Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das historische Umfeld der Catilinarischen Verschwörung
3. Der Verschwörer und seine Chronisten
3.1 Catilina
3.2 Cicero
3.3 Sallust
4. Die Darstellung der Catilinarischen Verschwörung bei Cicero und Sallust
4.1 Charaktereigenschaften Catilinas
4.2 Anhängerschaft Catilinas
4.3 Doppelte Verschwörung und historiographische Probleme
5. Fazit
6. Quellenverzeichnis
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Römische Reich gilt als eines der größten und bedeutendsten Imperien der Antike. In seiner langen Geschichte schwankte seine Macht und Stabilität sowohl innen- als auch außenpolitisch. Mehrmals in der Geschichte dieses Weltreiches waren es einzelne Persönlichkeiten, welche das Schicksal ihrer Zeitgenossen bestimmten. Dabei gab es verschiedene Arten, wie dies geschehen konnte. Neben Kriegen gegen andere Völker und Reiche, zwangen auch innere Konflikte, wie Aufstände und Bürgerkriege, der jeweiligen Zeit ihren Stempel auf. Der Erfolg war dabei freilich ebenso verschieden, wie jene Charaktere, die als Hauptakteure der Konflikte auftraten. Großen Eroberungen nach allen Himmelsrichtungen hin standen in der römischen Geschichte auch katastrophale militärische Niederlagen entgegen. Ähnlich erscheint es bei den innenpolitischen Kämpfen. Neben den Erfolgen eines Sulla oder Julius Cäsar verblassen heute in der breiten Öffentlichkeit zu Unrecht jene Aufständischen, die mit ihrer Rebellion keinen Erfolg hatten.
Einer von diesen ist Lucius Sergius Catilina. Seine Erhebung fand 63 v. Chr. statt und endete mit seinem Tod im darauf folgenden Jahr. Catilinas Umsturzversuch befindet sich zeitlich somit zwischen jenem von Sulla und Cäsar und damit in einer äußerst brisanten Zeit der späten Römischen Republik. Trotz ihres Scheiterns hatte die Verschwörung für viele Zeitgenossen sowie für die weitere Geschichte der Römischen Republik große Bedeutung. Auch zeigt sich an den späteren Triumphen Cäsars, dass ein Aufstand zur damaligen Zeit durchaus Erfolgschancen hatte.
Die Verschwörung ist uns heute vor allem aus zwei zeitgenössischen Quellen bekannt. Zum einen aus den vier „Catilinarischen Reden“[1] des Cicero, welche er parallel zu den Ereignissen rund um die Rebellion im Senat bzw. vor dem Volk in Rom hielt.[2] Zum anderen aus der Monographie „Die Verschwörung Catilinas“[3] von Sallust. Dieses Werk, zwei Jahrzehnte nach den Ereignissen entstanden, erläutert den Verlauf der Verschwörung sowie weitere Hintergründe. Cicero und Sallust stellen bicht nur die wichtigsten zeitgenössischen Quellen für die Verschwörung des Catilina dar, sondern die wohl wichtigsten überhaupt. Umso interessanter sind ihre Eigenheiten, mit welchen sie die Verschwörung des Catilina schildern.
In dieser Hausarbeit soll diese Darstellung genauer untersucht werden. Dazu folgt anfangs ein Abriss der historischen Verhältnisse im zeitlichen Umfeld der Catilinarischen Verschwörung. Dies ist notwendig, um zu zeigen, welche Faktoren einen solchen Aufstand begünstigten oder gar erst ermöglicht haben. Somit kann die Verschwörung aus politisch-gesellschaftlicher Sicht heraus besser verstanden werden. Anschließend wird Catilina, der Anführer der Verschwörung sowie die beiden Quellenautoren näher vorgestellt. Ziel ist es dabei nicht, ausführliche Biographien zu erstellen. Es soll vielmehr deutlich werden, was Catilina zu seinen Aktionen bewogen haben könnte. Für Cicero und Sallust soll hingegen gezeigt werden, mit welcher Intention jeder von ihnen seine Reden gehalten haben bzw. sein Werk verfasst haben könnte und in welcher Beziehung sie zu Catilina standen um somit die Voraussetzungen für eine Deutung des vermittelten Quelleninhalts zu schaffen. Anschließend wird eben dieser Inhalt untersucht. Dabei wird sich vor allem auf die Persönlichkeit Catilinas, seine Anhängerschaft sowie historiographische Probleme konzentriert. Abschließend werden die Erkenntnisse in einem Fazit zusammengefasst.
Trotz Quellenarbeit an den uns gut überlieferten Werken ist die ausführliche Verwendung von Fachliteratur unerlässlich. Dabei existiert kein Werk, welches sich explizit mit einem Vergleich zwischen Sallust und Cicero beschäftigt. Trotzdem ist die Literaturlage für die Thematik insgesamt akzeptabel, da die späte Römische Republik eine vergleichsweise gut erforschte Epoche in der Römischen Geschichte darstellt.
Hilfreich waren für diese Hausarbeit einerseits Werke, welche sich mit Cicero und Sallust selbst beschäftigen. Durch Biographien oder Abrisse über ihr Schaffen konnten Intentionen und persönliche Umstände der Autoren besser nachvollzogen werden. Ein gutes Beispiel hierfür bietet Syme mit seinem auch heute noch oft verwendeten Werk.[4] Eine weitere hilfreiche Kategorie boten Werke, welche sich mit den beiden Quellen selbst auseinandersetzten.[5] Dabei lag der Fokus jedoch oft auf sprachlichen Besonderheiten in den lateinischen Originalquellen, wodurch eine philologische Komponente auftauchte, die das Thema dieser Hausarbeit nur peripher tangiert. Außerdem wurde Literatur verwendet, welche sich mit einem Einzelaspekt in den Quellen beschäftigt und diesen kritisch hinterfragt, wie etwa bei Ledworuski.[6] Des Weiteren war es wichtig, Werke über Römische Geschichte heranzuziehen, die einen größeren zeitlichen Rahmen als die Catilinarische Verschwörung behandeln, wie etwa bei Christ.[7] Dadurch konnte die Catilinarische Verschwörung besser in den historischen Kontext eingebunden werden und war somit verständlicher für jene epochalen Umstände, deren Erläuterung das erste Kapitel dieser Hausarbeit bilden.
2. Das historische Umfeld der Catilinarischen Verschwörung
Um historische Ereignisse zu verstehen, ist es unabdingbar einen Blick auf das historische Umfeld zu werfen, in dem sie sich ereigneten. Eine Rebellion, Verschwörung oder Revolution ist immer ein Ereignis, welches gesellschaftliche, politische und soziale Ursachen hat. Als was auch immer man die Aktionen Catilinas und seiner Anhänger kategorisieren möchte, ein Blick auf eben diese Ursachen bleibt unerlässlich.
In den frühen 60er Jahren des 1. Jh. v. Chr. sind jene Römer der späten Römischen Republik, die heute in der breiten Öffentlichkeit am meisten Bekanntheit genießen noch weit entfernt von ihrer späteren Bedeutung. Cäsar, Cato und Cicero haben zwar alle mehr oder weniger bedeutende Ämter inne, doch sind sie alle, gemessen an späteren Ereignissen, erst am Anfang ihrer historischen Bedeutung.[8] Waren die Jahre und Jahrzehnte im Vorfeld der Catilinarischen Verschwörung also eine Art Sommerloch vor jenem Bürgerkrieg, dessen Akteure heute viel bekannter sind als Catilina?
Mitnichten, wie schon allein das wissenschaftliche Interesse an dieser Zeit beweist. So sieht Schöne ab der Zeit der Gracchen[9] (133-122 v. Chr.) den Beginn eines „Jahrhundert der inneren Kämpfe“[10], welches erst mit dem Sieg des Augustus endet. Schöne sieht die Republik in dieser Zeit als außen stabil, innen jedoch labil an.[11] Diese Einordnung ist akzeptabel, solange man sich darüber bewusst ist, dass diese rund hundert Jahre nicht nur aus Krieg und Konflikten bestanden, sondern es eher eine Abfolge verschiedener äußerer Konflikte[12] und Bürgerkriege, aufgrund von innenpolitischen und gesellschaftlichen Problemen, gab. Außenpolitisch stabil war das Römische Reich insofern, als dass es über seine Gegner siegreich blieb. Zwischen diesen bewaffneten Auseinandersetzungen gab es jedoch auch Perioden des Friedens. Zu fragen bleibt, inwiefern in diesen Friedenszeiten Wohlstand und Regeneration vom Krieg entstehen konnte.
Der Verschwörung Catilinas ging ein Bürgerkrieg zwischen Sulla und Gaius Marius, bzw. seinen Nachfolgern voraus (88 - 82 v. Chr.).[13] Sulla gewann den Krieg und errichtete eine diktatorische Herrschaft. Diese war äußerst brutal und führte zu noch mehr Chaos im ohnehin schon instabilen Innenleben des Imperiums und sorgte für neue Gesellschaftsverhältnisse.[14]
Ein Grund dafür waren die Proskriptionen, die öffentliche Ächtung einer Person, verbunden mit der Erlaubnis diese zu töten, wodurch das Vermögen dem Staat zufiel. Diese Proskriptionen gab es bereits vor Sullas Sieg, jetzt wurden sie noch erweitert bzw. rückwirkend legitimiert. Jene Personen die auf den Proskriptionslisten standen, waren in erster Linie natürlich Feinde Sullas, oder galten jedenfalls als solche. Man muss sich dabei die Extremität der damaligen Verhältnisse vor Augen halten. Galt man als Sullas Feind, oder hatte man einfach Pech noch eine offene Rechnung mit einem engen Freund des Diktators zu haben, konnte es passieren, dass man eines Tages auf öffentlich ausgehängten Listen seinen Namen las und fortan straffrei von jeder Person getötet werden konnte. Bei den tausenden Opfern, welche die Proskriptionen forderten, ist davon auszugehen, dass Willkür bei der Auswahl der Betroffenen und der Wille zu bloßer Abschreckung ein wichtiges Element darstellten.
Wie ging es nach Sulla weiter? Weder sein Charakter, zumeist reduziert auf seine Brutalität,[15] noch seine politischen Nachwirkungen genießen in der heutigen Forschung einen guten Ruf. Das vom Staat, nicht nur aus den Proskriptionen, eingezogene Land wurde zum Teil an Veteranen Sullas weitergegeben. Daraus entstand jedoch keine breite Versorgungsbasis für ausgediente Soldaten, sondern weitere wirtschaftliche Probleme und inneres Chaos.[16] Die Gründe dafür sind vor allem darin zu sehen, dass die Veteranen das Land nicht verkaufen durften und sich oftmals verschuldeten um es bewirtschaften zu können.[17] Dies lässt sich eventuell daraus erklären, dass den Berufssoldaten[18] weniger am Ackerbau lag, sondern eher ein Verkauf des Gutes angestrebt wurde. Durch das Verkaufsverbot war dies jedoch unmöglich. Vielleicht fehlten auch die landwirtschaftlichen Fertigkeiten oder finanziellen Investitionsmittel um ein Landgut ertragreich zu bewirtschaften. Obwohl es durchaus sein kann, dass einige mit ihrem Veteranenland gut auskamen oder doch einen Weg fanden es gewinnbringend abzugeben, brachte die Landvergabe von Sulla den Veteranen oft den Ruin und zusätzlich den Zorn der ehemaligen Landbesitzer. Dies wirkte sich auf beträchtliche Teile der Republik aus.[19]
Eine Auseinandersetzung mit der Zeit nach Sulla findet sich bei Rosenstein und Morstein- Marx.[20] Dort wird die Zeit von 69 - 44 v. Chr. als „Final Crisis“[21] bezeichnet. Es wird jedoch nicht begründet, warum diese Krise ausgerechnet im Jahr 69 v. Chr. begann. Die Anfangsdatierung ist etwas willkürlich gewählt, besser wäre es gewesen den Rücktritt Sullas als Beginn der „Final Crisis“ zu nehmen. Das Ende ist mit dem Tod Caesars hingegen eine sinnvolle Wahl und entspricht der verbreiteten Forschungsmeinung. Die Verschwörung Catilinas bildet somit also weder den Anfang, noch das Ende einer Krise, sondern liegt mitten in ihr.
Nach Sullas Herrschaft hatte der Adel den Senat und das Konsulat beherrscht. Die Massen waren unzufrieden aber nur organisiert gefährlich, was von den Machthabern entschieden bekämpft wurde.[22] Dies bedeutet, dass sich die vom Optimaten[23] Sulla begonnene Politik fortsetzte. Die politischen Entscheidungen gingen also vermehrt von elitären Zirkeln aus, auf Kosten des Volkes.
Weiterhin wird bei Rosenstein und Morstein-Marx die schlechte wirtschaftliche Situation in manchen Provinzen angesprochen, als Beispiel wird Etrurien genannt. Die Situation sei noch dadurch verschärft worden, dass die Armen keine Lobby gehabt hätten und sich somit nur schwer gegen Steuerlast und Überverschuldung hätten wehren können.[24] Diese Überverschuldung sei jedoch keineswegs nur ein Phänomen der unteren Schichten gewesen, sondern hätte gerade bei den Senatoren weit um sich gegriffen.[25] Dies dürfte vor allem durch den cursus honorum, die römische Ämterlaufbahn für Politiker, bedingt gewesen sein. Um genügend Wähler auf sich zu vereinigen, mussten Schmiergelder fließen, um Kontakte zu knüpfen große Bankette gehalten werden, um Ansehen zu erlangen prunkvolle Feste bezahlt werden, welche denen des Amtsvorgängers natürlich im Nichts nachstehen durften. Diese Ausgaben wurden oft aus privaten Mitteln der Senatoren bezahlt ohne gleichzeitigen Lohnausgleich. Dies ging soweit, dass die Ausbeutung einer Provinz sowie die damit einhergehende Bereicherung durch den Statthalter Normalität wurde.
Einen gänzlich anderen Aspekt für die damaligen Verhältnisse bringt Büchner. Er bezeichnet die Entsendung des Pompeius gegen die Seeräuber und Mithridates 67/66 v. Chr. als epochales Ereignis. Dadurch sei die Macht des Volkes gebrochen und die Herrschaft der Obrigkeit bestätigt worden. Er argumentiert weiter, dass, wenn Catilina zu dieser Zeit geputscht hätte, oder seine erste Verschwörung energischer geführt worden wäre,[26] er durchaus Erfolgsaussichten hatte.[27] Diese Darstellungen sind eher fraglich und kommen dem historischen Catilinabild sowie seiner Umsturzversuche nicht nahe. Auch bleibt Büchner eine Erklärung schuldig, inwiefern die Entsendung Pompeius für das Volk kritisch war.
Besser beschrieben sind bei ihm die gesellschaftlichen Verhältnisse in Bezug auf das Verhältnis der Nobilität und der Masse. Während wenige führende Männer in sinnlosen Luxus schwelgten, ging es der Masse schlecht.[28] Auch wenn Büchner hier sehr allgemein formuliert trifft er dennoch den Kern. Selbst hochverschuldete Senatoren leisteten sich verschwenderische Prunkfeste, nur um eine Chance auf einen Aufstieg in einen höheren Posten zu bekommen.
Das Römische Reich gestaltete sich also zum Zeitpunkt der Catilinarischen Verschwörung als ein von innen heraus instabiles Konstrukt, welches zwar Kriege gegen andere Völker für sich entschied, bei gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Reformen jedoch scheiterte. Sulla war zwar seit 15 Jahren tot, seine politischen Beschlüsse oftmals wieder rückgängig gemacht, doch viele Probleme - neu geschaffen oder forciert - bestanden weiterhin. Außerdem hatten viele seiner ehemaligen Anhänger weiterhin Posten im Senat inne und wirkten dadurch im politischen Leben mit. Einer von ihnen war Lucius Sergius Catilina.
3. Der Verschwörer und seine Chronisten
3.1 Catilina
Der 108 v. Chr. geborene Lucius Sergius Catilina entstammte dem Adelsgeschlecht der Sergier, welches zwar eine traditionsreiche Vergangenheit hatte, jedoch zunehmend an politischer Bedeutung verlor. Catilinas frühes Leben und Wirken lässt sich nur bedingt zurückverfolgen.
Er durchschritt wohl einen soliden Karrierepfad – für einen römischen Adeligen - im Militärdienst und schlug sich später auf die Seite Sullas. In diversen zeitgenössischen Quellen wird ihm außerordentliche Brutalität vorgeworfen. So soll er seinen Bruder ermordet, dessen Tochter misshandelt und Proskripierte energisch verfolgt haben. Obwohl Catilina ein Anhänger Sullas war und somit auch dessen Feinde verfolgt haben dürfte, so ist doch die Beschreibung seines brutalen und stellenweise perversen Verhaltens kritisch zu betrachten. Zum einen klingen die Vorwürfe stark nach typischen Topoi, zum anderen verwundert es kaum, dass zeitgenössische Quellen über einen gescheiterten Aufständischen wenig Gutes berichten - vor allem wenn er einst Anhänger eines brutalen Diktators war. Wenngleich das wahre Wirken Catilinas unter Sulla nicht beweisbar ist, so erscheinen die Beschreibungen in den Quellen doch stark übertrieben.
Ein Indiz dafür, dass Catilina nicht zu den Schlimmsten seiner Zeitgenossen gehört haben dürfte, besteht darin, dass er nicht zu jenen gehörte, die 70 v. Chr. aufgrund der Teilnahme an den Proskriptionen aus dem Senat geworfen wurden. Dies könnte natürlich auch bedeuten, dass er lediglich Glück hatte und seine Verbrechen nicht bestraft wurden. Allerdings kooperierten Cäsar und sogar Crassus zeitweise mit ihm. Auch Cicero hegte zeitweise Pläne ihn als Anwalt vor Gericht zu vertreten, was jedoch letztlich nicht geschah.[29] Mit einem im Senat oder Volk verachteten Mann hätte der reiche, angesehene Crassus oder die jungen, karrierebewussten Emporkömmlinge Cäsar und Cicero kaum zusammen gearbeitet. Dies hätte ihrem Ansehen und Karrierechancen zu sehr geschadet.
Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass Catilina in den 60er Jahren wenigstens etwas politische Macht und damit gesellschaftliches Ansehen besessen haben muss, bilden seine Bewerbungen um den Posten eines Konsuls. Zudem hatte er 67 v. Chr. die Statthalterschaft für die Provinz Africa inne, welche er, wie die meisten Statthalter, ausbeutete. Ob er dies energischer tat als es der Normalfall war lässt sich nicht sicher feststellen, doch musste er seine erste Bewerbung um
das Konsulat für die Jahre 65 und 64 v. Chr.[30] wegen eines
Repetundenverfahrens[31] aufgeben. Bei seiner Bewerbung für 63 v. Chr. unterlag er gegen Cicero und Antonius Hybrida. Dabei galt er, zusammen mit den späteren Gewinnern der Wahl, als Favorit. Er konnte bedeutende finanzielle Mittel aufbringen, um den Stimmenkauf zu forcieren und verbündete sich mit Antonius, um Cicero keine Chance zu geben. Dieser gewann jedoch den ersten Wahlgang, wodurch er als Konsul feststand. Dadurch wurde das Bündnis zwischen Catilina und Antonius zwangsweise gelöst und Catilina verlor die Wahl.[32] Im Jahr darauf bewarb er sich erneut, hatte jedoch wesentlich schlechtere Erfolgsaussichten und verlor abermals.
Catilina war auf ganzer Ebene gescheitert. Zum einen war er bei den Senatswahlen stets hoch verschuldet.[33] Zum anderen stellten gerade die verlorenen Wahlen 63 v. Chr. einen deutlichen Einschnitt dar.[34] Die moderne Forschung ist sich weitestgehend einig, dass die Niederlage gegen Cicero und Antonius etwas in Catalina auslöste, das seine Verschwörung erst ermöglichte. Schmal weist dabei darauf hin, dass erst nach dieser verlorenen Wahl ein Putsch sinnvoll war, da Catilina vorher noch gute Chancen auf das Konsulat hatte.[35] Rosenstein und Morstein-Marx weisen hingegen darauf hin, dass sich Catilina durch die Wahlniederlagen in seiner Ehre gekränkt gefühlt haben muss und diese durch die Verschwörung wieder herstellen wollte: „He began to return to conspiracy as a means of restoring his lost dignitas “[36].
Catilinas unerbittlicher Kampf für das Konsulat lässt sich nur verstehen, wenn man sich vor Augen führt, welche enorme Bedeutung dieses Amt inne hatte. Mit der Wahl zum Konsul errang man nicht nur das höchste Staatsamt, sondern stieg auch in einen privilegierten Kreis innerhalb der ohnehin schon Privilegierten auf und erhielt eine lebenslange Mitgliedschaft im Senat. Kein politisches Amt hatte für eine Einzelperson, als auch für deren Familie eine ähnlich prestigeträchtige Bedeutung. Die Bedeutung des Konsulats für die untereinander konkurrierenden römischen Patriziergeschlechter kann kaum zu hoch eingeschätzt und hier bei weitem nicht ausreichend erklärt werden.
Im Jahr 63 v. Chr. war Catilina also ein verschuldeter und politisch gescheiterter Adeliger. Letztendlich war er zu diesem Zeitpunkt ein Symbol der römischen Verhältnisse und es verband ihn viel mit den Veteranen Sullas. Beide hatten demselben Diktator gedient und endeten letztlich hoch verschuldet. Außerdem dürften beide unter einem Ansehensverlust gelitten haben, wenngleich der von Catilina um ein vielfaches höher einzustufen ist. Sowohl die Veteranen als auch Catilina wirken wie Marionetten ihrer Zeit, deren Schicksal durch andere bestimmt wurde. Sie stehen dabei natürlich nicht allein dar. Neben Catilina gab es viele Adelige in Rom und auf dem Land, welche durch die Schuldenlast systematisch verarmten. Die vielen Gemeinsamkeiten zwischen jenen Adeligen, den sullanischen Veteranen und Catilina sollten noch Folgen für die Römische Republik haben.
3.2 Cicero
Im Vergleich zu Catilina erlebte der 106 v. Chr. geborene Marcus Tullius Cicero in den 60er Jahren einen enormen Karrieresprung. Cicero stammte zwar nicht aus einfachen Verhältnissen, gehörte jedoch auch nicht jenen Familien an, die als politisch einflussreich galten und bereits einen Konsul in ihrer Familiengeschichte aufweisen konnten.
Was für uns heute wie eine Randnotiz klingt, war für Cicero ein enormes Hindernis für das von ihm angestrebte Konsulat. Die Chancen auf eine Wahl standen insofern schlecht, als dass man es im Senat bevorzugte, Kandidaten zu wählen, deren Familien schon einmal einen Konsul
stellten.[37] Diese Praxis ist ein weiterer Beweis für das konservative Milieu im Senat. Das höchste Staatsamt wurde oftmals lieber nach dem Herkunfts- als nach dem Leistungsprinzip vergeben.
Dieses Leistungsprinzip verkörperte Cicero indes im Laufe der 60er Jahre. Er galt als Emporkömmling, dem eine große Karriere bevorstand.[38] Vor allem als Anwalt sicherte er sich durch überzeugende Leistungen für seine Klienten, oft einflussreiche Politiker, einen guten Ruf. Wie bereits oben erwähnt, erwog er auch zeitweise die Verteidigung Catilinas, lehnte jedoch letztlich ab. Dies beruhte allein auf Karrieregedanken und hatte nichts mit persönlichen Gefühlen zu tun.[39] Somit darf dieser Schritt Ciceros nicht als gegen Catilina gerichtet angesehen werden, zumindest nicht auf persönlicher Ebene. Vielmehr hatte Cicero wohl einen Klienten gefunden, welcher ihm einflussreicher und somit für seine eigene Karriere nützlicher erschien.
Während die Konsulatswahlen 64 v. Chr. für Catilina eine Katastrophe darstellten, brachten sie Cicero in das angestrebte Amt und damit in einen privilegierten Zirkel. Dabei erscheint sein Wahlgewinn einerseits überraschend, da ihm, im Vergleich zu seinen Widersachern Antonius und Catilina, keine großen finanziellen Mittel zur Verfügung standen. Dass Wahlen auch durch Geld entschieden werden ist bekanntlich nicht nur ein Phänomen der Antike, sondern zieht sich durch die gesamte Weltgeschichte. Andererseits agitierte Cicero sehr heftig im Wahlkampf, vor allem gegen Catilina, und ragte dabei mit seinem rhetorischen Talent hervor. Wieder ist jedoch fraglich, inwiefern daraus auf den zeitgenössischen Catilina geschlossen werden kann. Schmal sagt dazu aus, dass die Gegner Ciceros stets von diesem als „Schuldenmacher, Wüstlinge, Staatsverderber und Verbrecher“[40] bezeichnet wurden. Außerdem sei die römische Rhetorik stets sehr scharf gewesen. Somit stellt sich die Frage, ob Cicero am heftigsten gegen Catilina hetzte, weil dieser moralisch außerordentlich verkommen war, oder weil dieser von seinen Gläubigern die größte finanzielle Unterstützung genoss und somit die besseren Chancen auf das Konsulat hatte. Andererseits weist Bringmann daraufhin, dass sowohl Catilina, wie auch Antonius, im Vergleich zu Cicero schlecht abschnitten, da sie keinen guten Ruf genossen.[41] Dies würde den klaren Sieg Ciceros erklären, der jedoch auch auf geschickte Agitation zurückgeführt werden kann. Jedenfalls war das Verhältnis von Cicero zu Catilina zum Zeitpunkt der Wahlen sehr gespannt.
Durch die gewonnenen Wahlen 64 v. Chr. war Cicero folglich in jenem Jahr Konsul, in dem die Catilinarische Verschwörung begann. Das bedeutete für ihn, dass sein Konsulat nicht ruhig und ereignislos vorbeigehen würde, sondern dass er sich, als Inhaber des höchsten Amtes der Republik, in entschlossenem Handeln beweisen musste. Dies bot ihm allerdings auch die Chance, zu noch größerem Ansehen und Ruhm zu gelangen.
3.3 Sallust
“Als Sallust schrieb, schien ein ganzes Zeitalter vergangen zu sein. In Wahrheit waren es aber nur zwei Dekaden“[42]. Aus dieser Aussage von Syme und dem Wissen, dass Sallust 86 v. Chr. geboren wurde, lassen sich zwei Erkenntnisse gewinnen. Zum einen hat sich die römische Gesellschaft 20 Jahre nach der Catilinarischen Verschwörung deutlich verändert. Zum anderen – und das ist in diesem Fall wichtiger – wird klar, dass Sallust zwar Zeitgenosse Catilinas war und die Verschwörung als junger Mann miterlebte, seine Monographie dazu jedoch erst später veröffentlichte.[43] Dies ist bei einer Deutung von Sallusts Werk zur Catilinarischen Verschwörung stets zu beachten, insbesondere wenn man bedenkt, dass ihm die Catilinarischen Reden von Cicero als wichtigste Quelle dienten.[44]
[...]
[1] Cicero, Marcus Tullius: Die Catilinarischen Reden, eingel., übers. und erl. von Manfred Fuhrmann, in: Cicero - Sämtliche Reden, Ausgabe in sieben Bänden, Bd. 2, Zürich (u.a.) 1970, S. 221 - 290.
[2] In der uns bekannten schriftlichen Form wurden die Reden jedoch erst 60 v. Chr. von Cicero überarbeitet herausgegeben.
[3] Sallustius Crispus, Sergius: Die Verschwörung Catilinas, übers. von André Lambert, in: Sallust: Historische Schriften, München 1983, S.29 - 82.
[4] Syme, Ronald: Sallust, Darmstadt 1975.
[5] Gemeint sind die vier Catilinarischen Reden Ciceros sowie die Monographie von Sallust.
[6] Ledworuski, Gabriele: Historiographische Widersprüche in der Monographie Sallusts zur Catilinarischen Verschwörung (Studien zur klassischen Philologie 89), Frankfurt a. M. (u. a.)1994.
[7] Christ, Karl: Krise und Untergang der Römischen Republik, 4. Aufl., Darmstadt 2000.
[8] Dies gilt auch für Pompeius und Crassus, wenngleich diese schon vor der Catilinarischen Verschwörung viel Macht, Ansehen und/oder finanzielle Mittel auf sich vereinigen konnten.
[9] Die Brüder Tiberius und Gaius Gracchus versuchten Reformen im Land- und Sozialwesen, was so starken Widerstand mit sich zog, dass es zu blutigen, inneren Kämpfen kam.
[10] Schöne, Wilhelm (Hg.): Sallust, Werke und Schriften, Lateinisch – Deutsch, München 1975, S. 462.
[11] Vgl. ebd.
[12] Als Beispiel sei hier der Jugurthinische Krieg (111 – 105 v. Chr.) genannt, über den Sallust ebenfalls ein Werk geschrieben hat.
[13] Marius ist auch durch seine bedeutende Heeresreform bekannt. Er war ein Verwandter Cäsars, wodurch dieser Bürgerkrieg auch für Cäsar Auswirkungen hatte. Marius starb bereits 86 v. Chr., den Krieg führten seine Anhänger jedoch weiter.
[14] Vgl. Schmal, Stephan: Sallust, Darmstadt 2001, S. 36.
[15] Gleichwohl gab es, etwa im 19. Jh bei Mommsen, auch positive Töne gegenüber Sulla.
[16] Vgl. Bringmann, Klaus: Cicero, Darmstadt 2010, S. 84.
[17] Vgl. Rosenstein, Nathan / Morstein-Marx, Robert (Hg.): A Companion to the Roman Republic, Malden / Mass. (u.a.) 2006, S. 191.
[18] Das Berufssoldatentum ist vor allem durch die Militärreformen des Marius entstanden.
[19] Vgl. Rosenstein, Nathan / Morstein-Marx, Robert (Hg.): A Companion to the Roman Republic, Malden / Mass. (u.a.) 2006, S. 194.
[20] Rosenstein und Morstein-Marx bieten in ihrem Werk einen empfehlenswerten Überblick über die Ereignisse in der späten Römischen Republik. Sie konzentrieren sich dabei jedoch sehr auf die bekanntesten Personen der Zeit wie etwa Pompeius oder Cicero.
[21] Rosenstein, Nathan / Morstein-Marx, Robert (Hg.): A Companion to the Roman Republic, Malden / Mass. (u.a.) 2006, S. 190.
[22] Vgl.ebd., S. 191.
[23] Bei der Politik der späten Römischen Republik unterscheidet man zwischen den Gruppen der Optimaten, welche die Macht auf den Adel vereinigen wollen, und den Popularen, die das Volk mehr an den politischen Prozessen teilhaben lassen mochten. Dabei sollte man diese beiden Gruppierungen jedoch nicht als feste Parteien, sondern eher als Hilfestellung zur Bestimmung der politischen Orientierung eines Senatoren wahrnehmen.
[24] Vgl. Vgl. Rosenstein, Nathan / Morstein-Marx, Robert (Hg.): A Companion to the Roman Republic, Malden / Mass. (u.a.) 2006, S. 191.
[25] Vgl. ebd., S. 194.
[26] Die erste Catilinarische Verschwörung und deren Wahrheitsgehalt wird weiter unten noch behandelt.
[27] Vgl. Büchner, Karl: Sallust, 2. Aufl., Heidelberg 1982, S. 136.
[28] Vgl. ebd., S. 165.
[29] Vgl. Schmal, Stephan: Sallust, Darmstadt 2001, S. 49-50.
[30] Die Konsuln wurden immer für das folgende Jahr gewählt. Catilina bewarb sich 66 v. Chr. also für das Konsulat 65 v. Chr. und 65 v. Chr. für das Qmt des Konsuls 64 v. Chr.
[31] Ein Repetundenverfahren bezeichnet ein Gerichtsverfahren gegen einen Statthalter, mit dem Vorwurf der Ausbeutung der Provinz.
[32] Vgl. Rosenstein, Nathan / Morstein-Marx, Robert (Hg.): A Companion to the Roman Republic, Malden / Mass. (u.a.) 2006, S. 195.
[33] Vgl. Bringmann, Klaus: Cicero, Darmstadt 2010, S. 82.
[34] Vgl. Eisenhut, Werner (Hg.): Sallust, Werke, Lateinisch und deutsch, Darmstadt 1994, S. 404.
[35] Vgl. Vgl. Schmal, Stephan: Sallust, Darmstadt 2001, S. 50.
[36] Rosenstein, Nathan / Morstein-Marx, Robert (Hg.): A Companion to the Roman Republic, Malden / Mass. (u.a.) 2006, S. 195. Im Original ist dignitas kursiv gedruckt.
[37] Vgl. Bringmann, Klaus: Cicero, Darmstadt 2010, S. 79.
[38] Vgl. Rosenstein, Nathan / Morstein-Marx, Robert (Hg.): A Companion to the Roman Republic, Malden / Mass. (u.a.) 2006, 194.
[39] Vgl. Bringmann, Klaus: Cicero, Darmstadt 2010, S. 80.
[40] Schmal, Stephan: Sallust, Darmstadt 2001, S. 51.
[41] Vgl. Bringmann, Klaus: Cicero, Darmstadt 2010, S. 81.
[42] Syme, Ronald: Sallust, Darmstadt 1975, S. 68. Gemeint sind hierbei die zwei Dekaden nach der Catilinarischen Verschwörung.
[43] Dies geschah um 41 v. Chr., wobei man als Originaltitel entweder de coniuratione Catilinae oder bellum catilinae findet.
[44] Vgl. Schöne, Wilhelm (Hg.): Sallust, Werke und Schriften, Lateinisch – Deutsch, München 1975, S. 71.