„Der Ausnahmezustand offenbart das Wesen der staatlichen Macht am klarsten. Hier sondert sich die Entscheidung von der Rechtsnorm, und(um es paradox zu formulieren) die Autorität beweist, dass sie, um Recht zu schaffen, nicht Recht zu haben braucht.“
Carl Schmitt (1888-1985) gilt als einer der bekanntesten, jedoch auch umstrittensten Staats- und Völkerrechtler des 20. Jahrhunderts, der die staatsrechtlichen Auseinandersetzungen der Weimarer Republik und des „Dritten Reichs“ entscheidend prägte und auch nach 1945 einen bedeutenden Einfluss auf die deutsche und europäische Staatsrechtslehre ausübte, wie es die zahlreichen Auseinandersetzungen gerade in den ersten Jahrzehnten der jungen Bundesrepublik bezeugen.
Die Faszination an Carl Schmitt dürfte sich insbesondere durch sein Denken im Extremen erklären: Er denkt den Grenzfall, den Ausnahmefall. Die Ausnahme ist für ihn interessanter als der Normalfall: „Das Normale beweist nichts, die Ausnahme beweist alles; sie bestätigt nicht nur die Regel, die Regel lebt überhaupt nur von der Ausnahme.“ Seine berühmte, formelartige Zuspitzung, mit der er seine Politische Theologie einleitet: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“ verweist auf die Diktatur, die geradezu für den Ausnahmefall erfunden zu sein scheint. Dementsprechend heißt es bei Carl Schmitt, dass die „Diktatur notwendig Ausnahmezustand“ ist , was jedoch nicht bedeutet, dass die Diktatur den Ausnahmezustand begründet. Sie ist vielmehr selbst Resultat der Entscheidung über den Ausnahmezustand. Deshalb zeigt sich das „Wesen der staatlichen Souveränität“ nicht, wie Max Weber meint, „als Zwangs- oder Herrschaftsmonopol, sondern als Entscheidungsmonopol.“
Ziel dieser Arbeit ist es, Carl Schmitts „Ausnahmedenken“ in seiner Konsequenz auf die Gewaltenteilung hin zu untersuchen. Zunächst soll kurz der historisch gewachsene, verfassungsrechtliche Anspruch der Gewaltenteilung als einer „Grundidee der bürgerlichen Freiheit“ nachgezeichnet und seine Verankerung innerhalb der bürgerlich-rechtsstaatlichen Verfassung wie der Weimarer Reichsverfassung (WRV) geklärt werden, um diesen sodann an der Wirklichkeit existentieller Staatskrisen zu messen. Hierzu wird es erforderlich sein, die Begriffe „Gewalt“ und „Recht“ sowie ihr Verhältnis zueinander zu klären, um danach für die Zeiten des Notstands aufzeigen zu können, wie Carl Schmitt den Weg in die Diktatur rechtlich zu begründen versucht, beginnend mit der „kommissarischen Diktatur“...
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der historisch gewachsene Anspruch der Gewaltenteilung als konstitutives Element der bürgerlich-rechtsstaatlichen Verfassung
2.1. Die Gewaltenteilung als eine Grundidee der staatsbürgerlichen Freiheit
2.1.1. Die Unterscheidung und Balancierung der Gewalten
2.1.2. Vom politischen Programm zum Synonym der „Verfassung“
2.2. Die Gewaltenteilung als Organisationsprinzip der bürgerlich- rechtstaatlichen Verfassung
2.2.1. Bürgerlich-rechtsstaatlicher und politischer Bestandteil der Verfassung
2.2.2. Die Dialektik von Recht und Gewalt
2.2.3. Zwischenbilanz
3. Das Schicksal der Gewaltenteilung in Zeiten existentieller Staatskrisen
3.1. Die „kommissarische Diktatur“ des Reichspräsidenten nach Art. 48 Abs und 3 der Weimarer Reichsverfassung
3.1.1. Die erweiterte Auslegung des „Diktaturartikels“ durch Carl Schmitt
3.1.2. Dezision versus Öffentlichkeit und Diskussion
3.2. Das gemeinsame Schicksal von individueller Freiheit und Gewaltenteilung
3.2.1. Einheitspathos statt Freiheitsideal
3.2.2. Kontrolle ohne Kontrolleur
4. Die „souveräne Diktatur“ mit der Suspension der gesamten Rechtsordnung
4.1. Der Dreiklang aus Souveränität, Ausnahmezustand und Entscheidung
4.1.1. Gewaltenteilung versus Souveränität
4.1.2. Der Staat überlebt das Recht
4.2. Die Paradoxie der Souveränität
4.2.1. Der Dualismus von Recht und Rechtsverwirklichung
4.2.2. Recht schaffen ohne Recht zu haben
5. Zusammenfassung und kritische Anmerkungen
6. Literaturverzeichnis
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