischen und operativen Planung nicht schnell genug reagiert werden kann. Demzufolge muss, laut Kritikpunkt 2, ein Zusammenhang zwischen den strategischen und operativen Zielen bestehen, womit Kritikpunkt 1 entkräftet ist.
Des Weiteren wurde schon 1974 von Aghte erwähnt, dass der Zeitraum, der als Budgetperiode gewählt wird, entscheidend von der Art des Unternehmens abhängt.[21]So ist in Unternehmen, die jährlich ihre Modelle wechseln, wie z.B. in der Automobil- und Haushaltsgeräteindustrie, ein Jahr eine natürliche Budgetperiode. In den Industriezweigen, in denen es zweimal im Jahr einen Modellwechsel gibt, wie z.B. in der Schuh- und Bekleidungsindustrie, wird überwiegend mit halbjährigen Budgets gearbeitet. Aus diesem Grund gilt die Kritik an den einmal im Jahr fix geplanten Budgets nicht für alle Unternehmen. Zudem ist die auf ein Jahr bezogene Planung von Budgets in einigen Industriezweigen auch sinnvoll.
Kritikpunkt 3: Zu hoherAufwand bei der Budgeterstellung
Der Planungs- und Budgetierungsprozess bindet bei den meisten Unternehmen einen beträchtlichen Anteil an Controllerkapazitäten. Der Ressourcenaufwand für die Planung wird z.B. durch mehrere Schleifen im Planungsprozess, einen hohen Detaillierungsgrad, eine unzureichende Zielausrichtung der Planung durch Top-Down-Vorgaben, oder durch eine mangelhafte Organisation des Planungsprozesses in die Höhe getrieben.[22]Diese Punkte prägen den Budgetierungsprozess, wodurch sich die Frage stellt, in welchem Verhältnis Aufwand und Nutzen zueinander stehen. Ein Großteil der Autoren ist der Auffassung, dass ein ungünstiges Verhältnis vorliegt, da Budgets in großer Detaillierung und mit hohem Zeitaufwand erarbeitet werden, jedoch schnell überholt sind. Laut Gleich/Kopp lassen sich deutliche Unwirtschaftlichkeiten im Zusammenhang mit der Planung und Budgetierung erkennen, wenn der Aufwand zum teilweise geringen Nutzen ins Verhältnis gesetzt wird.[23]
Laut Kopp/Leyk in Horváth/Partners werden mindestens 50% aller Controllerkapazitäten für die Planungsaufgaben, also für die strategische und operative Planung, sowie für das Forecasting eingesetzt. Dabei bindet die strategische Planung nur einen sehr geringen Anteil der Kapazitäten, oftmals nur 1% bis 5%. Vergleichbare Werte sind beim Forecasting vorzufinden, diese liegen zwischen 5% und 20%. Daraus folgt, dass allein für die operative Planung und Budgetierung rund 75% bis 95% aller Kapazitäten eingesetzt werden, was ca. 45% der Gesamtarbeitszeit von Controllern ausmacht.[24]
An dieser Stelle stellt sich die Frage, inwiefern die von Kopp/Leyk in Horváth/Partners angegebenen Werte tatsächlich negativ zu bewerten sind. 45% der Arbeitszeit für die Budgetierung hört sich zunächst immens hoch an, aber da die Budgetierung zu den Hauptaufgaben eines Controllers gehört, lässt sich diese Zahl relativieren. Zusätzlich ist zu überlegen, ob nicht mehr Zeit für die strategische Planung genutzt werden sollte, da somit der in Kritikpunkt 1 erwähnten mangelnden Ausrichtung an strategischen Zielen entgegengegangen werden könnte.
Kritikpunkt 4: Förderung von dysfunktionalen Verhaltensweisen
Eine Umfrage unter 402 traditionell gesteuerten amerikanischen Unternehmen ergab, dass fast alle Manager Tricks benutzen, um die Budgetvorgaben der Unternehmensleitung einzuhalten.[25]
Anreize sind normalerweise an ein vereinbartes Ziel, welches durch finanzielle Werte spezifiziert ist, gebunden und decken eine bestimmte Bandbreite, von knapp unter der Zielerfüllung bis zur Übererfüllung, ab. Weitere Aspekte, wie z.B. Beförderung oder Lob, können ebenfalls mit der Zielerreichung verknüpft sein. Derartig vereinbarte Ziele ermöglichen es den zentralen Einheiten, die Kontrolle über eine Vielzahl von Sparten und Geschäftseinheiten zu behalten. Probleme treten dann auf, sobald sich eine Lücke zwischen den Budgetvorgaben und der Realität bildet, da die Budgetverantwortlichen negative Konsequenzen in Bezug auf ihre Vergütung oder Karriere fürchten. Um dieser Situation vorzubeugen, werden Budgetmanipulationen angewandt. Die häufigsten Tricks sind z.B. nötige Ausgaben hinauszuzögern, sich erst eine Zustimmung zu beschaffen, nachdem die Ausgaben bereits getätigt sind, zur Vermeidung von Budgetüberschreitungen Mittel zwischen verschiedenen Budgets umzubuchen oder Zeitarbeitskräfte einzusetzen, damit die Ziele im Hinblick auf die Mitarbeiterzahlen erreicht werden. Weiterhin existieren zweifelhafte Kunstgriffe wie derjenige, eine eigentlich dringend notwendige Produkteinführung vom Ende des laufenden Geschäftsjahres in das erste Quartal des nächsten zu schieben, um das Marketingbudget nicht zu überschreiten. Die Angst der Budgetverantwortlichen vor negativen Konsequenzen führt also dazu, dass entweder die Prognose bzw. das Budget ex ante durch den Einbau von Puffern, so genanntem budgetary slack, verzerrt wird oder aber dass versucht wird, bei negativen Abweichungen das Budget durch o.g. Kunstgriffe anzugleichen.
Obwohl diese Kritik an den dysfunktionalen Verhaltensweisen in der traditionellen Budgetierung zunächst einleuchtend erscheint, muss beachtet werden, dass bestimmte Modelle in der Betriebswirtschaft existieren, die explizit auf die Vermeidung von dysfunktionalem Verhalten abzielen. So wird z.B. das Groves-Schema zur Lösung von Anreizproblemen bei der Budgetierung angewandt. Mit dessen Einsatz wird speziell in divisio- nalisierten Unternehmen, in denen die Geschäftsbereichs- bzw. Spartenmanagertypischerweise besserüber das Gewinnpotenzial ihrer jeweiligen Division informiert sind als die Zentrale und diese dementsprechend auf wahrheitsgemäße Informationen angewiesen ist, das Budgetierungsproblem anreizkompatibel gelöst. In der Veröffentlichung von Bamberg wird weiterhin gezeigt, dass die Divisionsmanager sowohl bei Sicherheit als auch im Falle einer Risikosituation darauf bedacht sind, der Zentrale die richtigen Informationen zu liefern.[26]
Kritikpunkt 5: Zeitaufwand
Der Budgetierungsprozess beginnt, laut einer Benchmark-Studie aus 1998 von der amerikanischen Hackett Group, durchschnittlich 4,5 Monate vor dem Geschäftsjahr.[27]In einer weiteren Studie von Answerthink und The Hackett Group von 2003 wurde bei 70 europäischen Unternehmen festgestellt, dass die Hälfte dieser Unternehmen ca. drei Monate für den Budgetierungsprozess benötigt: „Half on the companies surveyed need at least 80 working days to complete the budget, most of them require 100 or even more days.“[28]Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG[29]schätzt weiterhin, dass der Budgetierungsprozess 20% bis 30% der Zeit von Senior Executives und Financial Managern beansprucht.[30]
Wie Abbildung 2-3 zeigt, beginnt der traditionelle Budgetierungsprozess mit einer Vision, die den Geschäftsauftrag festlegt, gefolgt von der strategischen Planung, die die übergeordneten Ziele des Unternehmens beinhaltet. Hier wird der Rahmen für den Budgetierungsprozess geschaffen, derzahllose Meetings beinhaltet, bis schließlich Entscheidungen über Ressourcen getroffen und Ziele vereinbart sind. Sobald das Budget verabschiedet ist, werden von der zentralen Einheit regelmäßig Berichte eingefordert, damit so die Leistung der dezentralen Einheiten kontrolliert werden kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2-3: Dertraditionelle Budgetierungsprozess[31]
Hier ist anzumerken, dass dieser Prozess viel Zeit in Anspruch nimmt. Nach Pfläging wird der große Zeitaufwand insbesonders dadurch verursacht, dass die Unternehmensleitung zu Beginn des Planungsprozesses lediglich unzureichende Vorgaben bezüglich der strategischen Ziele macht.[32]Ohne diese hinreichend konkreten Top-Down-Vorgaben lassen sich die Budgets schwierig erstellen. Die Führungskräfte hinterfragen die einzelnen Budgetpositionen erst nach der Aufstellung des Budgets. Das führt dazu, dass der erste Budgetentwurf hinfällig ist, und erst der zweite Budgetentwurf die Erwartungen und Zielsetzungen der Führung berücksichtigt. Somit verursacht also insbesonders die zweite Stufe des Budgetierungsprozesses eine hohe Zeitdauer.
Kritisch zu würdigen sind an dieser Stelle die absoluten Zahlen der Autoren. Größtenteils werden keine Aussagen darüber gegeben, welche Unternehmen aus welcher Größenordnung und Branche bei den Studien untersucht worden sind. Die Zahlen müssen also nicht stellvertretend für die Grundgesamtheit stehen. Auch die Studie der 70 untersuchten europäischen Unternehmen gibt diesbezüglich keine genaueren Angaben, da die Anzahl zu gering ist.
[...]
[1] Siehe zur Vertiefung Taylor (1911), S. 835.
[2] Vgl. Weber (2002), S. 225.
[3] Siehe zur Vertiefung der Thematik über die Merkmale strategischer, taktischer und operativer Planung vergleichsweise Küpper (2001), S. 68f.
[4] Vgl. z.B. Welsch/Hilton/Gordon (1988), S.1.
[5] Vgl. Horváth (2003a), S. 231.
[6] Siehe zur weiteren Erläuterung der Unterschiede zwischen Maßnahmenplanung und Budgetvorgabe Küpper (2001), S. 318ff.
[7] Vgl. Horväth/Möller (2004), S. 69.
[8] Vgl. Horváth (2003a), S.231.
[9] Vgl. Horváth (2003b), S. 4.
[10] In Anlehnung an Töpfer (1976), S. 97.
[11] Vgl. Weber/Linder (2003), S. 9ff.
[12]Siehe zur Vertiefung der unterschiedlichen Partizipationsgrade z.B. Ewert/Wagenhofer (2000), S. 476f. und Weber (2002), S. 373ff.
[13]Weber/Linder (2003), S. 10 zitieren nach Weber/Schäffer/Willauer (2000), S.12.
[14] Siehe zur Erläuterung Weber (2002), S. 232.
[15] Daum (2002), S. 3 zitiert aus einem Interview mit Jack Welch in Fortune Magazine, 29. Mai 1995.
[16] Vgl. Jensen(2001), S. 96.
[17] Vgl. Argyris (1952), S. 25 und Heckert/Wilson (1955), S. 402ff.
[18] Vgl. zur Kritik u.a. Becker (2004), S. 82f., Gleich/Kopp (2001), S. 430, Grevelius (2001), S. 444, Hope/Fraser (2001b), S. 438f., Hope/Fraser (2003a), S. 4-14, Hope/Fraser (2003b), S. 108f., Horváth (2003a), S. 248, Horváth/Môller (2004), S. 69f., Kopp/Leyk (2004a), S. 4ff., Kemke/Witmer (2003), S. 61f., Pfläging (2003a), S. 19 und S. 33ff., Rieg (2001), S. 572f., Weber/Linder (2003), S. 12ff.
[19] Vgl. hierzu Daum (2002), S. 4.
[20] Vgl. Hope/Fraser (2003a), S. 95f.
[21] Vgl. Aghte(1974), S. 148.
[22] Siehe zur Vertiefung Kopp/Leyk (2004a), S. 5ff.
[23] Vgl. Gleich/Kopp (2001), S.430.
[24] Vgl. Kopp/Leyk (2004a), S. 4.
[25] Vgl. Schaudwet (2002), S. 67.
[26] Siehe zur Vertiefung Bamberg (1992), S. 657ff.
[27]Vgl. dazu Oehler (2002), S. 151 oder Hope/Fraser (2001a), S. 22.
[28] Vgl. AnswerthinkStudie (2003).
[29] Die Initialen von KPMG stehen für die Gründerväter Klynveld, Peat, Marvick und Goerdeler.
[30] Vgl. Daum (2002), S. 3.
[31] ln Anlehnung an Hope/Fraser (1999), S. 18.
[32] Vgl. Pfläging(2003a), S. 126.
- Arbeit zitieren
- Claudia Dietz (Autor:in), 2005, Better Budgeting & Beyond Budgeting - Weiterführung oder Überwindung der Budgetierung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190966
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