Der Unternehmer in der Insolvenz: Eine erste explorative Studie


Mémoire (de fin d'études), 2012

162 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Zusammenfassung

1 Ziele der Arbeit

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Entrepreneurship
2.1.1 Begriff
2.1.2 Die Bedeutung des Entrepreneurs
2.1.3 Beweggründe beider Unternehmensgründung
2.1.4 Die Person des Unternehmers
2.2 Die Insolvenz
2.3 Outplacement - ein Konzept für den sozialverträglichen Weg der Trennung des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer
2.3.1 Ursprünge und Entwicklung in Deutschland
2.3.2 Begriffund Begriffsabgrenzung und Formen des Outplacements
2.3.3 Ursachen
2.3.4 Bedeutung von Erwerbstätigkeit und Folgen des Arbeitsplatzverlustes
2.3.5 Ziele des Outplacement

3 Fragestellung

4 Untersuchungsmethodik
4.1 Auswahl und Zusammensetzung der Stichprobe
4.2 Beschreibung der Stichprobe
4.3 Eingesetzte Verfahren
4.3.1 Beck-Depression-Inventar (BDI-Beck, A. & Steer, R., 1987)
4.3.2 Subjective entrepreneurial success - importance Scale (SES - IS, Dej, 2011)
4.3.3 Konstruktion des Interviewleitfadens für das Qualitative Interview
4.4 Untersuchungsablauf
4.5 Auswertung

5 Ergebnisse
5.1 Insolvenz
5.1.1 Insolventes Unternehmen
5.1.2 Wohnsituation
5.1.3 Finanzielle Situation
5.1.4 Familiäre Situation
5.1.5 Beziehung zu Freunden
5.1.6 Freizeit
5.1.7 Weitere beeinflusste Lebensbereiche
5.1.8 Gesundheitliche Situation
5.1.9 Stigmatisierung
5.1.10 Externe Beratung
5.1.11 Gemeinsamkeiten & Unterschiede eines insolventen Unternehmers und eines gekündigten Arbeitnehmers
5.2 Berufliche Neuorientierung
5.2.1 Ziele
5.2.2 Form des Erwerbs
5.2.3 Zeitpunkt der Planung
5.2.4 Probleme und Hindernisse
5.2.5 Erfahrene Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung
5.2.6 Gewünschte Unterstützung

6 Diskussion

Literaturverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anhang
Anhang A: Informationen zum Interview
Anhang B: Untersuchungsmaterialen
Anhang C: Kodierschema
Anhang D: Ergebnisse

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die mich bei der Erstellung dieser Ar­beit unterstützt haben.

Mein besonderer Dank gilt Frau Dr. Dominika Dej für die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema und ihre fachlichen Beiträge sowie die Übernahme der Zweitbegutachtung.

Frau Prof. Dr. Kemter-Hofmann danke ich für die Motivation und Hilfe bei der Anfertigung sowie die Begutachtung dieser Diplomarbeit.

Vielen Dank auch an die Teilnehmer, welche bereit waren, offen über persönliche Aspekte der Insolvenz zu sprechen und so diese Studie erst ermöglichten.

Mein größter Dank gilt meiner Mutter Evelyn, welche mir das Studium finanziell ermöglich­te und immer an mich geglaubt hat.

Mein Dank richtet sich außerdem an alle fleißigen Helfer, Ratgeber und Korrekturleser, die für die Entstehung der Arbeit unverzichtbar waren.

Zusammenfassung

Ziele der Studie waren, die Auswirkungen einer Insolvenz auf Unternehmer und dabei not­wendige Unterstützung zu analysieren sowie den Bedarf bei der beruflichen Neuorientie­rung zu erfassen. Ausgehend von theoretischen Erkenntnissen aus der Entrepreneurship­Forschung konnte angenommen werden, dass Unternehmer eine besondere Gruppe in der Arbeitswelt darstellen, welche sich sowohl in ihren Zielen, als auch in Persönlichkeitsmerk­malen von Nicht-Unternehmern unterscheidet. Die Insolvenz, geregelt durch die Insolvenz­ordnung (InsO), bringt nicht nur einen Einschnitt im Berufsleben des Unternehmers mit sich, sondern auch Veränderungen in anderen Lebensbereichen. Um ein umfassendes Bild über die Belastungsfaktoren zu erhalten, wurde ein facettierter Gesprächsleitfaden entwickelt, welcher nach der Verhaltensgleichung von Westhoff & Kluck (2008) alle relevanten Bereiche erfasste. Da keine theoretischen oder empirischen Arbeiten zum Thema vorlagen, stellte das aus dem Gesprächsleitfaden resultierende Kategoriensystem nur den Rahmen, und die von den Unternehmern genannte Aspekte wurden induktiv eingearbeitet. Es ergab sich somit eine deduktiv-induktive Vorgehensweise. Es nahmen 19 insolvente Unternehmer an der Be­fragung teil, wobei in dieser ersten explorativen Untersuchung keine Auswahlkriterien ge­troffen wurden. Die Stichprobenanalyse ergab, dass 18 der 19 Teilnehmer zusätzlich zu ih­rem Geschäftsvermögen mit privatem Vermögen hafteten. Dies war entweder in der Rechts­form des Unternehmens, in den Bedingungen für die Gewährung von Fördermitteln oder in der Einlage privaten Eigentums zur Kreditsicherung begründet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Insolvenz folgende Bereiche: Wohnsituation, finanzielle Situation, familiäre Situation, gesundheitliche Situation, gesellschaftliche Situation und Freizeit, beeinflusst und die Unter­nehmer teilweise mit extremen Veränderungen konfrontiert werden. Es konnte gezeigt wer­den, dass schon die drohende Insolvenz bei den Unternehmern starke Ängste auslöst und mit Schlafstörungen einhergeht. Auch die Folgen der Insolvenz für Beschäftigte beansprucht die Unternehmer sehr. Zudem wurde deutlich, dass die Insolvenz mit einem negativen Stigma einhergeht. Des Weiteren hat die registrierte Kreditunwürdigkeit Folgen für alle ver­tragsbasierten Geschäftsbeziehungen der Unternehmer, z.B. Kontogewährung oder Kom­munikationsmodalität, und erschwert eine reibungslose weitere berufliche Entwicklung. Insbesondere die Dauer des Verfahrens und die damit verbundenen Negativ-Einträge bei Schuldnerregistern stellt eine besondere Belastung für die Unternehmer dar. Die Wohlver­haltensphase umfasst bisher einen Zeitraum von 6 Jahren und weitere 3 Jahre besteht die Registrierung in Schuldnerregistern. Sowohl der zeitliche Rahmen einer Insolvenz als auch die Auswirkungen in den genannten Lebensbereichen erleben die Unternehmer als psychi­sche Beanspruchung und sehen diesbezüglich die Notwendigkeit für externe Unterstützung. Die Beratungsaspekte, welche vor Abgabe des Insolvenzantrages relevant sind, betreffen Inhalt und Ablauf des Insolvenzverfahrens, die Vorbereitung auf persönliche Folgen und den Umgang mit psychischen Belastungsfaktoren der Insolvenz. Insbesondere die Abgabe des Insolvenzantrages konnte als kritischer Zeitpunkt herausgestellt werden. Hier zeigte sich vor allem psychologischer Unterstützungsbedarf, um die emotionale Stabilität wieder her­zustellen, eine zukunftsorientierte Sichtweise zu erlangen und mit der Insolvenz verbundene Ängste abzubauen.

Für die Gewinnung von Erkenntnissen hinsichtlich der beruflichen Neuorientierung wurde ermittelt, ob sich persönliche finanzielle Ziele und persönliche nicht-finanzielle Ziele für die Unternehmer durch die Insolvenz verändert haben. Die Erfassung wurde durch den Einsatz des SES-IS (subjektive entrepreneurial success - importance scale; Dej, 2011) realisiert. Des Weiteren stand die Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung im Fokus. Hierzu wurde das bereits gut implementierte Outplacement als theoretische Basis für die Befragung zugrunde gelegt. Sowohl die Übertragung inhaltlicher Aspekte als auch der Rahmenbedin­gungen wurden überprüft. Die Ergebnisse zeigen, dass den Unternehmern die Sicherheit des eigenen Einkommens und die ausgewogene Balance zwischen Arbeits- und Privatleben nach der Insolvenz wichtiger geworden sind. Andere Tätigkeitsmerkmale selbstständiger Arbeit, wie flexible Arbeitsgestaltung und eigene Entscheidungsfreiheit zeigen keine signifikanten Veränderungen und stimmen mit den Angaben der Unternehmer zur Präferenz einer selbst­ständigen Tätigkeit auch nach der Insolvenz überein. Hinsichtlich des Unterstützungsbe­darfs spielt vor allem das Aufzeigen von beruflichen Perspektiven eine wesentliche Rolle. Die inhaltlichen Aspekte der Unterstützung analog der Outplacement-Beratung sind aus­schließlich für Unternehmer relevant, welche wieder in eine abhängige Erwerbstätigkeit wechseln. Für Unternehmer, die ihre berufliche Zukunft in einer erneuten Selbstständigkeit sehen, waren die Inhalte nicht übertragbar. Diese sehen hinsichtlich ihrer beruflichen Ent­wicklung, außer im Aufzeigen von Perspektiven, keinen Beratungsbedarf. Die Rahmenbe­dingungen: Verfügbarkeit von Büroräumen, PC, Telefon und Medien wurden als nicht not­wendig herausgestellt. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass die kognitive Auseinander­setzung mit der beruflichen Neuorientierung zeitlich erst nach Abgabe des Insolvenzantra­ges erfolgt. Als hinderliche Aspekte für die berufliche Zukunft, welche vor allem in der In­solvenz begründet sind, konnten die registrierte Kreditunwürdigkeit, Kompetenzaberken­nung und rechtlichen Folgen für Unternehmen, welche insolvente Personen beschäftigen, herausgearbeitet werden. Auch die Unterschiede von Tätigkeitsmerkmalen bei einem Wech­sel in eine abhängige Erwerbstätigkeit stellt für die Unternehmer eine konfliktpotenzierte Veränderung dar.

Mit der vorliegenden Untersuchung konnte deutlich gemacht werden, dass die Insolvenz ein kritisches Lebensereignis für die Unternehmer darstellt, welches Folgen in wesentlichen Be­reichen des Lebens haben kann. Des Weiteren wurde die Notwendigkeit für eine Beratung hinsichtlich der Bewältigung der Folgen einer Insolvenz aufgezeigt. Der Unterstützungsbe­darf für die berufliche Neuorientierung liegt vorrangig im Eruieren neuer Perspektiven für den Unternehmer. Aus den vorliegenden fundamentalen Ergebnissen wurden Empfehlun­gen für Praxis und weitere Studien abgeleitet.

1 Ziele der Arbeit

Im Jahr 2010 meldeten laut Statistischem Bundesamt 30.998 Unternehmen in Deutschland Insolvenz an. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein leichter Rückgang von 2,1 %. Unter der Betrachtung der Insolvenzhäufigkeiten für die einzelnen Wirtschaftszweige sind vorrangig das Baugewerbe, das Gastronomiegewerbe und der Sektor „Verkehr und Lagerei" betroffen. Nach Schätzungen von Creditreform haben kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) einen Anteil von 99,7 % an den Unternehmensinsolvenzen insgesamt (IfM Bonn, 2011). Laut Institut für Mittelstandsforschung sind in den KMU 15,3 Mio. Menschen sozial­versicherungspflichtig beschäftigt. Sie stellen somit einen wichtigen Sektor für die Wirtschaft und die Sozialstruktur in Deutschland dar. Bislang wurde das Thema Insolvenz auf rein wirtschaftlicher und juristischer Ebene betrachtet. Die Perspektive findet auf institutioneller Ebene, nicht aber auf der Ebene der handelnden Personen statt. Die vorliegende Studie stellt erstmalig von der Insolvenz betroffene Unternehmer in den Fokus. Das Unternehmertum (Entrepreneurship) übt auch in der Wissenschaft eine besondere Stellung aus. So widmen sich ganze Forschungszweige den Ursachen für Unternehmensgründungen oder der Unter­suchung von Unterschieden in den Persönlichkeitsmerkmalen von Unternehmern und Nicht- Unternehmern. Die vorliegende Studie soll Erkenntnisse darüber liefern, wie Unter­nehmer, welche Insolvenz anmelden mussten, diese Situation erleben, welche Aspekte als besonders belastend empfunden werden und welche psychologische Unterstützung not­wendig ist. Erkenntnisse aus Untersuchungen zum Arbeitsplatzverlust zeigen, dass die Fol­gen für die Betroffenen schwerwiegend sein können und sich in alle Lebensbereiche erstre­cken. Die Analyse der Auswirkungen der Insolvenz für die Unternehmer soll auch Auf­schluss darüber geben, inwiefern es Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Si­tuationen eines gekündigten Arbeitnehmers und einem insolventen Unternehmer gibt. Des Weiteren geht es darum, den Unterstützungsbedarf bei der beruflichen Neuorientierung zu ermitteln. Hier dient das bereits gut implementierte Outplacement als theoretische Basis. Die Teilnehmer erhalten dabei nicht nur Unterstützung bei der Verarbeitung des traumatischen Ereignisses einer Kündigung, sondern erfahren zielgerichtete Hilfe bei der Suche nach einer neuen Erwerbstätigkeit (Rundstedt, 2006). Sie erlangen Know-how in den Bereichen Bewer­bungsunterlagen, Bewerbungsgespräch oder Assessment Center und haben die Möglichkeit, an notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen. Ziele und Inhalte des Outpla­cement sind nicht problemlos auf die Zielgruppe insolventer Unternehmer und deren ge­wünschte Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung übertragbar. So soll die vorlie­gende Studie auch Erkenntnisse darüber liefern, welche Beratungsinhalte und Rahmenbe­dingungen für die berufliche Neuorientierung der Unternehmer als wünschenswert erachtet wird.

Da das Geschlecht in der vorliegenden Studie keine Rolle spielt, wurde zur Erleichterung der Lesbarkeit für Unternehmer und Unternehmerinnen die maskuline Form „Unternehmer" gewählt.

2 Theoretischer Hintergrund

Wie im vorangegangenen Kapitel ausgeführt, steht eine psychologische Betrachtung des Themas Insolvenz bis dato aus. Um den Untersuchungsgegenstand näher beschreiben zu können, dienten Erkenntnisse aus der Entrepreneurship-Forschung, auf welche im ersten Abschnitt ( Kapitel 2.1) eingegangen wird. Des Weiteren werden kurz wesentliche juristische Aspekte der Insolvenz näher beleuchtet (Kapitel 2.2). Hinsichtlich des Unterstützungsbe­darfs bei der beruflichen Neuorientierung fand eine Sichtung der Literatur zum Thema Out­placement statt. Einen Überblick darüber liefert Kapitel 2.3.

2.1 Entrepreneurship

"I'm convinced that about half of what separates the successful entrepreneurs from the non-successful ones is pure perseverance."

( Steve Jobs, 1955-2011)

2.1.1 Begriff

Der aus dem angloamerikanischen Raum übernommene Begriff findet seinen Ursprung im französischen Sprachraum, wie das französische Verb „endrependre" (frz.: etwas unterneh­men, etwas versuchen) verdeutlicht (Langenscheidt, 2010).

Der Begriff steht eher für einen Prozess, wobei es um das Ausnutzen unternehmerischer Ge­legenheiten bzw. der kreativen und gestalterischen Handlung in einer Unternehmung oder in einer Phase des Wandels geht (Gabler, 2010). So sieht Kwiatkowski (2004, vgl. Chell, 2008, S.2) Unternehmertum als die Fähigkeit an, Möglichkeiten am Markt zu erfassen, während gleichzeitig die zugänglichen, nutzbaren Ressourcen berücksichtigt werden. Von wesentli­cher Bedeutung ist dabei der bereitgestellte Kredit (finanzielles, soziales und intellektuelles Kapital), welcher dem Unternehmertum Zugang zu den Ressourcen verleiht. Für Chell ist Unternehmertum ein Prozess des Registrierens und Verfolgern von Opportunitäten, wobei die übertragbaren und nichtkäuflichen Ressourcen berücksichtigt und auf Gewinn hin ge­steuert werden (Cheli, 2008).

Die Gründungsforschung, oder auch Entrepreneurship-Forschung versucht mit Hilfe von betriebswirtschaftlichen Theorien und wissenschaftsübergreifenden Projekten, welche die Fachgebiete der Volkswirtschaftslehre, Psychologie, Sozialwissenschaft und Soziologie in­tegrieren, die Rolle des Unternehmers näher zu erforschen (Aulinger, 2005).

2.1.2 Die Bedeutung des Entrepreneurs

Im Allgemeinen wird der Entrepreneur vom reinen Unternehmenseigentümer dahingehend unterschieden, dass er ein „Unternehmen aufbaut, aufgebaut hat oder innovativ weiterführt" (Aulinger, 2005, S. 29 ff.). Iren Richard Cantillon (1680 - 1734) beschrieb schon 1730 den Ent­repreneur als Wirtschaftsakteur mit den Fähigkeiten, Güter billig zu erwerben und teuer zu verkaufen. Nach Cantillon wird dieser vom Streben nach Profit angetrieben und übernimmt dafür auch ökonomische Risiken (Gabler, 2010). Als wirtschaftlich handelnde Person wird der Unternehmer von Cantillon erstmals zu finanziell unabhängigen Landbesitzern und an­gestellten Personen abgegrenzt (Aulinger, 2005). Von Joseph Schumpeter (1883 - 1950) wird der Entrepreneur als innovatives Individuum angesehen, welcher angetrieben vom Wunsch, etwas Neues zu schaffen, alte Wege verlässt oder zerstört. Er erklärt den innovativ handeln­den Menschen erst zum Unternehmer, wenn dieser auch in der Lage ist, seine neuen Entde­ckungen und Entwicklungen erfolgreich am Markt einzuführen (Gabler, 2010; Aulinger, 2005). Aulinger gibt einen umfassenden Überblick über Definitionsversuche und arbeitet wesentliche Schlagwörter wie: „agent of change", „identifying, valuing and capturing oppor­tunity", „judgment for possibilities", „initiate, maintain, or aggrandize a profit-oriented business unit", "seeking opportunities, taking risk beyond security", "push an idea through to reality combine into a special perspective that permeates entrepreneurs" heraus (vgl. Au­linger, 2005, S.42).

2.1.3 Beweggründe bei der Unternehmensgründung

Die Literatur zeigt eine große Bandbreite an bisherigen Untersuchungen zum Gründungsge­schehen. Die Ursachen für diese Initiative sieht Aulinger (2005) vor allem im Beitrag der Un­ternehmen zum Wirtschaftswachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Häufig wer­den Aspekte, wie zum Beispiel Ausstattung mit gründungsrelevantem Humankapital, Zu­gang zu genügend Startkapital, regionale und psychologische Faktoren untersucht (Albach & Letmathe, 2007). Des Weiteren legt die Wissenschaft ihr Augenmerk auf die sich aus Ein­stellungen, Motiven und Zielen ergebenden Gründungsstrategien (Galais, 1998; Frese, 1998; Ziegler, 2000, Prugger, 2003).

Im Folgenden soll nun auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den oben genannten Fak­toren näher eingegangen werden.

Die Untersuchungen zum Aspekt der Ausstattung mit gründungsrelevantem Humankapital beruhen theoretisch auf dem Humankapitalansatz. Durch Schule und Berufsausbildung formal erworbenes Wissen und durch Erfahrungslernen erworbene Fähigkeiten werden da­bei als positiver Faktor für eine erfolgreiche Unternehmensgründung angesehen. Moog (2004) konnte zeigen, dass insbesondere in der Gründungsphase Berufserfahrung und das informelle Wissen über Gepflogenheiten der Gründungsbranche eine wesentliche Rolle spie­len. Zum gleichen Ergebnis kommt Ziegler (2000), dessen Untersuchungen auf der Münch­ner Gründerstudie von 1998 beruhen. Auch Oberschachtsiek (2004), dessen Untersuchung im Jahr 2002 auf der Befragung von 964 ehemals arbeitslosen Existenzgründern beruht, sieht in der Branchenerfahrung des Unternehmensgründers die einzige stabile Uberlebensdeter­minante. Albach & Letmathe (2007) untersuchten die Gründungsneigung von 5752 Vollzeit­beschäftigten auf der Basis der Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) - Datensätze von 2001. Als Indikatoren für das gründungsspezifische Humankapital, welche einen positiven Effekt auf die Gründungsneigung zeigten, stellten sich die selbstständige Gestaltung der Arbeitsabläu­fe, die Einbindung in wichtige Unternehmensentscheidungen, die Einteilung der Arbeitszeit nach Arbeitsanfall und die Tatsache, dass die gewünschte Arbeitszeit von der tatsächlichen abweicht, heraus. Insgesamt zeigt sich, dass die Ausstattung mit Humankapital einer erfolg­reichen Unternehmensgründung nicht im Wege steht.

Des Weiteren zeigen die empirischen Befunde, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Unternehmens proportional zur Ausstattung mit Startkapital steigt (Ziegler, 2000; Bacher, Müntnich, Voigt, Wießner, Zempel, 2001). So hilft eine gute finanzielle Ressourcenausstat­tung Start- und Anlaufschwierigkeiten zu überbrücken und einen vorzeitigen Misserfolg zu verhindern (Aulinger, 2005).

Hamilton (2000) analysierte die Einkommensverläufe von Selbstständigen und abhängig Erwerbstätigen. Schlussfolgernd aus dem Ergebnis, dass die meisten Selbstständigen in den ersten 10 Jahren weniger verdienen, als in einer abhängigen Erwerbstätigkeit, geht er davon aus, dass die Selbstständigkeit andere nutzenstiftende Attribute bietet, wie zum Beispiel fle­xible Arbeitszeit, Unabhängigkeit und keine Weisungen von Vorgesetzten. Galais (1998) un­tersuchte die Beweggründe für den Weg in die Selbstständigkeit an einer Stichprobe von 1990 und 1992 von 200 Unternehmen verschiedener Branchen im Raum Jena und Gießen. Für die meisten Unternehmer waren Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung die Haupt­beweggründe. Diese Einstellungen und Motive werden als Pull-Faktoren bezeichnet, da der Antrieb für die selbstständige Tätigkeit in der Person zu finden und relativ umweltunabhän­gig ist. Wird der Schritt in die Selbstständigkeit aus der Not heraus gemacht, spricht man von den Push-Faktoren. Diese sind meist in der Umwelt zu finden, zum Beispiel bei drohen­dem Arbeitsplatzverlust (Galais, 1998).

Einen zusammenfassenden Überblick bietet Tabelle 1.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Merkmale von Push- und Pullfaktoren für die Gründungsneigung (Quelle: Galais (1998, S. 88))

Frese (1998) spricht in dem Zusammenhang von Vermeidungszielen, wie Vermeidung der Arbeitslosigkeit, Verringerung von Geldschwierigkeiten oder dem Entrinnen einer unange­nehmen Arbeitssituation. Bei der Untersuchung von Galais (1998) zeigte sich, dass fast 50% der ostdeutschen Unternehmer und nur 8 % der westdeutschen Unternehmer aus Angst vor drohender Arbeitslosigkeit in die Selbstständigkeit wechselten. Für 25 % der westdeutschen Befragten war die Unzufriedenheit mit ihrem vorherigen Arbeitsplatz entscheidend. Unzuf­riedenheit mit dem Inhalt der vorherigen Aufgaben und der Wunsch nach freier Zeiteintei­lung wurden in beiden Gruppen selten genannt (5 % - 8 %). Das Motiv, viel Geld zu verdie­nen und eine Statusverbesserung waren ebenfalls keine wesentlichen Beweggründe für den Schritt in die Selbstständigkeit. Galais (1998) untersuchte Unterschiede zwischen Push- und Pull-Unternehmern und fand heraus, dass sich die „Pull- Unternehmer" in den Faktoren Innovationsbereitschaft, Streben nach Höherem (überdurchschnittliche Dinge schaffen und ständig dazulernen), Identifikation mit der Arbeit und Handlungsorientierung nach einem erreichten Erfolg wesentlich von den „Push- Unternehmern" unterschieden und somit mehr dem Bild des Unternehmers nach Schumpeter entsprachen. So sieht auch Frese (1998) den Zukunftscharakter der Pull-Faktoren als fundamental für das Unternehmertum an, da die wesentliche Bedeutung in den Visionen oder „strategischen Intentionen" liegt. In Untersu­chungen, welche die Beweggründe als Faktor für den Erfolg eines Unternehmens mit einbe­ziehen, zeigt sich, dass Push-Faktoren eher erfolgsreduzierend wirken (Ziegler, 2000; Prug- ger, 2003).

Eine Analyse bereits bestehender Unternehmen hinsichtlich relevanter Erfolgsfaktoren, führ­te Dej (2011) durch. Dej entwickelte ein integratives Rahmenmodell des Unternehmenserfol­ges, welches nicht nur objektive Kennzahlen, sondern auch Tätigkeitsmerkmale und die Per­son des Unternehmers als Erfolgsfaktoren beinhaltet. Die Studie befasste sich vorrangig mit Kriterien, welche die Unternehmer selbst als wichtig erachteten. So werden auch Aspekte, wie ein gutes Verhältnis zu den Angestellten und deren Zufriedenheit angesprochen. Neben der Erreichung finanzieller Ziele spielen aber auch nicht- pekuniäre Aspekte, wie z.B. eine ausgewogene Balance zwischen Arbeitszeit und Privatleben, für die Unternehmer eine wich­tige Rolle (vgl. auch Richter & Kemter, 2000).

Zusammenfassend zeigen bisherige Untersuchungen, dass viele verschiedene Faktoren und Beweggründe bei der Unternehmensgründung eine Rolle spielen, wobei manche erfolgver­sprechender sind als andere. Insgesamt konnten bis heute keine erfolgsgarantierenden Fak­toren herausgestellt werden. So muss sich der Unternehmer sowohl in der Gründungssitua­tion als auch in späteren Phasen seiner unternehmerischen Tätigkeit mit einer Vielzahl von Einflussfaktoren auseinandersetzen.

Eine weitere Gruppe von Wissenschaftlern geht von der zentralen Annahme aus, dass sich Unternehmer in bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen von Nicht-Unternehmern unter­scheiden. Einige der bisherigen Forschungsarbeiten sollen im folgenden Abschnitt näher beleuchtet werden.

2.1.4 Die Person des Unternehmers

In der Entrepreneurship-Forschung werden häufig die Zusammenhänge zwischen den Per­sönlichkeitsmerkmalen eines Unternehmers und dessen Erfolg untersucht. Dabei haben sich im Laufe der Zeit wesentliche Faktoren herausgestellt, in welchen sich Unternehmer und Nicht-Unternehmer häufig unterscheiden. Die am häufigsten untersuchten Persönlichkeits­merkmale sind:

- Need for achievement (Erfolgsmotiviertheit)
- Locus of control (Kontrollbedürfnis)
- Risk taking propensity (Risikoneigung)
- Self efficiacy (Selbstwirksamkeit)
- Need for autonomy (Autonomiebedürfnis)

Need for achievement

Der Motivationsforscher David McClelland (1917-1998) prägte innerhalb seiner Motivations­theorie diesen Begriff. Er nahm an, dass sich Unternehmer von Nicht- Unternehmern hin­sichtlich der Ausprägung in diesem Bedürfnis unterscheiden. „High achievers" wählen Auf­gaben mittleren Schwierigkeitsgrades, gehen kein zu hohes Risiko ein, fordern Feedback, um in ihren Leistungen besser zu werden und übernehmen Verantwortung für die Ergebnisse ihrer Leistung (McClelland, 1961). Eine Vielzahl von Untersuchungen konnte zeigen, dass Unternehmer signifikant höhere Werte in diesem Konstrukt erzielen (Chell, 2008). Miner und Raju (2004) stellen in ihrer Metaanalyse über 14 Studien sogar heraus, dass „need for achie­vement" als Differenzmaß zwischen Unternehmern und angestellten Managern gesehen werden kann. Ebenfalls konnten Rauch und Frese (2007) in ihrer Metaanalyse zeigen, dass „need for achievement" sowohl mit der unternehmerischen Tätigkeit als auch mit dem Ver­halten eines Unternehmers hoch korreliert.

Locus of control

Dieses Konstrukt gibt an, inwiefern eine Person Erfolg internal oder external attribuiert. Menschen, welche eine starke Kontrollüberzeugung haben, gehen davon aus, dass der Erfolg von ihren Leistungen abhängt und schreiben Erfolg nicht dem Glück oder äußeren Umstän­den zu (Rotter, 1966). Göbel (1998), welcher sehr radikal davon ausgeht, dass Erfolg immer von den Handlungen des Unternehmers abhängt, konnte zeigen, dass sehr erfolgreiche Un­ternehmer hohe Werte auf dem Konstrukt „internal locus of control" haben. Dieses Ergebnis stimmt mit denen von Utsch, Frese und Rothfuß (1998) überein. Sie untersuchten Differen­zen in Persönlichkeitsmerkmalen zwischen ostdeutschen und westdeutschen Unternehmern und stellten heraus, dass in beiden Gruppen eine starke internale Kontrollüberzeugung zu finden ist, wobei ostdeutsche Unternehmer eine höhere Ausprägung haben als westdeutsch­e. In ihrer Metaanalyse konnten Rauch und Frese (2007) Zusammenhänge zwischen „internal locus of control" als Prädiktor für unternehmerisches Handeln ausmachen, allerdings fanden sie keinen Zusammenhang zwischen dem Konstrukt und den Aufgaben eines Unterneh­mers. Die Expertenratings, auf welchen die Zusammenhänge zwischen Persönlichkeits­merkmalen und den Aufgaben eines Unternehmers basierten, waren in diesem Konstrukt zu kontrovers. Auch Chell (2008) gibt an, dass die Befunde sehr uneinheitlich sind und emp­fiehlt „internales Kontrollbedürfnis" nicht per se, sondern in Zusammenhang mit anderen Traits zu messen.

Risk taking propensity

Es wird davon ausgegangen, dass Unternehmer häufig Entscheidungen in unsicheren oder nicht eindeutigen Situationen treffen müssen. Dazu ist ein gewisses Maß an Risikoneigung oder „risk taking propensity" notwendig (Rauch & Frese, 2007). Hier findet sich ein Zusam­menhang zu McClellands Annahmen, dass „high achievers" hohe Risiken vermeiden (McClelland, 1966). Ein gewisses Maß an Risikoneigung ist notwendig, allerdings kalkulie­ren erfolgreiche Unternehmer, ob ihr Einsatz notwendig und erfolgversprechend ist. Die Indikatoren für kalkuliertes Risiko werden in durchdachter Entscheidungsfindung und im strategischen Vorgehen gesehen (Chell, 2008). Stewart, Watson, Carland und Carland (1999) konnten zeigen, dass Selbstständige gegenüber Managern höhere Werte in diesem Konstrukt erzielen. In der Metaanalyse von Rauch und Frese (2007) stellt sich heraus, dass kein Zu­sammenhang zwischen Risikoneigung und den Aufgaben eines Unternehmers besteht.

Self efficiacy

Self efficiacy oder Selbstwirksamkeit konnte ebenfalls als ein wichtiger Indikator für Unter­nehmer ausgemacht werden (Chell, 2008). Mehrere Studien zeigen, dass Unternehmer signi­fikant höhere Werte haben als Nicht- Unternehmer (Chell, 2008). Auch Göbel (1998) stellt heraus, dass erfolgreiche Unternehmer über ein hohes Maß an Selbstwirksamkeit verfügen. Frese und Rauch (2007) können dies in ihrer Metaanalyse ebenfalls bestätigen.

Need for autonomy

Autonomiebedürfnis wird oft im Zusammenhang mit der Einstellung von Unternehmern hinsichtlich abhängiger Erwerbstätigkeit gesehen. So geht Hamilton (2000) davon aus, dass Menschen, welche in die Selbstständigkeit wechseln, vor allem die Vorteile der flexiblen Zeiteinteilung und Weisungsunabhängigkeit anstreben. Auch Galais (1998) konstatiert, dass bei den meisten Selbstständigen der Wunsch, selbst zu bestimmen und sein eigener Chef zu sein, im Vordergrund steht. Des Weiteren ist das Autonomiebedürfnis von Selbstständigen höher als bei angestellten Managern (Utsch et al., 1999). In der Metaanalyse von Rauch und Frese (2007) zeigt sich „need for autonomy" ebenfalls als wichtiger Prädiktor für unterneh­merisches Verhalten.

In einer weiteren Studie von Korunka, Frank, Lueger und Mugler (2003) wurden Existenz­gründer untersucht. Die drei untersuchten Gruppen waren: 1. vormals arbeitslose Unter­nehmensgründer; 2. Selbstständige, welche aus eigenem Willen ein Unternehmen gründeten und 3. Selbstständige mit Risikovermeidungsverhalten. Dabei wurde das Ausmaß in den Konstrukten „need for achievement", „locus of control", Eigeninitiative, Sicherheitsbedürfnis und Selbstwirksamkeitserwartung untersucht. Des Weiteren gingen Umfeldvariablen, wie zugängliche Ressourcen, Markt und Unternehmensaktivität, in die Studie ein. In den Ergeb­nissen zeigte sich, dass die Gruppe vormals Arbeitsloser geringe Werte in allen untersuchten Konstrukten hatte. Die Umfeldvariablen wurden als besonders schlecht eingestuft, allerdings war durch die bestehende Arbeitslosigkeit ein starker „Push-Faktor" gegeben. Unternehmer, welche das Unternehmen aus eigenem Willen heraus gründeten, hatten hohe Werte auf den Konstrukten „locus of control", Sicherheitsbedürfnis und Selbstwirksamkeitserwartung. Als hinderlich erwies sich die Umfeldvariable Ressourcen, insbesondere das zugängliche Start­kapital. Selbstständige mit einem hohen Risikovermeidungsverhalten hatten gut ausgebaute Netzwerke und soziale Unterstützung, hatten viele Ressourcen und wenig Druck von außen. Sie berichteten häufig von Problemen und fokussierten dabei oft die Möglichkeit des Schei- terns. Korunka et al. (2003) kommen zu dem Ergebnis, dass sowohl die Intentionen der Exis­tenzgründer als auch die äußeren Einflussfaktoren zu heterogen sind, um daraus eindeutige Schlüsse zu ziehen.

In die schon oben erwähnte Metaanalyse von Rauch und Frese von 2007 gingen 62 Studien ein, welche die Unternehmensaktivitäten untersuchten und 54, welche die Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsmerkmalen der Unternehmer und Unternehmenserfolg untersuch­ten. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass weitere Merkmale, wie Innovationskraft, Ei­geninitiative und Belastungsfähigkeit mit der Unternehmerpersönlichkeit hoch korrelierten.

Für Chell (2008) ist die Unternehmerpersönlichkeit eher ein soziales Phänomen und nicht an einzelnen spezifischen Traits auszumachen. Sie postuliert, dass es wichtiger ist, das Verhal­ten eines Unternehmers zu ergründen. Des Weiteren gibt Chell zu denken, dass es im Rah­men der Globalisierung immer schwieriger wird, alle Komponenten für den Erfolg oder Mis­serfolg eines Unternehmens zu ergründen.

Insgesamt wird deutlich, dass die Persönlichkeit des Unternehmers in der Entrepreneurship­Forschung eine zentrale Rolle einnimmt. Es wird ebenfalls deutlich, dass es keine Traits gibt, die den idealen Unternehmer beschreiben können, wohl aber auf Unterschiede zu Nicht­Unternehmern hinweisen. Des Weiteren sind die Kontextbedingungen, welche die Entwick­lung eines Unternehmens beeinflussen zu variabel und schwer kontrollierbar. So ist auch davon auszugehen, dass der Misserfolg eines Unternehmens, begründet in der Insolvenz, von mehreren verschiedenen Faktoren abhängig ist und nicht allein in der Person des Unter­nehmers liegt.

2.2 Die Insolvenz

Eine fachliche Betrachtung des Themas fand bis dato auf rein juristischer und wirtschaftli­cher Ebene statt. Eine psychologische Perspektive auf die Folgen einer Insolvenz für Beteilig­te steht bis jetzt aus. Der folgende Abschnitt gibt einen Einblick in relevante juristische As­pekte einer Insolvenz für den Schuldner.

Eine Insolvenz (lat. insolvens, von solver, zahlen) bedeutet Zahlungsunfähigkeit und liegt immer dann vor, wenn der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, seinen Zahlungsverpflich­tungen nachzukommen. Kennzeichnend ist das voraussichtlich dauerhafte Unvermögen, fällige Geldschulden noch im Wesentlichen zu erfüllen (Gabler Wirtschaftslexikon, online, 2011). Dieser Umstand gibt Anlass zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, welches juris­tisch durch die Insolvenzordnung (InsO) geregelt ist. Für Selbstständige oder ehemals Selbstständige gilt dabei die Regelinsolvenz. Unterschiede zur Verbraucherinsolvenz liegen hier auch darin, dass keine zwingende außergerichtliche Einigung notwendig ist (§ 305 In­sO), d.h. das Verfahren wird sofort eingeleitet, ohne dass der Versuch unternommen werden muss, mittels Schuldenbereinigungsplan eine außergerichtliche Einigung zu finden. Der Schuldner kann selbst den Antrag auf Insolvenz stellen, insofern dieser durch Überschul­dung nicht in der Lage ist, Verbindlichkeiten bis zum Fälligkeitsdatum zu erfüllen (§ 18 In­sO). Des Weiteren kann der Antrag durch Gläubiger, z.B. bei offenen Löhnen, Krankenkas­senbeiträgen, Berufsgenossenschaften oder Forderungen des Finanzamtes, gestellt werden. Hier liegt ein Fremdantrag auf Insolvenz vor (§ 14 InsO). Die Prozedur des Verfahrens ist identisch mit dem Insolvenzeigenantrag. Die Kosten des Verfahrens trägt der Schuldner (§ 4 InsO). Zweck des Insolvenzverfahrens ist die gemeinschaftliche und gleichmäßige Befriedi­gung der Gläubiger, wobei das Verfahren der Verwertung und Verteilung des Schuldner­vermögens dient (§ 1 InsO). Neben der Befriedigung der Gläubiger kann das Verfahren auch der Sanierung des Unternehmens, z.B. durch Umstrukturierung oder Übertragung an einen anderen Rechtsträger, dienen. Ziel hierbei ist ebenfalls die Befriedigung der Gläubiger. In­wiefern eine Stilllegung oder eine Fortführung des Unternehmens angestrebt wird, bestimmt der vom Gericht eingesetzte Insolvenzverwalter, welchem der Schuldner Einsicht in Ge­schäftspapiere und Bücher des Unternehmens gewähren muss (§ 22 InsO). Die Vergütung des Insolvenzverwalters ist durch die Insolvenzverwaltervergütungsverordnung ( InsVV) geregelt und richtet sich nach der vorhandenen Masse (§ 2 InsVV). Von den ersten 25.000,00 € der Insolvenzmasse beträgt sie 40 %, von Insolvenzmasse über 50.000.000,00 € hinaus ledig­lich noch 0,5 %. Beträgt die Insolvenzmasse 500.000,00 €, so ergibt sich die Regelvergütung des Insolvenzverwalters mit 30.250,00 €. Verdoppelt sich die Insolvenzmasse auf 1.000.000,00 €, so steigt die Nettovergütung jedoch nur um 10.000,00 € auf 40.250,00 €. Von diesem Regel­satz kann nach § 3 InsVV, je nach Schwierigkeit und Umfang der Tätigkeit des Insolvenz­verwalters abgewichen werden. Als Insolvenzverwalter werden vom Amtsgericht meist Fachanwälte für Insolvenzrecht, Wirtschaftswissenschaftler oder Steuerberater eingesetzt. Der Insolvenzverwalter hat die Aufgabe, zur Schuldentilgung verwertbares Vermögen des Schuldners zu verkaufen. Hier sind Haftungsbedingungen je nach Rechtsform des Unter­nehmens zu unterscheiden, allerdings haftet der Geschäftsführer einer GmbH auch mit sei­nem Privatvermögen, insofern öffentliche Fördermittel, z.B. über die SAB (Sächsische Auf­baubank) oder das KfW (Kreditinstitut für Wirtschaftsförderung) in Anspruch genommen wurden. Zum verwertbaren Vermögen können Mobilien und Immobilien gehören, aber auch Rentenansprüche und Lebensversicherungen sind nach § 850 b, ZPO bedingt pfändbar. Das bedeutet, insofern ein Unternehmer ein eigenes Wohnhaus besitzt und mit seinem Privat­vermögen haftet, ist es möglich, dass er dieses im Zuge der Insolvenz verliert.

Jede Regelinsolvenz wird öffentlich in ein Insolvenzregister eingetragen. Der Schuldner wird des Weiteren mit einem Negativ-Vermerk in Schuldenregistern, wie z.B. der SCHUFA (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) über einen Zeitraum von 3 Jahren nach Abschluss des Verfahrens geführt (§ 35 Abs. 2 Nr. 4, BDSG). Insofern der Schuldner mit dem Antrag auf Insolvenz die Restschuldbefreiung beantragt hat, wird diese in den 6 Jahren der Wohlverhaltensphase als „Ankündigung auf Restschuldbefreiung" gespeichert. Die Kredit­würdigkeit des Schuldners wird mit einem Negativeintrag bei der SCHUFA negiert, mit der Folge, dass ihm keine kreditbasierenden Vertragsabschlüsse eingeräumt werden, d.h. Lea­singverträge, Kreditverträge, Mietverträge, Bestellungen bei Versandhäusern oder Bezah­lung auf Raten können durch Vertragspartner abgelehnt werden. Auch wenn die Rest­schuldbefreiung nach 6 Jahren durch das Amtsgericht erteilt wird, wird der Schuldner für weitere 3 Jahre als kreditunwürdig eingestuft.

Insofern ein Schuldner den Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat, muss er den Teil seines Einkommens, welcher über die Grundsicherung hinaus erzielt wird, über einen Zeit­raum von 6 Jahren, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, an den vom Gericht bestimm- ten Insolvenzverwalter abtreten (§ 287 InsO). Im Zuge eines bereits verabschiedeten Gesetzes zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) sollen neue Regelungen zur Dauer der Wohlverhaltensphase in Kraft treten. Insofern der Schuldner in der Lage ist, 25 % der Forderungen und die Kosten des Verfahrens zu bezahlen, könnte dieser, statt nach 6 Jah­ren, nach 3 Jahren die Restschuldbefreiung erlangen. Ist der Schuldner in der Lage, die Ver­fahrenskosten zu bezahlen, kann eine Verkürzung der Wohlverhaltensphase auf 5 Jahre er­folgen (www.insoinfo.de, Zugriff: 23.02.2012). Somit kann die wirtschaftliche Freiheit schnel­ler wieder hergestellt werden, allerdings nur, wenn der insolvente Schuldner gewissermaßen solvent ist. Mit der Gesetzesreform soll eine Erleichterung der Insolvenzabwicklung und eine Unterstützung der Unternehmer für einen wirtschaftlichen Neuanfang gewährleistet werden (BMJ, 2012).

2.3 Outplacement - ein Konzept für den sozialverträglichen Weg der Trennung des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer

2.3.1 Ursprünge und Entwicklung in Deutschland

Hinsichtlich der Entstehung und der Entwicklung des Outplacements sind in der Literatur verschiedene Angaben zu finden. Weitestgehend einig ist man sich, dass die Ursprünge in den USA, um Mitte der 40er Jahre liegen (Heinzmann, 2003). Zumeist werden den Inhalten des Programms der dortigen Regierung zur Reintegration der aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehrenden Soldaten in das zivile Arbeitsleben grundlegende Fundamente der heuti­gen Outplacement-Beratung zugesprochen (Rundstedt, 1999; Schulz, Fritz, Schuppert, Sei- wert & Walsh, 1989). Auf diesem Ansatz aufbauend, wurden in den 60ern die Massenentlas­sungen von Standard Oil-(New Jersey) und in der Luftfahrtindustrie erstmals mittels Out­placement bewältigt (Rundstedt, 1999; Schulz et al. 1989). Die USA kann somit als Vorreiter­staat hinsichtlich der Entwicklung des Outplacements als Personaldienstleistung gesehen werden. Erst nach einem Rechtsstreit konnte Fritz Stoebe diese Personaldienstleistung in Deutschland einführen (Stoebe, 1993). Die Vermittlung von Arbeitskräften war damals staat­lich monopolisiert. Die Folge war, dass Outplacement restriktiv als Hilfe zur Selbsthilfe ge­sehen wurde und die direkte Vermittlertätigkeit dem Berater untersagt blieb (Ebd.). Mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz 1994 wurde auf Gewinn gerichtete private Arbeitsvermitt­lung zugelassen. Mit der Einführung des SGB III 1998 wurde durch die Möglichkeit der Be­auftragung privater gewerbsmäßiger Dritter (§ 37 SGB III) die Option der Privatisierung er­weitert. Private Arbeitsvermittler bekamen zwischen 2000 bis 4000 DM pro Vermittlung aus Mitteln des Bundes. Sie erhielten Zugang zum Stellenangebot und Bewerberbestand der Bundesagentur für Arbeit sowie Räumlichkeiten in den Arbeitsämtern (Oschmiansky, 2010). Durch die Reformierung des SGB III erhielt Outplacement in Deutschland somit einen Auf­schwung, in dem es als förderungswürdiges und beschäftigungswirksames Instrument vom Gesetzgeber anerkannt wurde (Hofmann, 2001).

Die grundlegende Veränderung der Arbeitswelt, welche Grundwerte wie Sicherheit, Bestän­digkeit, Loyalität durch Begriffe wie Flexibilität, lebenslanges Lernen, Arbeitsmarktfähigkeit (Employability) ersetzen, führen zu einer Zunahme sogenannter „Patchwork-Biografien" (Sauer, 1991; Kieselbach, 2001; Nadig & Flum, 2008). Die Notwendigkeit und die Verbreitung von Outplacement, als Konzept der Unterstützung der am Wandel aktiv teilnehmenden Per­sonen, sollte somit positiv beeinflusst und weiter vorangebracht werden.

2.3.2 Begriff und Begriffsabgrenzung und Formen des Outplacements

Der Begriff "Outplacement" heißt bei direkter Übersetzung ins Deutsche „Herausplatzie­ren". Die damit verbundene negative Konnotation ist offensichtlich und von vielen Autoren und Beratern ist der Versuch unternommen worden, eine analoge Bezeichnung für diesen Beratungsservice zu finden. Einige analoge Bezeichnungen ohne die Silbe „out" sind zum Beispiel: „Executive Placement", nur „Placement" oder Phrasen wie „Coaching into a new job", „Career Continuation", „Career Counseling" oder „Newplacement" und „Inplace­ment" , um nur einen Teil der kursierenden Begriffe zu nennen (vgl. Hofmann, 2001; von Rundstedt, 2006; Lohaus, 2010). Teilweise stehen die unterschiedlichen Bezeichnungen für die gleichen Inhalte, teilweise verstecken sich abweichende Inhalte hinter den Begriffen (Hofmann, 2001). So integriert ursprünglicher Weise das Outplacement die Beratung des Unternehmens schon vor dem Kündigungsgespräch mit dem Mitarbeiter. Einige neue Va­rianten, zum Beispiel „Newplacement", setzen beim sogenannten Auffanggespräch direkt nach dem Kündigungsgespräch an oder zeichnen sich durch die reine Beratung des Klienten für die berufliche Neuorientierung aus (Lohaus, 2010). Andrzejewski (2008) schlägt eine zweigeteilte Betrachtung des Prozesses vor. Einerseits richtet sich der Fokus auf die Tren­nungsphase und anderseits ist der Neuorientierungsprozess bedeutungsvoll.

Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V. versteht unter Outplacement eine „... in der Regel von Unternehmen finanzierte Dienstleistung für ausscheidende Mitarbeiter, die als professionelle Hilfe zur beruflichen Neuorientierung angeboten wird. Ziel ist der Ab­schluss eines neuen Arbeitsvertrages oder eine Existenzgründung" (BDU e.V., 2008, S. 4).

Von einigen Autoren wird Outplacement als ein Coaching betrachtet, wobei das Ziel vorge­geben ist und die Freiwilligkeit und aktive Mitarbeit des Klienten dabei Voraussetzung sind. Ziel ist es dabei nicht, die erstbeste Stelle, sondern eine ideale Stelle für den Klienten zu fin­den (Nadig & Flum, 2008).

Lohaus (2010) gibt einen ausführlichen Überblick über verschiedene Autoren und deren De­finitionsansätze. Sie unternimmt den Versuch der Kategorisierung, wobei als wesentliches Ziel des Outplacements die berufliche Neuorientierung genannt wird. Hinsichtlich der Ziel­gruppe stimmen die meisten Autoren überein, dass Outplacement für gekündigtes, freizu­setzendes Personal entwickelt wurde (Andrzejewski, 2008; Hofmann, 2001; Nadig & Flum, 2008; von Rundstedt, 2006). Für Sauer (1991) ist die Unternehmung als Gesamtheit mit allen an der Trennungsproblematik beteiligten Personen als Klient anzusehen. Die Finanzierung als eigene Definitionskategorie wird einheitlich dem personalfreisetzenden Arbeitgeber zu­gesprochen, wobei eine Kofinanzierung durch öffentliche Mittel nach § 216 a SGB III möglich ist. Inhaltlich sehen Andrzejewski (2008) und Hofmann (2001) zusätzlich zur Beratung Maß­nahmen zur Qualifizierung der Klienten als wesentliche Komponente des Outplacements. Hofmann konstituiert des Weiteren eine emotionale und sachliche Begleitung des gekündig­ten Mitarbeiters als inhaltlichen Hauptbestandteil. Grundsätzlich ist bei der Einführung von Outplacementaktivitäten immer zu klären, was die Beteiligten darunter verstehen (Hof­mann, 2001).

Nadig & Flum (2008) weisen darauf hin, dass es Klienten schwer fällt, die mit der Kündi­gung im Zusammenhang stehenden Probleme, wie Schwierigkeiten mit Ehepartnern und Familie, finanzielle Engpässe, Suchtprobleme oder psychische Erkrankungen, inhaltlich von der Outplacement-Beratung zu trennen. Häufig werden Outplacement-Berater mit diesen Problemen konfrontiert und sehen die strikte Trennung der Problemstellung und eine Ab- grenzung zu therapeutischen Interventionen als eine ihrer Hauptaufgaben (vgl. Nadig & Flum, 2008).

Als Konzepte werden Einzel- und Gruppenoutplacement angeboten. Einzeloutplacement ist in der Regel Fach- und Führungskräften Vorbehalten und kann zeitlich befristet oder unbef­ristet durchgeführt werden. Die Erfolgsquote der unbefristeten Einzelberatungen liegt laut BDU e.V. bei 95 % und ca. 70 % der betreuten Klienten fanden im Zeitraum zwischen 3 bis 9 Monaten eine neue berufliche Perspektive. Oftmals wird bei zeitlich unbefristeten Beratun­gen eine Wiederaufnahme garantiert, falls das neue Arbeitsverhältnis innerhalb eines be­stimmten Zeitraumes wieder beendet wird (BDU e.V., 2008). Im Gegensatz dazu wird bei der zeitlich befristeten Einzelberatung eine Begleitung bis zur Neubeschäftigung nicht garan­tiert. Hier spielen auch unterschiedliche Inhalte eine wesentliche Rolle, z.B. stehen bei einem 3-Monatsprogramm die Klärung persönlicher Ziele und die Stärken & Schwächen-Analyse im Vordergrund. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kandidat eine neue Stelle findet liegt laut BDU (2008) bei 30 %. Bei einem 6-Monatsprogramm ist meist auch eine Begleitung des Be­werbers während der Bewerbungskampagne integriert. Einen Vorteil der zeitlich limitierten Beratung gegenüber dem zeitlich unbefristeten Outplacement liegt darin, dass Klienten we­sentlich intensiver und aktiver nach einer neuen beruflichen Alternative suchen (Nadig & Flum, 2008).

Gruppenoutplacements werden durchgeführt, wenn mehrere Mitarbeiter gleichzeitig das Unternehmen verlassen müssen. Sie sind am Konzept der Einzelberatung angelehnt, gehen allerdings nicht in der gleichen Tiefe auf die Klienten ein (BDU e.V, 2008). Häufig werden in Phasen von organisatorischer Umstrukturierung und Insolvenz auch Transfergesellschaften gebildet, welche die Leistungen des Gruppenoutplacements für betroffene Arbeitnehmer anbieten (Hofmann, 2001; Lohaus, 2010).

Insgesamt gehen die Experten davon aus, dass die Konjunktur in der Branche der Unter­nehmensberatung auch weiterhin zu einer positiven Entwicklung im Bereich Outplacement beiträgt. Vor allem im Sektor Mittelstand sind wachsende Nachfragen nach dieser Personal­dienstleistung zu verzeichnen (BDU e.V., 2008).

2.3.3 Ursachen

Da Outplacement als Instrument der Personalfreisetzung gesehen wird, lassen sich die Ursa­chen direkt aus den Freisetzungsursachen ableiten. Diese können einmal unternehmensbe­zogen extern oder intern sowie in der Person des Mitarbeiters zu finden sein.

Unternehmensexterne Ursachen liegen häufig in konjunkturellen Schwankungen, aber auch saisonale Abhängigkeit der Unternehmen führt häufig temporär zu einer personellen Uber­kapazität und damit verbundenen Entlassungen (Nadig & Flum, 2008).

Auch gesellschaftliche Faktoren können als Ursache für Outplacement in Betracht kommen. Da Werte und Strukturen sich ständig im Wandel befinden, erfordert dies ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit der Marktteilnehmer (Schulz et al., 1991; BDU e.V., 2008). Im Rahmen des gesellschaftlichen Individualisierungsprozesses werden berufliche Ubergänge immer häufiger durch Phasen von Re- und Umqualifizierung unterbrochen. Die Fähigkeit zur Be­wältigung solcher veränderten Anforderungen in der Arbeitswelt ist oft nicht vorhanden (Kieselbach, 2001; Kieselbach und Beelmann, 2006) und verhindert somit einen angemesse­nen Umgang mit beruflicher Veränderung.

Entscheidungen über Veränderungen im Unternehmen, wie z.B. eine Neuausrichtung der Aufbau- oder Ablauforganisation oder die Einführung eines neuen Führungsstils sowie Ver­änderungen, welche sich auf die Unternehmensgröße und damit auf die Zahl der Mitarbeiter auswirken, können als unternehmensinterne Freisetzungsursachen angesehen werden (Schulz et al., 1991; Sauer, 1991). Nadig und Flum (2008) geben an, dass 95 % der Arbeitneh­mer ihren Job aufgrund von Umstrukturierung verlieren.

Durch Personalabbau sind nicht nur für die betroffenen Mitarbeiter, sondern auch für das Unternehmen materielle und immaterielle Folge wir kungen zu erwarten. Durch Outplace­ment soll eine sozialverträgliche Trennung vom Mitarbeiter realisiert werden und schädi­gende Effekte für das Unternehmen gemindert bzw. verhindert werden (vgl. BDU e.V., 2008).

Falls die Kündigung mitarbeiterbezogene Ursachen hat, ist sie selten unerwartet für die be­troffene Person. Die Arbeit wird meist schon über einen längeren Zeitverlauf als nicht zu­friedenstellend wahrgenommen. So kann die Freisetzung auch als Befreiung aus dieser Si­tuation gesehen werden (Nadig & Flum, 2008). Allerdings ist dieser Blick auf die Verände- rung selten der Fall. Oftmals hat der Arbeitsplatzverlust ausschließlich negative Folgewir­kungen, auf welche im nächsten Abschnitt näher eingegangen werden soll.

2.3.4 Bedeutung von Erwerbstätigkeit und Folgen des

Arbeitsplatzverlustes

Arbeit gilt als zentraler Bestandteil des Lebens (Rosenstiel, 2006), wobei der Arbeitende seine Kompetenzen anwendet, Qualifikationen erhält oder ausbauen kann (Ulich, 2005). Arbeit trägt in hohem Maße zur Bildung der persönlichen Identität bei (Sauer, 1991), wobei die Per­sönlichkeitsentwicklung ein wichtiges Ziel darstellt (Lang- von Wins, Mohr & Rosenstiel, 2004). Die wichtigste Funktion ist die Existenzsicherung, aber auch die Zusammenarbeit und der Austausch mit anderen führt zu einer Befriedigung der sozialen Bedürfnisse (Rosenstiel, 2006). Persönliche und leistungsbezogene Anerkennungen erfüllen das Verlangen nach Sta­tus und Prestige (Bergmann, 2004). Eine weitere wichtige Funktion ist die Zeitstrukturierung und Abwechslung (Schmook, 2006). Die psychischen Funktionen, welche in der Arbeit ge­bündelt erfüllt werden, sind nicht durch andere gesellschaftliche Aktivitäten ersetzbar (Kie­selbach & Beelmann, 2006). Da die Arbeit und berufliche Leistungen Faktoren wie Geld, Sta­tus und Privilegien bestimmen, haben sie immer noch ein starkes Ausmaß auf den Wert ei­ner Person in der Gesellschaft (Nadig & Flum, 2008), welcher beim Verlust des Arbeitsplat­zes bedroht wird. Generell wird der Verlust des Arbeitsplatzes als traumatisches Ereignis beschrieben (vgl. Mayrhofer, 1989; vgl. Sauer, 1991; vgl. Nadig & Flum, 2008). Die intraper­sonellen Mechanismen werden dabei vorwiegend stresstheoretisch erklärt (vgl. Kieselbach, 2001; vgl. Lang- von Wins et al., 2004; vgl. Mohr & Otto, 2007). Vor allem die Diskrepanz zwischen Erwartungen, dem Selbstbild und der Realität führen zum inneren Konflikt (Schulz et al., 1991). Die Kündigung wird daher von den meisten Betroffenen selten sachlich, sondern hauptsächlich emotional verarbeitet. Häufig führt die empfundene Bedrohung der persönlichen Identität zu starken emotionalen Reaktionen, wie Schock, Wut, Zorn und Dep­ression. Diese Reaktionen gehören zu einer aktiven Verarbeitung der Situation und können mehrmals wiederkehren, meist bis eine neue, geänderte Identität akzeptiert und gefestigt ist (Sauer, 1991; Schulz et al., 1991). Häufig wird für die Erklärung der ablaufenden psychischen Prozesse auf das Modell der Trauerverarbeitung nach Kübler- Ross zurückgegriffen (2006, vgl. Lohaus, 2010). Nadig und Flum (2008) geben verschiedene Gründe für die emotionale Verarbeitung an, beispielsweise die Arbeitsmarktsituation insgesamt. Bei hohen, tendenziell steigenden Arbeitslosenzahlen empfindet der Einzelne den Arbeitsplatzverlust als weniger bedrohlich und deklariert ihn weniger als persönliches Versagen. Weitere Faktoren, welche auf die Bewertung der eigenen Arbeitslosigkeit Einfluss nehmen, sind individueller Natur, z.B. finanzielle Verpflichtungen, Alter, Ausbildung, Anzahl und Art der Arbeitsgeber, Rück­halt durch Partner und Gesundheitszustand (vgl. auch Schmook, 2006). Indirekte Effekte der Arbeitslosigkeit auf Familienangehörige sind in Deutschland wenig untersucht, allerdings zeigen Studienergebnisse aus anderen Ländern, dass vor allem Kinder erheblich mit betrof­fen sind. Der familiäre Stress führt bei den Angehörigen zu ähnlichen Symptomen wie beim Erwerbslosen selbst (Kieselbach & Beelmann, 2006). Kinder, die von den finanziellen Ein­schränkungen durch die Arbeitslosigkeit stark betroffen waren, zeigten ein geringeres Selbstwertgefühl, waren depressiver, weniger gesellig und weniger fähig mit belastenden Situationen umzugehen.

Zwar sind in Deutschland, dank der sozialen Sicherungen, wie z.B. durch Hartz IV, die Exis­tenzen im Minimum abgesichert, aber eine Führungskraft der mittleren oder oberen Ebene, mit einem sehr guten Verdienst, hat meist höhere Fixkosten als ein „normaler" Angestellter. Oft werden diese nicht im Ansatz durch Hartz IV gedeckt (Nadig & Flum, 2008).

Paul und Moser (2001) führten eine Metaanalyse zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen psychischen Wohlbefinden und Arbeitslosigkeit durch, wobei die Teilnehmer der eingehenden Untersuchungen von Massenentlassungen und Fabrikschließungen betroffen waren. Ihrer Analyse zeigen ein geringeres Selbstwertgefühl und weniger Lebenszufrieden­heit bei Arbeitslosen, als bei Erwerbstätigen. Auch war das Vorhandensein von Angst ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal beider Gruppen. Vor allem bei dem Wechsel von Erwerbstätigkeit in die Arbeitslosigkeit konnte eine Verschlechterung des psychischen Wohlbefindens mit oben genannten Faktoren festgestellt werden. Speziell die Zunahme von psychischen Symptomen (Depressionssymptome, Angstsymptome) und die Verringerung des Selbstwertes waren signifikant. Beim Übergang der Teilnehmer von der Arbeitslosigkeit in die Erwerbstätigkeit konnte das Gegenteil festgestellt werden. Somit ergibt sich ein kausa­ler Zusammenhang zwischen Erwerbstätigkeit und psychischen Wohlbefinden.

Nachgewiesene psychosoziale Folgen von Arbeitslosigkeit, wie Depressivität, Angstsymp­tome, Schlaflosigkeit und Konzentrationsstörungen, können bei längerer Arbeitslosigkeit auch körperliche Beeinträchtigungen zur Folge haben (Catalano, 1993). Vor allem die Ein­nahme von Schlaf- und Beruhigungsmitteln in der akuten Phase verschlimmert die Proble­matik und führt den weiteren Faktor der Suchtgefahr ein (Schulz et al., 1991; Nadig & Flum, 2008). In Abbildung 1 sind in Anlehnung an Hofmann & Theymann (2002) mögliche negati­ve Folgewirkungen für den von der Entlassung betroffenen Mitarbeiter aufgezeigt. Dabei lassen sich bestimmte Konsequenzen, wie z.B. Einkommensverluste, Schwierigkeiten bei der zeitlichen Strukturierung des Tages, Verlust des beruflichen Status oder Veränderung des Familienlebens, direkt aus der Entlassung ableiten. Kieselbach (2001, Kieselbach & Beel­mann, 2006) bezeichnet dies als „primäre Viktimisierung" der Arbeitslosigkeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Meist sind jedoch die einzelnen Konsequenzen nicht direkt aus der Situation der Erwerbslo­sigkeit ableitbar. Oft haben direkte Folgen, wie z.B. finanzielle Einbußen, weitere Kaskaden­effekte, z.B. Rückgang an Freizeit- und gesellschaftlichen Aktivitäten, was wiederum zum Verlust sozialer Kontakte führt (Lang- von Wins et al., 2004). Auch Zukunftsunsicherheit und soziale Stigmatisierung wirken sich verstärkend auf die Belastung aus und führen nach Kieselbach (2001, Kieselbach & Beelmann, 2006) zur „sekundären Viktimisierung". Vor allem gesellschaftliche Vorurteile und Diskriminierung gegenüber Arbeitslosen fördern den sozia­len Rückzug und damit verbundene Kontaktschwierigkeiten (Schulz et al., 1991).

Die aufgezeigte Problematik wirkt sich vor allem auf eine berufliche Neuorientierung nega­tiv aus. Beispielsweise kann ein Rückgang an sozialen Kontakten das Netzwerk, welches genutzt werden könnte, um eine neue Anstellung zu finden, stark reduzieren (Sauer, 1991). Auch veränderte familiäre Rollenmuster stellen die Beteiligten vor eine große Herausforde­rung und führen häufig zu Problemen. Die dabei notwendige familiäre Unterstützung steht dann nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr zu Verfügung. Da die Partnerschaft oder Familie als ein weiterer wichtiger Bereich des Lebens gilt, können sich derartige belastende Probleme als weiteres Hindernis für eine intensive berufliche Neuorientierung auswirken (Sauer, 1991).

Weiterhin leisten eine hohe Selbstwirksamkeit oder das Gefühl eine Situation bewältigen zu können, einen enormen Beitrag für den konstruktiven Umgang mit derartigen Belastungen, wie die eigene Arbeitslosigkeit (Kieselbach und Beelmann, 2006). Wichtig ist daher, dass die von der Kündigung betroffene Person relativ schnell zu einer konstanten psychischen Stabi­lität findet (Schulz et al., 1991).

Die Ursachen und die Folgewirkungen der Erwerbslosigkeit zeigen einen Bedarf an Unters­tützung bei beruflichen Übergängen, einmal um den Schock der Arbeitslosigkeit angemessen zu verarbeiten und die Neuorientierung auf dem Arbeitsmarkt zu erleichtern (Kieselbach und Beelmann, 2006).

2.3.5 Ziele des Outplacement

Mit dem Outplacement wird eine Vielzahl von Zielen für die freisetzenden Unternehmen und für die Mitarbeiter verfolgt. Der Nutzen der Beratung für die Unternehmen liegt vor allem in der Vereinfachung der Trennung. Häufig sprechen die Autoren von einer Vermei­dung der indirekten Kosten, wie Imageverlust bei Kunden, Bewerbern und Geschäftspart­nern (Hofmann & Theymann, 2002). Im Wesentlichen liegt der Nutzen für die Unternehmen in der Vermeidung der negativen Folgewirkungen.

[...]

Fin de l'extrait de 162 pages

Résumé des informations

Titre
Der Unternehmer in der Insolvenz: Eine erste explorative Studie
Université
Dresden Technical University  (Arbeits-/Organisationspsychologie & Sozialpsychologie)
Note
1,3
Auteur
Année
2012
Pages
162
N° de catalogue
V194163
ISBN (ebook)
9783656195665
ISBN (Livre)
9783656197157
Taille d'un fichier
1603 KB
Langue
allemand
Annotations
In dieser Studie wurden erstmalig die Auswirkungen und psychischen Belastungen einer Insolvenz für die Unternehmer in den Fokus gestellt.
Mots clés
Insolvenz, Entrepreneurship, Insolvenzberatung
Citation du texte
Ramona Hoffiller (Auteur), 2012, Der Unternehmer in der Insolvenz: Eine erste explorative Studie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/194163

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