Ideengeschichtliche Aspekte zur Technikgenese der sozialen Robotik unter weltanschaulicher Perspektive


Etude Scientifique, 2012

16 Pages


Extrait


I. Einleitung

Humanoide Roboter[1] zeichnen sich durch menschenähnliche „Sensorik“[2] sowie „Aktorik“[3] und handlungsbezogener „Künstlicher Intelligenz“[4] aus. Anthropomorphe Roboter sind jene Klasse von Robotern, die beispielsweise als Spielzeug in Haushalten oder der Alten- und Krankenpflege als maschinelle Helfer Verwendung finden. Zwar sind sie derzeit noch kein soziotechnisches Massenphänomen in unseren Gesellschaften, jedoch aber bereits auf bestem Weg dazu, in die demographisch rasant alternden Industriegesellschaften als artifizielle Handlungspartner zu migrieren. Diesbezüglich sieht die „Europäische Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen“ die Sozialrobotik als eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts an, die unser alltägliches Leben stark verändern wird und daher besonderer Kontrollmacht bedarf.[5] Evidenz dafür liefern nicht zuletzt eine ganze Reihe an EU-Projekten, die in diesem Bereich am Laufen sind.[6] Hierbei kreisen die Forschungsfragen zu Servicerobotern nicht nur mehr allein um technische oder ökonomische Aspekte, sondern es werden verstärkt die soziologisch-gesellschaftlichen Perspektivfragen integriert. Dazu gehören beispielsweise ethische, soziologische, sozialphilosophische, oder rechtliche Fragestellungen.[7] In den Geschichtswissenschaften allerdings führt dieses Thema noch ein Schattendasein. Diese Marginalisierung des Themas in der Historiographie sollte baldigst beendet werden, denn eine wesentliche Funktion der Geschichtswissenschaften ist ihr Nachzeichnen von „geschichtlich-sozialem Gewordensein“ historischer Entitäten (hier Technikobjekten), um sie einer Erklärung für das Hier und Jetzt zuführen. Gerade die sich historisch „verändernde soziale Wirklichkeit“ muss kulturhistorisch argumentiert werden, damit wir daraus für die Zukunft lernen können.[8]

Irgendwie scheint das technische Objekt Sozialrobotik auf den ersten Blick tatsächlich etwas sperrig für eine geschichtliche Darstellung und eigentlich auch nur geringe technikhistorische Relevanz zu besitzen sowie zeitlich ausschließlich in der Moderne bzw. Postmoderne verortet zu sein. Wie die hier vorgestellte Studie exemplifiziert, ist der Androide als Figur des artifiziellen Helfers in der europäischen Kulturgeschichte allerdings schon lange Zeit im Kollektivgedächtnis verankert. Der Mensch als Schöpfer seines artifiziellen (mechanischen) Alter Ego ist bereits in den frühen griechischen Mythen durchgehend als tiefenpsychologisches Motiv enthalten.[9] Freilich ist es diesbezüglich auch eine Tatsache und ein eigenwilliger Zustand, dass Sozialroboter zu einer technischen Entwicklung gehören, deren „Wirkungsmöglichkeiten schon umfassend beschrieben und diskutiert wurde, bevor sie tatsächlich gebaut worden ist.“[10] Das beweist, dass die fiktive Herkunft des Sozialroboters ein eigenartiges Phänomen innerhalb der Technikgeschichte darstellt und daher ist es ein Ziel des vorliegenden ideengeschichtlichen Aufsatzes diese Eigentümlichkeit zu beleuchten.[11]

II. Methodologische Grundlegung und Darstellung des zu untersuchenden Forschungsfeldes

Eine weitere Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist es das historische Wirkungsgefüge zwischen technischem, mythologischem und gesellschaftlichem System in einem wissenssoziologischen Verhältnis zu verorten.[12] Das formierende teleologische Element im sozialphilosophischen Zusammenspiel zwischen Homo Sapiens und mechanischem Technikobjekt ist recht eigentlich die eigentümliche Technikgenese der sozialen Robotik.[13] Sie ist ein komplexes Gefüge aus Mythen, Ingenieurskunst und gesellschaftlicher Integration und gekennzeichnet durch eine Konditionierung und Einwirkung von Technikobjekt und Individuum. Diesbezüglich gehen Prometheus und der l’homme machine eine sozialpsychologische Symbiose ein, woraus sich im weiteren techno-historischen Rationalisierungsprozess die moderne Sozialrobotik entwickelte. Das daraus evolvierende soziotechnische System als ein festgekoppeltes Mensch-Maschinen-Verhältnis ist qualitativ tatsächlich eine neuartige Entwicklung der Postmoderne.[14] Besonders auf die Effekte der „kulturellen Produktion“ ist diesbezüglich hinzuweisen, denn „auch technische Objekte und Aggregate sind Teil und Anlass von kulturellen Produktionen, in denen Technik in dramatische Inszenierungen gesetzt und zelebriert wird. Diese Produktionen nehmen teil an der Prägung von Lebensstilen, Weltbildern und Mythen, sie versuchen oft, Fiktion und Realität in einen umfassenden Symbolismus der modernen Welt zu synthetisieren.“[15] Bekanntlich ist die strukturhistorische Erforschung geistiger Lagen „unverzichtbarer Bestand von kulturellem Orientierungswissen“ für die „völlig neu zu gestaltenden Zukunft.“[16] Friedrich Tenbruck bemerkt zur Aufdeckung historischer Linien: „die aus der Vergangenheit kommend, sich zu unserer Gegenwart verschlungen haben, damit wir erkennen, zu welchen Zukünften wir uns noch entschließen können.“[17] Die hier vorgeschlagene ideengeschichtlich orientierte Technikhistorie ist also eine historiographische Darstellung der Umgestaltung des Mythos zu zweckrationaler Realanwendung. Mit fortschreitender technischer Beherrschung des Themas „kinetischer Figuren“ entwickelte sich eine zunehmende Artifizierung des Alter Ego als Menschendiener. Die Sozialrobotergenese stellt auch deshalb eine strukturelle Ausnahme in der historischen Betrachtung dar, weil die historische Struktureigentümlichkeit der Sozialrobotergenese einen teleologischen Fluchtpunt zwischen mythischen Ideen- und realer Technikentwicklung aufweist.

III. Technikmythen als epochenübergreifende plurifunktionale Führungssysteme

Der ideengeschichtliche Hintergrund zur Entwicklung von Sozialrobotern ist also in einem rationalen Transformationsprozess verortet, wobei dem als Impetus das Wunschstreben zu Grunde liegt, körperliche Unzulänglichkeit durch artifizielle Knechte auszugleichen. Entlang dieses Rationalisierungsprozess ist die theoretische Rationalität des(religiösen) Mythos, die in kognitiven Prozessen statt im sozialen Handeln verwurzelt ist, der einzige Typ von Rationalität, der nicht auf zweckrationalem oder wertrationalem Handeln basiert. Ideengeschichtlich beeinflusst dieser Typ der Rationalität das soziale Handeln aber indirekt in der Strukturgenese von historischen Objekten. Mit Max Weber bin ich der Überzeugung, dass die grundlegende Einheit aller zivilisatorischen Prozesse im sozialen Handeln zu sehen ist, da soziale Gebilde oder historische Entitäten sich aus subjektiven Bedeutungen, die ihnen Individuen verleihen, ergeben.[18] Daher ist der innere Strukturzusammenhang zwischen dem ideengeschichtlichen Entwurf und der materialisierten Herstellung unauflöslich. Beide besitzen Formungskraft für die Handhabung der Technikobjekte, wodurch derartige Geschichtsprozesse einer historischen Analyse als Elemente die „Menschengeist sowie Menschenhand“ in sich tragen (Johann Gustav Droysen), zugänglich werden.[19] Ideengeschichtlich wichtig ist hierzu die Tatsache, dass nachfolgende Technikgenerationen mit ihren historisch-strukturellen Erfahrungsaufschichtungen die Repräsentanten der Weltbilder vergangener Technikepochen im Hier und Jetzt sowie für die Zukunft darstellen. Eine kulturgeschichtliche Parallelität zur biologischen Evolution ist dabei die technikgenerationenübergreifende Beschäftigung mit dem Alter Ego als artifiziellem Knecht.[20] In seiner „Erkenntnis und Illusion: Grundstrukturen unserer Weltauffassung“ exemplifiziert der an Max Weber geschulte universalhistorische Weltanschuungsanalytiker Ernst Topitsch sein sozialphilosophisches Modell der so genannten „plurifunktionalen Funktionssysteme“ als Movens von universalhistorischen Entwicklungsprozessen. Sie setzen sich aus drei aufeinander aufbauenden Funktionsebenen zusammen: a) der Funktionsebene 1 als informationsvermittelnde Instanz kulturgenetischer Erfahrungsbildung nach dem Mechanismus „das sozialhistorisch Wirkungsschwache geht verloren, das Wirkungsmächtige bleibt bestehen“, b) der Funktionsebene 2 als einer kognitiven Verhaltenssteuerung, weil etwa kulturell-gesellschaftliche Reize eine Reaktion auslösen und für permanente Weiterentwicklung sorgen sowie c) der Funktionsebene 3 als eine emotionalen Reaktion zur Angstbannung als kognitiver Lernprozess. Plurifunktionale Führungssysteme ersetzen somit auf kognitivem Niveau die phylogenetisch verursachte Reduktion der Instinkte (Arnold Gehlens „Menschen als Mängelwesen“) als soziale Verhaltenssteuerung. Dem Druck der ihm angstmachenden Realität des Lebens entflieht der Homo Sapiens durch Deduktion vier genereller sozialhistorischer Bannungsmodelle die ihm als „plurifunktionale Führungsmodelle“ dienen: 1. den soziomorphen Modellvorstellungen: der Mensch denkt/erklärt sich die Welt als ein gesellschaftliches Gebilde; 2. den technomorphen Modellvorstellungen: der Mensch denkt/erklärt sich die Welt als Erzeugnis von Kunstfertigkeit; 3. den biomorphen Modellvorstellungen: der Mensch denkt/erklärt sich die Welt als Muster des Lebendigen; und schließlich 4. den ekstatisch-kathartischen Modellvorstellungen: der Mensch erdenkt sich eine mythologische Ersatzwelt. Zu Beginn der sozialen Robotikgeschichte wirkte laut diesem Modell die ekstatisch-kathartische Modellvorstellung durch den griechischen Schöpfungsmythos. Wilhelm Dilthey zufolge können religiöse, metaphysische und wissenschaftliche Systeme als Weltanschauung verstanden werden, wobei ihnen gemein ist, dass sie ihren Ursprung im Lebenszusammenhang der Menschen haben. In der Studie ,,Die Typen der Weltanschauung und ihre Ausbildung in den metaphysischen Systemen“, zeigt der Geschichtsphilosoph, dass den Weltanschauungen ein spezifisches Strukturprinzip zu Grunde liegt. Dieses Strukturprinzip, also die Unterschiede in den Systemen der Weltanschauung, lässt sich auf die Voraussetzungen bei ihrer Entstehung zurückführen. Einige davon sind allgemeingültig und somit für jedes (Weltanschauungs-) System konstituierend.[21] Zentral für die weitere Arbeit sind die Grundthesen von Dilthey und Topitsch, nach denen Weltanschauungen als „fixe Ideen“ zwar wirkungsmächtige sozialhistorische Mechanismen darstellen, strukturell jedoch immer individuelle, religiöse oder metaphysische Meinungen zugrunde liegen haben. Die Entwicklung einer speziellen Ideengeschichte kann somit anhand von zwei Analysekategorien exemplifiziert werden: Einerseits über die historische Konstanten bestimmter Ereignisse und andererseits über die individuellen teleologischen Motive und die „Metamorphosen der ‚fixen Idee‘“ können als Analyseeinheit ebenfalls zweckdienlich sein.[22] [23] Die laut diesem Verständnis historisch-anthropologische Konstante in der Herausbildung der Sozialroboter zeigt sich ja bereits bei Hesiods (700 v. Chr.) Mythologie sehr trefflich, da seine Weltbilder offensichtlich auch als plurifunktionale Führungssysteme fungierten. Sie lieferten eine bestimmte Vorstellung von der Welt wodurch Orientierung für das menschliche Handeln möglich wurde. Bereits im Mythos des Prometheus wird das Spezifikum der Heilsversprechungen deutlich: nämlich ihr Dualversprechen zur Errettung aus unmittelbarer (Krankheits-) Bedrängnis (Naherwartung) und der gleichzeitigen Erzeugung leidenschaftlicher Sehnsüchte zur Zukunftsorientierung.[24]

Der angesprochene Umstand macht wohl die besondere Wirkmacht aus; wobei diese Sehnsüchte gepaart mit dem mechanistischen Menschenbild die wesentlichen Prägestempel der Sozialrobotikgenese darstellen.[25]

IV. Die Sozialobotergeschichte skizziert entlang dreier Technikepochen

Wie bereits dargelegt wurde, verstehe ich die Mythen und Technoutopien als eine Kategorie der historischen Erkenntnisstruktur, weil sie wissenserzeugend auf die Gesellschaft wirken.[26] Es sollen nun entlang der als Technikepochen verstandenen Beispiele a) der griechischen Antike, b) dem Mittelalter und c) der Neuzeit zwei Fragen geklärt werden:

1) Wie wurden menschenähnliche Automaten als epistemologische Technikobjekte wahrgenommen? und:
2) Welches historische Spezifikum weist die teleologische Genese der Sozialrobotik auf?

[...]


[1] „Ein autonomer mobiler und interaktionsfähiger Roboter ist eine Maschine, die sich in einer natürlichen Umgebung aus eigener Kraft und ohne Hilfestellung von außen bewegen und dabei ein ihr gestelltes Ziel erreichen kann. [...] Dabei erkennt sie die Umwelt, sofern dies notwendig ist, über eigene Sensoren.“ (Pieper 2007, S. 6) [Die Arbeit von Sonja Pieper verfügt über ein ausgezeichnetes Literaturverzeichnis, das als Addendum für einen vertiefenden Einblick in die Thematik der autonomen Robotik Verwendung finden kann.]

[2] „Ein Sensor (lateinisch: Sensus = der Sinn) ist ein mechanisch-elektronisches Bauteil, das eine gemessene physikalische oder chemische Größe (z.B. Temperatur, Druck oder Entfernung) in ein geeignetes elektrisches Signal umwandelt.“ (Pieper 2007, S. 8)

[3] „Ein Aktor, auf Grund des englischen Begriffes actuator oft auch Aktuator genannt, ist das

Gegenstück zu einem Sensor. Als Aktor werden die beweglichen Bauteile eines Roboters bezeichnet, die die Form, Position und Orientierung eines Roboters verändern.“ (Pieper 2007, S. 37)

[4] „Im Allgemeinen bezeichnet „künstliche Intelligenz“ oder „KI“ den Versuch, eine menschenähnliche Intelligenz nachzubilden, d. h., einen Computer zu bauen oder so zu programmieren, dass dieser eigenständig Probleme bearbeiten kann. Oftmals wird damit aber auch eine effektvoll nachgeahmte, vorgetäuschte Intelligenz bezeichnet, insbesondere bei Computerspielen, die durch meist einfache Algorithmen ein intelligentes Verhalten simulieren soll.“ (Wikipedia-Artikel „Künstliche Intelligenz“ 22.11.2011)

[5] Decker 2002, S. 109ff

[6] Im Rahmen von ICT Research in FP7, Internetquelle: http://cordis.europa.eu/fetch?CALLER=DE_FP7_EVENTS&ACTION=D&DOC=7&CAT=NEWS&QUERY=012111c9a891:9ccb:63b11814&RCN=31484, 23.10.2011

[7] Exemplarisch hierzu seien hier etwa die beiden Projekte einerseits von Gesa Lindemann an der Universität Oldenburg die das Projekt „Die Entwicklung von Servicerobotern und humanoiden Robotern im Kulturvergleich – Europa und Japan.“ leitet und andererseits von Jutta Weber, die eine Ringvorlesung an der Universität Paderborn „Smart - Autonom - Kreativ? Mensch und Maschine in der Technowissenschaftskultur.“ koordiniert.

[8] Historisch relevante Entitäten, wie Gedankenmodelle und Ideen in einem Aussagensystem zu sammeln, hermeneutisch zu interpretieren, um als „Gedächtnis der eigenen Kultur“ zu fungieren, ist wohl eine der wichtigsten Funktionen der Kulturwissenschaften. (Albrecht bei Acham 2009, S. 721; Acham 2009, S. 718)

[9] Foerst 2008; Bedini 1964, S. 25f

[10] Decker 2002, S.107; Graves 1979

[11] Paul F. Siegert weißt in seiner sozialhistorisch interessanten Monografie „Geschichte der Email. Erfolg und Krise eines Massenmediums“ ebenfalls darauf hin, dass in der Technikgenese immer wieder „Kulturhybride“ als eigenartige historische Entitäten evolvieren (S. 321ff)

[12] Vgl. vertiefend und grundlegend Karl Mannheim 1964 (S. 166f; S. 201-298), 1995 (hier insbesondere S. 7-13; 56-75 und 227-267), Mannheim 1928 und Manheim 1995: Der Wissenssoziologe Mannheim macht geltend, dass Wissensvorräte immer ein relationales Verhältnis zwischen menschlichen Vorstellungen und Ideen zum jeweiligen gesellschaftlichen Kontext darstellen. Durch Ritualisierung, Routine und Institutionalisierung werden diese sinnhaften Erfahrungen in den Wissensbestand der Gesellschaft eingegliedert. Diese „Seinsverbundenheit des Denkens“ kann in Form von historisch-soziologischer Forschung exemplifiziert werden. Dabei werden die verschiedenen Wissensgehalte der Vergangenheit und Gegenwart herausgeschält und weltanschaulich analysiert (Mannheim 1964). Karl Mannheims methodologisch-epistemologischer Vorschlag einer (historischen) wissenssoziologischen Analyse bildet die Basis der heute modernen (hermeneutischen) Diskursanalyse. Auch wenn vielerorts die Wichtigkeit Mannheim als den Begründer dieser Disziplin verkannt wird, bleibt es allenthalben dessen Verdienst den empirischen Nachweis der sozialen „Seinsverbundenheit des Denkens“ an Hand zahlreicher Fallstudien geliefert zu haben. Seine theoretischen Konzepte, methodologischen Verfahren sowie die Materialstudien bilden einen detaillierten Forschungskorpus für den Nachweis seiner Annahmen und den Beweis für die Brauchbarkeit Mannheims wissenssoziologischer Methode (1994).

[13] Der Begriff Technikgenese wird von mir als ein wissenssoziologischer Geschichtsprozess bei der Entwicklung von Techniken verstanden. Dabei sind für den Durchsetzungserfolg spezifischer Techniken allerdings weniger ingenieurmäßige Prinzipien entscheidend, als vielmehr der historisch-soziale Prozess, weil die Bedeutungszuschreibungen für die Nachhaltigkeit hierbei das eigentlich Wesentliche sind. Freilich bleibt die Ingenieurskunst eine zentral-basale Voraussetzung dafür (vgl. zur diskursiven Konstruktion der sozialen sowie historischen Wirklichkeit etwa Wiebe Bijker/Thomas Hughes/Trevor Pinch, Hrsg. „The Social Construction of Technological Systems. New Directions in the Sociology and History of Technology” und Martin Heidenreich „Zwischen Innovation und Institutionalisierung. Die soziale Strukturierung technischen Wissens.“ Insbesondere ist hierzu natürlich aber auf Karl Mannheims Figuren der „Generationenlage“ und des „Generationszusammenhangs“ sowie der Idee zur Wirkung kultureller Akkumulationen auf jetzige und nachfolgende Generationen in der Wissensvermittlung hinzuweisen. In seinem Aufsatz in den „ Kölner Vierteljahreshefte für Soziologie“ - „Das Problem der Generationen“ [1928] definiert der Wissenssoziologe sein Konzept mit dem Begriffsgerüst des Generationenzusammenhangs „als besonderen Typus der sozialen Lagerung.“ Freilich ist bei Mannheim durch diesen Begriff keine konkrete soziale Gruppe, verstanden als soziologische Analyseeinheit, gemeint, sondern vielmehr der interkulturell-generative Zusammenhang. Laut seinem Verständnis sind die Möglichkeiten des Erlebens und der Wissensverarbeitung eines großen Ereignisses in der „Generationenlage“ bestimmt; sie wird durch den biologischen Rhythmus der nacheinander folgenden Generationen bestimmt und beinhaltet die evolutionäre Weitergabe kultureller Ideen von einer Generationengruppe zur nächsten [S. 39 – 43]. Später bezeichnete der Soziobiologe Richard Dawkins diese Ideenfiguren als kulturelle Evolution der Meme [mems], wobei auch die Meme den historisch-kulturellen Wandel der Gesellschaften bestimmt, hier auf der Ebene der Indidivuen. Karl Mannheims Konzept hebt natürlich vor allem auf die Erklärung des sozialen Wandels ab. Dieser soll durch die immer wieder neu entstehende Jugend erklärt werden, die jeweils einen neuen Zugang zu Kultur hat und dadurch Veränderungen bewirkt. Mannheim führt fünf Grundphänomene auf, die durch die Tatsache des Lebens und Sterbens der Menschen begründet sind und durch die unsere Gesellschaft geprägt werden, wobei hier die Kulturschöpfung und -akkumulation besonders interessiert bei der der soziale Wandel stets durch neue Generationskohorten, die jeweils einen neuen Zugang zur bereits entwickelten Kultur haben und so Veränderungen herbeiführen können [S. 43ff]. Natürlich erleben die jeweiligen Träger eines historisch spezifisch situierten Generationenzusammenhangs immer nur einen zeitlich begrenzten Abschnitt der Geschichte [„Erlebnisschichtung“]. Gleichzeitig kommen auch die Gedankenfiguren von Ernst Topitsch über die phylogenetische Entstehung und Weitergabe von „plurifunktionalen Führungssystemen“ ins Spiel, welche eine Orientierungsfunktion für Individuen ausüben. Zu den wissenschaftstheoretisch-geschichtsphilosophischen Implikationen vergleiche hierzu speziell Karl Acham „Analytische Geschichtsphilosophie“ (für diesen Zusammenhang besonders S. 45-103.). Auch Norbert Elias‘ wissenssoziologische Erklärung dazu sei hier angeführt: „Die Art und Weise, in der einzelne Mitglieder einer Gruppe erleben, was immer ihre Sinne affiziert, die Bedeutung, die sie ihren Wahrnehmungen beilegen, ist von dem Standard des Wissens und damit auch der Begriffsbildung abhängig, den ihre Gesellschaft jeweils im Laufe ihrer Entwicklung erreicht hat.“ (1990, S. 11ff)

[14] Rammert 2003, S. 289f

[15] Hörning 1988, S. 88

[16] Acham 2009, S. 708

[17] Übrigens bildet sich entlang der Phylo-u. Psychogenese auch der spezifische Sozialcharakter des Homo Technologicus heran; - wobei der Homo Technologicus mit dem „Homo Ludens“ (Entwicklung aus eigenen Erfahrungen) sowie dem „Homo Oeconomicus“ (der Mensch als zweckrationaler Nutzenmaximierer) eine Symbiose eingeht.

[18] Weber 1988. S. 1-6, S. 429f, S. 439 sowie für die theologisch-ideologischen Implikationen siehe auch bei Geraci 2007

[19] Ruppert 2007

[20] Popitz 1989; Drux 1988; Cohen 1966; Eliade 1980 auch Geraci 2007

[21] Dilthey 1991, S. 75ff

[22] Topitsch 1972, S. 7

[23] Fixe Ideen generieren sich ebenfalls aus Religion oder mythischem Denken, Theorie und Wissenschaft. Fixe Ideen werden bei der Weltanschauungsanalyse zur Durchleuchtung bestimmter, in der Öffentlichkeit psychologisch wirksamer Argumentations- und Handlungsanweisungen zum Einsatz gebracht.

[24] Schmidt 1984

[25] Das Bild vom Menschen als Maschine, geht bekanntlich auf Descartes Versuch die Unsterblichkeit der Seele zu beweisen zurück. Er kam zum Schluss, dass ich, indem ich denke, merke, dass ich existiere. Diesbezüglich entstand die Menschenunterteilung in res extensa (Körper, Ausdehnung im Raum) und res cognitans (Geist) wodurch der Grundstein für das mechanistische Menschenbild gelegt war. Die Philsophische Anthropologie geht diesbezüglich davon aus, dass der Mensch nicht nur Körper, Geist und Seele, der Mensch ist Leib, was nicht nur den Körper meinst, sondern die Einheit des Menschen.

[26] „Utopische Vorstellungen transzendieren die gesellschaftliche Wirklichkeit also, bleiben aber trotzdem in ihrem Inhalt und ihrer Reichweite auf diese bezogen und wirken auf sie zurück.“ (Mannheim 1995, S. 179)

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Ideengeschichtliche Aspekte zur Technikgenese der sozialen Robotik unter weltanschaulicher Perspektive
Auteur
Année
2012
Pages
16
N° de catalogue
V192312
ISBN (ebook)
9783656183235
ISBN (Livre)
9783656183969
Taille d'un fichier
469 KB
Langue
allemand
Mots clés
ideengeschichtliche, aspekte, technikgenese, robotik, perspektive
Citation du texte
Mag. Roland K. Kobald (Auteur), 2012, Ideengeschichtliche Aspekte zur Technikgenese der sozialen Robotik unter weltanschaulicher Perspektive, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192312

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