Das 19. Jahrhundert war in vielerlei Hinsicht ein Jahrhundert der Veränderungen. Angestoßen durch die französische und die industrielle Revolution begann sich die „westliche“ Welt für ihre Bewohner zu verändern. Mit der Abschaffung der Leibeigenschaft, der Veränderung von Herrschaftsverhältnisse durch die Idee der Demokratie und das Aufkommen von Ideologien wie dem Sozialismus oder Liberalismus kam es zum Beispiel in den Gebieten des deutschen Bundes und dem späteren deutschen Kaiserreich zu einer Umstrukturierung der Machtverhältnisse. Dabei spielte der Aufstieg des Bürgertums, welches auch von der industriellen Revolution profitierte, eine nicht zu vernachlässigende Rolle. In allen diesen Umwälzungen, allen diesen Veränderungen und all diesen Modernisierungen entstand eine Ideologie, welche noch das 20. Jahrhundert massiv beeinflussen sollte – der Antisemitismus.
Diese Bezeichnung für den, auch durch die „Verwissenschaftlichung“ der Gesellschaft entstandenen, neuen Hass auf Juden „wurde 1878 von Wilhelm Marr erstmals gebraucht“1. Damit bekam der moderne Judenhass seine, noch heute gebräuchlichen Namen. Das diese Namensgebung in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts fällt, ist im Kontext der Zeit nicht verwunderlich. Mit der französischen Revolution kam die Gleichheit für alle, im Zuge derer auch die Judenemanzipation vollendet wurde. Diese, schon im 18. Jahrhundert entstandene, Emanzipation zog sich über die ersten 70 Jahre des 19. Jahrhunderts hin und sorgte während der ganzen Zeit, und auch weit darüber hinaus, für starke öffentliche Diskussionen. Begleitet wurden diese von vereinzelt vorkommenden gewalttätigen Ausschreitungen gegen Juden und einem stetig wachsenden Hass auf diese.
Die Klärung, welche Rolle die katholische Kirche in diesem Prozess der Entstehung und Ausbreitung des Antisemitismus einnahm und welche Position sie dabei in der Gesellschaft übernahmen, wird das Ziel dieser Hausarbeit sein. Nicht nur, weil die Genese des Antisemitismus im 19. Jahrhundert so ausschlaggebend für das darauf folgende war, sondern auch weil die Frage nach den Einflüssen der Christen, besonders der Katholiken, auf den Antisemitismus noch nicht eindeutig zuzuordnen sind, verdient diese Fragestellung mehr Aufmerksamkeit.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Antijudaismus und Antisemitismus
- Judenemanzipation
- Die „Judenfrage“
- Die moderne Gesellschaft
- Antisemitismus im Katholizismus
- Der Kulturkampf und die Milieubildung
- Grundlagen und Ursachen
- Ausprägung
- Funktion
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht die Rolle der katholischen Kirche in der Entstehung und Ausbreitung des Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich. Sie analysiert, wie der neue Judenhass, der im 19. Jahrhundert entstand, sich vom traditionellen Antijudaismus unterscheidet und welche Einflüsse die katholische Kirche auf diese Entwicklung hatte.
- Unterscheidung zwischen Antijudaismus und Antisemitismus
- Die Rolle der jüdischen Emanzipation in der Entstehung des Antisemitismus
- Der Einfluss des Kulturkampfs und der Milieubildung auf den Antisemitismus
- Analyse des Antisemitismus im Katholizismus anhand seiner Grundlagen, Ausprägung und Funktion
- Vergleich des Antisemitismus im Katholizismus mit dem Antisemitismus im Protestantismus
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung führt in die Thematik des Antisemitismus im 19. Jahrhundert ein und stellt die Fragestellung der Hausarbeit dar.
- Das Kapitel „Antijudaismus und Antisemitismus“ definiert den Antisemitismus und zeigt die Unterschiede zum traditionellen Antijudaismus auf. Es werden zwei Interpretationsansätze zur Entstehung des Antisemitismus vorgestellt und die Frage nach der Kontinuität zwischen Antijudaismus und Antisemitismus diskutiert.
- Das Kapitel „Judenemanzipation“ beleuchtet die Entwicklung der jüdischen Emanzipation im 19. Jahrhundert und deren Bedeutung im Kontext der Entstehung des Antisemitismus.
- Das Kapitel „Die „Judenfrage““ behandelt die öffentliche Diskussion über die Judenfrage im 19. Jahrhundert und ihre Rolle im Entstehen des Antisemitismus.
- Das Kapitel „Die moderne Gesellschaft“ analysiert die gesellschaftlichen Veränderungen des 19. Jahrhunderts und ihre Bedeutung für die Entstehung des Antisemitismus.
- Das Kapitel „Antisemitismus im Katholizismus“ untersucht den Antisemitismus innerhalb der katholischen Kirche und seine Ausprägung im Deutschen Kaiserreich. Es werden die Grundlagen, Ursachen, Ausprägung und Funktion des katholischen Antisemitismus betrachtet und mit dem Antisemitismus im Protestantismus verglichen.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe dieser Arbeit sind Antisemitismus, Antijudaismus, Judenemanzipation, Kulturkampf, Milieubildung, katholische Kirche, protestantische Kirche, Deutsches Kaiserreich. Die Arbeit befasst sich mit der Entstehung und Verbreitung des Antisemitismus im 19. Jahrhundert und analysiert den Einfluss der katholischen Kirche auf diese Entwicklung.
- Quote paper
- Jörg Knackstedt (Author), 2010, Antisemitismus und die Position des Katholizismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192170