Rezension zu: Schönbach, Klaus - Zeitungen in den Neunzigern: Faktoren ihres Erfolgs

350 Tageszeitungen auf dem Prüfstand


Recension Littéraire, 1999

6 Pages, Note: 1,3


Extrait


Klaus Schönbach wurde vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der Stiftervereinigung der Presse mit einer Grundlagenuntersuchung beauftragt, die prüfen sollte, was Verlage unternehmen, um Leser an eine Tageszeitung zu binden oder neue zu gewinnen. In dieser Studie ermittelte er, welche Erfolgsfaktoren es gibt, um Auflage und Reichweite zu steigern: Lokalberichterstattung, Serviceangebote, Bebilderung, Höhe des Bezugspreises etc. – welche Maßnahmen lohnen, welche nicht? In Schönbach’s Buch „Zeitungen in den Neunzigern: Faktoren Ihres Erfolgs“ geht es aber auch um die Zukunft der Tageszeitung - die Sicherung ihrer Stellung am Medienmarkt. Momentan hat die Tageszeitung in Deutschland zwar noch eine hohe Gesamtauflage, bei den Lesern einen hohen Stellenwert und ein beträchtliches Anzeigenaufkommen, jedoch büßt sie zunehmend an Bedeutung ein: die Tageszeitung verliert immer mehr Leser[1], gerade bei der Jugend[2]. Ebenso stagniert der Anteil für das Zeitungslesen am ständig wachsenden Zeitbudget für Medienkonsum bei ca. 1,5 Stunden pro Woche. Die Veränderung der Gesellschaft (mehr Single-Haushalte, zunehmende Mobilität / geringere Ortsbindung, etc.) stellt auch eine Gefahr für die „Gewohnheit des Zeitungslesens“ dar. Gegenmaßnahmen wie gezieltes Marketing (Leser-Werben-Leser, Werbung in anderen Medien, Event-Sponsoring), Publikumsforschung und Schliffe an Inhalten und Erscheinungsbild wurden ausgedehnt.

Schönbach führt zwei Hauptstrategien zur Attraktivitätserhöhung von Zeitungen an:

1. die Angleichung an andere derzeit erfolgreiche Medien, wie Zeitschriften und Fernsehen und 2. die Kontrastierung zu anderen Medien, d.h. die Herausstellung der Vorteile der Tageszeitung gegenüber anderen Medien: also z.B. Disponibilität, Tagesaktualität, Transportierbarkeit, Ästhetik des Schriftlichen, etc. Die Tageszeitung erfährt aber auch hinsichtlich dieser Vorzüge eine zunehmende Konkurrenz von anderen Medien. Natürlich könnte man einige der Vorteile radikal vermarkten – also z.B. den Lokal- bzw. Regionalteil und die Hintergrundberichterstattung zunehmend stärken und die Unterhaltung gänzlich dem Fernsehen überlassen. Als dritte Möglichkeit könnte die Zeitung aber auch eine „Insel des Universellen“ zwischen all den Special-Interest-Angeboten bleiben – also ihrem traditionell vielfältigem Angebot einfach die Treue halten.

Schönbachs Explorationsstudie soll klären, welche Alternative die beste ist: 350 Ausgaben[3] westdeutscher Abonnementzeitungen wurden genauestens analysiert – auf eine gleichmäßige Verteilung der Stichproben wurde Wert gelegt. Es wurde untersucht, welche Maßnahmen die Verlage Ende der 80er Jahre unternommen hatten, um ihre Zeitungen für die Leser attraktiv zu machen. Dann wurde von 1989 bis 1994 die Entwicklung des inhaltlichen Angebots, der formalen Aufmachung und der Marketingmaßnahmen im Hinblick auf den Markterfolg überprüft. Alle 350 Ausgaben wurden 1989 und 1994 jeweils eine Woche lang gründlich analysiert, besonderen Wert gelegt wurde auf: Vielfalt, Bandbreite von Informationen, Dimensionen von Hintergrund und Erklärung, Serviceangebote, Unterhaltungswert, Emotionalität und persönliches Eingehen auf die Leserschaft. Auch die journalistische Qualität der Zeitungen wurde beachtet. Hinsichtlich des formalen Erscheinungsbildes der Zeitungen wurde besonders auf Ordnung, Gliederung, Visualität, Lesbarkeit und Ästhetik Rücksicht genommen. Zudem wurden die Verlage zu ihren Marketingaktivitäten befragt.

Beim inhaltlichen Angebot waren vielfältige Entwicklungen zu verzeichnen: Zeitungen waren 1994 umfangreicher geworden (durchschnittlich 3 Seiten mehr[4] ). Auch Sonderseiten, mit beispielsweise beruflichen, medizinischen oder umweltlichen Themen, hatten an Umfang gewonnen. Keine nennenswerte Veränderung war am Format festzustellen. Insgesamt war ein starker Anstieg der thematischen Vielfalt zu verzeichnen[5]. Auch konnte man einen Zuwachs an Erklärung und Hintergrundberichterstattung erkennen: die Artikel nahmen an Länge zu[6], Kommentare und Schaubilder wurden häufiger. Ebenso hatte die Service-Orientierung ein wenig zugenommen: es gab 1994 mehr Ratgeber-Artikel und Service-bezogene Rubriken wie Fernsehprogramm, Veranstaltungshinweise und individuelle Dienstleistungen wie ein Expertentelefon. In den untersuchten Tageszeitungen war auch ein deutlicher Trend zu mehr Lokalbewusstsein festzustellen. Besonders der Lokalteil konnte Zuwachs verzeichnen (von 6 auf 7 Seiten), die eigenen Seiten im Lokalteil dehnten sich um 0,9 Seiten aus. Auch wurde 1994 viel häufiger schon auf der Titelseite auf den Lokalteil hingewiesen[7].

Unterhaltsames hatte insgesamt keinen höheren Stellenwert erhalten. Gefühle wurden 1994 etwas öfter angesprochen, vor allem in den Überschriften[8]. 1994 wurden zudem mehr Leserbriefe[9] und von Lesern verfasste Artikel abgedruckt als 1989. Angebote wie „Wir helfen unseren Lesern“ und Gewinnspiele nahmen allerdings ab.

Im formalen Erscheinungsbild der Tageszeitungen gab es ebenfalls Änderungen: Insgesamt sind die Zeitungen im untersuchten Zeitraum übersichtlicher und geordneter geworden - es gab z.B. mehr und umfassendere Inhaltsverzeichnisse[10], die Anzahl der Rubriken nahm zu, das Fernsehprogramm und andere Rubriken wurden 1994 insgesamt geordneter dargeboten. Im Layout der Zeitungen konnte man auch eine Entwicklung hin zur Ordnung und Gliederung feststellen. Zudem schlugen die Zeitungen im Untersuchungszeitraum einen Kurs in Richtung mehr Visualität ein: mehr Bilder[11] (vor allem im Lokalteil) und mehr Farbe wurden 1994 verwendet. Auch wurde das Layout „luftiger“: der Zeilenabstand und die Ränder vergrößerten sich und vereinfachte Überschriftenapparate mit nur einer Headline kamen 1994 häufiger vor. Insgesamt sind Überschriften größer, Zeitungen insgesamt etwas besser lesbar geworden. Die Seriosität des Layouts nahm zu (gemessen an wechselnden Farben und Schriftarten, vermeintlich zufälliger Flächenaufteilung etc.) und die Dynamik büßte ein.

In der Befragung der Verlage zum Lesermarketing fand Schönbach heraus, das 10,1 von insgesamt 13 Werbemaßnahmen zumindest gelegentlich angewandt wurden, 6,7 sogar dauerhaft. Vier Marketingmaßnahmen wurde von den Verlagen einhellig eine besondere Bedeutung zugemessen[12]: Probebezug, „Leser-Werben-Leser“-Aktionen, Leserreisen und Merchandising (z.B. verbilligte Sonderausgaben von Büchern). Bei mehr als 70% der 300 Ausgaben der Stichprobe wurden diese Maßnahmen eingesetzt. 34 % aller Zeitungen warben im Untersuchungszeitraum nie in einem anderen Medium. 26 % änderten ihr redaktionelles Konzept „wesentlich“, 38% sprachen von einer Renovierung des Layouts. Die Ziele der Werbung waren vorrangig eine Image- und Namensstärkung bzw. –bekanntmachung, hierfür wurde meistens in anderen Medien geworben. Als erfolgreichster Werbeträger wurde von den Verlagen das Direktmarketing (Mailings, Telefonwerbung, etc.) eingeschätzt (48%), gefolgt von Werbung in anderen Zeitungen/Zeitschriften (34%) und Hörfunk (32%), außerdem Promotion-Aktivitäten (20%).

Im Untersuchungszeitraum stiegen die Preise für Einzelausgaben[13] und Abonnements[14]. 42% gaben Studenten Ermäßigungen für Abonnements, 71% ermöglichten ein Abonnement für einzelne Tage.

[...]


[1] 1985: 84% aller Personen über 14; 1995 nur noch 81%

[2] bei den 14-19 jährigen fiel die durchschnittliche Reichweite von 1985 bis 1995 um 13% - von 73% auf 60%

[3] Das entspricht 31% der Grundgesamtheit (insgesamt 1130 redaktionelle Ausgaben)

[4] 1989: durchschnittlich 35 Seiten, 1994: 38 Seiten

[5] Zahl der verschiedenen Themen im Lokalteil: 1989: 9,5 / 1994: 11,1 – im Nachrichtenteil: 1989: 15,5 / 1994: 17,3

[6] Zahl der Artikel mit 4 oder mehr Spalten: 1989: 6,0 / 1994: 8,6

[7] 1989: 49 Zeitungen / 1994: 73 Zeitungen

[8] Auf Titelseite und Lokalseite: 1989: 12,5 gefühlsbetonte Überschriften / 1994: 13,8

[9] 1989: 2,5 Leserbriefe / 1994: 2,9 Leserbriefe

[10] 1989: 5,0 Meldungen, Notizen und Schlagzeilen im Inhaltsverzeichnis auf der Titelseite / 1994: 5,8

[11] Titelseite: 1989: 2,4 Bilder / 1994: 2,6; Politik-/Nachrichtenteil: 1989: 4,9 Bilder / 1994: 6,9; Lokalteil: 1989: 14,6 Bilder / 1994: 18,6

[12] durchgehender Einsatz der Maßnahme in Prozent: Probebezug: 88; Leser-Werben-Leser-Aktionen: 86; Leserreisen: 73; Merchandising: 71

[13] für eine Wochentagausgabe von durchschnittlich 1.04 DM auf 1.30 DM und für eine Wochenendausgabe von 1.26 DM auf 1.59 DM

[14] von durchschnittlich 22.08 DM auf 28.12 DM

Fin de l'extrait de 6 pages

Résumé des informations

Titre
Rezension zu: Schönbach, Klaus - Zeitungen in den Neunzigern: Faktoren ihres Erfolgs
Sous-titre
350 Tageszeitungen auf dem Prüfstand
Université
LMU Munich  (Institut für Kommunikationswissenschaft)
Note
1,3
Auteur
Année
1999
Pages
6
N° de catalogue
V190
ISBN (ebook)
9783638101417
ISBN (Livre)
9783638627177
Taille d'un fichier
381 KB
Langue
allemand
Mots clés
Rezension, Schönbach, Klaus, Zeitungen, Neunzigern, Faktoren, Erfolgs, Tageszeitungen, Prüfstand
Citation du texte
Patrick Hammer (Auteur), 1999, Rezension zu: Schönbach, Klaus - Zeitungen in den Neunzigern: Faktoren ihres Erfolgs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190

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