Die transatlantischen Beziehungen seit 1945


Essai, 2012

16 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhalt

1.) Der kausale Zusammenhang zwischen Europa- und Deutschlandpolitik im Kontext der Rekonstruktion Westeuropas nach dem Ende des 2. Weltkrieges

2.) Die Gründe für die Entstehung der NATO im April 1949

3.) Die Herausforderung des Gaullismus für die transatlantischen Beziehungen

1.) Der kausale Zusammenhang zwischen Europa- und Deutschlandpolitik im Kontext der Reproduktion Westeuropas nach dem Ende des 2. Weltkrieges:

Nach dem Zweiten Weltkrieg bestand für die USA und Westdeutschland eine enge Verbindung zwischen der jeweiligen Deutschland- und Europapolitik. Generell war für die USA die Deutschlandfrage ein Kernproblem ihrer Europapolitik, das durch einen westeuropäischen Staatenzusammenschluss gelöst werden sollte, wodurch der Zusammenhang entstand; Westdeutschland hoffte wieder mit Europa ein außenpolitisches Bezugssystem zu erhalten, für einen Wiederaufbau, eine Einbindung in das regionale Kooperationssystem und einer politischen Rehabilitierung von den deutschen Gräueltaten – wobei weder USA noch Westdeutschland zunächst konkrete Vorstellung Vorstellungen hatten, sondern nur einen noch vagen europäischen Einigungsprozess forcierten.[1] Die USA gelangten bei ihrer westlichen Führungsrolle zur Erkenntnis, dass besonders durch den sich abzeichnenden Kalten Krieg und den entstehenden Gegensätzen, ein kausaler Zusammenhand zwischen ihrer Europa- und Deutschlandpolitik bestehen müsse, denn der Wiederaufbau und die wirtschaftliche Stabilisierung konnte nur mit der parallelen politischen und ökonomischen Gesundung Westdeutschlands erreicht werden, was besonders für andere europäische Partner als problematisch galt. Außerdem sollte durch die Einbindung Westdeutschlands in Europa ein neues aggressiv-militärisches deutsches Verhalten nicht erneut möglich sein. Man schien also aus der Geschichte und den von den Deutschen als diskriminierend empfundenen Versailler Vertrag von 1919, er unter anderem, zur neuen deutschen Aggression und dem Zweiten Weltkrieg führte, gelernt zu haben.

Das wichtigste Instrument dabei war für die USA der sog. Marshallplan von 1947 zum Wiederaufbau Europas – daher auch European Recovery Programm (ERP) genannt. Durch hohe Kredite, Rohstoffe, Lebensmittel und Waren zwischen 1948 und 1952, sollte die europäische Wirtschaft wieder aufgebaut werden, denn diese war stark geschädigt, Nahrungsmittel und Kohle waren rar und große Teile der Infrastruktur waren zerstört. Der Marshallplan führte so schließlich zum Schumannplan 1950, der in die Montanunion (EGKS) mündete, als erste wirtschaftspolitische Integration Westeuropas. Schon die OEEC als lose zusammengeschlossener Staatenbund sollte so für die USA als eine Basis für die ökonomisch-politische Stabilitätsordnung in Europa fungieren und der Lagerbildung im Ost-West-Konflikt dienen. Westdeutschland begrüßte freilich das ERP zu ihrem wirtschaftlichen Wiederaufstieg und einer gewissen Stabilität als Frontstaat gegenüber dem Ostblock. So entstand zwischen der Adenauer-BRD und USA ein Grundkonsens zur Westintegration.

So berührte der Marshallplan durch drei eng miteinander verflochtene Hauptfaktoren den kausalen Zusammenhang aus Deutschland- und Europapolitik, nämlich dem ökonomisch-politischen, den politisch-strategischen und den mit dem Deutschlandproblem intermediären Faktor, die schon in der Übersicht angedeutet und nun näher erläutert werden[2]:

Ziel des ökonomisch-politischen Faktors war einem ökonomischen Zusammenbruch Europas zu verhindern und vielmehr Europa wieder wirtschaftlich aufzurichten. Dabei stellte die Besatzung in Deutschland eine große finanzielle Belastung für die Siegermächte dar. Durch die Hilfen des ERP sollten die deutschen Produktionsstätten wieder in Gang gebracht werden. So gelangten vor allem die USA eben zur Erkenntnis, dass Deutschland ein unverzichtbarer Teil der europäischen Wirtschaft sei und so für eine stabile europäische Region eine ökonomische Rekonstruktion Deutschlands unausweichlich sei. So sollte die Besatzung weniger belastend sein und generell in Europa neue Absatzmärkte für die USA geschaffen werden. Westdeutschland sollte in Europa integriert werden, damit eben kein Schaden mehr von ihm ausgehen könne und das ERP war die Integrationsgrundlage - tatsächlich sollten viele Franzosen die EGKS später als Zähmung und Nutzung Deutschlands für französische Interessen sehen. So verquickte der Marshallplan als Mehrzweckinstrument die Europa- und Deutschland-politische Entwicklung.

Eindeutig war aber das ERP auch politisch-strategisch angelegt, nämlich zur Eindämmung der sowjetischen Macht, als Folge der sog. Containment-Politik der Truman-Administration. Sollte nämlich nun eine ökonomische und/oder politische Krise in Westeuropa entstehen, so könnte diese von der UdSSR ausgenutzt werden - damit diese expandieren und so die europäische Schwäche zu Ungunsten der USA nutzen könnte. Würde man also nichts unternehmen, würde Moskau die Macht in Gesamteuropa ergreifen. Dabei fungierte besonders Westdeutschland eben als entscheidendes Element für die Stabilität und Sicherheit Europas. Denn würde in Deutschland das Elend – entstanden aus dem Weltkrieg – sich fortsetzen, würde die Attraktivität einer sowjetischen Besatzungsmacht steigen, sollte nicht das US-Gesellschaftsmodell durch wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung angepriesen und durchgesetzt werden. Damit keine Kettenreaktion ausbrach, der Frontstaat Westdeutschland der UdSSR anheimfalle und andere europäische Staaten folgen würden, musste vor allem Westdeutschland einbezogen werden und unterstrich so den Kausalzusammenhang noch weiter. Denn nur wenn es diesem Frontstaat gut ginge, würde westliche Propaganda nutzen und zumindest Westdeutschland wieder als Bollwerk gegen den Bolschewismus fungieren können. Der antikommunistische Teil der einst faschistischen Ideologie konnte so in das neue demokratische System vom selbst antikommunistischen Adenauer übernommen werden, im Zuge der Westintegration und dem Kalten Krieg.[3] Nun könnte man noch einwenden, dass das ERP ganz Europa angeboten wurde, zur Sanierung, also auch dem östlichen Teil in der sowjetischen Einflusszone. Wäre das ERP auch auf ganz Europa angewendet worden, wäre die Frontstaatenthematik Westdeutschlands im Kausalzusammenhang von geringerer Brisanz, da auch östlichere Staaten saniert und vom westlichen Gesellschaftsmodell hätten überzeugt werden können. Der kausale Zusammenhang zwischen Europa- und Deutschlandpolitik wäre ergo abgeschwächt. Da jedoch das ERP ein grundsätzlich kapitalistisch-westliches Modell war, das freie Märkte vorsah, war von vorneherein klar, dass Stalin das Angebot für Osteuropa ablehnen würde, da es erstens vom Feind stammte und zweitens kapitalistisch war und folglich unannehmbar. Die UdSSR entwickelte als Alternative dann den Rat für Gemeinsame Wirtschaftshilfe (RGW) und zementierte so die Blöcke weiter. So war das Angebot an Gesamteuropa eher als Friedenssymbol der USA gedacht, der tatsächliche Kausalzusammenhang zwischen der Europa- und Deutschlandpolitik im politisch-strategischen Faktor bestand natürlich ebenso eminent.

Der intermediäre Faktor unterstreicht zuletzt den Kausalzusammenhang sehr deutlich. Zunächst bestanden wie schon gesagt Vorbehalte anderer europäischer Staaten, vor allem Frankreich, gegenüber einer Rekonstruktion Deutschlands, da diese eher den Morgenthau-Plan favorisierten, der Deutschland als Agrarstaat ohne Militär oder weiterführenden Bildung vorsah, aber in den USA tatsächlich nie wirklich zur Debatte stand. Denn erstens befürchtete Frankreich so einen deutschen Wiederaufstieg und sah sich selbst von kommunistischen Bewegungen unterwandert, wodurch der Zusammenbruch befürchtet wurde. So sahen sich zunächst die USA vor die schwere Wahl gestellt, entscheiden zu müssen, ob Westdeutschland, wie es zur generellen Rekonstruktion Europas nötig sei, saniert werden sollte oder ob man Frankreich in ähnlicher Weise half, damit sich nicht dort in Kürze der Kommunismus durchsetzte. Durch die finanzielle Belastung der USA wegen der Besatzung Deutschlands wurde Marshall de facto die Deutschlandpolitik ohne Rücksichtnahme auf Frankreich diktiert. Auch Groß Britannien drohte an, die Bizone der deutschen Besatzungsgebiete der USA und Groß Britanniens zu verlassen. Durch den Marshallplan konnten diese Probleme weitgehend gelöst werden. Denn durch eine gemeinsame Wirtschaftshilfe in Europa konnte auch Frankreich vor dem Zusammenbruch bewahrt werden, wodurch neues wirtschaftliches Potenzial in Westdeutschland und Frankreich entstand und die gegenseitige Abhängigkeit der beiden europäischen Länder wurden so institutionalisiert, dass eine Bedrohung Deutschlands auf null schrumpfte und so für Frankreich die deutsche Rekonstruktion annehmbar war. Somit konnte Westdeutschland nur rekonstruiert werden, wenn man auch Westeuropa rekonstruierte, um eine deutsche Gefahr durch Institutionalisierung auszuschließen und damit nicht an andere Stelle Schwächen entstanden, wie in Frankreich durch den Kommunismus.

So untermauern die drei Faktoren den komplexen kausalen Zusammenhang zwischen Deutschland- und Europapolitik, da Westdeutschland als Frontstaat wirtschaftlich konsolidiert sein müsse, um eine solide westliche Demokratie aufzubauen und als Teil des Westens der UdSSR widerstehen und Widerstand leisten zu können, gleichzeitig, aber Westdeutschland nur rekonstruiert werden konnte, wenn auch Westeuropa rekonstruiert wurde, um Westdeutschland institutionell einzubinden und auch andere Staaten, die wie Frankreich von Kommunisten unterwandert wurden, schützen und stabilisieren zu können und da zur Rekonstruktion Europas schlicht das deutsche Potenzial nötig sei und die finanzielle Belastung durch die Besatzung zurückgehen sollte.

Zunächst teilten sich jedoch die wirtschaftliche und die politische Westintegration der BRD auf. Denn durch die EGKS, EURATOM und der EWG war die BRD wirtschaftlich in Europa integriert und durch den NATO-Beitritt 1955 politisch und militärisch in das transatlantische Bündnis.

[...]


[1] Die USA, als mächtigste Siegermacht des Weltkrieges, sah nun ein, dass sie nicht zurück in den Isolationismus konnten - wie im Ersten Weltkrieg -, sondern als Ordnungsmacht in Europa auftreten mussten – in dieser neuen aus komplexen Interdependenzen bestehenden Welt und ihrer eignen hohen Macht -, zur Friedenssicherung im sich abzeichnenden Ost-West-Konflikt und zur „Entfaltung einer globalen Wirtschafts- und Handelsordnung nach liberalen und multilateralen Grundsätzen unter amerikanischer Führung“, laut Manfred Knapp. So bildeten sich auch internationale Organisationen wie die NATO, die UNO und das GATT.

[2] Diese drei Grundfaktoren zum kausalen Zusammenhang der Europa- und Deutschlandpolitik gelten nicht nur für den Marshallplan, sondern generell für die Europa- und Deutschlandpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg und werden nur anhand des geradezu beispielhaften Marshallplans erläutert.

[3] Dem Modell der Containment-Politik, die für Westdeutschland als Grenze zum Sowjetsystem von eminenter Bedeutung war und somit für Europa wird auch durch die Truman-Doktrin unterstrichen (vgl. Antwort auf Frage Nummer 2).

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Die transatlantischen Beziehungen seit 1945
Université
Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg
Note
1,3
Auteur
Année
2012
Pages
16
N° de catalogue
V193026
ISBN (ebook)
9783656214823
ISBN (Livre)
9783656217015
Taille d'un fichier
504 KB
Langue
allemand
Mots clés
Internationale Politik, Internationale Beziehungen, Transatlantische Beziehungen, Europa, USA, Sowjetunion, NATO, BRD;, Deutschland, Frankreich, Gaullismus, Stalin, Truman, Kalter Krieg, Kapitalismus, Kommunismus, westliche Demokratie, Europäische Integration, Adenauer
Citation du texte
Philip J. Dingeldey (Auteur), 2012, Die transatlantischen Beziehungen seit 1945, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/193026

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