Leseprobe
Gliederung
0. Einleitung
1. Die Bedeutung der aktiven Aneignung von Welt im pädagogischen Konzept Maria Montessoris
1.1 Grundzüge
1.2 Der absorbierende Geist
1.3 Zusammenfassung
2. Die Bedeutung der aktiven Aneignung von Welt im pädagogischen Konzept Johann Amos Comenius'
2.1 Grundzüge
2.2 Lernen als Prozess der Imitation und als Bildung von Vorstellungen
3. Die Bedeutung der aktiven Aneignung von Welt im Berliner Bildungsprogramm
3.1 Grundzüge
3.2 Bildungsprozesse und Kompetenzen
4. Vergleich der Konzepte Montessoris, Comenius' und des Berliner Bildungsprogrammes
5. Fazit
6. Literaturangaben
0. Einleitung
Die aktive Aneignung von Welt spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Kindes. Welche Rolle sie in den pädagogischen Konzepten von Maria Montessori, Johann Amos Comenius und im Berliner Bildungsprogramm spielt, wird in dieser Arbeit verdeutlicht und verglichen.
1. Die Bedeutung der aktiven Aneignung von Welt im pädagogischen Konzept Maria Montessoris
1.1 Grundzüge
Maria Montessori (1870-1952) sah es als Grundlage der neuen Erziehung an, die Bedürfnisse des Kindes zu beachten und ihm eine entsprechende Umwelt zu schaffen, in welcher es seine Persönlichkeit voll und ungestört entfalten kann. Dementsprechend formte sie ihr pädagogisches Konzept.[1]
Das Montessori Konzept geht davon aus, dass jedes Kind über eine „angeborene Aktivität“ verfügt, welche die Grundlage für seine Selbstbildung darstellt. Es strebt von Haus aus nach Unabhängigkeit und hat somit das Bedürfnis selbstständig zu erkennen, denken, sprechen, urteilen und eigenverantwortlich zu handeln. Ebenso gibt es eine angeborene Anpassungsfähigkeit bzw. Entwicklungsfreiheit. Es ist also dazu in der Lage sich aktiv, ohne von Erwachsenen gelenkt zu werden, an seine Umwelt anzupassen. Erforderliche Erfahrungen werden vom Kind gesammelt und selbstständig in Kompetenzen, wie z.B. die Sprache und das Sozialverhalten, umgewandelt. (Näheres dazu im Teil über den „absorbierenden Geist“.) Dies führt zwangsläufig zu der Annahme, dass die Entwicklung des Kindes primär lern-, umwelt- und erfahrungsabhängig ist. Der Prozess dieser Entwicklung wird von Montessori folgendermaßen aufgeschlüsselt: Nichts passiert zufällig, alles folgt einem aktiven Selbstkonstruktionsprinzip. D.h. unter optimalen Voraussetzungen, also einer normal ausgeprägten psychisch-geistigen-Lernfähigkeit, sind bei der Aneignung von Bildung des Kindes die Fähigkeit zur Konzentration, Lernfreude, Hilfsbereitschaft und Neugierde zu beobachten. Dieser natürliche Entwicklungsprozess kann durchaus gestört sein, beispielsweise durch organische Schädigungen, Fehlerziehung, Mangelerscheinungen oder auch Armut. Im Normalfall jedoch, durchläuft jedes Kind sensible Phasen, die den Erwerb bestimmter Kompetenzen begünstigen. Damit diese Phasen optimal genutzt werden können, müssen individualisierte Lernangebote, entsprechend jedem Entwicklungsabschnitt, bereitgestellt werden. Der größte Lernprozess und die stärksten Veränderungen passieren in den frühsten Jahren des Kindes. Dies bestätigt die Annahme Montessoris, dass der Prozess der Aneignung von Bildung bereits nach der Geburt beginnt.
Das Kind wird in Montessoris Konzept als sogenannter „Baumeister“ des Menschen dargestellt, es gelangt selbst zur Bildung durch Einflussnahme auf seine Umwelt. Von der Pädagogik wird somit verlangt, in diese Entwicklung verantwortungsvoll einzugreifen und zu helfen.[2]
Maria Montessori beschreibt in ihrem Konzept, dass bei den Kindern eine natürliche Neigung zur „Erweiterung“ ihrer Bildung und ein Bedürfnis dazu, das bereits erworbene Wissen zu erweitern, besteht. Ihrer Ansicht nach, ist der Erzieher also nicht mehr dafür verantwortlich festzulegen welche Kenntnisse vermittelt werden sollen und bestimmte Vorgaben zur Aneignung der Bildung zu machen, sondern eher den Wissensdurst der Kinder zu „bremsen“ und zu „leiten“. Dies erfordert eine andere Unterrichtstechnik als in üblichen Schulen ihrer Zeit. Die Kinder Montessoris wurden freigelassen ihre Umgebung selbst zu erkunden und zeigten dabei, dass sie ihre eigenen Techniken zu erlernen und sich Wissen anzueignen besaßen. Das alles ohne die sonst im Unterricht übliche Herangehensweise, langsam und gleichmäßig fortschreitend an vorgegebene Aufgaben heranzugehen.[3]
Das Kind lernt also nur innerhalb des natürlichen Verlaufs seiner geistigen Entwicklung. Dieser Verlauf kann durchaus sehr unterschiedlich sein und verlangt von daher große Aufmerksamkeit des Lehrers / Erziehers, um die von Montessori angepriesene Technik des „indirekten Eingreifens“ sinnvoll zur Hilfe bei dem natürlichen Entwicklungsprozess des Kindes anzuwenden. Es folgt immer seinen eigenen inneren Gesetzen der geistigen Bildung und lernt nicht nur durch die Arbeit des Lehrers welcher ihm die Dinge erklärt. Der Lehrer sorgt in Montessoris Konzept lediglich für ein Interessenangebot und stellt eine Verbindung für Austausch zwischen dem Kind und seiner Umgebung dar.[4]
1.2 Der absorbierende Geist
„Das Kind begreift durch eigene Aktivität, indem es die Kultur aus
seiner „Umgebung“ und nicht vom Lehrer übernimmt; aber auch
indem es (…) die Kräfte des Unterbewußten in Aktion setzt, das
frei ist, gemäß dem natürlichen Entwicklungsverlauf des absorbier-
enden Geistes aufzunehmen und sich auszudrücken.“[5]
Was also ist dieser absorbierende Geist? Nehmen wir das Beispiel am Erlernen einer Sprache. Der Erwachsene erlernt diese mit Hilfe seiner Verstandeskräfte und unter Verwendung von Willensanstrengungen. Das Kind ist noch nicht dazu in der Lage, diese Kräfte zum Erwerb einer Kompetenz zu nutzen. Es muss also noch etwas Anderes geben, welches dem Kind ermöglicht, so Komplexe Inhalte und Vorgänge zu erlernen. Montessoris Ansicht nach existiert im Kind eine „unbewusste Geistesform, die eine schöpferische Kraft besitzt“.[6] Diese Geistesform ist dazu in der Lage, durch besondere „innere Sensibilitäten“, in bestimmten Perioden die kompliziertesten Vorgänge ganz ohne geistige Anstrengungen zu erlernen. Diese Phasen (wie sie schon in Kapitel 1.1 beschrieben wurden) nennt man auch „sensitive Perioden“, da es tatsächlich nur ein bestimmtes Zeitfenster gibt, in dem die Sensibilität zum Erlernen eines natürlich vorbestimmten Prozesses vorhanden ist. Es ist also offensichtlich, „dass in der psychischen „Schöpfung“ des Menschen ein Geheimnis stecken muß.“[7] Wie sonst, kann es das Kind, welches noch nicht dazu in der Lage ist, Verstand, Willen und Aufmerksamkeit zu nutzen, schaffen einen derartig großen Aufbau zu vollziehen? Man bemerke, dass es dabei keinerlei Schwierigkeiten empfindet und das Resultat, wie z.B. das Erlernen der ersten Sprache, alles, was ein Erwachsener zu erlernen fähig ist, übertrifft. Egal wie komplex eine Sprache auch sein mag, das Ganze wird innerhalb des für den Spracherwerb benötigten Zeitfensters erlernt. Die ganze Fülle einer Sprache und das ohne Anstrengungen des Gedächtnisses, einzig allein durch das Unterbewusste.[8]
[...]
[1] (Vgl. Böhm 1969, S. 166)
[2] (Vgl. Schmutzler 2007, S. 17-24)
[3] (Vgl. Montessori 1966, S.54)
[4] (Vgl. Montessori 1966, S.55)
[5] (Vgl. Montessori 1966, S.55)
[6] (Vgl. Montessori 1966, S. 83)
[7] (Vgl. Montessori 1966, S.83)
[8] (Vgl. Montessori 1966, S. 83-84)