Wenn gemäß der Themenstellung die Elemente des Fortschritts und der Beharrung in der Politik des preußischen Königs Friedrich II. zu untersuchen sind, so wird damit der schon traditionelle Topos "vom Königtum der Widersprüche" aufgenommen, den bereits 1833 Johann David Preuß in der "Lebensgeschichte Friedrichs des Großen" geknüpft hatte. Preuß wies damals auf die Ambivalenz zwischen "allgemeiner Aufklärung, welche der König so sehr hege" und den "Verhältnissen des Staates hin, für die - wie er sich ausdrückte - "das Licht" der Aufklärung noch nicht zeitgemäß gewesen sei - weshalb Friedrich "in Widerspruch mit sich selbst geraten" sei.
Bereits eine Generation vorher war auch der Philosoph Christian Garve zu dem Ergebnis gekommen, dass erhebliche Widersprüche zwischen den Aufklärungsbemühungen und der Regierungspraxis Friedrichs bestünden. Und auch Friedrich selbst hat den Philosophen und den Politiker als Gegensatz in sich befunden; so sah er sich gleichzeitig als "Philosoph aus Neigung und Staatsmann aus Pflicht."
Auf der Grundlage dieser Einsichten soll in der nachfolgenden Arbeit untersucht werden, wie sich die in der PersönlichkeitFriedrichs offenbar angesiedelte Antinomie zwischen Aufklärung und Absolutismus oder - anders ausgedrückt zwischen Fortschritt und Beharrung - in seiner Regierungspraxis, die in der Historiographie gemeinhin mit dem Begriff der Reformpolitik belegt wird, ausgewirkt hat. Welche Elemente waren kennzeichnend für sein reformpolitisches Entscheiden und Handeln?
Die thematische Kernfrage soll dabei exemplarisch anhand der drei Politikfelder Schule, Kirche und Justiz beantwortet werden, da sie wichtige Bereiche friderizianischer Reformpolitik darstellen und in ihnen die fortschrittlichen Einflüsse der Aufklärung wie auch der Beharrung gut nachzuvollziehen sind. In zwei vorgeschalteten Abschnitten wird zum einen Friedrichs Rezeption der Aufklärung einer Analyse unterzogen und zum anderen untersucht, ob und wieweit der Begriff "Aufgeklärter Absolutismus" für die Regierung Friedrich II. zutrifft oder ob er nicht besser durch die Bezeichnung Reformabsolutismus zu ersetzen wäre.
Die Arbeit schließt unter Bezugnahme auf Schieder mit der Feststellung, dass trotz aller Widersprüchlichkeit und letztlich auch Beschränkung der friderizianischen Reformpolitik, diese jedoch einen Prozess der "Verwandlung der monarchischen Gewalt zu einer Amtsgewalt" und zur künftigen Herleitung aller Herrschaft aus dem Gesellschaftsvertrag eingeleitet habe.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Aufgeklärter Absolutismus oder Reformabsolutismus
- Friedrichs Verhältnis zur Aufklärung
- Friedrichs Reformpolitik
- Schul- und Erziehungspolitik
- Förderung der Eliten
- Selbständiges Denken als Bildungsideal
- Friedrichs Reform der Volksbildung
- Kirchen- und Religionspolitik
- Toleranz aus dynastischer Tradition und Staatsräson
- Theoretische Grundlagen
- Elemente praktischer Kirchenpolitik
- Rechtspolitik
- Humanität als Element des Fortschritts
- Vereinheitlichung der Gerichtsorganisation
- Kodifikation des Rechts in Preußen
- Elemente der Beharrung
- Schul- und Erziehungspolitik
- Konklusion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Reformpolitik Friedrichs II. und untersucht, inwiefern sich die in seiner Persönlichkeit angelegte Antinomie zwischen Aufklärung und Absolutismus in seiner Regierungspraxis niederschlug. Die Arbeit analysiert, welche Elemente des Fortschritts und der Beharrung kennzeichnend für sein reformpolitisches Entscheiden und Handeln waren. Dabei wird eine Politik als fortschrittlich betrachtet, die eine Verbesserung der rechtlichen und sozialen Verhältnisse der Menschen im Einklang mit den Ideen von Aufklärung, Naturrecht und Humanität bewirkt hat oder bewirken sollte. Elemente der Beharrung werden dagegen als solche bezeichnet, die den gesellschaftlichen Fortschritt behinderten und sich aus traditionellen Überzeugungen und Verhältnissen ableiteten, die in den Werten, Normen und Denkkategorien des Absolutismus verhaftet waren.
- Die Auswirkung des Widerspruchs zwischen Aufklärung und Absolutismus auf Friedrichs Reformpolitik
- Die Analyse der Elemente des Fortschritts und der Beharrung in Friedrichs Reformpolitik
- Die Untersuchung der Reformpolitik in den Bereichen Schule, Kirche und Justiz als exemplarische Beispiele
- Die Analyse von Friedrichs Rezeption der Aufklärung
- Die Frage, ob der Begriff "Aufgeklärter Absolutismus" für die Regierung Friedrichs II. zutrifft oder ob er besser durch die Bezeichnung "Reformabsolutismus" ersetzt werden sollte
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die thematische Kernfrage der Arbeit vor und erläutert die historische Relevanz des Themas „Elemente des Fortschritts und der Beharrung in der Politik des preußischen Königs Friedrich II.“. Die Arbeit verweist auf die traditionelle Diskussion um das „Königtum der Widersprüche“ und die Ambivalenz zwischen Aufklärung und Absolutismus in Friedrichs Regierung. Im zweiten Kapitel wird die Frage beleuchtet, ob der Begriff „Aufgeklärter Absolutismus“ für die Regierung Friedrichs zutrifft oder ob die Bezeichnung „Reformabsolutismus“ treffender ist. Kapitel 3 analysiert Friedrichs Verhältnis zur Aufklärung und zeigt die verschiedenen Facetten seiner Rezeption der Aufklärungsideen auf. In Kapitel 4 werden die wichtigsten Bereiche von Friedrichs Reformpolitik im Detail beleuchtet: Schul- und Erziehungspolitik, Kirchen- und Religionspolitik sowie Rechtspolitik. Hierbei werden sowohl die Elemente des Fortschritts als auch die Elemente der Beharrung in Friedrichs Reformpolitik dargestellt. Die einzelnen Abschnitte dieses Kapitels analysieren die jeweiligen Politikfelder im Detail und zeigen auf, wie Friedrichs Reformen sowohl Fortschritte als auch Rückschritte für die Menschen in Preußen brachten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit der Reformpolitik Friedrichs II., der Aufklärung, dem Absolutismus, den Elementen des Fortschritts und der Beharrung in der Politik, der Schul- und Erziehungspolitik, der Kirchen- und Religionspolitik, der Rechtspolitik, der Humanität, dem Naturrecht, der Kodifikation des Rechts, der Toleranz, dem preußischen Staat und der Historiographie.
- Citation du texte
- Klaus Steen (Auteur), 2002, Reformpolitik Friedrichs des Großen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/191420