Die französische Sprache in Ägypten

Linguistische Besonderheiten der französischen Sprache in Kairo. Eine diagenerationelle Untersuchung


Proyecto/Trabajo fin de carrera, 2011

84 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhalt

1 Einleitung

2 Die Wegbereiter der Frankophonie in Ägypten
2.1 Die Verankerung der französischen Sprache
2.2 Wendepunkt und Rückgang

3 Die binäre Ausprägung der Frankophonie in Ägypten
3.1 Statistische Auswertung der Soziodaten
3.2 Linguistische Kriterien für die Unterscheidung von 'Anciens' und 'Modernes'
3.3 Die Negation
3.4 Sprachalternanz und ihre Ursache
3.5 DerGebrauchgesprächsstrukturierenderElemente
3.5.1 Entlehnte Diskursmarker
3.5.2 Französische Diskursmarker
3.6 Qu'est-ce que - eine Passepartout-Lösung
3.7 Phonologische Varianz

4 Eine exemplarische Untersuchung
4.1 CD15: 'Anciens' - par excellence
4.2 CD29: Die Generation der Verlerner
4.3 CD18: Die 'Modernes' - Aufbruch zu einer neuen Frankophonie
4.4 CD7: 'Modernes' aus erster Generation

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis
6.1 Korpus
6.2 Sekundärliteratur
6.3 Internetquellen

7 Anhang
7.1 Anhang 1: Soziolinguistische Datentabelle
7.2 Anhang 2: Okkurenz des Diskursmarkers ya3ni:
7.3 Anhang 3: (qu')est-ce qu(e/i)
7.4 Anhang4: CD15 (Track 16)
7.5 Anhang 5: CD29 (Track 17-20)
7.6 Anhang 6: CD18 (Track 21-24)
7.7 Anhang 7: CD7 (Track 25)
7.8 Anhang 8: Trackliste zur CD

1 Einleitung

Obwohl Ägypten im Gegensatz zu seinen nordafrikanischen Nachbarländern Algerien, Tunesien, Marokko und Mauretanien nie durch Frankreich kolonisiert worden war, etablierte sich die französische Sprache und Kultur sowohl im privaten als auch im öffentlichen Leben. Die Ursache für diesen außergewöhnlichen Sachverhalt liegt in einer Verkettung historischer Umstände, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Auch wenn die Frankophonie in Ägypten auf eine jahrhundertealte Tradition zurückblickt und noch heute praktiziert wird, ist ihre Vergangenheit jedoch nicht konfliktfrei verlaufen. Eine durch die Sprachpolitik der 1950er Jahre bedingte Krise hatte einen Rückgang der französischen Sprache in Ägypten zur Folge. In den 1970er Jahren rehabilitierte sich die ägyptische Frankophonie wieder, die vergangenen Ereignisse hatten jedoch Spuren hinterlassen. In der Forschung besteht die Meinung, dass sich mit diesem Einschnitt die französische Sprache in ihrer linguistischen Ausprägung veränderte. Sowohl Doss (2004) als auch Dermarkar et al. (2008) gehen von einer zweigliedrigen Frankophonie aus, die sich aus diesen historischen Umständen entwickelte. Das Konzept einer binären Sprecherschaft soll in vorliegender Arbeit aufgegriffen werden und anhand einer soziohistorischen und linguistischen Untersuchung auf seine Existenz und Ausprägung geprüft und differenziert analysiert werden.

Da die französische Sprache weder durch Kolonialisierung noch durch direkten Sprachkontakt mit etwaigen Nachbarländern in Ägypten Fuß fasste, sollen in einem historischen Abriss die Ursache und Festigung und die damit verbundene Einzigartigkeit der ägyptischen Frankophonie herausgearbeitet werden. Anschließend wird die Hypothese einer Existenz zweier Sprechergruppen aus einem historischem Blickwinkel betrachtet und erklärt. Der analytische zweite und dritte Teil der Arbeit basiert auf dem in den Jahren 2007 und 2008 erstellten Korpus von Prof. Dr. Stefan Pfänder und Dr. Cynthia Dermarkar, das als Vorstudie für die im Jahre 2010 veröffentlichte Monographie Le français cosmopolite diente. Auch wenn es sich um ein Mikrokorpus handelt, können anhand dessen dennoch Tendenzen der ägyptischen Frankophonie herausgearbeitet werden. Neben dem authentischen, bereits transkribierten Audiomaterial, wurden die Soziodaten der Sprecher archiviert, die die Grundlage für eine statistische Analyse der Sprecherschaft im zweiten Teil der Arbeit ermöglichen. Die in der Analyse berücksichtigten Faktoren Alter, Geschlecht und Religionszugehörigkeit werden zu den beiden Sprechergruppen in Bezug gesetzt. Damit soll untersucht werden, inwiefern sie sich nach soziologischen Gesichtspunkten voneinander abgrenzen lassen. Anschließend werden einige linguistische Kriterien aufgestellt, die die unterschiedlichen Sprachpraxen der beiden Sprechergruppen exemplarisch belegen soll. Für diese Untersuchung wird die Gesamtheit des Korpus als Diskussions- und Beweisgrundlage dienen. In einem dritten und letzten Schritt werden die Ergebnisse anhand von vier Gesprächsanalysen einer Probe unterzogen. Die ersten beiden Analysen liefern ein differenziertes Bild der Sprechergruppe 1, die mittels zweier weiterer Analysen der Sprechergruppe 2 gegenübergestellt werden. Neben den erarbeiteten Kriterien sollen ferner die jeweiligen gesprächsspezifischen Besonderheiten herausgearbeitet werden, wodurch ein ganzheitlicher authentischer Eindruck der jeweiligen Sprecher im Kontext einer binären Frankophonie gewährleistet wird.

2 Die Wegbereiter der Frankophonie in Ägypten

Der Kontakt zwischen Frankreich und Ägypten festigte sich bereits im Mittelalter, als die beiden Länder in einer Handelsbeziehung zueinander standen.1 Wegbereitend für die Einführung der französischen Sprache war aber vor allem die Expedition Bonapartes, die dieser zwischen 1798 bis 1801 sowohl aus militärisch-strategischen als auch aus wissenschaftlichen Gründen unternahm. Ziel dieses Feldzuges war zum einen die Handelsverbindungen Englands mit Indien zu unterbrechen, um den großen Konkurrenten Frankreichs in seiner kolonialen Vormachtstellung zu schwächen. Zum anderen gab Frankreich die Befreiung des ägyptischen Volkes von den Mamelucken2 und die Verbreitung der Prinzipien der französischen Revolution als Legitimation für sein Vordringen an. Das französische Heer wurde von 167 Wissenschaftlern und Gelehrten begleitet, die das geheimnisvolle alte Ägypten erkunden und zivilisatorische Aufklärung leisten sollten.

À peine débarqué en Egypte, tous se mettent au travail. L'Institut d'Égypte est créé au Caire sur le modèle de l'Institut de France. Certes, il se donne pour tâche de percer les mystères de l'ancienne Égypte, mais ses membres, en peu de mois, font tourner des moulins à vent, édifient des filatures de laine et de coton, créent des manufactures de draps, des fabriques de papier, voire une fonderie de caractères d'imprimerie nécessaires à la publication du Journal de l'Egypte et d'une revue scientifique. (Decaux 1998: 1)

Bonaparte bereicherte den ägyptischen Staat mit diesen Neuerungen sowohl auf auf wirtschaftlicher Ebene als auch im Kontext des Kulturbetriebes, indem er die Druckpresse in Ägypten einführte. Besondere Bedeutung erreichte die Expedition außerdem durch den Fund des Steins von Rosette, der später unter Mohamed Ali Pascha die Entschlüsselung der ägyptischen Hieroglyphen ermöglichte. Auch nach dem Abzug der Truppen Bonapartes3 versiegte der französische Einfluss auf den ägyptischen Staat nicht. Von dem europäischen Forschergeist und der fortschrittsorientierten Lebensweise inspiriert, führte Mohamed Ali Pascha während seiner Amtszeit bildungspolitische Reformen durch.4

Mohamed Ali Pascha (1805-1848), der die Herrschaft der Mamelucken im Jahre 1805 ablöste, förderte den Kontakt zu Frankreich, da er darin eine Chance sah, Ägypten zu modernisieren. Er war beeindruckt von der Armee Bonapartes und interessierte sich ebenfalls für den wissenschaftlichen Fortschritt des Westens. Er schickte einige junge Ägypter nach Europa, insbesondere nach Frankreich, die dort unter anderem technische und administrative Ausbildungen erhielten. Mit dem neu erworbenen Wissen kehrten die ausgebildeten Kräfte nach Ägypten zurück und unterstützten dadurch auch die Verbreitung der französischen Sprache.5 Zudem ließ Mohamed Ali Pascha etliche Gelehrte rufen, die Bonaparte auf seinem Feldzug begleitet hatten und ihm nun bei der Modernisierung des Landes helfen sollten. Im Zuge dessen verband man die französische Sprache von nun an mit Wissen und Bildung, weshalb sich das Französische zu einer Prestigesprache entwickelte, die insbesondere von der Bildungselite gesprochen wurde.

Paradoxalement, il a fallu attendre la fin de l'Expédition et son échec pour que des relations franco-égyptiennes commencent à se nouer et que la France trouve une place en Egypte. Mohammed Ali a fait appel aux ennemis de la veille pour mettre en place une armée moderne (avec le colonel Sève, futur Soliman Pascha), créer un système médical (avec le docteur Clot, futur Clot bey) ou organiser de grands travaux (avec des ingénieurs comme Linat de Bellefonds ou Pascal Coste). Des missions scolaires ont été envoyées en France. Dans plusieurs domaines, comme l'enseignement, c'est le système français qui a servi de modèle aux nouvelles institutions égyptiennes. (Solé 1998: 195)

Mit der Gründung der tribunaux mixtes im Jahre 1875 erlangte die französische Sprache offiziellen Status und auch auf inhaltlicher Ebene spielte sie für die ägyptische Rechtsprechung eine Rolle, da diese von dem Code Napoléon inspiriert war. Aber auch in anderen öffentlichen Bereichen etablierte sich das Französische als Verkehrssprache:

C'est en français que se font les transactions boursières et que sont conclus les contrats entre l'Etat et les entreprises, fussent-elles anglaises. En français que délibèrent l'Institut d'Egypte et la Société royale de géographie. En français que le Conseil des ministres lui-même dresse ses procès-verbaux. (Solé 2001: 186)

2.1 Die Verankerung der französischen Sprache

Auch wenn die Anzahl der in Ägypten ansässigen Franzosen relativ zu anderen ausländischen Minderheiten (Griechen, Armenier, Italiener, Syro-Libanesen und Mitglieder der jüdischen Glaubensgemeinschaft unterschiedlicher Herkunft) immer recht beschränkt blieb, war es die französische Sprache, die unter den Nicht-Ägyptern dominierte und als Lingua Franca fungierte.6 Französisch war nicht einfach nur eine Fremdsprache, sondern avancierte zu einer Verkehrssprache. Dies änderte sich auch nicht, als Ägypten, von den Engländern besetzt, britisches Protektorat wurde (1882-1922). Durch den wissenschaftlichen Einfluss der Expedition Bonapartes, die daran anschließende Bildungspolitik Mohamed Alis und die Etablierung französischer Schulen in den Metropolen Ägyptens avancierte die französische Sprache zum Kommunikationsmittel der Bildungselite auch innerhalb der Familien.

La langue française, langue de la modernisation économique et technique du pays au XIXe siècle, est devenue peu à peu la langue de culture moderne et d'ouverture pour les classes aisées. Parler le français était en quelques sorte un signe de distinction sociale, le français étant une langue de l'élite.(Chiha 2003: 70)

Die Kenntnis der französischen Sprache war nicht nur ein Statusmerkmal innerhalb der Gesellschaft, also Kultursprache, sondern galt gleichzeitig als langue des femmes. Als die Frauen im 19. Jahrhundert Zugang zur Bildung erhielten, war die arabische Schrift nur den Männern Vorbehalten. Um die patriarchalische Gesellschaftsordnung nicht zu gefährden, wurden die Frauen auf französisch unterrichtet. Ironischerweise etablierte sich dann die französische Sprache als Ausdrucksmittel der emanzipatorischen Bewegung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, an dessen Spitze Hudâ Sha'râwî stand.

L'exemple type est l’Egyptienne, revue mensuelle de « politique, féminisme, sociologie, art », fondée en 1925 par Hudâ Sha'râwî, deux années après le début du fonctionnement de l'Union Féministe Égyptienne (UFE). [...] Le français, langue transnationale mais non coloniale, avait inévitablement fonction d'ouverture à l'autre, au monde, il était donc, au moins de ce point de vue, un instrument d'émancipation. (Fenoglio 1997: s.p.)

Während sich Anfang des 20. Jahrhunderts die Anzahl der Jungen und die der Mädchen an den französischen Schulen die Waage hielten, wurden die französischen Schulen ab Mitte der 1930er Jahren vermehrt von Mädchen besucht, während zugleich ein leichter Rückgang der männlichen Schülerschaft zu beobachten war.7 Auch aus zeitgenössischem Blickwinkel wird die französische Sprache in erster Linie von Mädchen erlernt. Die Jungen werden von den Eltern dazu angehalten, englisch zu lernen und schließen sich, wahrscheinlich aus ökonomischen Gründen, dem weltweiten Trend an.

Pour nombre de celles et ceux qui entreprennent d'apprendre le français, cette langue constitue un 'plus' susceptible d'augmenter les chances dans l'ascension sociale et dans le désir de distinction, plus particulièrement dans le monde féminin. [...] C'est le sexe -féminin- qui semble être un facteur déterminant dans le choix de cette langue plutôt que d'une autre langue étrangère. (Doss 2004: 83f.)

Die Verbundenheit zur französischen Kultur zeigte sich besonders in dem enormen Einfluss, den Frankreich auf das ägyptische Schulsystem ausübte. Zum einen ließen sich die von Mohamed Ali zur höheren Ausbildung nach Frankreich gesandten Ägypter durch die französische Schule inspirieren und reformierten daraufhin das ägyptische Schulsystem, das bisher ausschließlich aus Koranschulen bestanden hatte und nur der männlichen Bevölkerung vorbehalten war. Zum anderen waren es die Franzosen selbst, die sich seit 1847, zunächst mit katholischen, später mit laizistischen Bildungseinrichtungen in den Metropolen Ägyptens niederließen. Diese Schulen standen jedem offen, unabhängig von Nationalität und Konfession. Auch der weiblichen Population wurde mit der Gründung katholischer Mädchenschulen das Tor zur Bildung geöffnet. Schon bald nach ihrer Gründung eilte den geschlechtergetrennten, katholisch geprägten Schulen der Ruf voraus, die besten des Landes zu sein, weshalb sie im Jahre 1908 von rund 25.000 Schülern unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergrunds besucht wurden.

Une grande partie de la haute bourgeoisie égyptienne et même des classes plus modestes y est formée, tandis que la France se constitue une fidèle clientèle parmi les minorités juive et syro-libanaise, mais aussi italienne, grecque ou arménienne.

(Solé 2001: 185)

Ab 1909 etablierte die Mission laïque française ihre Schulen in Kairo, Heliopolis, Alexandria und Port-Saïd. Dadurch dass diese Schulen jedoch Privatschulen waren, wurden sie nur von einem kleinen, privilegierten Teil der ägyptischen Gesellschaft besucht. Um 1900 konnten nur 10% der Bevölkerung lesen und schreiben und etwa 3 bis 4% praktizierten einen franko-arabischen Bilingualismus (Vgl. Fenoglio 1997: s.p).

Die frankophone Presse etablierte sich Mitte des 19. Jahrhundert und verbreitete sich rasant, was den Einfluss der französischen Sprache und Kultur auf den ägyptischen Bildungsbetrieb besonders anschaulich widerspiegelt.8

En plus des journaux économiques, dont la création fut jugée nécessaire, vu le développement des projets égyptiens bénéficiant du soutien de la France, (comme Le Nil, 1866, Le Bosphore Egyptien,1881, La Réforme, 1894, La Bourse Egyptienne, 1899), des revues comme La Revue du Caire, fondée en 1838, témoignent de la vigueur d'une vie intellectuelle en français. (Chiha 2003: 70) Ende des 19. Jahrhunderts gab es nur eine englische Tageszeitung, The Egyptian Gazette, die mangels Leserschaft gezwungen war, die Hälfte der Zeitung in französischer Sprache zu veröffentlichen; eine bemerkenswerte Tatsache, war Ägypten doch britisches und nicht französisches Protektorat gewesen. Die französische Sprache war auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fest im ägyptischen Bildungswesen, der Presse und somit auch in der Literatur etabliert.

A la passion des Français pour l'Égypte répond la passion française de nombre d'Égyptiens comme le montre l'activité littéraire, à Alexandrie et au Caire, à la veille de la seconde guerre mondiale. Les poètes, romanciers et essayistes sont aussi bien des musulmans que des coptes, des juifs que des chrétiens orientaux. Certains auteurs s'expriment en français, comme Georges Heinen, Edmond Jabès et Albert Cossery. (Solé 2001: 188)

Die Frankophonie verankerte sich somit in der ägyptischen Gesellschaft ohne jemals von Frankreich kolonisiert worden zu sein und bereicherte das Land in verschiedenen Bereichen.

2.2 Wendepunkt und Rückgang

Der Einfluss der französischen Kultur und Sprache war bis in die 1950er Jahre deutlich zu spüren. Die Frankophonie erfüllte im Bereich der Wissenschaften, der Rechtsprechung und des Handels eine bedeutsame Rolle, stand aber immer in Konkurrenz zu der arabischen und der englischen Sprache; eine spannungsreiche Situation, die sich im 20. Jahrhundert zuspitzte und schließlich zum Rückgang der Frankophonie in Ägypten führte. Mit dem Aufkommen revolutionärer Gedanken veränderte sich der Bezug zu Frankreich drastisch, denn die Protagonisten, genannt Officiers libres, gehörten der arabophonen Bourgeoisie an, die die französische Sprache mit dem vergangenen Regime in Verbindung brachten. Mit der Revolution von 1952 wurde der König Farouk entthront, Mohamed Neguib kam an die Macht und anschließend Gamal Abd el Nasser im Jahre 1954. Der eigentliche Bruch mit Frankreich trat jedoch im Jahre 1956 mit der Suez-Krise ein.9

Ayant eu la mauvaise idée de s'associer à la Grande-Bretagne (l'ex-occupant) et à Israël (l'ennemi irréductible) pour reprendre par les armes le Canal, la France va le payer très cher. Ses lycées sont nationalisés. Les écoles catholiques échappent à cette mesure : on dira qu'elles ne sont pas françaises, mais vaticanes. Elles passent néanmoins sous le contrôle de l'Éducation nationale, qui impose ses programmes et promeut l'arabisation. L'expulsion de la plupart des Français d'Égypte sera suivie de l'émigration de nombreux francophones, juifs, libanais, syriens, grecs, italiens, arméniens... Au fil des années, la francophonie va rétrécir, comme une peau de chagrin. (Solé 2001: 188f.)

Der Machtwechsel und die Auseinandersetzungen von 1956 hatten eine Reformierung des Schulsystems zur Folge. Die französischen, englischen und deutschen Schulen wurden in écoles de langue umfunktioniert, d.h. der Unterricht wurde nun sowohl auf arabisch (hauptsächlich geisteswissenschaftliche Fächer) als auch auf der jeweiligen 'Fremdsprache' (hauptsächlich naturwissenschaftliche Fächer) gehalten und das französische Abitur durch einen ägyptischen Abschluss ersetzt. Der Einfluss der europäischen Sprachen wurde dadurch stark eingedämmt und die Arabisierung10 gestärkt, die sich in Ägypten bereits in den 1930er Jahren angekündigt hatte.11 Die Vertreibung ausländischer Minderheiten und die Abwanderung der ägyptischen frankophonen Bildungselite trugen besonders zum Rückgang der Frankophonie in Ägypten bei, da somit immer weniger Ägypter mit erstsprachlichen Französischkenntnissen zurückblieben, die den Kindern ihre Kompetenzen weitergeben konnten.

Il est difficile, dans ces conditions, de continuer à parler de bain linguistique et encore moins de bain culturel pour les élèves inscrits dans ces cursus. Il est évident, également, que même si la fréquentation des écoles de langue reste très élevée, le plus faible contact des élèves avec la langue française fait que le niveau de français recule. Il faut se rendre à l'évidence : on est passé d'un enseignement en français à un enseignement du français. (Julien-Kamal 2009: 81)

Trotz der starken Eindämmung überlebte die Frankophonie in Ägypten die Krise und erfährt seit einigen Jahrzehnten eine Revitalisierung. Mit der frankophilen Politik von Anouar El Sadate in den 1970er Jahren wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und Ägypten wieder aufgenommen und die frankophonen Bildungseinrichtungen gestärkt12. Wie Doss (2004: 79) in ihrem Aufsatz belegt, wird die französische Sprache nicht mehr primär erstsprachlich im familiären Kontext erlernt, sondern in der Schule.13 Dies hat zur Folge, dass die Mehrheit der Kinder der neuen Generation eine andere Sprachperformanz aufweisen als vor der Krise der 1950er Jahre. Doss unterscheidet zwischen zwei frankophonen Sprechergruppen: die über 50-Jährigen, die erstsprachliche Kompetenzen aufweisen, und die unter 50-Jährigen, die nach dem Wendepunkt der 1950er Jahre geboren wurden und die französische Sprache primär im schulischen Kontext erworben haben. Laut Doss hat das Französische bei den unter 50-Jährigen nicht mehr den Status einer Mutter- bzw. Zweitsprache, sondern den einer Fremdsprache.14

Die zeitgenössische Motivation Französisch zu lernen, beschreibt Doss wie folgt:

Cet enseignement ne s'adresse plus seulement à une élite, mais à une base plus large d'apprenants et d'usagers du français dont les objectifs sont divers. Pour certains, le français est la langue qui permettra d'accéder à la connaissance technique avancée (médicale, ou autre) ; pour d'autres enfin, la connaissance du français permettra la lecture des textes spécialisés. (Doss 2004: 96)

Das Erlernen der französischen Sprache wird nach Doss als Mittel zum beruflichen Aufstieg begriffen und dient zur Abgrenzung innerhalb der gesellschaftlichen Hierarchie. In diesen Punkten steht das Französische in starker Konkurrenz zur englischen Sprache, da diese zum internationalen Mittel der Verständigung avanciert und vor allem in den Bereichen Technik und Medien sehr präsent ist.

La langue d'acculturation est l'anglais, langue étrangère intégrée à la vie culturelle quotidienne. Cependant, elle ne possède ni les mêmes caractéristiques (elle est plus technique et plus médiatique), ni le même statut : elle est plus populaire, dans le sens où elle est plus massivement diffusée que l'était le français, et plus orale. L'anglais (l'américain) a un « statut démocratique », alors que le français avait un statut élististe. Dans le même temps, il n'impliquait l'utilisation de la langue française : l'anglais est simple instrument, alors que le français était une participation directe à une vie culturelle autre, l'occasion d'une création. (Fenoglio 1997: s.p.)

Nach Fenoglios Auffassung bedienen die beiden Sprachen unterschiedliche Bedürfnisse. Die englische Sprache ist die Sprache der Moderne, der Medien und der Technik und bietet sich als Fremdsprache an, um die beruflichen Chancen auf die internationale Ebene auszuweiten. Sie erfüllt damit eine äußerst praktisch orientierte Funktion und wird nach pragmatischen Kriterien ausgewählt. Sie spielt aber auch im Alltag durch die mediale Verbreitung eine bedeutende Rolle; besonders die Jugendlichen haben ständigen Kontakt zur englischen Sprache. Sie sehen amerikanische Filme, hören anglophone Musik und surfen im Internet, das die User permanent mit der englischen Sprache konfrontiert.

L'anglicisation de l'Égypte est également due à l'apparition des États-Unis sur la scène internationale et à l'extension de la culture anglo-saxonne. Le monde entier s'anglicise. Sur le plan commercial notamment, le français est supplanté par l'anglais. (Gérard 1996: s.p.)

Aber auch die französische Sprache ist in den Medien präsent. Es werden frankophone Radiosendungen ausgestrahlt (wie das europäische Programm des Radio du Caire) und auch die frankophonen Printmedien sind aktuell von zwei Zeitungen Le Progrès Égyptien und Al-Ahram Hebdo vertreten. Der französischen Sprache haftet noch der Geschmack von Prestige und Bildung an, was manche Familien bei der Wahl der Schule und der Fremdsprache sicherlich beeinflusst. Wie schon vor den 1950er Jahren gilt die französische Sprache noch heute als langue des femmes. Viele Eltern schicken ihre Töchter daher auf frankophone und die Jungen auf englischsprachige Schulen.

Qu'il y ait des Égyptiens connaissant et parlant bien le français, c'est une aide importante pour la politique égyptienne en Afrique. En face de l'omniprésence américaine, le français est l'un des instruments d'une certaine indépendance nationale. D'ailleurs le français ne fait que continuer à jouer le rôle historique qui a été le sien dans la lutte de l'Égypte pour son indépendance nationale depuis le milieu du siècle dernier contre les Turcs d'abord, contre les Anglais ensuite. Enfin, pour certains intellectuels égyptiens, l'Égypte appartient avant tout à l'aire culturelle méditerranéenne où le français occupe une place de choix. (Fleury 1994: 407)

Noch heute ist der französische Einfluss sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich sichtbar. Straßenschilder in französischer Sprache, französische Schulen und die französische Presse verdeutlichen die Aktualität. Seit 1983 ist Ägypten offizielles Mitglied der institutionellen Frankophonie; Boutros Boutros-Ghali, Ägypter und ehemaliger Generalsekretär der UNO, war schließlich sogar Generalsekretär der Organisation Internationale de la Francophonie (OIF) von 1997-2002, intensivierte somit den Kontakt zu Frankreich und förderte das Bewusstsein Ägyptens für die gelebte Frankophonie innerhalb des Landes.

3 Die binäre Ausprägung der Frankophonie in Ägypten

Die französische Sprache lässt sich nicht auf ein unikales linguistisches System festlegen, sondern zeichnet sich vielmehr durch eine vielfältige Sprachvarianz weltweit aus.

Le français d'aujourd'hui, comme l'espagnol, l'anglais, l'allemand ou beaucoup d'autres langues, est une langue pluricentrique où plusieurs standards coexistent. Cependant on a moins affaire à la coexistence de normes de même statut qu'à un système hiérarchiquement stratifié de standards interagissant, d'empans variables - global, supranational, national, régional ou même, dans certains cas, limité à des domaines de communication spécifique. (Dermarkar et al. 2010: 90)

Wie bereits gezeigt wurde, ist die Frankophonie Ägyptens durch ihre einzigartige historische Verankerung in der ägyptischen Sprachlandschaft ein bemerkenswertes Phänomen. Es ist der Genauigkeit halber wichtig zu erwähnen, dass die frankophone Sprachgemeinschaft hauptsächlich in den Metropolen Alexandria und Kairo lokalisiert ist. Das Korpus Dermarkar/Pfänder (2007-2008), auf das sich diese Arbeit im Folgenden stützen wird, setzt sich aus Aufzeichnungen von Gesprächen frankophoner ägyptischer Sprecher zusammen, die im Rahmen des CIEL-F15 Projekts in den Jahren 2007 und 2008 in Kairo aufgenommen wurden. Es umfasst 27 Aufnahmen, an denenjeweils maximal vier Sprecher teilnehmen16. Diese wurden zu einem großen Teil transkribiert und bildeten die Grundlage für die Monographie Le français cosmopolite. Témoignages de la dynamique langagière dans l’espace urbain du Caire (Dermarkar/Pfänder 2010). In folgender Korpus- und Gesprächsanalyse werde ich die Hypothese von Dermarkar et al. (2008) aufgreifen, die von einer Existenz zweier Kompetenztypen innerhalb der ägyptischen Frankophonie ausgeht. An dieses Konzept wird in vorliegender Arbeit angeknüpft, die vorgeschlagenen Bezeichnungen 'Anciens' und 'Modernes' werden beibehalten und nachfolgend erklärt.

Zunächst ist es erforderlich, die Ursache für die Binarität der frankophonen Sprachgemeinschaft in Ägypten zu erläutern. Wie in dem geschichtlichen Abriss bereits skizziert, markiert die Periode um die Mitte des 19. Jahrhunderts einen Wendepunkt in der Sprachgeschichte des Französischen in Ägypten. Diese historischen Umstände spiegeln sich in der Sprachkompetenz wider. Die Politik Nassers setzte der Verbreitung der Fremdsprachen, also auch dem Französischen, klare Grenzen und förderte das Hocharabische in Wort und Schrift. Erst in den 1970er Jahren rehabilitierte sich durch die Politik Anwar el Sadats die positive Haltung Fremdsprachen gegenüber.

Dieser Einschnitt in die Sprachgeschichte der Frankophonie hatte eine Divergenz in der Sprechweise und -kompetenz älterer und jüngerer frankophoner Sprecher zur Folge. Die ältere Generation weist demnach ein anderes Französisch auf, als die jüngere. Diese Hypothese wurde bereits durch Madiha Doss in ihrem Aufsatz Le français en Égypte. Histoire et présence actuelle aufgestellt. Sie setzt die Altersgrenze der Sprechergruppen beim 50. Lebensjahr. Die über 50-Jährigen sind nach ihrer Einteilung dem ägyptischen Französisch zuzuordnen, während die unter 50-Jährigen eine an das europäische moderne Französisch angepasste Sprachkompetenz aufweisen, die aber in vielen Fällen defizitär ist (Doss 2004: 79ff.). Dermarkar et al. (2008) setzen die Grenze beim 35. Lebensjahr, da sie die Periode zwischen 1956 und 1970 in ihre Überlegungen einbeziehen, in der das Französische weitgehend verdrängt worden war. Die Revitalisierung der französischen Sprache in Ägypten mit der Sprachpolitik el Sadats war ein Prozess, der erst mit den Jahren wieder richtig Fuß fassen konnte.

Die Sprecher der 'Anciens' haben die französische Sprache erstsprachlich erlernt, d.h. sie haben ihre Sprachkompetenz im familiären Kontext erworben. Dabei handelt es sich jedoch nicht um das moderne Standardfranzösisch des Hexagons, sondern um ein ägyptisches Französisch, das, seit Jahrzehnten in Ägypten etabliert, seine eigenen sprachlichen Besonderheiten entwickelt hat, auf die zu einem späteren Zeitpunkt eingegangen wird. In ihrem Fall kann man von einer diglossischen Sprachsituation (Arabisch/Französisch) sprechen. Das Französisch der 'Modernes' hingegen ist ein erlerntes Schulfranzösisch. Diese Sprecher haben das Französische demnach als Fremdsprache erlernt und kommunizieren innerhalb der Familie auf arabisch. Meist weisen die Eltern der 'Modernes' keinerlei Französischkenntnisse auf und haben die französische Schulausbildung aus praktisch-strategischen Gründen für ihre Kinder gewählt. Im internationalen Wettbewerb sind Fremdsprachenkenntnisse Voraussetzung für beruflichen Erfolg. Dementsprechend unterscheiden sich die beiden Sprechergruppen in ihrem Sprachverhalten; die spezifischen Merkmale, die hier zur Unterscheidung herangezogen werden, werden im Laufe der Arbeit noch herausgearbeitet.

Die Varietäten der Älteren (Anciens) gründet auf familiärer und schulischer Tradition und ist gekennzeichnet von stilistischer Sicherheit. Die Varietät der Jüngeren (Modernes) fällt durch sprachliche Unsicherheit auf, ist aber getragen von Aufbruchstimmung. Nunmehr wird klar, dass die hier als ältere und jüngere bezeichneten Gruppen nicht vom Alter der Personen bestimmt sind, sondern lediglich Konzepte darstellen. So gehören zu der Gruppe der Älteren auch kleinere Schulkinder. Vertreter der Älteren und Jüngeren können - dies trübt das bisher so klare Bild etwas - gleich alt sein, sogar die gleiche Schule besuchen, aber aus unterschiedlichem Antrieb. Kinder der Älteren sollen die Tradition bewahren, Kinder der Jüngeren eine im Land vorhandene, aber vernachlässigte (Sprach-)Kultur erwerben, einerseits aus Neigung (der Eltern), andererseits im Hinblick auf die spätere Karriere. Die sprachlichen Strategien beider Gruppen sind grundverschieden.

(Dermarkar et al. 2008: 123)

Wie bereits Dermarkar et al. (2008) anmerken, wird eine einfache Einteilung in zwei Sprechergruppen der Sache nicht gerecht. Die Kinder der 'Anciens' könnten, dem Alter nach in vielen Fällen auch 'Modernes' sein, weisen aber typische Merkmale des ägyptischen Französisch auf, wie auch die Analyse in Abschnitt 4.2 belegen wird. Die Kinder der älteren Sprecher der 'Anciens' zählen zu derselben Sprechergruppe wie ihre Eltern, weisen aber häufiger ein defizitäres Kompetenzniveau auf, während jugendliche 'Modernes', die nur im schulischen Kontext mit der französischen Sprache konfrontiert wurden, teilweise ein höheres Niveau aufweisen (Abschnitt 4.3). Dies mag daran liegen, dass die Arabisierungspolitik Nassers seine Spuren ebenfalls in den frankophonen Familien der 'Anciens' hinterlassen hat, während die 'Modernes' von der neuen Bildungspolitik der 1970er Jahre profitieren. Jedoch ist das Kompetenzniveau innerhalb der Sprechergruppen variabel und kann deshalb nicht als primäres Unterscheidungskriterium zwischen den Sprechern der 'Anciens' und der 'Modernes' gelten.

3.1 Statistische Auswertung der Soziodaten

Nachdem die binäre Struktur der frankophonen Sprachgemeinschaft in Ägypten erläutert wurde, soll das Korpus von Dermarkar/Pfänder (2007-2008) auf die Soziodaten der beiden übergeordneten Sprechergruppen untersucht werden. Verschiedene Faktoren wie Alter, Religion und Geschlecht spielen bei dieser Untersuchung eine zentrale Rolle, da sie Rückschlüsse über die Entwicklungen innerhalb der Frankophonie Ägyptens ermöglichen. Zu diesem Zweck wurde eine Tabelle (siehe Anhang 1) angefertigt, die einen Überblick über das Korpus bietet und die statistische Auswertung desselben ermöglicht. Neben den oben genannten Faktoren ist auch der Beruf der Sprecher in die Tabelle aufgenommen, soll aber nur das Bild ergänzen und fließt nicht in die nachfolgende Analyse ein. Es wurden alle Sprecher des Korpus mit Französischkenntnissen berücksichtigt. Sprecher nicht-ägyptischer Herkunft wurden ebenfalls in der Tabelle aufgenommen, sind jedoch in Klammern gesetzt und werden von der Auswertung ausgenommen. In mehreren Aufnahmen vorkommende Sprecher werden einfach gezählt, die sich wiederholenden irrelevanten Daten sind ebenfalls in Klammem gesetzt (z.B. Ç/chr./70J.: CD15/16/20/29/30). Für die soziologische Analyse der Sprecher und die Aufteilung in die Sprechergruppen 'Anciens' und 'Modernes' liegen Fragebögen, so genannte fiches locuteurs, vor, die von den Sprechern eigenhändig mit ihren Soziodaten ausgefüllt wurden. In den Fällen, in denen der erstsprachliche, bzw. rein-schulische Erwerb nicht dokumentiert ist, bot der Vergleich der fraglichen Sprecher mit attestierten 'Anciens', bzw. 'Modernes' auf linguistischer Ebene das Handwerkzeug zur Kategorisierung. Die linguistischen Kriterien werden nach der Analyse der Soziodaten behandelt. Insgesamt umfasst das Korpus 46 Sprecher, von denen 30 den 'Anciens' und 16 den 'Modernes' zugerechnet werden. Auch wenn sich die vorliegende Arbeit auf ein Mikrokorpus stützt und demnach keine hohe Repräsentativität liefert, können mit dessen Hilfe dennoch die aktuellen Entwicklungstendenzen der Frankophonie in Ägypten skizziert werden.

Zuerst wird der Faktor Alter ins Zentrum des Interesses gerückt, da er einen Überblick darüber gibt, wie viele Sprecher vor beziehungsweise nach den 1950er Jahren (1970er Jahren) geboren sind. Dies soll in Bezug zu den Größen 'Anciens' und 'Modernes' gesetzt werden, um der Hypothese nachzugehen, ob die Bildungspolitik Nassers und el Sadats einen Einfluss auf den Status der französischen Sprache hatte. Da die Aufnahmen aus den Jahren 2007/2008 sind, werden die Angaben zum Alter aus den fiches locuteurs von 2007/2008 übernommen, ohne sie für das Jahr 2011 zu aktualisieren. Was den Altersdurchschnitt betrifft, so unterscheiden sich die 'Anciens' (0 35 Jahre) und die 'Modernes' (0 30 Jahre) nur unwesentlich. Inwiefern das Alter der Sprecher für die Analyse dennoch eine Rolle spielt, soll mit folgender Grafik gezeigt werden, in der die Sprecher der 'Anciens' (insgesamt 30, davon sieben Kinder) und die Sprecher der 'Modernes' (insgesamt 16) einander gegenübergestellt werden. Anhand eines Zahlenstrahls, der das Alter markiert (0-100) wurden die Sprecher aufgeteilt. Um die Grafik so übersichtlich wie möglich zu gestalten, wurde auf das exakte Einhalten der Altersangaben zugunsten einer vereinfachten Einteilung (5er Schritte: 5-10J.; 11-15J.; 16-20J. etc.) verzichtet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anhand der Grafík lässt sich ablesen, dass das 35. Lebensjahr tatsächlich einen Wendepunkt markiert. Ältere 'Modernes' gibt es kaum, lediglich zwei von 16 nicht-erstsprachlichen Sprechern sind wesentlich älter als 35 Jahre. Bei den 'Anciens' ist die Verteilung der Sprecher deutlich breiter gefächert. Nach der Einschätzung der 'Anciens' ist das ägyptische Französisch jedoch eine obsolete Varietät, die die jüngeren Generationen nicht mehr mühelos verwenden; man müsste also auch hier Abstufungen machen. Die Abschnitte 4.1 und 4.2 werden zeigen, wie die Kompetenzen mit den Folgegenerationen abnehmen.

Les bouleversements politiques et sociaux que l'Égypte a vécus depuis 1952, date de la révolution égyptienne, et particulièrement les changements qui ont eu lieu dans les années soixante, ont eu un impact certain sur le système d'éducation général. La gratuité de l'enseignement scolaire et universitaire a permis au plus grand nombre d'accéder à l'instruction avec toujours le même éventail de choix [...]. C'est ainsi que les écoles de langue française ne sont plus l'apanage des francophones de « naissance », mais elles reçoivent également des élèves issus de milieux sociaux divers, pour la plupart non francophones. (Farid 2005: 42f.)

Dies erklärt den Umstand, dass sich die Anzahl der nicht-erstsprachlichen Frankophonen, der 'Modernes', ab den 1970er Jahren erhöht hat. Durch die Öffnung der frankophonen Schulen für ein breiteres Publikum, ist zudem eine Veränderung bei der anteiligen Religionszugehörigkeit der 'Anciens' und 'Modernes' zu beobachten. Waren vormals hauptsächlich Nicht-Ägypter mit christlichem Hintergrund und die ägyptische Oberschicht, die die französische Sprache I auch I im I familiären I Umfeld I pflegten, I Vertreter I der I Frankophonie Ägyptens, I so I änderte I sich I das I mit I der I neuen I Bildungspolitik I Ende I des 20. Jahrhunderts. Das Verhältnis des muslimischen und des christlichen Sprecheranteils zu den Größen 'Anciens' und 'Modernes' soll Aufschluss darüber geben, ob die Wahl der Zweitsprache in Zusammenhang mit dem soziokulturellen Hintergrund der Sprecher eine Veränderung erfahren hat.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auffällig ist, dass der christliche Sprecheranteil bei den 'Anciens' dominiert, wobei immerhin 40% der muslimischen Glaubensgemeinschaft angehören. Dies mag mit Nassers Arabisierungspolitik Zusammenhängen und der damit vorangetriebenen demographischen Entwicklung im Zuge der Abwanderung sozialer (also auch christlicher) Minderheiten. Betrachtet man den christlichen Anteil der 'Modernes', so hat er sich gegenüber den 'Anciens' um ein zehnfaches reduziert. Von 16 'Modernes', davon zwei ohne Angaben, sind 13 Muslime und nur ein Sprecher ist Christ. Die Anzahl der Muslime hat sich gegenüber den 'Anciens' hingegen verdoppelt.

Wie in Abschnitt 2.1 bereits erläutert wurde, wird die französische Sprache häufig als langue des femmes empfunden. Dementsprechend soll auch eine Angabe zu der Genderthematik gemacht werden. Von insgesamt 46 Sprechern sind 29 weiblich (63%), zehn männlich (22%) und sieben Kinder unter zwölf Jahren (15%). Es lässt sich also eine starke weibliche Tendenz in der Sprecherschaft des behandelten Korpus ausmachen. Anhand folgender Grafik wird die Verteilung der Geschlechter innerhalb der Sprechergruppen 'Anciens' und 'Modernes' illustriert. Die Kinder sind aus der Grafik ausgenommen.

Beide Sprechergruppen zeigen das selbe Ergebnis, nur ein Viertel der Gesprächsteilnehmer ist männlich. Drei Viertel hingegen sind weiblichen Geschlechts, was den Ruf des Französischen in Ägypten als langue des femmes untermauert. Nicht nur in der Forschung wird dieses Bild vermittelt, auch die Sprecher selbst weisen der französischen Sprache weiblichen Charakter zu:

M: ,,Il y a une conception depuis tout le temps que le français, c'était la langue du salon. Le français, c'est la langue pour les jeunes filles, l'anglais c'était pour les garçons parce que c'est la langue des affaires et ça, c'était l'idée qui existe depuis longtemps. Bon après, maintenant que les filles travaillent, les filles... donc, il faut les deux.“ (Aufnahme CD24)

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der geschichtliche Hintergrund einen großen Einfluss auf den Status der Frankophonie in Ägypten ausgeübt hat. Grafik 1 belegt, dass das 35. Lebensjahr (die Ziffer bezieht sich auf die Jahre 2007/2008) einen Wendepunkt innerhalb der Sprecherschaft markiert. Darüber hinaus zeigt Grafik 2, dass sich eine Veränderung bezüglich der Religionszugehörigkeit abzeichnet. Während die Mehrheit der 'Anciens' der christlichen Glaubensgemeinschaft angehört, überwiegt der muslimische Anteil bei den 'Modernes'. Zudem bestätigt Grafik 3 eine weibliche Dominanz innerhalb der frankophonen Sprecherschaft Ägyptens.

3.2 Linguistische Kriterien für die Unterscheidung von 'Anciens und 'Modernes

Anhand des historischen Abrisses und der bisherigen Forschungsarbeit wurde gezeigt, dass sich die Frankophonie in Ägypten aus zwei Sprechergruppen zusammensetzt, die die französische Sprache auf unterschiedliche Weise realisieren. In folgendem Abschnitt werden einige linguistische Phänomene näher betrachtet, die die beiden Varietäten voneinander abgrenzen. Die Ergebnisse bilden dann das Fundament für die nachfolgende Gesprächsanalyse. Um die Untersuchung des Korpus auf jene Merkmale zu ermöglichen, wurden alle vorhandenen Transkriptionen in einem eigens dafür angelegten Korpus in die Datenbank [moca]17 eingespeist. Mit der [moca]-Suchmaschine konnte gezielt nach den ausgewählten Phänomenen recherchiert werden. Die Interview-Führer, Nicht-Ägypter und die Kommentar-Zeilen wurden bei diesen Untersuchungen ignoriert.

3.3 Die Negation

Zunächst soll die Vermutung von Dermarkar et al. (2008) aufgegriffen werden, dass die Verneinungspartikel ne bei den 'Anciens' wesentlich gebräuchlicher ist als bei den 'Modernes'. Damit soll gezeigt werden, dass die beiden Sprechergruppen 'Anciens' und 'Modernes' an unterschiedlichen Punkten der Sprachentwicklung stehen, auch wenn das Durchschnittsalter beider Gruppen nur unwesentlich divergiert18. Seit dem 9. Jahrhundert ist die eingliedrige Negation 'ne + Verb' im Altfranzösischen attestiert, die sich aus dem Lateinischen 'non + Verb' ableitet. Während des Mittelalters wurde die ursprüngliche Negationspartikel durch ein Adverb oder eine Nominalphrase ergänzt: ne + goutte/mie(tte)/pas(sum) ^ 'keinen Tropfen/Krümel/Schritt' (Sturm 1981: 13f.). Das hinzugefügte Negationswort übernahm im Laufe der Entwicklung die Rolle des Negationsträgers, wurde also grammatikalisiert. Demzufolge wird die Negationspartikel ne mit der Zeit immer überflüssiger und neigt zur Tilgung. Sturm (1981: 15) belegt, dass sich der Wegfall der Partikel ne in den gebildeteren Schichten erst im Laufe des 19. Jahrhunderts verbreitet.19

Bei der Untersuchung der Datenmenge auf besagtes Phänomen habe ich mich auf die Negationskonstruktion ne... pas beschränkt; n'est-ce pas20 wurde dabei ausgeklammert, da es sich dabei um eine feststehende, häufig vorkommende Konstruktion handelt, die das Bild verfälschen würde. Des weiteren wurde darauf verzichtet, unklare Zitate in die Zählung aufzunehmen; z.B. on a pas... ist akustisch nicht von on n'a pas... zu unterscheiden. Doppelungen einer Aussage, z.B. durch Reparaturen, wurden einfach gezählt.

[...]


1 Mehr Informationen zu diesen ersten interkulturellen Kontakten finden sich in Dermarkar et al. (2008: 111f.)

2 Ägypten stand seit 1250 unter der Herrschaft der Mamelucken, woran auch die Eroberung Ägyptens durch die Osmanen im 16. Jahrhundert nichts änderte.

3 Bonaparte und seine Truppen verließen im Jahre 1801 Ägypten, nachdem sie von den Engländern besiegt worden waren.

4 Einen ausführlichen Einblick in die historischen Fakten des Ägyptenfeldzuges Napoleon Bonapartes liefern die Monographien von Laurens (2004) und Solé (2006).

5 Zur Beziehung von Mohamed Ali zu Frankreich liefert die Monographie von Gaultier- Kurhan (2005) einen ausführlichen Einblick.

6 Besonders ausführlich beschreibt Aslanov (2006: 191f.), welch bedeutsame Rolle die französische Sprache für die jüdische Minderheit Ägyptens spielte.

7 Vgl. hierzu die Grafik 2 in Abécassis (1995: 10)

8 Folgende Webseite enthält eine Übersicht der frankophonen Presse, erschienen zwischen 1798 und 2007: http://www.cealex.org/sitecealex/ress_en_ligne/pfe/pfe_liste_F.htm (15.06.2011)

9 Das Konzept für den Bau des Suez-Kanals war durch den Franzosen Ferdinand de Lesseps nach Ägypten gebracht worden. Der Traum, das Rote Meer mit dem Mittelmeer zu verbinden und somit den Seeweg nach Indien um die Hälfte zu verkürzen, war jedoch nicht neu und existierte bereits zu Zeiten Bonapartes. 1854 begann man mit den Bohrungen, 1869 wurde er offiziell eröffnet.

10 Die Arabisierung ist ein Phänomen, das sich im 20. Jahrhundert in der arabischen Welt manifestierte als Reaktion auf die Kolonialisierung.

11 Vgl. hierzu Gérard (1996): s.p.

12 Mehr Informationen zu der Rolle der französischen Sprache in der neuen Bildungspolitik finden sich in Julien-Kamal (2009: 81ff.)

13 Genaue Angaben zu den aktuellen Zahlen der frankophonen Bildungseinrichtungen und ihrer Schülerschaft finden sich in Doss (2004:79ff.).

14 Inwiefern diese rigide Einteilung der Geschichte der Frankophonie in Ägypten gerecht wird, soll in Kapitel 3 behandelt werden.

15 „Les recherches du projet international CIEL_F s'inspirent des théories et des méthodes de la linguistique de corpus, de la linguistique variationnelle, interactionnelle et fonctionnelle. L'approche innovatrice de CIEL consiste à établir un échantillonnage de types d'activités écologique, sur la base d'une typologie d'aires communicatives.“ [http://www.ciel-f.org/ (6.07.2011)]

16 Die einzige Ausnahme bildet CD31, in denen sieben Kinder beim Spielen aufgenommen wurden (siehe Anhang 1).

17 „[moca] ist ein Online-System zur Verwaltung mündlicher Sprachkorpora. In [moca] werden Audio- und/oder Videoaufnahmen sowie zugehörige Transkripte gespeichert. Die Transkripte liegen in alignierter Form vor, was bedeutet, dass mit dem Text der Sprechbeiträge auch die Sprecher- und Zeitinformation erfasst wird. Hierdurch ist es möglich, in einem Internetbrowser direkt die entsprechende Aufnahme zu einer Transkriptstelle als Mediastream abzuspielen. Neben den Transkripten können auch soziolinguistische Metainformationen zur Aufnahmesituation und den beteiligten Sprechern strukturiert verwaltet werden. Über die Vergabe sogenannter Labels für Äußerungen (manuelles Tagging) können umfangreiche Kollektionen eines linguistischen Phänomens erstellt und ausgewertet werden.“ [http://moca.phil2.uni-freiburg.de/web/index.html (konsultiert am: 30.06.2011)]

18 'Anciens': 0 35 Jahre; 'Modernes': 0 30 Jahre

19 Mehr Informationen zu der diachronen Entwicklung der französischen Negation finden sich in: Martineau, France/Mugeon, Raymond (2003).

20 Diese adverbiale Interrogativkonstruktion wird ausschließlich von den 'Anciens' verwendet.

Final del extracto de 84 páginas

Detalles

Título
Die französische Sprache in Ägypten
Subtítulo
Linguistische Besonderheiten der französischen Sprache in Kairo. Eine diagenerationelle Untersuchung
Universidad
University of Freiburg
Calificación
1,0
Autor
Año
2011
Páginas
84
No. de catálogo
V192152
ISBN (Ebook)
9783656170471
Tamaño de fichero
2436 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Kairo, Frankophonie, Frankophonie in Ägypten, Diskursmarker, französisch, Nordafrika
Citar trabajo
Amelie Prittwitz (Autor), 2011, Die französische Sprache in Ägypten, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192152

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Título: Die französische Sprache in Ägypten



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