Die „Volkspartei“ schafft sich ab: Eine Analyse der Wahlverluste der ÖVP


Bachelor Thesis, 2011

75 Pages, Grade: 1


Excerpt


INHALTSVERZEICHNIS

Verzeichnis der Schaubilder und Tabellen

Abkürzungsverzeichnis

Danksagung

1. Einleitung
1.1 Die Geschichte der Österreichischen Volkspartei
1.2 Relevanz des Themas
1.3 Forschungsleitende Fragestellungen
1.4 Arbeitshypothese
1.5 Vorgehensweise

2. Theoretische Einbettung
2.1 Theorie der „Catch-all Party” von Otto Kirchheimer (1966)
2.2 Der Weg hin zur „Catch-all Party“

3. Empirische Überprüfung
3.1 Analyse der ÖVP an der „CAP“-Theorie Kirchheimers
3.1.1 Teilaspekt: IDEOLOGIE
3.1.2 Teilaspekt: INNERPARTEILICHE MACHTVERTEILUNG
3.1.3 Teilaspekt: SOZIALE ZUSAMMENSETZUNG
3.1.4 Teilaspekt: VERBINDUNG ZU INTERESSENGRUPPEN
3.1.5 Teilaspekt: FUNKTION IM POLITISCHEN SYSTEM
3.2 Resümee: ÖVP als „Erfinderin“ der „CAP“

4. Wahlverluste von „Volksparteien“
4.1 Theoretischer Hintergrund von Wahlverlusten
4.2 ÖVP-spezifische Gründe für Wahlverluste
4.2.1 Entideologisierung/ Entpolitisierung
4.2.2 Innerparteiliche Machtverteilung/ organisatorische Struktur der ÖVP
4.2.3 Personalisierung/ Personaldebatten
4.3 Analyse der VP-Wahlverluste seit 1970
4.4 Resümee: Wahlverluste von Volksparteien

5. Die ÖVP im 21. Jahrhundert
5.1 Aktuelle innenpolitische Situation der Volkspartei

6. Resümee
6.1 Beantwortung der Arbeitshypothese

7. Literatur- und Quellenverzeichnis

VERZEICHNIS DER SCHAUBILDER UND TABELLEN

SCHAUBILDER

Schaubild 1.2a: Nationalratswahlen in Österreich 1945-2008

Schaubild 1.2b: Mandatsverteilung in Österreich 1945-2008

Schaubild 3.1.1a: Veränderungen der österr. Parteien auf der links-rechts

Dimension (1945-1978)

Schaubild 3.1.1b: Wahlmotive ÖVP (NR-Wahl 2008)

Schaubild 3.1.2: Rückgang der ÖVP-Parteimitgliedschaften 1945-2005

Schaubild 3.1.3a: Beschäftigungsstruktur Österreichs 1951-2009 (Werte in %)

Schaubild 3.1.3b: Sozialstruktur der ÖVP-Wähler nach Berufsmilieu 1969-1983 (Werte in %)

Schaubild 3.1.3c: Vergleich der Beschäftigungsstrukturen:

Gesamtbevölkerung/ ÖVP-Wähler (Werte in %)

Schaubild 3.1.5: ÖVP-Nationalratswahlplakate 1949-2008

Schaubild 3.2: Sonntagsfrage 04/2011

TABELLEN.

Tabelle 1.2a: Nationalratswahlergebnisse in Österreich 1945-2008 (Werte in %)

Tabelle 1.2b: Mandatsverteilung in Österreich 1945-2008

Tabelle 3.1.3a: Beschäftigungsstruktur Österreichs 1951-2009 (Werte in %)

Tabelle 3.1.4: Ergebnisse der Wahlen zu den großen Kammern 1949-1984 (Werte in %)

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

DANKSAGUNG.

Da ich mit dieser Arbeit nun am Ziel meines Bachelorstudiums
Politikwissenschaft stehe, ist es an der Zeit DANKE zu sagen.

Danke an alle Menschen, die mich bis zu diesem heutigen Tag begleitet, mich finanziell, wie ideell unterstützt haben und mir immer wieder neuen Mut und Kraft gaben, weiter zu machen.

Der vorderste Dank gebührt dabei meinem Freund und Studienkollegen Markus

Vogtenhuber. Ohne deine Hartnäckigkeit und Geduld würde ich mich sicher heute nicht an diesem wundervollen Punkt meines Lebens befinden.

Weiters möchte ich meinen Eltern danken, die mir durch ihre finanzielle Untersützung ein sorgenfreies Studium ermöglichten.

Auch meinem Betreuer, Herrn Mag. Dr. phil. Eric Miklin, gebührt ein besonderer Dank. Danke für Ihre umfangreiche und kompetente Unterstützung während der ganzen Zeit der Erstellung dieser Arbeit.

Zuletzt möchte ich mich noch bei jedem einzelnen Steuerzahler in Österreich bedanken, die es mir ermöglicht haben, ein Studium ohne finanzielle Belastungen in Form von Studiengebühren absolvieren zu dürfen und mir so die Möglichkeit gaben, mich voll und ganz auf die Universität konzentrieren, sowie mich in meiner Freizeit umfassend ehrenamtlich und politisch engagieren zu können.

Gampern, 20. April 2011

1. EINLEITUNG.

1.1 DIE GESCHICHTE DER ÖSTERREICHISCHEN VOLKSPARTEI.

GRÜNDUNG 1945. Die Österreichische Volkspartei wurde am 17. April 1945, „ als neue, sich von der Vergangenheit abgrenzende Partei “1, im Wiener Schottenstift gegründet. Diese Namensänderung der Christlichsozialen Partei zu Beginn der Zweiten Republik in „Österreichische Volkspartei“ passierte aus Gründen der Distanz zum politischen Katholizismus und dem autoritären Ständestaat vergangener Jahre. Mit ihrer Neugründung sollte die einvernehmliche, beiderseitige und vorsichtige Trennung zwischen Partei und Kirche einhergehen. Die kirchlichen Organisationsformen wurden ebenso von jener der Partei selbst entflochten.2

Die ÖVP sah sich 1945 zwar noch als natürliche Heimat der Katholiken, jedoch nicht mehr als „ politische Organisation des Kirchenvolkes “3. Sie sollte eine soziale Integrationspartei darstellen, eine Volkspartei, losgelöst von der zu engen Verflechtung mit Klerus und Hierarchie der katholischen Kirche.4 Hinsichtlich ihrer Sozialstruktur baute die ÖVP aber wieder auf die selben gesellschaftlichen Gruppen auf, die auch schon den Kern der Christlichsozialen Partei gebildet hatten. Diese waren die Bauernschaft, die Gewerbetreibenden, die Beamten und die Angestellten. Auch das kirchliche Vereinswesen, als Vorfeld der Partei, war trotz Distanzierung nach wie vor wichtig für die ÖVP. Bis in die 1960er Jahre erfuhr die ÖVP zudem noch eine aktive Unterstützung durch die Kirche.5

DIE „FUNKTIONALE STRUKTUR“ DER ÖVP. Nach der offiziellen Entflechtung von Kirche und Partei 1945, musste die ÖVP selbst ein Netzwerk von Organisationen aufbauen, die abgekoppelt von der Kirche die katholisch-konservative Partei mit Leben füllen würden. Aus diesem Grund formierte die ÖVP 1945 ihre „bündische Struktur“. „ Sie gründete sich als Dachverband, unter dem die nach ständischen Prinzipien konstruierten Bünde (Bauernbund, Wirtschaftsbund, Arbeiter- und Angestelltenbund) sowie geschlechts- und generationsspezifische Teilorganisationen (Frauenbewegung, Seniorenbund, Junge Volkspartei) ein autonomes politisches Leben führen sollten. “6 Die ÖVP wurde so zu einer, in autonome Teilorganisationen gegliederte, Massen-Mitgliederpartei, die durch ihre „bündische Struktur“ einen dezentralen Charakter aufwies und bei welcher die Mitgliedschaft im Rahmen der ihr inhärenten Bünde erworben werden konnte.7 Diese Bünde hatten auch unter der Zeit des Nationalsozialismus weiterhin bestehende Verbindungen zwischen den einzelnen Funktionären und waren deshalb im April `45 sofort handlungsfähig. Laut Protokoll des 1. Bundesparteitages der ÖVP 1947, wäre es „ Wahnsinn gewesen, hätte man von diesen schon vorhandenen Mitteln nicht Gebrauch gemacht. “8 Die Bünde sind somit fast gleichzeitig mit der Gründung der Volkspartei formiert worden, waren jedoch bereits vor der Gründung dieser vorhanden.9

Personelle Repräsentanten für die Bünde in dieser Frühphase waren Lois Weinberger für den Österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbund (ÖAAB), Leopold Figl für den Österreichischen Bauernbund (ÖBB) und Julius Raab für den Österreichischen Wirtschaftsbund (ÖWB). Die Gründung der ÖVP als soziale Integrationspartei sollte diese unterschiedlichen und auch gegensätzlichen Interessen zusammenführen. „ Als Generalsekretär fungierte Felix Hurdes. Ihm war es von Anfang an darum zu tun, den Bünden und ihren divergierenden Interessen als einigendes Element organisatorisch und ideell die Partei voranzustellen. “10

DIE „FÖDERALE STRUKTUR“ DER ÖVP. Die ÖVP wurde anfangs nur durch Exponenten aus Wien und Niederösterreich gegründet und daher zu Beginn auch nur in Ostösterreich akzeptiert. Darüber hinausgehende Teile Österreichs waren zu dieser Zeit noch unter nationalsozialistischem Einfluss und später dann von den Alliierten besetzt. Demarkationslinien erschwerten zusätzlich Reisen und jede Art von Kommunikation. Erst im September 1945 wurden, im Rahmen einer gesamtösterreichischen Länderkonferenz, wichtige Forderungen dieser Ländervertreter an die Bundesregierung berücksichtigt.

Darunter unter anderem eine Erweiterung der Bundesregierung um die Ländervertreter. Erst jetzt fand die Regierung Renner auch im Westen und Süden Österreichs bei den Bundesländern grundsätzliche Zustimmung.11 Laut Herbert Dachs12 war genau diese Vorgehensweise, dass die meisten Ländergruppen erst mit Verzögerung und aus freiem Willen der ÖVP beigetreten sind, entscheidend für die innerparteiliche Entwicklung der ÖVP. Denn waren diese, sowie dominierende Vertreter der drei Bünde, bisher formell nur kooptiert, so rückten sie ab Herbst 1945 ins Zentrum der Partei. Sie besetzten auch Führungspositionen im Parteipräsidium. So wurde Leopold Figl Parteiobmann, Julius Raab und Lois Weinberger Stellvertreter.

„ Felix Hurdes, der als Generalsekretär schon immer die Vorstellung verfolgt hatte, dass die Gesamtpartei aus zentralen, nichtbündisch strukturierten Organen gebildet und vor den Sonderinteressen vertretenden Bünden rangieren sollte, blieb mit diesen seinen Plänen hoffnungslos in der Minderheit. Die Bünde waren von da an für die parteiinterne Machtverteilung auch offiziell konstitutiv. “13 Im Rahmen des ersten Bundesparteitages der ÖVP 1947 wurde noch versucht, das brisante Verhältnis zwischen Bünden und Gesamtpartei durch die Verabschiedung eines Parteistatutes festzulegen „ sodass das Zusammenwirken der Bünde untereinander und mit der Partei nicht von Zufälligkeiten oder den jeweiligen persönlichen Einstellungen der Funktionäre der Partei oder der Bünde abhängig ist. “14

Auch die Verabschiedung einer Resolution wurde von Felix Hurdes angestrebt. Dieser folgend hätten öffentliche Stellungnahmen der Bünde „ nur unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Partei “ zu erfolgen: „ Die Festlegung der programmatischen Grundsätze ist Angelegenheit der Gesamtpartei. In allen politischen Fragen ist der unbedingte Primat der Österreichischen Volkspartei anzuerkennen. “15

Doch weder Parteistatut noch Resolution fanden eine Mehrheit am Bundesparteitag.16

SELBSTBEZEICHNUNG ALS „VOLKSPARTEI“. Neben ihrer Rolle als bürgerliche Sammlungspartei der verschiedenen Berufsgruppen, verstand sich die ÖVP auch stets als Sammlungspartei der unterschiedlichsten Ideologien wie Konservatismus, Liberalismus und Katholische Soziallehre.17 Die „ersten Leitsätze“ der Partei bei ihrer Gründung waren erstens die Verfolgung einer streng antimarxistischen Linie und zweitens die Festlegung der Aufgabe der Partei, als Kompromiss zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu fungieren.18 Auch der Name der neuen „Österreichischen Volkspartei“ legt die Vermutung nahe, dass das konservative Lager eine alle gesellschaftlichen Schichten umfassende Partei der Mitte darstellen wollte.19 Volkspartei statt Christlichsoziale Partei signalisierte Offenheit. Offenheit auch Gruppen gegenüber, die nicht ausdrücklich dem kirchennahen oder gar christlichen Bereich anhängig waren, um diese so schlussendlich zu integrieren.20

1.2 RELEVANZ DES THEMAS.

„VOLKSPARTEIEN“ VERLIEREN AN WÄHLERZUSPRUCH. Die Österreichische Volkspartei erhebt den Anspruch, eine „ Partei des Volkes für das Volk “21 zu sein. Einhergehend mit diesem Selbstverständnis dominierte die ÖVP die österreichische Politik ab dem Zeitpunkt ihrer Gründung an, bis zum Ende der 1960er Jahre. Ihr war es möglich, von 1945 bis Ende der `60er mandatsstärkste Partei und - mit Ausnahme der Periode 1953-1959 - auch stimmenstärkste Partei in Österreich zu sein. Doch ab den 1970er Jahren begann für die „Partei des Volkes“ eine lange Ära der Wahlniederlagen.22

Bei der Nationalratswahl am 1. März 1970 wurde die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) zum ersten Mal stimmen- und mandatsstärkste Partei. Im Gegensatz zur SPÖ, die 48,4% der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen konnte, erreichte die ÖVP nur mehr ein Ergebnis von 44,7% der Stimmen. Dies bedeutet ein Minus von 3,6%-Punkten im Vergleich zum 1966er Wahlergebnis der Volkspartei. Die ÖVP verlor die Regierungsbeteiligung sowie die Kanzlerschaft.23 Bei der nächsten Nationalratswahl im Jahr 1971 erlangte die SPÖsogar

Schaubild 1.2a: Nationalratswahlen in Österreich 1945-2008 24

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung: Eigene. Quellen: Vgl. Plasser/Ulram (2006), 560; SORA - Wahlanalysen25

Schaubild 1.2b: Mandatsverteilung in Österreich 1945-200826

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung: Eigene. Quellen: Vgl. Khol/ Lopatka/ Molterer (2005), 362-363; SORA - Wahlanalysen27

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten2829

die absolute Mehrheit der Stimmen sowie Mandate. Es kam zu einer Alleinregierung der SPÖunter Bruno Kreisky, die bis 1983 andauern sollte. Bei der Nationalratswahl 1983 konnte die ÖVP, mit kleinen Zugewinnen, die absolute Mehrheit der Sozialdemokratie brechen. 1986 hingegen erlitt die ÖVP erneute Wahlverluste (- 1,9%-Punkte), die jedoch im Gegensatz zu den Einbußen der folgenden Wahl des Jahres 1990 minimal wirkten. Die ÖVP verlor auf Kosten der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) unter Jörg Haider, 9,2%-Punkte ihrer Stimmen. Auch 1994 büßte die ÖVP erneut Wählerstimmen ein. Die FPÖwurde drittstärkste

Partei im Lande. 1995, bei den vorgezogenen Nationalratswahlen erfuhr die Österreichische Volkspartei eine erneute Enttäuschung. Sie gewann zwar ein Mandat (+ 0,6%-Punkte), die SPÖjedoch gewann 6 Mandate. Die ÖVP wird zugleich Juniorpartner in einer großen Koalition mit der SPÖ. Bei den Wahlen 1999 kam es zu einem politischen Erdrutschsieg, doch nicht für die ÖVP. Diese verlor 1,4%-Punkte, die FPÖjedoch rückte mandatsmäßig gleich auf zur ÖVP. Sie erreichte sogar mehr Stimmen als die Volkspartei.

Im September 2002 fand in Knittelfeld der außerordentliche Parteitag der FPÖstatt. Es kam zu einem Umsturz innerhalb der FPÖund die Partei, die Koalitionspartner in der Regierung mit der ÖVP war, lag in Trümmern. Parteiobmann der Volkspartei, Wolfgang Schüssel, ließ Neuwahlen abhalten, was taktisch wie auch strategisch als klug bezeichnet werden kann. Bei den Nationalratswahlen 2002 wird die ÖVP mit 42,3% stimmenstärkste Partei. Die Freiheitlichen büßten rund zwei Drittel ihrer Sitze ein.30 Mit diesem Ergebnis verdrängte die ÖVP, die SPÖvon der ersten Stelle in der Wählergunst. Das Plus von 15,4%-Punkten war das größte, das je eine Partei der Zweiten Republik bei einer Nationalratswahl erreichen konnte. Der riesige Wahlerfolg unter Wolfgang Schüssel war laut Fallend ein äußeres Ereignis, das der Selbstzerstörung der FPÖzu verdanken war. Denn diese Partei, die zuvor im Stil einer populistischen Protestpartei Ressentiments gegen Ausländer, „Sozialschmarotzer“ und die beiden „Altparteien“ schürte und damit ihren Wähleranteil sukzessive von Wahl zu Wahl steigern konnte, kam mit dem Kompromisszwang in einer Regierung nicht zu Rande.31

Bei der Nationalratswahl 2006 erlitt die ÖVP wieder starke Wahlverluste. Sie machte, im Vergleich zum Erdrutschsieg 2002, ein Minus von 8%-Punkten und fiel somit wieder hinter die SPÖzurück. Auch 2008 ging es mit den Wahlergebnissen der Volkspartei weiter bergab. Mit einem Verlust an Wählerstimmen von 8,3%-Punkten liegt die ÖVP heute sogar unter ihrem Stand des Jahres 1999 und hat somit in Summe der Jahre 2006 bis 2008 mehr Wählerstimmen verloren, als sie 2002 durch ihren, voluminösen Sieg erringen konnte.

Machte Müller32 zu Ende seiner Arbeit die Feststellung, dass die ÖVP aufgrund der Nationalratswahl 2002 es geschafft hätte, einen weiteren Abstieg beziehungsweise sogar den Zerfall der Volkspartei auf längere Zeit verhindert haben zu können und die ÖVP nun zukünftig eine zentrale Rolle im Parteiensystem Österreichs spielen wird, so zeigt die heutige reale Situation ein ganz anderes Bild.

Ohne Berücksichtigung des wahlpolitischen Ausreißers im Jahr 2002, bedingt durch die Selbstzerstörung der Freiheitlichen Partei, könnte man sogar die fortwährende Linie der Wahlverluste der ÖVP seit den 1970er Jahren zwischen den Nationalratswahlen 1999 und 2008 weiterzeichnen (siehe Schaubild 1.2a/b).

Zusammenfassend ergeben sich aus den bisherigen Überlegungen und in Bezug auf den konkreten Fall der Österreichischen Volkspartei folgende, meine Forschung leitende, Fragen:

1.3 FORSCHUNGSLEITENDE FRAGESTELLUNGEN.

- Aufgrund der seit den 1970er Jahren stetig sinkenden Wahlergebnisse der ÖVP, ist es fraglich, ob die Österreichische Volkspartei überhaupt „Volkspartei“ im eigentlichen Sinne des Namens ist? Auch Müller33 stellt sich die Frage, inwieweit die Namensgebung der Parteien als „Volksparteien“, Aussagekraft über die schlussendliche strategische Positionierung dieser für das gesamte „Volk“ hat. Ist die ÖVP „Volkspartei“, nur weil sie dessen Namen trägt?
- Was sind die Gründe für die ab den 70er Jahren beginnenden Wahlverluste der Österreichischen Volkspartei?

1.4 ARBEITSHYPOTHESE.

- Je stärker sich die Österreichische Volkspartei am Modell einer „ Volkspartei “ , also einer Partei für „ Alle “ , ausrichtet und je stärker innerparteiliche Konfliktdimensionen innerhalb dieser ausgeprägt sind, sowie in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten, desto negativer fallen für die betroffene Partei bundesweite Wahlerfolge aus.

1.5 VORGEHENSWEISE.

Ziel dieser Arbeit ist es, eine Beantwortung der forschungsleitenden Fragestellungen zu erreichen und damit eine Verifizierung beziehungsweise Falsifizierung meiner oben aufgestellten Hypothese vornehmen zu können.

Zu Beginn dieser Arbeit werde ich untersuchen, ob die Österreichische Volkspartei, überhaupt „Volkspartei“ im eigentlichen Sinne ihres Namens ist. Denn laut einer Analyse westeuropäischer „Volksparteien“, durchgeführt von Müller34, hat sich ergeben, dass der Begriff der „Volkspartei“ zusammen mit den verschiedensten ideologischen Richtungsbezeichnungen verwendet wird, die von linkssozialistischen über (wirtschafts-) liberale bis zu christdemokratischen und konservativen Parteien reichen. Auch existieren laut Müller bei den Parteien unterschiedliche Auffassungen über „das Volk“. Während sich einige Parteien als Vertreter von ethnischen Minderheiten nur auf einen jeweils geringen Teil des Staatsvolkes beziehen, wenden sich andere Volksparteien mit ihrer Politik an die Gesamtheit des Staatsvolkes. Resümee Müllers ist es, dass die Selbstbezeichnung der Parteien als „Volksparteien“ also „ keine tauglichen Anhaltspunkte für eine analytische Klassifizierung von Parteien als ‚ Volksparteien ‘“35 gibt. Müller36 zitiert bei der Definition einer Volkspartei die Begriffserklärung von Alf Mintzel, der schreibt, dass sich der Begriff der Volkspartei, ausgehend von bürgerlichen Parteien (wie der ÖVP), polemisch gegen Arbeiterparteien richtet, die sich als „Klassenparteien“ verstanden. Diese bürgerlichen „Volksparteien“ aber wollen sich an das ganze Volk wenden, nicht nur an einzelne soziale Klassen oder Schichten. Ob nun die ÖVP eine „Volkspartei“ darstellt oder nicht, werde ich im Folgenden anhand der archetypischen Version einer „Volkspartei“, genauer gesagt an der Theorie der „Catch-all Party“37 von Otto Kirchheimer (1966), durch die Heranziehung von literarischen Primär- und Sekundärquellen, testen.

Um im Weiteren die Gründe für die seit den 70er Jahren sinkenden Wahlergebnisse der ÖVP feststellen zu können, werde ich genaueres Augenmerk auf die innerparteiliche Organisationsstruktur der Österreichischen Volkspartei legen, die entlang der Länderorganisationen (föderale Struktur), sowie entlang der zentralen Bünde der ÖVP (funktionale Struktur) verläuft. Eine Analyse innerparteilicher Konfliktdimensionen, sowie teilweise Ausschnitte bisheriger Reformbestrebungen innerhalb der ÖVP, sollen schlussendlich Antworten auf die gestellten Fragen und die Hypothese liefern.

2. THEORETISCHE EINBETTUNG.

2.1 THEORIE DER „CATCH-ALL PARTY” VON OTTO KIRCHHEIMER (1966).

In den Jahren der Nachkriegszeit „ the mass integration party, product of an age with harder class lines and more sharply protruding denominational structures, is transforming itself into a catch-all ‚ people ’ s party ‘“38. Anders als die Massenintegrationspartei, die in einer Zeit von starken Klassenunterschieden und vorherrschenden Konfessionslinien entstanden war, gibt die „Catch-all Party“ den Versuch auf, sich die Massen geistig und moralisch einzugliedern. Sie richtet ihr Augenmerk in viel stärkerem Maß auf die gesamte Wählerschaft.39

„ Unter den gegenwärtigen Bedingungen einer Gesellschaft, die sich in immer gr öß erem Umfang an säkularen Vorstellungen und Massenkonsumgütern orientiert, in der sich die Beziehungen zu den Klassenändern und weniger scharf in Erscheinung treten, sind die früheren Massenparteien auf Klassen- oder Konfessionsbasis einem Druck ausgesetzt, der sie auf den Weg zur Allerweltspartei führt. “40 Vor allem (Massen-) Parteien mit klarem Klassenstandpunkt (Arbeiter- und bürgerliche Parteien) in den westlichen Nationen machen diesen Wandel durch.

Kirchheimers Catch-all Parteien öffnen ihr Programm so weit, dass sie nicht mehr nur das eigene Klientel, die eigene Klasse beziehungsweise Basis ansprechen, sondern auch andere Schichten für sich gewinnen können. Ziel ist es, für die Gesamtbevölkerung etwas anbieten zu können und dadurch direkter zu Wahlerfolgen zu gelangen.41 Die Ideologie der Partei wird also gegen weite Ausstrahlung in der gesamten Bevölkerung und rasche Wahlerfolge getauscht. Damalige Ziele der Massenintegrationsparteien werden laut Kirchheimer42 von der Volkspartei als „erfolgsmindernd“ angesehen, weil diese Teile des potentiellen Wählerklientels abschrecken könnten. Es folgt also ein Gang in Richtung mehr begrenzter politischer Aufgabe. Kirchheimers Allerweltsparteien passen sich immer mehr einander an.

Dies bestätigt, dass das Phänomen Allerweltsparteien ein Phänomen des Wettbewerbs ist.

„ Eine Partei neigt dazu, sich dem erfolgreichen Stil ihres Kontrahenten anzupassen, weil sie hofft, am Tag der Wahl gut abzuschneiden, oder weil sie befürchtet, Wähler zu verlieren. “43 Da es, wie bereits erwähnt, ihr Ziel ist, einen größtmöglichen Teil der potentiellen Wählerschaft für sich zu gewinnen, muss die Allerweltspartei aber auch Forderungen darbringen, die im Volk weithin Anklang finden. Da sie aber darüber hinaus noch bedacht ist, in Regierungsfunktion zu bleiben, beziehungsweise diese zu übernehmen, muss sie ihre politische Ausdrucksweise und ihre politische Funktion „ mannigfachen Einschränkungen und wechselnden taktischen Ü berlegungen unterwerfen “44. Die Rolle der Volkspartei erfordert somit Anpassung und Zurückhaltung. Das bedeutet, dass die moderne Volkspartei einen Zwischenweg zwischen der Rolle der Kritikerin und ihrer Rolle als Rückhalt des bestehenden politischen Systems finden muss. Deshalb muss die Rolle der Volkspartei auf dem Gebiet der Politik jene sein, welche auf dem Sektor Wirtschaft ein „ü berall gebrauchter und standardisierter, weithin bekannter Marken- und Massenartikel ist “45.

„ Natürlich müssen die Unterscheidungsmerkmale so sein, dass der Artikel auf den ersten Blick erkannt wird, aber der Grad der Unterschiedlichkeit darf niemals so gro ß sein, dass der potentielle Käufer befürchten muss, als kompletter Au ß enseiter zu erscheinen. “46

Der Volkspartei inhärente Merkmale sind somit das Phänomen des Wettbewerbs, das Stimmenmaximierungsprinzip, die Partei als Marken- und Massenartikel sowie die Mobilisierung der Wähler für Handlungspräferenzen.47

Die Catch-all Parteien orientieren sich nicht mehr nach den Vorstellungen eines gesellschaftlichen Gemeinwohls oder an den ideologischen Prinzipien der Partei. „ Sie stehen vielmehr in einem von rationalen Wahlerfolgskalkülen geleiteten Wettstreit um Wählerstimmen, und ihr eigentliches, das politische Verhalten steuerndes Ziel ist es, ihr machtsicherndes Stimmenpotential zu steigern. “48

Der Wandel von Interessenparteien zu Volksparteien, beziehungsweise von

Weltanschauungsparteien zu „Allerweltsparteien“: „Catch-all Party“, beinhaltet laut Kirchheimer49 folgende Veränderungen der Parteien:

2.2 DER WEG HIN ZUR „CATCH-ALL PARTY“.

1.) „ DRASTIC REDUCTION OF THE PARTY ’ S IDEOLOGICAL BAGGAGE. ”50

Dieser Schritt beinhaltet eine Abkehr von der bisher dominierenden Ideologie einer Partei. Stattdessen treten bei der Catch-all Partei kurzfristige taktische Überlegungen in den Vordergrund.

2.) „ FURTHER STRENGTHENING OF TOP LEADERSHIP GROUPS, whose actions and omissions are now judged from the viewpoint of their contribution to the efficiency of the entire social system rather than identification with the goals of their particular organization. ”51 Das Modell einer Catch-all Partei sieht eine Stärkung der Führungsgruppen in der Partei vor. Die Wirkung und Ausstrahlung der führenden Politiker steht dabei an oberster Stelle.

3.) „ DOWN-GRADING OF THE ROLE OF THE INDIVIDUAL PARTY MEMBER, a role considered a historical relic. ”52 Mit der Zuwendung hin zum Modell einer Catch-all Partei kommt es zu einem Einfluss-, Macht-, sowie zu einem Bedeutungsverlust der einzelnen Parteimitglieder.

4.) „ DE-EMPHASIS OF THE ‚ CLASSE GARD É E ’ , SPECIFIC SOCIAL-CLASS OR

DENOMINATIONAL CLIENTELE, in favour of recruiting voters among the population at large . ”53 Im Rahmen der Catch-all Partei kommt es zu einer Schwächung von Klassenstandpunkten, einer Abwertung von Religion/ Konfession, sozialen Gruppen etc. Dies alles passiert, um neue Wähler auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gewinnen zu können.

5.) „ SECURING ACCESS TO A VARIETY OF INTEREST GROUPS. ( … ) secure electoral support via interest-group intercession . ”54 Im Rahmen einer Catch-all Partei soll ein Gewinn an Wählerstimmen auch über starke Verbindungen zu den verschiedensten Interessengruppen eines Staates passieren. Dabei gibt es aber eine Abkehr von bisherigen ideologisch geprägten Interessenverbänden, wie religiösen Verbindungen.

Als 6. Eigenschaft von Catch-all Parteien, beziehungsweise als eigenen Faktor, hebt Müller55 (zusätzlich zu den bereits genannten 5 Teilaspekten von Kirchheimer) die Funktion der „Catch-all Party“ im politischen System hervor:

6.) FUNKTION DER CATCH-ALL PARTEI IM POLITISCHEN SYSTEM.

Kirchheimer sieht die politische Funktion der Catch-all Parteien im Untergang begriffen. Catch-all Parteien richten ihren Fokus verstärkt nur mehr auf die Hervorbringung von Führungspersönlichkeiten - anders ausgedrückt - auf die Nominierung von Kandidaten für öffentliche Ämter. Unter diesem Teilaspekt fasst Müller56 konkret die drei Bereiche: „Integrationsfunktion der CAP“, „Festlegung politischer Handlungspräferenzen“ und „Herausbildung von Führungspersönlichkeiten“ zusammen, in der sich die Catch-all Partei im politischen System von der früheren Massenintegrationspartei unterscheidet:

- INTEGRATIONSFUNKTION DER „CAP“. Während Massenintegrationsparteien die Bürger sehr eng an sich banden, deren Protest hörten und ihnen Schutz sowie eine Zukunftsvision boten, erscheint die moderne Catch-all Partei heute eher „distanziert“, bei Zeiten „halbamtlich“ und fremdartig. Sie verzeichnet daher eine abnehmende integrative Funktion.
- FESTLEGUNG POLITISCHER HANDLUNGSPRÄFERENZEN. Anstatt konkreter Ziele, bleibt die moderne CAP eher allgemein. Dies tut sie, da es ihr ermöglicht, bei so vielen Wählergruppen und Interessenvereinigungen wie möglich anzukommen.
- HERAUSBILDUNG VON FÜHRUNGSPERSÖNLICHKEITEN. Gleichzeitig mit der CAP kam es laut Kirchheimer zu einer verstärkten Personalisierung der Politik sowie der Wahlkämpfe. Wahlen wurden zu Schlachten zwischen Persönlichkeiten und nicht zwischen Ideen und Themen. Die Frage: „Was soll die Regierung leisten?“ wurde durch die CAP mittlerweile ersetzt mit: „Wer soll regieren?“. Kandidatennominierung für politische Ämter wurde so zur wichtigsten Aufgabe der CAP.

3. EMPIRISCHE ÜBERPRÜFUNG.

3.1 ANALYSE DER ÖVP AN DER „CAP“-THEORIE KIRCHHEIMERS.

Die „Volkspartei“ zwingt, ganz im Gegenteil zum früheren Partikularismus und seiner Verbreiterung der politischen Basis, zur Integration unterschiedlicher Interessen auf einer gemeinsamen Plattform, um durch Attraktivität für ein größtmögliches Wählerpotential die Regierungsmacht übernehmen zu können. Anstatt der früheren Intention, begrenzte, minoritäre, soziologische beziehungsweise weltanschauliche oder interessenspezifisch eingemauerte politische Positionen zu effektivieren, trat korrigierend der völlig neue Kurs zur politischen Leitung und Gestaltung des Gesamtsystems.57

Wie bereits eingangs aufgeführt und von Wolfgang C. Müller58 bestätigt, stellt die Selbstbezeichnung einer Partei als „Volkspartei“, aber „keine tauglichen Anhaltspunkte für eine analytische Klassifizierung von Parteien als ‚ Volksparteien ‘“59 dar. Ob die Österreichische Volkspartei nun eine „Volkspartei“ im wörtlichen Sinne des Namens ist, werde ich im Folgenden anhand der von Otto Kirchheimer ausgearbeiteten und im vorhergehenden Kapitel dargestellten, Theorie der „Catch-all Partei“, also der Volks- bzw. Allerweltspartei, versuchen zu überprüfen. Ziel soll es sein, anhand der von Kirchheimer aufgestellten und von Müller ergänzten Dimensionen einer Catch-all Partei, Schritt für Schritt durch theoretische wie praktische Argumente eine genaue Bestimmung des Status der ÖVP zu erreichen:

3.1.1 TEILASPEKT: IDEOLOGIE.

„ Die Gro ß parteien haben ihre traditionelle Identität, die sie in der Vergangenheit zu dem gemacht hat, was sie waren, schrittweise eingeb üß t; ihre traditionelle Identität, die oft in das Gegenteil des Gewohnten umschlägt, ist bis zur Unkenntlichkeit entstellt, ohne dass eine neue Identität und Kenntlichkeit sichtbar wäre oder sich auch nur ankündigte. “60

Müller61 führt für die These des „Endes der Ideologie“ drei Interpretationsansätze an, denn laut ihm kommt es zu einer erheblichen Anpassung der beiden österreichischen Großparteien, SPÖund ÖVP, hinsichtlich ihrer ideologischen Positionen. Der erste der drei Interpretationsansätze von Müller bezieht sich dabei auf:

- DIE ENTSTEHUNG EINES IDEOLOGISCHEN KONSENS.

Im ersten halben Jahrhundert ihrer Existenz, waren die österreichischen Parteien, die die traditionellen Lager des Parteiensystems Österreichs beherrschten, klare Weltanschauungs- bzw. Klassenparteien. Sie erhoben aufgrund der fragmentierenden Konfliktlinien nur einen speziellen Vertretungsanspruch. Die Parteien sprachen für eine bestimmte Klasse oder Weltanschauung, nicht jedoch für die Gesamtheit der österreichischen Bevölkerung. Drei Lager spiegelten die drei Widersprüche in der Gesellschaft wieder. Der soziale Widerspruch drückte sich vor allem auf der Konfliktachse zwischen Bürgertum und Arbeiterklasse aus. Der nationale Widerspruch konnte als Widerspruch zwischen deutscher Dominanz und nicht- deutschem Aufbegehren verstanden werden und der religiöse Widerspruch bestand vor allem in der Konfrontation zwischen dem politischen Katholizismus und den säkularen Tendenzen. Die christliche Partei spiegelte die konfessionelle Konfliktlinie wieder. All jene Teile der Bevölkerung, die dieser Weltanschauung nicht entsprachen beziehungsweise entsprechen wollten, wurden vom Programm der Christlichsozialen implizit ausgeschlossen.62

ENTIDEOLOGISIERUNG. Die Österreichische Volkspartei von 1945 griff nicht auf ihr „ideologisches Erbe“ aus der Ersten Republik zurück, wie dies die Sozialdemokratische Partei und die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) taten. Sie präsentierte sich als neue soziale und wirtschaftliche Integrationspartei.63 „ Die ÖVP wurde als freie Partei in einem freien Staat gesehen, aber natürlich als Partei auf der Grundlage eines Wertesystems, das zum Teil aus der katholischen Soziallehreübernommen wurde. Ausgesprochen wurde dies aber nicht, im ersten Programm 1945 fehlen alle diese Bezüge in ganz auffallender Weise. “64 Diese strikte Trennung zur Christlichsozialen Partei, sowie deren ideologischer Basis, spiegelte sich auch in den Programmen der ÖVP wieder. In den ersten Jahren nach der Gründung der ÖVP „ stand ursprünglich die Programmpartei SP Ömit einem umfangreichen, stark ideologisch geprägten Grundsatzprogramm einer ÖVP gegenüber, deren ‚ programmatische Leitsätze ‘ gerade vier Seiten lang waren und vieles offen lie ß en. “65

Ab dem Beginn der Zweiten Republik äußerte sich somit die Ausweitung des Parteienverständnisses, mit dem vorrangigen Ziel der Stimmenmaximierung, im Übergang vom speziellen zum generellen Vertretungsanspruch der Partei. Die christlichsoziale Klassen- und Weltanschauungspartei machte mit ihrer Neugründung als „Österreichische Volkspartei“ und der damit einhergehenden Auflösung des starken Naheverhältnisses zu kirchlichen Institutionen, ihren ersten Schritt zur „Volkspartei“, die für sich behauptete, das Gesamtinteresse zu vertreten.66 „ Die Gleichsetzung dieses Gesamtinteresses mit einem spezifischen Klassen- und Weltanschauungsinteresse wurde immer mehr zurückgenommen, die Bezüge auf die sozialen und konfessionellen Konfliktlinien wurden schwächer. “67

Dies drückte die ÖVP auch in ihren Wahlprogrammen aus, wie beispielsweise das „Klagenfurter Manifest“ aus dem Jahr 1964 sehr gut wiedergibt:

„ Die Österreichische Volkspartei ist die politische Vereinigung aller Österreicher und Österreicherinnen, die sich zur Ordnung der Gesellschaft auf der Grundlage der solidarischen Verbundenheit aller Bevölkerungsschichten bekennen. “68

[...]


1 Müller (2006), 341

2 Vgl. Pelinka (2005), 23, 38; Karner (2005), 24

3 Chorherr (2005), 31

4 Vgl. Khol/ Lopatka/ Molterer (2005), 8

5 Vgl. Müller (2006), 341

6 Pelinka (2005), 38

7 Vgl. Pelinka (2005), 37-38

8 Dax (2009), 34

9 Vgl. Chorherr (2005), 33

10 Dachs (2003), 92

11 Vgl. Dachs (2003), 92-93

12 Vgl. (2003), 92-93

13 Dachs (2003), 93

14 Der erste Bundesparteitag der Österreichischen Volkspartei. Protokoll. 18. - 21. April 1947, S. 43

15 Dachs (2003), 94

16 Vgl. Dachs (2003), 94

17 Vgl. Müller (2006), 341

18 Vgl. Chorherr (2005), 30

19 Vgl. Dax (2009), 38

20 Vgl. Sandgruber (2005), 261

21 Olt (2005), 163

22 Vgl. Müller (2006), 342; Stirnemann (1969), 1

23 Vgl. Dachs (2003), 100

24 Für die Analyse relevante Parteien sind: ÖVP, SPÖund FPÖ

25 Vgl. SORA Institute for Social Research and Consulting: Wahlanalysen, abgerufen von der Homepage: http://www.sora.at/themen/wahlverhalten/wahlanalysen.html (02.04.2011)

26 Mandatsverteilung: 1945-1966: Basis insg. 165 Mandate; 1970-2008: Basis insg. 183 Mandate;

27 Vgl. SORA: Wahlanalysen, abgerufen von der Homepage: http://www.sora.at/themen/wahlverhalten/wahlanalysen.html (02.04.2011)

28 Vgl. SORA: Wahlanalysen, abgerufen von der Homepage: http://www.sora.at/themen/wahlverhalten/wahlanalysen.html (02.04.2011)

29 Vgl. SORA: Wahlanalysen, abgerufen von der Homepage: http://www.sora.at/themen/wahlverhalten/wahlanalysen.html (02.04.2011)

30 Vgl. Chorherr (2005), 53, 64, 70, 77, 80-85

31 Vgl. Fallend (2005), 186, 189, 199

32 Vgl. (2006), 362

33 Vgl. (2005), 268

34 Vgl. (2005), 269

35 Müller (2005), 269

36 Vgl. (2005), 269

37 Otto Kirchheimer verwendet die Begriffe “Volkspartei” und “Allerweltspartei” synonym für die Bezeichnung der „Catch-all Party“.

38 Kirchheimer (1966), 52

39 Vgl. Kirchheimer (1965), 27

40 Kirchheimer (1965), 32

41 Vgl. Kirchheimer (1966), 52

42 Vgl. (1965), 27

43 Kirchheimer (1965), 30

44 Kirchheimer (1965), 31

45 Kirchheimer (1965), 34

46 Kirchheimer (1965), 34

47 Vgl. Oberreuter (2007), 22

48 Prisching (1988), 528

49 Vgl. (1966), 58-59

50 Kirchheimer (1966), 58-59

51 Kirchheimer (1966), 58-59

52 Kirchheimer (1966), 58-59

53 Kirchheimer (1966), 58-59

54 Kirchheimer (1966), 58-59

55 Vgl. (1992), 183

56 Vgl. (1992), 183, 193-195

57 Vgl. Oberreuter (2007), 22

58 Vgl. (2005), 269

59 Müller (2005), 269

60 Leser (1988), 371

61 Vgl. (1992), 185-186

62 Vgl. Pelinka (1988), 36, 40-41

63 Vgl. Karner (2005), 27

64 Khol/ Lopatka/ Molterer (2005), 9

65 Khol/ Lopatka/ Molterer (2005), 13

66 Vgl. Pelinka (1988), 42; Prisching (1988), 529

67 Pelinka (1988), 42

68 Kadan/ Pelinka (1979), 135

Excerpt out of 75 pages

Details

Title
Die „Volkspartei“ schafft sich ab: Eine Analyse der Wahlverluste der ÖVP
College
University of Salzburg
Grade
1
Author
Year
2011
Pages
75
Catalog Number
V192494
ISBN (eBook)
9783656174714
ISBN (Book)
9783656175001
File size
13166 KB
Language
German
Keywords
volkspartei, analyse, selbstzuschreibung, gründe, wahlniederlagen, jahren
Quote paper
Daniela Holzinger (Author), 2011, Die „Volkspartei“ schafft sich ab: Eine Analyse der Wahlverluste der ÖVP, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192494

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