Pola Negri - Der Stummfilmstar aus Polen


Livre Spécialisé, 2012

47 Pages


Extrait


Ernst Probst

Pola Negri

Der Stummfilmstar aus Polen

Ein Stummfilmstar der 1910-er und 1920-er Jahre war die aus Polen stammende Schauspielerin Pola Negri (1894–1987), eigentlich Barbara Apolonia Chalupiec. Ebenso wie die Deutsche Marlene Dietrich (1901–1992) und die Schwedin Greta Garbo (1905–1990) wurde sie bereits zu Lebzeiten zur Legende. Die „Queen of Vamp“ überlebte zwei Weltkriege, drei Ehemänner und etliche Liebhaber.

Barbara Apolonia Chalupiec (Chalupec nach anderer Schreibweise) erblickte vermutlich am 31. Dezember 1894 – nach anderen Angaben erst am 3. Januar 1897 – in Lipno (Polen) das Licht der Welt. Ihr Geburtsort gehörte damals zum russischen Zarenreich. Wie bei Filmstars ihrer Generation üblich, machte sie aus ihrem genauen Geburtsdatum und ihrer Herkunft ein Geheimnis.

Ihr Vater Jerzy Chalupiec war ein aus der Slowakei zugewanderter Ungar und arbeitete als Klempner. Ihre Mutter Eleonora von Kielczewkska war eine polnische Adlige und brachte einen kleinen Laden mit in die Ehe. Wegen seines Widerstandes gegen das Zarenreich wurde der Vater nach Sibirien verbannt und starb dort.

Barbara Apolonia Chalupiec wuchs in einfachen Verhältnissen in Warschau auf. Sie besuchte die Ballettschule des Warschauer Nationaltheaters und feierte als Tänzerin am „Kleinen Theater“ in Warschau ihr Debüt. Als sie an Tuberkulose erkrankte, brach sie ihre Ballettausbildung ab.

Von 1909 bis 1911 nahm Barbara Apolonia Chalupiec Schauspielunterricht an der „Skola Aplikacyjna“ in Warschau. Als sie ein Hufeisen fand, glaubte sie, dieses bringe ihr Glück. Tatsächlich erhielt sie am Tag darauf ein Engagement. Ab 1913 trat sie am „Teatr Wielki“ („Großes Theater“) in Warschau auf. Aus Verehrung für die italienische Dichterin Ada Negri (1870–1945) wählte sie das Pseudonym „Pola Negri“. Am „Sonntagstheater“ in Sankt Petersburg (Russland) wirkte sie in verschiedenen Ballettinszenierungen mit. Unter anderem sah man sie in der Pantomime „Sumurun“.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges (1914–1918) lebte Barbara Apolonia Chalupiec mit ihrer Mutter in Warschau. Damals litten die beiden Frauen unter finanziellen Schwierigkeiten. 1914 gab Pola in dem Streifen „Niewolnica zmyslów“ („Sklavin der Sinne“ oder „Tanz des Todes“) der Filmproduktionsfirma „Sfinks“ ihr Debüt auf der Kinoleinwand. Darin mimte sie als Tänzerin Pola den Typus „Vamp“, der ihr Markenzeichen wurde.

Auf den Film „Sklavin der Sinne“ folgten die Streifen „Zona“ („Ehefrau“, 1915), „Czarna ksiazeczka“ (1916), „Studenc“ („Studentenliebe“, 1916), „Bestia“ („Das Biest“, 1917) und „Tajemnica Alei Ujazdowskich“ („Das Geheimnis des Hotels X“, 1917).

1916 wurde Pola Negri von dem aus Österreich stammenden Regisseur und Theaterleiter Max Reinhardt (1873–1943) nach Berlin geholt, wo sie noch im selben Jahr in der Pantomime „Sumurun“ auftrat. Durch den Regisseur Ernst Lubitsch (1882–1947), kam sie zur „Universum-Film AG“ („UFA“). Lubitsch soll gesagt haben. „’ne Polin isse, schwarzhaarig isse, also heeßste Pola Negri“

Ihr Filmdebüt in Deutschland feierte Pola Negri mit einer Doppelrolle in „Nicht lange täuschte mich das Glück“ (1917). Ihren Aufstieg zum Star verdankte sie Ernst Lubitsch, mit dem sie qualitätvolle Filme wie „Die Augen der Mumie Ma“ (1918), „Carmen“ (1918), „Anna Karenina“ (1919), „Madame Dubarry“ (1919), „Sumurun“ (1921) und „Montmartre“ („Die Flamme“, 1923) drehte.

Dank ihrer sehr erfolgreichen Filme avancierte Pola Negri zu einem der größten Stars. Bald gehörte sie zusammen mit Henny Porten (1890–1960) und Asta Nielsen (1881–1972) zum Dreigestirn der deutschen Filmstars. Man bezeichnete Pola respektvoll als „Duse der Leinwand“. Eleonora Duse (1858–1924) war eine der gefeiertsten Theaterschauspielerinnen der Welt. In Berlin stahl man Pola 1921 ihren ganzen Schmuck und ihre wertvollen Pelze.

Der Film „Madame Dubarry“ machte Pola Negri international bekannt. Er kam in den USA unter dem Titel „Passion“ in die Kinos und wurde ein Kassenerfolg. 1922 ging sie für 120.000 US-Dollar im Jahr nach Hollywood. Wenig später zahlte ihr das Filmstudio „Paramount“ 250.000 US-Dollar. Pola war die erste europäische Schauspielerin, die nach Hollywood „importiert“ wurde und entwickelte sich dort zum Inbegriff der verführerischen Frau, dem die Stummfilm-Helden unweigerlich zum Opfer fielen.

Auch in Amerika drehte Pola Negri phantastische Filme wie „Forbidden Paradise“ („Das verbotene Paradies“, 1924), „Hotel Imperial“ („Hotel Stadt Lemberg“, 1927) und „Barbed Wire“ („Stacheldraht“. 1927). Sie erhielt Traumgagen und kaufte 1925 das Schloss Seraincourt bei Rueil in Frankreich.

In den USA erregte Pola Negri nicht nur als Künstlerin, sondern auch durch Skandale und Affären – unter anderem mit Charlie Chaplin (1889–1977) und Rudolph Valentino (1895–1926) großes Aufsehen.

1922 wurde die bevorstehende Heirat von Pola Negri mit dem Filmschauspieler Charlie Chaplin angekündigt. Doch es blieb bei dieser Ankündigung. Was mit Liebe begonnen hatte, endete nicht mit einer Ehe, sondern mit gegenseitigen öffentlichen Beleidigungen.

1925 gab Pola Negri ihre Verlobung mit Rudolph Valentino bekannt, der in seinen Filmen unter verschiedenen Künstlernamen auftrat. Der aus Italien stammende Frauenschwarm hatte bis dahin wenig Glück mit seinen Gattinnen und damals hohe Schulden. Seine erste Frau war die lesbische Schauspielerin Jean Acker (1893–1978), die ihn noch in der Hochzeitsnacht aus dem Hotelzimmer warf. Wegen seiner zweiten Gattin Natacha Rambova (1897–1966), der er „auf die Nerven ging“, wollte er sich 1924 erschießen, wovon ihn aber ein Freund abhalten konnte. Zur Hochzeit mit der Negri kam es nicht, weil Valentino am 23. August 1926 im Alter von nur 31 Jahren an den Folgen einer mysteriösen Blutvergiftung starb. Valentino soll mit dem Namen von Pola auf den Lippen sein Leben ausgehaucht haben. Während der Bahnfahrt zur Beerdigung von Rudolph Valentino soll Pola Negri beim Halt in jeder größeren Stadt auf die hintere Plattform des Zuges getreten und dabei vor Kummer dramatisch in Ohnmacht gefallen sein. Wenn Fotografen sich beschwerten, sie hätten diesen Schnappschuss verpasst, wurde Pola prompt erneut ohnmächtig. Bei der Beerdigung in New York City mit schätzungsweise 100.000 Trauergästen folgte sie wie eine Witwe dem Sarg und warf sich theatralisch darauf. Böse Zungen behaupteten, dies sei ihre beste Szene gewesen.

Wegen ihres polnischen Akzentes fiel Pola Negri anfangs der Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm in englischsprachigen Ländern schwer. Zwischen 1929 und 1934 versuchte sie mit mehr oder weniger Erfolg ihr Glück in einigen englischen Tonfilmen. Sie kehrte nach Europa zurück, machte in Paris Zwischenstation und drehte in Deutschland unter dem Regisseur Willi Forst (1903–1980) den Film „Mazurka“ (1935), in dem sie eine Mutter darstellte, die den gewissenlosen Verführer ihrer Tochter erschoss. Den Gesangspart der hohen Töne in diesem Streifen übernahm die deutsche Schauspielerin und Sängerin Hilde Seipp (1909–1999).

„Mazurka“ soll der Lieblingsfilm des nationalsozialistischen Diktators Adolf Hitler (1889–1945) gewesen sein. In Deutschland verdächtigte man Pola Negri zeitweise sogar einer Liebschaft mit dem „Führer“. Nach „Mazurka“ verkörperte sie auf der Kinoleinwand sich aufopfernde Mütter und verkannte Frauen. Danach sah man sie in den Filmen „Moskau–Shanghai“ (1936), „Madame Bovary“ (1937), „Tango Notturno“ (1937), „Die fromme Lüge“ (1938) und „Die Nacht der Entscheidung“ (1938).

Pola Negri nahm einige ihrer in Filmen gesungenen Schlager in deutscher und teilweise auch in englischer Sprache auf Schelllackplatten auf. Besonders gelungen war ihre Version des Liedes „Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt“ von Peter Kreuder (1905–1981). Kritiker bezeichneten ihre Interpretation dieses Liedes als die Beste.

Zur Zeit des Einmarsches der Deutschen in ihrem Heimatland Polen 1939 hielt sich Pola Negri an der Riviera auf. Danach wollte sie nicht mehr in Deutschland Filme drehen und folgte Ernst Lubitsch nach Hollywood, das fortan zu ihrem ständigen Wohnsitz wurde. Anfangs arbeitete sie dort für das „Rote Kreuz“. In dem Streifen „Hi Diddle Diddle“ (1943) persiflierte sie ihre alten Vamprollen. Während einer langen Filmpause verfasste sie ihre Memoiren, die sie 1949 abschloss und die später verfilmt wurden.

Bald danach bot sich Pola Negri die Chance, in dem Film „Boulevard der Dämmerung“ (1950) von Billy Wilder (1906–2002) die Hauptrolle der Stummfilm-Diva Norma Desmond zu übernehmen. Nach Angaben von Wilder scheiterte dies am polnischen Akzent von Pola. Es heißt aber auch, die Negri habe es als Affront empfunden, einen vergessenen ehemaligen Star spielen zu sollen. Statt Pola bekam Gloria Swanson (1899–1983) diese Hauptrolle. Ab 1951 besaß Pola die amerikanische Staatsbürgerschaft.

1959 scheiterte ein geplantes Projekt in Deutschland: Pola Negri hatte unter der Regie von Wilhelm Dieterle (1893–1972), der etwa ab 1930 William Dieterle hieß, den Film „Herrin der Welt“ drehen wollen. Zum letzten Mal trat sie in der Rolle einer reichen Ägypterin für den Streifen „The Moon-Spinners“ („Der Millionenschatz“, 1964) vor die Kamera.

Pola Negri war dreimal verheiratet. In manchen Texten über sie wurden ihr sogar irrtümlich fünf Ehemänner angedichtet. Jeder ihrer drei tatsächlichen Bräutigame trug einen wohlklingenden Adelstitel, was ihr offenbar imponierte.

[...]

Fin de l'extrait de 47 pages

Résumé des informations

Titre
Pola Negri - Der Stummfilmstar aus Polen
Auteur
Année
2012
Pages
47
N° de catalogue
V192848
ISBN (ebook)
9783656185673
ISBN (Livre)
9783656186182
Taille d'un fichier
2186 KB
Langue
allemand
Annotations
Mots clés
Pola Negri, Film, Filmschauspielerinnen, Schauspielerinnen, Frauenbiografien, Biografien, Ernst Probst, Filmstars
Citation du texte
Ernst Probst (Auteur), 2012, Pola Negri - Der Stummfilmstar aus Polen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192848

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