Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Was bisher geschah
3 Third Wave Feminism
4 „There's a riot going on!“
4.1 Sexismus
4.2 „Ready to fight“ - Gewalt und Aggressionen
4.3 „One of the boys“ - männliches Verhalten
5.1 Gemeinsamkeiten zwischen Riot Grrrls und Feminismus
5.2 Konflikte und Kritik
6.1 Veränderungen durch die Riot Grrrls
6.2 Auswirkungen auf nachfolgende Generationen
7 Resümee
8 Verzeichnis der verwendeten Literatur
1 Einleitung
Anknüpfend an mein Referat zum Text „Rock & Sexuality“ von Simon Frith und Angela McRobbie, möchte ich mich im Folgenden ausführlicher mit dem Thema Gender Studies auseinandersetzten. Speziell möchte ich die Riot-Grrrl-Bewegung der 1990er Jahre thematisieren.
Ich möchte darlegen, inwieweit diese Bewegung Einfluss auf die Feminisierung der Rockmusik genommen hat und inwiefern sie dabei mit dem klassischen Feminismus im Konflikt stand. Außerdem möchte ich Gemeinsamkeiten aufzeigen.
Des Weiteren ist zu klären, welche Veränderungen die Riot-Grrrl-Bewegung hervorgerufen hat und wie sich diese auf die kulturelle Rolle der Frau, speziell im Rockbusiness, ausgewirkt haben. Hierbei stellt sich mir die Frage, ob die äußere Wirkung der Riot Grrrls mit ihren Werten und Zielen zu vereinbaren ist. Im Zuge dessen möchte ich klären, ob es hilfreich ist, sich bewusst sexualisiert darzustellen, wenn der Objektstatus der Frau eigentlich bekämpft werden soll. Schlussendlich möchte ich aufdecken, ob Ironie und Zynismus effektive Taktiken zur Bekämpfung von Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft sind und ob sich die Riot Grrrls der möglichen Falschinterpretation und deren Folgen bewusst sind.
Zunächst möchte ich die Riot-Grrrl-Bewegung jedoch in den historischen Kontext der feministischen Bewegungen einordnen.
2 Was bisher geschah
Seit jeher wird ein Konflikt zwischen Mann und Frau ausgetragen, welcher in der vermeintlichen Überlegenheit des Mannes resultiert. Bereits der Philosoph Aristoteles war überzeugt, dass Frauen aufgrund ihrer körperlichen Andersartigkeit weniger gut und anders denken würden. Sie seien weniger vernunftbestimmt als Männer[1]. Auch Sigmund Freud war der Meinung „Anatomie ist Schicksal“[2]. Diese Aussage lässt die Interpretation zu, dass Freud unter anderem das biologische Geschlecht des Menschen als unausweichliches Schicksal versteht. Durch das Geschlecht sei die Stellung des Menschen in der Gesellschaft von Geburt an vorbestimmt. An diese Theorie anknüpfend, wies Freud den Geschlechtern bereits bestimmte Eigenschaften zu. So seien Frauen passiv, kastriert und mangelhaft, Männer hingegen aktiv, phallisch und vollständig[3].
Aus Wut über diese Theorien leiteten spätere aktive Feministinnen alsbald eine Gegenbewegung ab und versuchten, ihre Werte und Ziele mit Hilfe zahlreicher Aktivitäten und Aktionen zu proklamieren und umzusetzen. Hieraus entwickelten sich drei Bewegungen des Feminismus.
Die erste Frauenbewegung, der sogenannte First Wave Feminism entwickelte sich im 19. Jahrhundert. Zu dieser Zeit erstritten Frauen zum ersten Mal die rechtliche Gleichstellung mit den Männern. Ihr größter Erfolg war die Einführung des Frauenwahlrechts in den westlichen Staaten Anfang des 20. Jahrhunderts.[4]
Die zweite Frauenbewegung, der Second Wave Feminism, entwickelte sich in den 1970er Jahren. Vor allem im künstlerischen Bereich sahen Frauen nun einige Defizite, welche es zu bekämpfen galt. Laut Katja Kauer, Autorin des Buches „Popfeminismus! Fragezeichen!“, wurde in dieser Zeit weibliches Talent für mittelmäßig erachtet, Frauen hatten kaum eine Chance ins künstlerische Metier einzusteigen und männliche Kunst wurde im Allgemeinen viel mehr beachtet als weibliche. Kauer kritisiert zusätzlich, die Einstellung vieler Männer, dass weibliche Attraktivität, die Intellektualität der Frau ausschließe.[5] Für diese Bemerkung spricht, dass Männer den Frauen bis dato stets einfache Aufgaben zuteil werden ließen und sie mehr als Hilfsmittel und Schmuckgegenstand gebrauchten, als sie gleichwertig zu behandeln. Dagegen spricht jedoch, dass Männer in Frauen auch ein gewisses Potenzial erkannten, welches sie zu unterdrücken versuchten, um ihre eigene Vormachtstellung in der Gesellschaft zu erhalten.
Hieraus lässt sich ein allgemeiner Wunsch der Feministinnen dieser Bewegung ableiten. Die Autoren des Novo-Magazins Eva Balzer und Matthias Heitmann beobachteten, dass Feministinnen in dieser Zeit nach einer Angleichung der Frau an den Mann strebten.
Anstatt Männer wie Frauen aufzufordern, aus ihrer Lähmung herauszutreten, alte Grenzen, Vorurteile und Stereotypen zu überwinden und zu selbstbewussteren Geschöpfen zu werden, fordert die feminisierte Gesellschaft von beiden Geschlechtern, zukünftig "gleichberechtigt" die "Männlichkeit" in uns allen zu Grabe zu tragen.“[6]
Dieses Zitat spiegelt die anfängliche Naivität der Feministinnen wider. Ihr Ziel war es, die Stellung der Frau in der Gesellschaft zu verbessern. Durch Angleichung an den Mann, schienen viele Frauen sich jedoch nur zu einer Marionette zu machen und um wiederum das zu tun, was Männer ihnen vorlebten.
In den 1980er Jahren wandte sich das Denken der Feministinnen jedoch einer anderen Richtung zu. Sie verstanden, dass durch ihre vorherige „Gleichheitsverbissenheit“[7] die Differenz zwischen Mann und Frau, sowie die Individualität jeder einzelnen Frau, nicht beachtet wurden.
Da es in dieser Dekade zu einem sogenannten „Backlash“ kam, welcher die antifeministischen Weiblichkeitsideale der 1950er Jahre in die Köpfe vieler Menschen zurückkehren ließ, musste nun umgedacht werden[8]. Viele Frauen erkannten, dass sie ihre Vorzüge und individuellen Eigenheiten, welche sie gegenüber den Männern hatten, herausstellen mussten[9]. Sie wollten Achtung und Respekt erlangen. Männer sahen hingegen ihre Chance, die Zeit zurückzudrehen und die „Errungenschaften der Frauenbewegung“[10] zunichte zu machen. Nun war es also an der Zeit, den Männern zuvorzukommen und deren Männlichkeit zu dekonstruieren, bevor diese den Frauen ihre neu gewonnene Weiblichkeit wieder aberkennen würden.
3 Third Wave Feminism
Trotz dieser neuen Erkenntnisse kam es laut Bettina Schmitz, der Autorin des Buches „Der dritte Feminismus“, nicht wieder zu einer aktiven und kollektiven Frauenbewegung. In der dritten Phase des Feminismus, welche in den 1990er Jahren begann und bis heute nicht abgeschlossen ist, kämpfen nur noch einzelne Gruppen mit unterschiedlichen Zielsetzungen für die Gleichberechtigung der Frau[11].
Dennoch gibt es gemeinsame Ziele. Ein Ziel ist, laut Schmitz, die Erlangung einer echten Freiheit und Unabhängigkeit vom Mann. Die neuen Feministinnen kämpfen somit für die Anerkennung ihrer Identität als Frau. Auch ihren bisherigen Objektstatus wollen sie dekonstruieren. Ebenso möchten sie zeigen, dass ihre gesellschaftliche Stellung unabhängig von ihrer biologischen Stellung ist, sie also nicht, wie Freud etwa 100 Jahre zuvor prophezeit hatte, in ihrer, von Geburt an vorbestimmten, Rolle verharren müssen.[12]
Ebenfalls lassen diese neuen Feministinnen die Argumentation, ihre Forderungen nach Gleichberechtigung in der Berufswelt, im Kulturbereich sowie im Privaten seien erfüllt, nicht zu. Sie verschließen nicht die Augen vor den andauernden, wenn auch weniger sichtbaren, Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen.[13]
Angela McRobbie befürchtet in ihrem Buch „Top Girls“ jedoch, dass den neuen Feministinnen ein neuer Geschlechtervertrag vorgelegt wird, welcher „Beruf, Konsum und Casual Sex gegen Verzicht auf Macht und Kritik an der männlichen Ordnung“ eintauschen soll.[14] Für die neuen Feministinnen „sind außerdem bestimmte Rollen vorgesehen wie [...] die "phallische Frau", die "mackerhafte Sexualität" inszeniert“[15]
4 „There's a riot going on!“
An diesem Punkt knüpft ein Phänomen des Third Wave Feminism, die selbsternannten Riot Grrrls, an. Sie verfolgen das Ziel, sich von der weiblichen Passivität, vor allem im kulturellen Bereich, abzukehren und wollen Frauen den Zugang ins Musikgeschäft und speziell ins Rockbusiness ebnen und erleichtern.[17] Laut Nicole Vrenegor, Autorin der Publikation „Vergesst Annika - Zehn Jahre nach dem Aufbruch der riot grrrls ist die Bewegung nicht tot“, formierten sie sich erstmalig 1991 in Washington und später auch in anderen amerikanischen Städten. Als Vorreiterinnen dieser Bewegung bezeichnet Vrenegor die Punkrock-Musikerin Kathleen Hanna, Frontfrau der Band Bikini Kill. Bekannteste Vertreterin der Riot Grrrls ist Courntey Love von Hole.[16]
Im 1992 entstandenen Riot-Grrrls-Manifest proklamierten die Grrrls, dass „wir es nicht zulassen, daß unsere echte und berechtigte wut verpufft und/oder über die internalisierung von sexismus, wie wir sie in der rivalisierung von mädchen oder in ihrem selbstzerstörerischen verhalten sehen, gegen uns gerichtet wird.“[18] Deshalb beschlossen die Riot Grrrls den Feminismus nun selbst in die Hand zu nehmen und sich gegen die Ungerechtigkeiten zu wehren. Sie wollten nicht mehr Teil einer „Macho-Gesellschaft“ sein, in der sie ihre Träume nicht verwirklichen dürfen, sondern sich und andere ermutigen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und sich zu wehren.[19] Sie wollten sich nicht als Randgruppe in eine Ecke drängen lassen, sondern ihre eigene Kultur entwickeln und eine Gemeinschaft bilden, in der sie gemeinsam gegen die Männerwelt antreten können.[20] Sie wollten zeigen, dass die Attribute „blöd, böse und schwach“ nicht auf sie zutreffen.[21]
Nach dem Motto „Don't dream it, be it“[22] gründeten die Riot Grrls sogenannte Fanzines[23] um ihre Anliegen und Botschaften in die Öffentlichkeit zu tragen. Themen dieser Zines sind unter anderem „weibliches Begehren, Alltagserfahrungen im Patriarchat, Freundinnensolidarität, Sexismus und Gewalt“[24]
Vor dem Hintergrund eines neuerlichen Rückzugs ins Private und einer wachsenden Prüderie reagierten die Girls auf ein Regime, das Frauen im Namen von Religion und Biologie in den häuslichen Bereich zurückbeordert und eine Weiblichkeit zitiert, die Mütterlichkeit heißt: Familie als moralischer Rettungsanker der Nation, Kürzung von Sozialhilfe für Frauen und Kinder, Anti-Abtreibungskampagnen, Homophobie, Neue Abstinenz und Prüderie, Rassismus und Gewalt, all das bei anhaltender Hochkonjunktur zwanghafter Schönheitsideale.[25]
[...]
[1] Vgl. Bettina Schmitz „Der dritte Feminismus“ (Aachen 2007) S.15
[2] Zitat Sigmund Freud aus Bettina Schmitz „Der dritte Feminismus“ (Aachen 2007) S.44
[3] Vgl. Bettina Schmitz „Der dritte Feminismus“ (Aachen 2007) S.45
[4] Vgl. Bettina Schmitz „Der dritte Feminismus“ (Aachen 2007) S.7
[5] Vgl. Katja Kauer „Pofeminismus! Fragezeichen!“ (Berlin 2009) S.30
[6] Zitat Eva Balzer&Matthias Heitmann „Von der Frauenbewegung zur feminisiereten Gesellschaft“ (letzter Absatz)
[7] Zitat Bettina Schmitz „Der dritte Feminismus“ (Aachen 2007) S. 24
[8] Vgl. Katja Kauer „Popfeminismus! Fragezeichen!“ (Berlin 2009) S.20
[9] Vgl. Bettina Schmitz „Der dritte Feminismus“ (Aachen 2007) S.8
[10] Zitat Eva Balzer&Matthias Heitmann „Von der Frauenbeweung zur feminisierten Gesellschaft“ (17. Absatz)
[11] Vgl. Bettina Schmitz „Der dritte Feminismus“ (Aachen 2007) S.9
[12] Vgl. Bettina Schmitz „Der dritte Feminismus“ (Aachen 2007) S.44
[13] Vgl. Angela McRobbie „Top Girls“ aus einem Artikel von Jette Gindner „Attraktiv, kritisch, klischeefrei“ (5. Absatz)
[14] Zitat Angela McRobbie „Top Girls“ aus einem Artikel von Jette Gindner „Attraktiv, kritisch, klischeefrei“ (7. Absatz)
[15] Zitat Angela McRobbie „Top Girls“ aus einem Artikel von Jette Gindner „Attraktiv, kritisch, klischeefrei“ (7. Absatz)
[16] Zitat Anette Baldauf & Katharina Weingartner „Lips, Tits, Hits, Power?“ (Bozen 1998) S.24
[17] Vgl. Katja Kauer „Popfeminismus! Fragezeichen!“ (Berlin 2009) S.16
[18] Zitat Anette Baldauf & Katharina Weingartner „Lips, Tits, Hits, Power?“ (Bozen 1998) S.27
[19] Vgl. Anette Baldauf & Katharina Weingartner „Lips, Tits, Hits, Power?“ (Bozen 1998) S.26
[20] Vgl. Anette Baldauf & Katharina Weingartner „Lips, Tits, Hits, Power?“ (Bozen 1998) S.26/27
[21] Vgl. Anette Baldauf & Katharina Weingartner „Lips, Tits, Hits, Power?“ (Bozen 1998) S.27
[22] Zitat Nicole Vrenegor „Vergesst Annika - Zehn Jahre nach dem Aufbruch der riot grrrls ist die Bewegung nicht tot“(3.Abs)
[23] Untergrund-Magazine, meist mit reiner Internetpräsenz, auch „Zines“ genannt
[24] Zitat Nicole Vrenegor „Vergesst Annika - Zehn Jahre nach dem Aufbruch der riot grrrls ist die Bewegung nicht tot“(3.Abs)
[25] Zitat Anette Baldauf & Katharina Weingartner „Lips, Tits, Hits, Power?“ (Bozen 1998) S.18