Das Verhältnis von Richter- und Gewohnheitsrecht


Seminararbeit, 2012

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Rechtsfortbildung

3. Rechtsquelle

4. Gewohnheitsrecht

5. Richterrecht

6. Richterrecht als Rechtsquelle
6. a) Herrschende Meinung
6. b) Gegenposition

7. Richterrecht und Gewohnheitsrecht

8. Ergebnis

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die folgende Arbeit soll sich mit der Untersuchung des Verhältnisses von Richter- und Gewohnheitsrecht befassen. Beiden Begriffen begegnet man in der Literatur immer wieder. Eine einheitliche Definition lässt sich jedoch nur beim Gewohnheitsrecht ausmachen. Ein Versuch das Richterrecht genau zu erfassen gestaltet sich hingegen als schwierig. Dennoch soll auf den nächsten Seiten eine Arbeitsdefinition beider Begriffe geschaffen werden. Auf diese Grundlage aufbauend soll im Anschluss auf das Verhältnis der beiden Termini eingegangen werden.

Einleitend lässt sich sagen, dass das Verhältnis von Richter- und Gewohnheitsrecht sehr umstritten ist. So wird dem Richterrecht zum Teil die gleiche Qualität wie dem des Gewohnheitsrechts, also der einer Rechtsquelle zugesprochen.1

Einer anderen Auffassung nach ist das Richterrecht jedoch eine eigenständige Kategorie ohne Rechtsquellenqualität.2

Beide Ansichten haben allerdings zum Ausgangspunkt, dass das Richterrecht aus einer Situation heraus handelt, die entweder keine gesetzliche Regelung erfahren hat oder sich unzureichend an bereits bestehenden Normen orientiert, die dem Einzelfall nicht mehr genügen.3 Gleichwohl ein Vergleich von Richter- und Gewohnheitsrecht sich nicht als einfach gestaltet, soll durch diese Arbeit eine ausdifferenzierte Betrachtung beider Begriffe ermöglicht werden, um anschließend eventuelle Zusammenhänge aufzuzeigen.

2. Rechtsfortbildung

Die Befugnis von Richtern das Recht fortzuentwickeln wird einhellig anerkannt.4 Speziell das Bundesverfassungsgericht stützt sich bei dieser Überlegung auf den Art. 20 Abs. 3 GG, der von der Bindung an Recht und Gesetz spricht. Demzufolge ist das Recht nicht mit der Gesamtheit der Gesetze gleichzusetzen.5 Entscheidend ist, dass das geschriebene Recht nie alle möglichen Fallkonstellationen erfassen und es so zu Gesetzeslücken kommen kann. Gerade dies bedingt die Notwendigkeit der Rechtsfortbildung.6 Dabei fungieren die Gerichtsurteile in letzter Instanz zum Einen im Lückenfüllbereich7 und zum Anderen sogar in einer Art und Weise die, vom Gesetz abweicht8. Diese Lücken entstehen z.B. durch sich schnell ändernde Umwelteinflüsse (beispielsweise der soziale Wandel) auf die der Gesetzgeber nicht schnell genug reagieren kann oder auch durch willentlich gelassene Lücken, die nicht vom Gesetzgeber selbst sondern durch die Rechtsprechung geschlossen werden sollen.9

Gerichte unterliegen darüber hinaus der Verpflichtung über die an sie herangetragenen Rechtsfälle zu entscheiden. Dies ist auch der Fall falls noch keine Rechtsnorm existiert die den betreffenden Sachverhalt erfasst.10 Auch wenn die Rechtsfortbildung durchaus ihre Grenzen findet11 ist sie doch durchweg als Aufgabe der Großen Senate und obersten Gerichte anerkannt.12 Eine zu weit führende Rechtsfortbildung13 würde sich jedoch am Prinzip der Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 2 GG stoßen und wäre auch mit dem Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG nicht vereinbar.14 An dieser Stelle ergibt sich eine erste Verknüpfung mit dem Richterrecht.15

3. Rechtsquelle

Eine Rechtsquelle16 ist die Grundlage bzw. der Ursprungsort eines Rechtssatzes des für die Allgemeinheit geltenden objektiven Rechts. Rechtsquellen können unterschiedliche Formen und Urheber, einen unterschiedlichen Rang bzw. Reichweite haben. Sie sind zumeist schriftlich fixiert.17

Im Besonderen sind dies internationale und supranationale Rechtsquellen, die Verfassung, die staatlichen Gesetze, Rechtsverordnungen, Satzungen, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sowie das Gewohnheitsrecht.18 Umstritten, und Gegenstand dieser Arbeit, ist jedoch ob das Richterrecht unter bestimmten Voraussetzungen auch den Status einer Rechtsquelle erfüllt.

4. Gewohnheitsrecht

Um der Aufarbeitung der eingangs gestellten Frage dieser Arbeit gerecht zu werden, ist es von großer Relevanz den Begriff des Gewohnheitsrechtes vor dem des Richterrechtes zu definieren. Dies hängt vor allem mit der Rechtsquellenqualität des Gewohnheits- sowie auch des Richterrechtes zusammen.

Anders als beim Richterrecht ist das Gewohnheitsrecht in der Literatur als Rechtsquelle weitgehend anerkannt.19 Als Gewohnheitsrecht wird ungeschriebenes Recht bezeichnet, dass sich durch regelmäßige Anwendung innerhalb einer Rechtsgemeinschaft ausgebildet hat.20 Speziell bezieht man sich auf Rechtsregeln, die auf langjähriger, gleichmäßiger Übung (latein: longa inveterata consuetudo)21 und durch die allgemeine Überzeugung ihrer Rechtsverbindlichkeit (latein: opinio necessitatis)22 begründet sind.23

Die Erklärung der Geltung des Gewohnheitsrechtes ist unter Zuhilfenahme der Willens- bzw. Gestattungstheorie möglich. Die Gestattungstheorie24 besagt, dass das Gewohnheitsrecht durch eine ausdrückliche oder stillschweigende Autorisierung seitens des Gesetzgebers oder der Gerichte seine Geltung erfährt.25

Dem gegenüber steht die Willenstheorie26. Nach dieser beruht das Gewohnheitsrecht, wie alles Recht, auf dem Willen und somit schlechthin auf der Anerkennung durch die Rechtgemeinschaft. Konkret bedeutet dies, dass Gewohnheitsrecht ohne Mitwirkung des Staates durch eine langandauernde Übung entstehen kann, wenn sich mit ihr eine opinio neccesitatis verbindet. Das Gewohnheitsrecht wächst selbstständig aus der Überzeugung des Volkes und dem Rechtbewusstsein der Beteiligten, indem eben diese Überzeugung nur von der Allgemeinheit bestätigt wird.27

In Deutschland wird Art. 2 EGBGB als legislatorische Autorisierung des Gewohnheitsrechts ausgelegt. Darüber hinaus lässt sich aus § 293 ZPO eine indirekte Anerkennung des Gewohnheitsrechtes durch den Gesetzgeber finden.28

Welche Rechtssätze letztendlich dem Gewohnheitsrecht zuzuordnen sind, wird verbindlich durch die letztendlich zuständigen Gerichtsinstanzen entschieden. Nach Rüthers ist Gewohnheitsrecht nur das, was das zuständige höchste Gericht als Gewohnheitsrecht erklärt und somit Richterrecht.29

An dieser Stelle muss noch einmal eindringlich auf die zentrale Frage dieser Arbeit hingewiesen werden. Denn Röhl sagt in diesem Zusammenhang: „ Doch damit dreht man sich wieder im Kreis, denn im strengen Sinne gibt es gar kein Richterrecht“.30

[...]

1 Siehe auch Punkt 6. b).

2 vgl. Rüthers 2008.

3 Schmidt (1990): S. S. 11ff.

4 Beaucamp / Treder (2011): S.65.

5 Vgl. Pohl (2005): S. 17ff., auch BVerfGE 34, 269.

6 Rüthers (2008): S. 159ff.

7 Rüthers (2008): S. 504f.

8 Vgl. Kähler (2011): S.289f.

9 Beaucamp / Treder (2011): S.66.

10 Röhl (2001): S.615ff.

11 Vgl. BVerfGE 65, 182 und BVerfGE 49, 304.

12 Vgl. § 11 Abs. 4 VwGO und Langenbucher (1996): S. 121ff.

13 Das Bundesverfassungsgericht führt dies an, wenn zum Beispiel gegen den Wortlaut einer Norm entschieden wird ohne dass der Gesetzgeber dies ausdrücklich gebilligt hat. Nach Starck (1995): S. 87ff.

14 Beaucamp / Treder (2011): S.66, abw. Meinung Rüthers ZRP 2008, 48,49.

15 Nähere Ausführung dazu in Punkt 6.

16 Auf eine detaillierte Ausführung der Rechtsquellenlehre soll an dieser Stelle verzichtet werden.

17 Beaucamp / Treder (2011): S.88f.

18 vgl .Baumann (2002).

19 vgl. Langenbucher (1996): S. 115; Röhl (2001): S. 552.

20 Horn (2011): S. 20.

21 Objektives Element.

22 Subjektives Element.

23 Koller (1997): S. 111; Horn (2011): S. 20f.; BAG 24.06.2004 - 2 AZR 208/03.

24 Eine klassische Formulierung der Gestattungstheorie findet sich bei Thomas Hobbes. Vgl. Haferkampf / Repgen (2007): S. 234f.

25 Röhl (2001): S. 552.

26 Auch Anerkennungstheorie.

27 Schapp (1986): S. 8f.; Röhl (1994): S. 553.

28 Röhl (2001): S. 553.; Müller 1997.

29 Rüthers (2008): S. 159.

30 Röhl (2001): S. 528.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Das Verhältnis von Richter- und Gewohnheitsrecht
Hochschule
Universität Erfurt
Veranstaltung
Moderne Staatlichkeit
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
15
Katalognummer
V193170
ISBN (eBook)
9783656189022
ISBN (Buch)
9783656191520
Dateigröße
634 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
verhältnis, richter-, gewohnheitsrecht
Arbeit zitieren
B.A. Steffen Müller (Autor:in), 2012, Das Verhältnis von Richter- und Gewohnheitsrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/193170

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