Asta Nielsen - Deutschlands erster Filmstar


Fachbuch, 2012

48 Seiten


Leseprobe


Ernst Probst

Asta Nielsen

Deutschlands erster Filmstar

Der erste große Star im frühen deutschen Film war die dänische Schauspielerin Asta Nielsen (1881–1972), geborene Asta Sofie Amalie Nielsen. Nach Ansicht von Experten ist sie die erste Schauspielerin der Welt gewesen, die durch eine ernste dramatische Leistung den Film aus dem Niveau der Farce zum künstlerischen Schauspiel erhob. Nach ihr sind einst sogar Kinos benannt worden.

Asta Sofie Amalie Nielsen kam am 11. September 1881 als zweite und jüngste Tochter des Arbeiters Jens Christian Nielsen (1847–1895) und der Waschfrau Ida Frederikke Nielsen

(1843–1912), geborene Petersen, in Kopenhagen zur Welt. Ihre Mutter musste noch am Tag der Geburt arbeiten, um das Geld für die Hebamme zu verdienen. Ihr Vater war Maurer von Beruf, konnte jedoch nach einem Unfall nur noch leichtere Tätigkeiten ausführen. Die erste Tochter hieß Johanna und war viereinhalb Jahre älter als Asta.

Die Eltern zogen Mitte 1882 von Dänemark nach Malmö in Schweden, wo sie auf ein besseres Leben hofften. In Malmö arbeitete der Vater als Geselle in einer Dampfmühle. Als Asta neun Jahre alt war, starb ihr Onkel in Dänemark, der eine Brauerei besaß, und ihr Vater sollte sich als einziger Erbe melden. Zum Leidwesen der Familie bestand die erhoffte reiche Hinterlassenschaft nur aus einem mit Büchern gefüllten Schreibtisch. Bis 1895 besuchte Asta die Schule in Malmö, danach sind die Eltern nach Dänemark zurückgekehrt.

Bei der Lektüre des Dramas „Brand“ von Henrik Ibsen (1828–1906) reifte in Asta Nielsen der Wunsch, Schauspielerin zu werden. Sie las dieses Werk täglich und fing eines Tages an, die Agnes zu spielen. Wegen ihres hübschen Gesichts und ihrer schönen Altstimme nahm man sie bereits mit zwölf Jahren in den Chor des „Königlichen Theaters“ in Kopenhagen auf. Dorthin hatte sie ihr Schullehrer geschickt und kam sie mit der Welt des Theaters in Berührung. Bei ihrem ersten Auftritt auf der Bühne trug sie als einer von vielen kleinen Engeln ein weißes Gewand mit goldenen Flügeln. Im Alter von 14 Jahren verlor sie 1895 ihren Vater.

Nach dem Tod des Vaters verließ Asta Nielsen die Schule. Sie entschied sich für die Schauspielerei und nahm privaten Unterricht bei dem befreundeten Schauspieler Peter Jernsdorff (1842–1926), der sie auch finanziell unterstützte.

Mit 16 Jahren gehörte Asta Nielsen als Elevin der Schauspielschule des „Königlichen Theaters“ in Kopenhagen an. Damals studierte sie nächtelang fleißig Rollen. Als 18-Jährige hatte sie ihren ersten Auftritt im Kopenhagener „Dagmar-Theater“. Bei dieser Premiere musste die junge Asta eine 50-jährige Frau mimen. Da ihr eher tragische Rollen zusagten, kam sie zunächst kaum zum Einsatz. Später musste sie aber für eine verhinderte Kollegin im Lustspielfach einspringen und konnte bald erste große Erfolge verbuchen. Danach wechselte sie an das „Neue Theater“, wo sie ernste Rollen spielte.

Im Alter von 20 Jahren brachte Asta Nielsen ihre uneheliche Tochter Jesna (1901–1964) zur Welt. Wer der Vater dieses Mädchens war, blieb ihr ganzes Leben lang ihr Geheimnis.

1909 legte der norwegische Autor Thomas Krag (1863–1913) der inzwischen anerkannten Theaterschauspielerin Asta Nielsen ein Filmmanuskript vor. Doch für die Bühnenschauspielerin Asta war es zu dieser Zeit unter ihrer Würde, zu filmen. Bald danach musste das „Dagmar-Theater“ wegen finanzieller Probleme ein Jahr lang die Operette „Dollarprinzessin“ von Leo Fall (1873–1925) aufführen. Asta, andere Schauspielerinnen und der Theatermaler Urban Gad

(1879–1947) wurden entlassen.

In der Not beschlossen Urban Gad und Asta Nielsen, einen Film zu drehen. Gad betätigte sich als Autor und Regisseur, Nielsen übernahm für 200 Kronen die weibliche Hauptrolle. Asta Nielsens erster Film „Afgrunden“ („Abgründe“, 1910) wurde ein sensationeller Erfolg. Der auf primitivste Weise entstandene 900 Meter lange Streifen, ein schauerliches Melodram, ging von Kopenhagen aus rund um die Welt.

Nach dem Erfolg von „Afgrunden“ wurde Asta Nielsen vom Berliner Filmstudio „Bioskop“, der Vorgängerin der „Universum-Film-AG“ („UFA“), dazu verpflichtet, pro Jahr acht Filme in Deutschland zu drehen. Im Frühjahr 1911 wechselten Asta Nielsen und Urban Gad zum Studio „Bioskop“. Später arbeitete Asta für die „Union“ und für die „PAGU“ in Neubabelsberg, ebenfalls eine Vorgängerin der „UFA“.

Beim Filmstudio „Bioskop“ drehte ab 1909 der in Chemnitz (Sachsen) geborene Filmpionier, Fotograf und Kameramann Guido Seeber (1879–1940) seine ersten Filme. Er leistete Pionierarbeit und schuf die Grundlagen, auf denen andere berühmte Kameramänner der deutschen Stummfilmzeit – wie Karl Freund, Fritz Arno Wagner und Carl Hoffmann – aufbauen konnten.

Der deutsche Kameramann Guido Seeber drehte zusammen mit dem dänischen Regisseur Urban Gad eine Serie von Stummfilmen, in denen Gads Ehefrau Asta Nielsen eine Rolle spielte. Seeber arbeitete z. B. 1911 bei den Nielsen-Filmen „Heißes Blut“, „Nachtfalter“, „Der Schwarze Traum“, „Im großen Augenblick“, „Der fremde Vogel“ und „Die Verräterin“ mit.

In den Filmen „Nachtfalter“ (1911), „Der fremde Vogel“ (1911) und „Die arme Jenny“ (1912) verkörperte Asta Nielsen eindrucksvoll Frauen in dramatischen Konflikten, die ihr geordnetes Leben durch unstandesgemäße Liebschaften gefährden.

Am 11. Mai 1912 heiratete Asta Nielsen ihren Freund und Regisseur Urban Gad. In der Folgezeit lebte sie mit ihm in Berlin. Mit Gad realisierte sie insgesamt 33 Stummfilme.

Besonders erfolgreich war die Schauspielerin Asta Nielsen in dem Film „Engelein“ (1913). In diesem Streifen spielte sie mit 32 eine 17-Jährige, die vor ihrem Erbonkel aus den USA eine Zwölfjährige mimen musste und ihn am Ende sogar noch heiratete.

Ebenfalls 1913 sah man Asta Nielsen in dem Film „Der Student von Prag“. Die Doppelgänger-Aufnahmen in diesem Film gehören zu den wichtigsten Leistungen des Kameramanns Guido Seeber. Letzterer erhielt in der Tonfilmzeit nur noch durchschnittliche Aufgaben und erlitt 1932 einen Schlaganfall, der ihn bei der aktiven Kameraarbeit behinderte.

Wenn Asta Nielsen in den 1910-er Jahren vor der Filmkamera stand, lag ihr kein Drehbuch vor, das genau festlegte, was sie zu tun habe. In ihren Filmmanuskripten hieß es beispielsweise: „Asta hat jetzt ihre große Szene“. Nur grob wurde die Handlung beschrieben. Es war die Sache von Asta, wie sie ihre große Szene gestaltete.

Nach Ansicht von Kennern avancierte Asta Nielsen zum ersten großen Star des Stummfilms. Es gilt in großem Maße als ihr Verdienst, dass der Film die Niederungen eines „Tingeltangelvergnügens“ verließ. Vor ihr hatte man im Film die Sprache durch einen enormen Aufwand an pathetischen Bewegungen ersetzt. Asta dagegen verzichtete auf übertriebene Gebärden. Oft protestierte sie gegen kitschige Filmmanuskripte und -rollen.

Die gertenschlanke und attraktive Asta Nielsen mit dem sinnlichen Mund, den großen, brennenden schwarzen Augen und der Pagenfrisur wurde bald zum Liebling des Kinopublikums. Ihr „erotischer Hüftschwung“ brachte Männer um den Verstand. In Madrid geriet ein Mann wegen ihr so in Erregung, dass er auf die Kinoleinwand schoss, wo Asta zu sehen war. Es hieß, bei ihr sei nichts unmöglich. Mühelos verwandelte sie sich in alles nur Erdenkliche: in die Unwiderstehliche, Schöne, Dame, Hässliche, Grausame oder Verkommene. Sie ließ sich auf kein Rollenfach festlegen und stellte gebrochene, leidende Frauen, Prostituierte, Tänzerinnen und Arbeiterinnen dar.

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Details

Titel
Asta Nielsen - Deutschlands erster Filmstar
Autor
Jahr
2012
Seiten
48
Katalognummer
V193662
ISBN (eBook)
9783656188780
ISBN (Buch)
9783656189787
Dateigröße
3050 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Asta Nielsen, Film, Filmschauspielerinnen, Schauspielerinnen, Biografien, Frauenbiografien, Kurzbiografien
Arbeit zitieren
Ernst Probst (Autor:in), 2012, Asta Nielsen - Deutschlands erster Filmstar, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/193662

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