Der Titelfigur „Ginster“ in Kracauers gleichnamigen Roman wurde in der zeitgenössischen und in der neueren Forschung enorme Beachtung geschenkt und insbesondere Ginsters Wesen wurde häufig thematisiert. In zahlreichen Rezensionen und Interpretationen wird der Titelfigur Ginster nachgesagt, er habe kein „Ich“ und besitze keine Individualität. Daneben werden ihm immer wieder „Ichlosigkeit“, fehlende Identität oder auch Willenslosigkeit attestiert. Bei Thomas Hecken und ebenso bei Hildegart Hogen finden sich jedoch Anhaltspunkte, diese "Ichlosigkeit" kritisch zu hinterfragen.
Hecken führt bspw. an, dass die bisherige Forschung Ginsters äußere Ungeschicklichkeit und Wehrlosigkeit auf dessen gesamtes Wesen überträgt, um ihn somit relativ schnell auf den Begriff der Ichlosigkeit zu bringen. Heckens Ansicht nach wurde in der
Forschung aber bislang "übersehen", dass nicht nur eine beruflich und weltanschaulich gefestigte Existenz über ein Ichbewusstsein verfügen kann, sondern dass auch Ginster über wesentliche Aspekte der Selbstgewissheit verfügt, die bislang ausgeblendet wurden. Eine systematische Untersuchung dieser Aspekte findet sich bei Hecken jedoch noch nicht. Es bleibt bei einer knappen Argumentation, mit dem Hinweis darauf, dass bei Ginster durchaus "durchgehaltene Schematisierungs-und Klassifizierungsakte" zu finden sind, die auf ein vorhandenes Ichbewusstsein schließen lassen. Ziel der folgenden
Arbeit ist es daher einerseits zu untersuchen, welche Aspekte für Ginsters "Ichlosigkeit" sprechen und andererseits aber auch gezielt zu erörtern, welche Argumente für eine ausgebildete Identität des Protagonisten stehen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zum Begriff der Ichlosigkeit.
- Ginsters Entwicklung und seine zentralen Eigenschaften
- Das planzenhafte Dasein Ginsters
- Vergleich von Ginster mit Charlie Chaplin und Buster Keaton
- Die Identität Ginsters.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Arbeit ist es, die Frage nach der „Ichlosigkeit“ des Protagonisten „Ginster“ in Siegfried Kracauers gleichnamigem Roman zu untersuchen. Es soll geklärt werden, welche Aspekte für die Zuschreibung von „Ichlosigkeit“ an Ginster sprechen und welche Argumente für eine ausgebildete Identität des Protagonisten sprechen.
- Definition des Begriffs „Ichlosigkeit“
- Analyse von Ginsters Entwicklung und zentralen Eigenschaften
- Untersuchung der Beziehung zwischen Ginster und der Pflanze Ginster
- Vergleich von Ginster mit Charlie Chaplin und Buster Keaton
- Zusammenfassende Gegenüberstellung der Argumente für und gegen Ginsters „Ichlosigkeit“
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Frage nach der „Ichlosigkeit“ des Protagonisten Ginster in Kracauers gleichnamigem Roman in den Mittelpunkt und gibt einen Überblick über die Forschungsdiskussion zu diesem Thema. Die Arbeit möchte sowohl die Argumente für Ginsters „Ichlosigkeit“ beleuchten, als auch Argumente für eine ausgebildete Identität des Protagonisten erörtern.
- 1 Zum Begriff der Ichlosigkeit: In diesem Kapitel wird der Begriff „Ichlosigkeit“ definiert und es wird geklärt, welche Aspekte zur Ausbildung des „Ichs“ bei einer Person beitragen. Es wird dabei auf die Bedeutung von zentralen Werten, Überzeugungen, Idealbild, planvollem Handeln, Selbstbehauptung und Selbsterhaltung hingewiesen. Die Ichentwicklung erfolgt durch die Auseinandersetzung mit anderen Personen, aber auch durch Liebe, Sexualität, Ausbildung und Beruf.
- 2 Ginsters Entwicklung und seine zentralen Eigenschaften: In diesem Kapitel werden zentrale Stationen in Ginsters Lebensgeschichte betrachtet, um zu sehen, inwieweit diese zur Identitätsbildung der Titelfigur beigetragen haben. Der Name Ginster spielt dabei eine wichtige Rolle, da er einen Spitznamen darstellt und der eigentliche Name des Protagonisten dem Leser nicht mitgeteilt wird.
- 3 Das planzenhafte Dasein Ginsters: Hier wird erörtert, welche Eigenschaften Ginster mit der Pflanze Ginster, nach der er benannt ist, gemeinsam hat und was diese Eigenschaften über Ginsters Identität aussagen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: „Ichlosigkeit“, „Identität“, „Ginster“, „Siegfried Kracauer“, „Romanfigur“, „Persönlichkeitsentwicklung“, „Selbstgewissheit“, „Charlie Chaplin“, „Buster Keaton“. Die Arbeit befasst sich mit der Frage nach der Existenz eines „Ichs“ bei der Romanfigur Ginster und untersucht verschiedene Aspekte, die für oder gegen diese Annahme sprechen. Es werden dabei auch die Werke von Kracauers Zeitgenossen, wie Joseph Roth und Ernst Bloch, sowie die Figuren Chaplin und Keaton in den Blick genommen.
- Citation du texte
- Anonym (Auteur), 2012, Zur „Ichlosigkeit“ des Protagonisten „Ginster“ in Siegfried Kracauers gleichnamigem Roman, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/193729