Einleitung
Nach einer Vorlesung über Metaphysik kam am Semesterschluß ein katholischer Pfarrer zu mir, sich als mein Hörer zu bedanken, sein Einverständnis auszusprechen: „Ich habe nur den einen Einwand, daß das meiste von dem, was sie vorgetragen haben, nach unserer Auffassung Theologie ist.(1)
So beschreibt Karl Jaspers in seiner Autobiographie den ersten Moment, an dem ihm bewußt wurde, daß er in seinen Vorlesungen wie selbstverständlich über von den Theologen für sich beanspruchte Themen sprach. Nicht, daß er sich auf theologisches Gebiet hätte begeben wollen, aber der Grundansatz seiner Philosophie verlangte nicht nur eine Beschäftigung mit dem Gottesgedanken, sondern auch mit dem Glauben, den Jaspers nicht nur als Phänomen, sondern als notwendige Kategorie jeden menschlichen Daseins ansieht, ohne die der Mensch auch in Zukunft nicht leben können wird.(2)
Was Jaspers an scheinbar theologischen Inhalten lehrte, lehrte er allerdings immer bewußt als Philosoph, unabhängig von jedem Bekenntnis zu irgendeinem religiösen Glauben, wenn auch vom jüdisch-christlichen Kontext geprägt. Diese Unabhängigkeit des Philosophen machte Jaspers in der Folgezeit zum Fundament eines „philosophischen Glaubens“, welcher in der individuellen, existentiellen Ausrichtung des Menschen auf die Gottheit gründet. Dieser Glaube bewahrt sich die Offenheit, unabhängig von geschichtlichen Ereignissen, Glaubensformen und Institutionen zu sein. Obwohl dem philosophisch Glaubenden die verschiedenen geschichtlichen Weisen, durch die Menschen in Kontakt mit Gott gekommen sind, bewußt sind und er sich diese aneignet, schließt er sich nicht einer bestimmten, für sich Ausschließlichkeit beanspruchenden Form des Glaubens an.
Mit einer solchen Auffassung von Glauben gerät Jaspers unweigerlich in Widerspruch zu einem Offenbarungsglauben, wie er in den biblischen Religionen, am ausgeprägtesten im Christentum zu finden ist. Einen solchen Glauben meint er ablehnen zu müssen, da er in der Offenbarung die Gefahr einer Einschränkung der Freiheit des Menschen sieht.(3)
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1 Jaspers, K., Philosophische Autobiographie (PA), in: Schilpp (Hg.), Karl Jaspers, Stuttgart 1957, 1-79, 63.
2 Vgl. Jaspers, Vom Ursprung und Ziel der Geschichten (UZG), München 1949, 266ff.
3 Jaspers, Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung (Off), München 1963, 37f.: „Wäre Offenbarung Realität, so wäre sie das Unheil für die geschaffene Freiheit des Menschen.“
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Karl Jaspers und die Frage nach der Offenbarung
- Grundlagen der Philosophie Karl Jaspers'
- Das Umgreifende
- Existenz und Transzendenz
- Chiffer
- Zusammenfassung
- Jaspers' Kritik an der Offenbarung
- Vorausgehende Betrachtungen: Der Gottesbegriff und das Verhältnis zwischen Philosophie und Religion
- Gott
- Religion und Philosophie
- Zusammenfassung
- Jaspers' Haupteinwand
- Felder der Offenbarung
- Jesus und Christus
- Bibel und Kanon
- Autorität und Kirche
- Zusammenfassung
- Kritik
- Argumente gegen Jaspers' Offenbarungskritik
- Schlußbemerkung
- Jaspers' Kritik an der Offenbarung und seine philosophischen Grundlagen
- Das Verhältnis von Philosophie und Religion bei Jaspers
- Die Rolle der Existenz und Transzendenz in Jaspers' Denken
- Die Bedeutung des Umgreifenden in Jaspers' Philosophie
- Die Analyse von Jaspers' Offenbarungskritik im Kontext seiner philosophischen Grundannahmen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert Karl Jaspers' Kritik an der Offenbarung und untersucht die philosophischen Grundlagen, auf denen diese Kritik beruht. Er beleuchtet Jaspers' Verständnis von Philosophie, Existenz und Transzendenz und setzt seine Offenbarungskritik in den Kontext seiner philosophischen Grundannahmen.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung führt in das Thema des Textes ein, indem sie Jaspers' Auseinandersetzung mit der Frage nach der Offenbarung im Kontext seiner philosophischen Arbeit darstellt. Sie beschreibt den Konflikt zwischen Jaspers' philosophischem Glauben und dem Offenbarungsglauben, der im Christentum zu finden ist, und erläutert den Fokus des Textes auf die Analyse von Jaspers' Kritik an der Offenbarung.
Karl Jaspers und die Frage nach der Offenbarung
Dieses Kapitel befasst sich mit den philosophischen Grundlagen von Jaspers' Denken und stellt seine wichtigsten Grundbegriffe vor, die für das Verständnis seiner Offenbarungskritik entscheidend sind. Hier werden die Begriffe des Umgreifenden, der Existenz und Transzendenz, sowie der Chiffer erläutert.
Kritik
Dieses Kapitel präsentiert Argumente, die gegen Jaspers' Offenbarungskritik vorgebracht wurden. Es beleuchtet die verschiedenen Perspektiven auf die Kritik an Jaspers' Position und diskutiert die Relevanz seiner Argumentation.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter des Textes sind: Karl Jaspers, Offenbarung, Philosophie, Religion, Existenz, Transzendenz, Chiffer, Kritik, Gottesbegriff, Freiheit, Glaube, Umgreifendes.
- Citar trabajo
- Georg Bergner (Autor), 2001, Von der Unglaubwürdigkeit der Offenbarung - Die Kritik Karl Jaspers am christlichen Verständnis der Offenbarung und ihrer Vermittlung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1918