Qualitative Untersuchung zu den Lebensverhältnissen von Afrikanerinnen und Afrikanern südlich der Sahara in Bayern / Süddeutschland

Eine explorative Studie


Diploma Thesis, 2009

312 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Darstellungsverzeichnis

Abkurzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen
2.1 Ausgangssituation
2.2 Statistische Daten
2.3 Fragestellungen und Hypothesen

3 Begriffsbestimmungen
3.1 Rassismus
3.2 Parallelgesellschaft
3.3 Integration
3.4 Afrikaner, Schwarze, Afros, Afro-Deutsche,
Schwarze Deutsche usw.?
3.5 Afro-Shops

4 Forschungsstand
4.1 Historische Untersuchungen
4.2 Studien bzw. Untersuchungen uber afrikanische
Studierende in Deutschland
4.3 Untersuchungen zu binationalen Beziehungen
4.4 Qualitative und quantitative Untersuchungen
zu unterschiedlichen Lebensbereichen
4.4.1 „Black European Studies"
4.4.2 „Afrikanische Diaspora in Deutschland"
4.4.3 „Afrika in Frankfurt"
4.4.4 „Deutschland vereint - wie ist die Situation
der Schwarzafrikaner im vereinten Berlin?"
4.4.5 „Schwarze Deutsche. Lebensrealitat und Probleme
einer wenig beachteten Minderheit"
4.5 Erfahrungsberichte und (autobiographische) Romane

5 Methodenwahl, Beschreibung der Methoden
und Vorgehensweise
5.1 Methodenwahl
5.2 Auswahl der Interviewpartner und Interviewpartnerinnen
5.3 Befragungssituation
5.4 Vorgehensweise bei der Auswertung

6 Sozio-demographische Daten und Einzelportraits
6.1 Sozio-demographische Merkmale der Befragten
6.2 Einzelportraits
6.2.1 Erstes Interview - CJ
6.2.2 Zweites Interview - Mike
6.2.3 Drittes Interview - Christian
6.2.4 Viertes Interview - Lee
6.2.5 Funftes Interview - Jennifer
6.2.6 Sechstes Interview - Malik
6.2.7 Siebtes Interview - Ben
6.2.8 Achtes Interview - Joao
6.2.9 Neuntes Interview - Jean
6.2.10 Zehntes Interview - Kleptus
6.2.11 Elftes Interview - Nousaiba
6.2.12 Zwolftes Interview - Suger
6.2.13 Dreizehntes Interview - „Stra6enbauer"
6.2.14 Vierzehntes Interview - „Alleinerziehender"
6.2.15 Funfzehntes Interview - „Hip Hopper"

7 Ergebnisse
7.1 Rassismuserfahrungen
7.1.1 Rassismus/ Benachteiligung im alltaglichen Leben
7.1.2 Rassismus/ Benachteiligung bei Behorden
7.1.3 Rassismus/ Benachteiligung bei bzw. durch Polizeikontrollen ..
7.1.4 Rassismus/ Benachteiligung im Job oder bei
der Arbeitsplatzsuche
7.2 Tendenz zu parallelgesellschaftlichen Strukturen?
7.3 AuBerungen zu den Beziehungen zwischen Europa
und Afrika bzw. Deutschland und dem Herkunftsland
7.4 Offene Abschlussfrage

8 Fazit

Literatur

Anhang A: Fragebogen

Anhang B: Flyer

Anhang C: Interviewleitfaden

Anhang D: Transkripte

Darstellungsverzeichnis

Darstellung 2-1: Wanderungen von Auslandern in Bayern, 2007

Darstellung 2-2: Anzahl und Anteil der auslandischen Bevolkerung

in Bayern, 1983 - 2007 (Stichtag jeweils 31.12.)

Darstellung 2-3: Anzahl und Anteil der afrikanischen Bevolkerung

in Bayern, 31.12.2007 im Vergleich zum 31.12.2003

Darstellung 2-4: Anzahl und Anteil von Afrikanern und Afrikanerinnen

(Herkunft: sudlich der Sahara) in Bayern, 31.12.2007

Darstellung 2-5: Auslandische Bevolkerung in Bayern nach der

Aufenthaltsdauer, 31.12.2007

Darstellung 6-1: Codeplan zur Datenmatrix

Darstellung 6-2: Datenmatrix

Darstellung 6-3: Regionale Verteilung der Interviewpartner nach

dem Wohnort

Darstellung 6-4: Regionale Verteilung der Interviewpartner nach

der ursprunglichen Herkunft

Darstellungsverzeichnis

Abkurzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Die deutsche Auslander- und Einwanderungsdebatte handelt hauptsachlich von zu schlecht integrierten, zu schlecht qualifizierten und zu unangepassten Auslandern. In dieser Arbeit soll nun die Sicht der Auslander selbst darge- stellt werden. Da die turkischen Einwanderer den groBten Anteil aller Auslan­der in Deutschland darstellen, gibt es zahlreiche Veroffentlichungen[1] und Untersuchungen zu dieser Bevolkerungsgruppe. Auch die Auslander aus der Europaischen Union standen und stehen immer wieder im Mittelpunkt zahl- reicher Publikationen. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht eine zwar kleine auslandische Bevolkerungsgruppe, welche aber durch ihr auffalliges AuBeres verstarkt wahrgenommen wird. Auslander deren Herkunft das Afrika sudlich der Sahara ist, werden hier untersucht. Im Zentrum dieser Untersuchung stehen also Schwarze[2] Menschen aus Afrika.

„Bei der Beschaftigung mit der Lebenssituation von Menschen auslandischer Herkunft besteht die Gefahr, daB Vorurteile, Klischees und Mythen bemuht und reproduziert werden. Diese Gefahr kann geringgehalten werden, wenn nicht uber diese Menschen, sondern fur und mit diese(n) Menschen gespro- chen wird. „Sprechen fur" heiBt, daB die Beschaftigung mit der Lebenssitua­tion Anderer Deutscher zu einer Verbesserung ihrer Lebenssituation beitra- gen soll, und zwar durch die Starkung von Selbstbewusstsein, Reflexion von Kompetenzen und Ressourcen einerseits, andererseits durch Anregung zur Entwicklung eines gesellschaftlichen BewuBtseins fur die Situation Anderer Deutscher."[3] Dieser Aufruf von Paul Mecheril und Thomas Teo kann als ein Leitmotiv fur die Anfertigung dieser qualitativen Forschungsarbeit gelten.

Verfolgt man die Meldungen in der Presse, welche Menschen aus Afrika oder die Situation in Afrika zum Thema haben, so wird deutlich, dass es sich hier selten um Erfolgsmeldungen handelt. Und uber Menschen aus Afrika, die ihren Lebensmittelpunkt nach Deutschland verlagert haben, wird i.d.R. zumeist nur berichtet, wenn diese korperlich angegriffen wurden. So meldete z.B. die Frankfurter Rundschau in ihrer Onlineausgabe vom 27.12.2008, dass die Delikte mit rechtsextremem Hintergrund im Jahr 2008 (bis Ende Oktober) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 30% angestiegen sind.[4]

Spatestens seit dem Prasidentschaftswahlkampf in den USA ruckte das The­ma Hautfarbe auf die Agenda der Medien. Breit wurde diskutiert, ob Barack Obama schwarz genug sei und welche Auswirkungen die Hautfarbe auf die Wahl haben wird.[5] Die Hautfarbe symbolisierte eine unberechenbare GroBe bei den Wahlvorhersagen.[6] In den USA ist dies eine vergleichsweise alte Diskussion. Aber wie sieht die Lage der afrikanischen Einwanderer in Deutschland aus?

„Als es kurze Zeit nach der Vereinigung Deutschlands zu vermehrten massiven rassistischen Ubergriffen kam, begannen sich kritische Medien, So- zialwissenschaftlerlnnen, PolitikerInnen, PadagogInnen und PsychologInnen verstarkt mit demThema' zu beschaftigen. In der folge finden wir dazu eine Anhaufung von Veroffentlichungen. Es war auch die Hoch-Zeit antirassis- tischer Trainings und Projekte. Heute ist es stiller geworden um denRassis- mus', dies auch, weil Konzepte wie das derinterkulturellen Padagogik' undinterkulturellen Kompetenz' - die sich groBer Beliebtheit erfreuen - suggerie- ren, dass soziale Ungleichheit und Gewalt gegenuber Menschen, die nicht als ,deutsch' wahrgenommen werden, Effekt kultureller Missverstandnisse sei, die nur am Rande mit Rassismus und Kolonialismus etwas zu tun hatten."[7]

Durch den Mangel an Forschungen, die Schwarze Menschen zum Gegenstand haben, wird eine Notwendigkeit dieser Untersuchung deutlich. Diese Diplomarbeit soll als explorative Studie zum Thema Lebensbedingungen von Afrikanern und Afrikanerinnen in Suddeutschland verstanden werden. Sie erhebt nicht den Anspruch, dieses Themengebiet vollstandig abgedeckt zu haben. Durch diese Arbeit soll auch gezeigt werden, dass sich afrikanische Einwanderer hier in Deutschland fort bewegen konnen, ohne auf die hiesigen Infrastrukturen angewiesen zu sein. Zudem sollen die Erfahrungen mit Rassismus, deren AusmaB und Haufigkeit untersucht werden. Die Sicht soll auf die Schwierigkeiten gelenkt werden, die sich aus Herkunft und Hautfarbe im Leben der Afrikaner ergeben.

Die Ausgangssituation, die statistisch wichtigen Daten sowie die Fragestellun- gen und Hypothesen bilden die Grundlagen und werden eingangs beleuchtet und vorgestellt (Kapitel 2). Daran anschlieBend werden wichtige Begriffe, wie z.B. Rassismus, Parallelgesellschaft und Integration, kritisch diskutiert und im Rahmen dieser Arbeit definiert (Kapitel 3). Der Forschungsstand zum Thema Afrikanerinnen und Afrikaner in Deutschland wird dann uberblicksartig vorgestellt, um einen Eindruck der Debatten und bislang vorliegenden Ergebnisse zu gewinnen (Kapitel 4). Im Folgenden werden die methodischen Instrumente sowie die Vorgehensweise der Untersuchung dargelegt (Kapitel 5). In den beiden anschlieBenden Kapiteln werden die erhobenen Daten ausgewertet und die Resultate vorgestellt (Kapitel 6 und 7). Es werden Ein- zelportraits der Interviewten, die wichtigsten sozio-demogaphischen Daten der Gesprachspartner und die Ergebnisse der Leitfadengesprache dargelegt. Die Originalzitate meiner Gesprachspartner sind dabei in kursiver Schreib- weise dargestellt. AbschlieBend wird ein Fazit gezogen und die zuvor aufge- worfenen Fragen beantwortet (Kapitel 8).

2 Grundlagen

2.1 Ausgangssituation

Trotz des seit Mitte der 90er Jahre nahezu konstanten Auslanderanteils von 9%[8] - gemessen an der Gesamtbevolkerung - sieht sich Deutschland nicht als Einwanderungsland. Da Deutschland sehr von der Gastarbeiter-Perspekti- ve gepragt ist, werden sogar Einwanderer die schon sehr lange, teilweise uber Generationen hinweg, in Deutschland leben oder inzwischen schon die deutsche Staatsangehongkeit besitzen, als Auslander bezeichnet. Dies ge- schieht sowohl in der Gesellschaft, als auch auf den Ebenen der Politik und in amtlichen Statistiken.[9] VerschlieBt man jedoch die Augen vor der Realitat, so schurt man evtl. auch Fremdenfeindlichkeit. Yves Ekoue Amaizo merkt hierzu kritisch an, dass wenn Menschen anderer regionaler oder kultureller Herkunft in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt haben, dass es vorkommen kann, dass in Zeiten wirtschaftlicher Engpasse, Forderungen aus dem Rechten Lager oder der Bevolkerung laut werden, die „Auslander" doch heim zu schicken.[10] Doch wo ist „Daheim" fur diese Menschen, das Land, das sie teilweise freiwillig, teilweise unfreiwillig verlassen haben oder das Land in dem sie nun z.T. seit uber 30 Jahren leben?[11]

Einige Studien, die sich mit Afrikanerinnen und Afrikaner in Deutschland beschaftigen, untersuchen meist die Gruppe der Studierenden. Dies liegt wohl auch daran, dass es sich bei zahlreichen Studien um Abschlussarbeiten und Dissertationen handelt. Bei der Gruppe der Studenten muss allerdings davon ausgegangen werden, dass sich diese vorwiegend nur fur einen bestimmten Zeitraum (den des Studiums oder des Auslandssemesters) hier in Deutschland aufhalten.[12] Diese Vermutung wurde auch bei dieser Untersuchung bestatigt. Im Interview Nr. 3 (siehe Anhang D) schildert der Befragte nur wegen der guten Ausbildung in Deutschland zu sein und nach Beendigung dieser wieder in sein Herkunftsland zuruckzukehren. Aus diesem Grund liegt der Fokus dieser Untersuchung nicht primar auf Studentinnen und Studenten.

2.2 Statistische Daten

Der Auslanderanteil in Deutschland liegt, wie oben schon dargelegt, seit dem Jahr 1995 nahezu konstant bei ca. 9%.[13] Bayern wies im Jahr 2007 einen Anteil von 9,5% auf.[14] Das bedeutet, dass 16% aller in Deutschland lebenden Auslander ihren Lebensmittelpunkt in Bayern haben, nur in Baden- Wurttemberg und in Nordrhein-Westfalen leben mehr Auslander.[15] Die Wanderungen von und nach Deutschland/ Bayern sind entscheidend fur die Bevolkerungsentwicklung. In Bayern wandern jahrlich ca. 100.000 Auslander zu.[16] In der Darstellung 2-1 werden die Wanderungen nach den Herkunfts- sowie Zielgebieten dargestellt. Der afrikanische Kontinent erreichte im Jahr 2007[17] ein absolutes Wanderungsplus von 741 Zuwanderern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Darstellung 2-2 kann die Entwicklung der absoluten Zahlen und Anteile der auslandischen Bevolkerung in Bayern entnommen werden (nach Daten der Bevolkerunasfortschreibuna). Im Jahr 2007 erreichten die Anzahl und der Anteil der auslandischen Bevolkerung den Hochststand in Bayern. Obwohl sich die Zahlen seit 1993 nur noch marginal anderten, muss davon ausge- gangen werden, dass die Anteile der auslandischen Bevolkerung in Zukunft wachsen oder zumindest konstant bleiben (wie die letzten 15 Jahre zeigen), wovon allerdings eher nicht ausgegangen werden kann. Das Anwachsen der auslandischen Bevolkerung, welches sehr wahrscheinlich stattfinden wird, geht zuruck auf weitere Zuwanderung, hohere Geburtenraten der aus­landischen Frauen und dem Schrumpfen der deutschen Bevolkerung.[18] Vor diesem Hintergrund ist und bleibt es wichtig, die Entwicklung dieser Zahlen zu beobachten und die Situation der Auslander zu untersuchen.

Darstellung 2-2: Anzahl und Anteil der auslandischen Bevolkerung in Bayern, 1983 - 2007 (Stichtag jeweils 31.12.)[19]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Bayerischen Landesamts fur Statistik und Datenverarbeitung, 2008

Die nachfolgende Darstellung (2-3) zeigt die Anzahl und den Anteil der aus­landischen Bevolkerung mit afrikanischer Staatsangehorigkeit in Bayern zum Stand 31.12.2007 im Vergleich zum 31.12.2003 (nach Daten des Auslander- zentralregisters). Im Zeitverlauf von 2003 bis 2007 wird deutlich, dass sich die Summen und Anteile der Afrikaner in Bayern nur marginal anderten. Es werden sowohl die Staaten nordlich als auch sudlich der Sahara ausgewiesen. Die hohen Anteile der Auslander aus maghrebinischen Staaten resultieren aus der Anwerbung von Arbeitskraften in den 1960er Jahren.[20] Allerdings sind Menschen dieser Staaten nicht Gegenstand dieser Untersuchung (siehe weiter unten).

Der Anteil der Afrikaner und Afrikanerinnen aus den Staaten sudlich der Sahara betrug Ende 2007 1,7% (vgl. Darstellung 2-3; Summe der nicht-
kursiven Werte)[21]. Dies ist zwar ein relativ kleiner Anteil (gemessen an der bayerischen Gesamtbevolkerung), jedoch wird hier unterstellt, dass diese Bevolkerungsgruppe durch ihr auffalliges AuBeres des Ofteren Ziel rassistischer Angriffe wird.

Darstellung 2-3: Anzahl und Anteil der afrikanischen Bevolkerung in Bayern,
31.12.2007 im Vergleich zum 31.12.2003[22]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Bayerischen Landesamts fur Statistik und Datenverarbeitung, 2008

In der Darstellung 2-4 werden die bevolkerungsstarksten Gruppen der afrika- nischen Auslanderinnen und Auslander in Bayern ausgewiesen (nach Daten des Auslanderzentralregisters). Vor allem Menschen aus Togo, Nigeria und Athiopien leben in Bayern. Diese Lander weisen absolute Zahlen von uber 2.000 Einwanderern aus. Insgesamt leben 17.946 Menschen in Bayern, die ursprunglich aus Landern sudlich der Sahara stammen. Rund 67% aller Afrikanerinnen und Afrikaner in Bayern stammen somit aus Landern sudlich der Sahara.

Darstellung 2-4: Anzahl und Anteil von Afrikanerinnen und Afrikanern (Herkunft: sudlich der Sahara) in Bayern, 31.12.2007[24]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Bayerischen Landesamts fur Statistik und Datenverarbeitung, 2008

Die Darstellung 2-5 gibt Auskunft uber die Aufenthaltsdauer aller Auslan- derinnen und Auslander in Bayern (zum 31.07.2007, nach Daten des Auslanderzentralregisters). Uber 64% aller Auslander in Bayern leben schon zehn Jahre und langer hier. Ein gutes Funftel der Auslander lebt 30 Jahre und langer in Bayern. Diese Darstellung macht deutlich, dass der GroBteil der in Bayern lebenden Auslander wohl nicht wieder in ihre „Heimat"/ ihr Herkunftsland zuruckkehren wird. Es wird unterstellt, dass die Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt schon weit uber zehn Jahre in Bayern haben, diesen auch nicht oder nur geringfügig wieder in ihr Herkunftsland verlagern werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung 2-5: Auslandische Bevolkerung in Bayern nach der Aufenthaltsdauer, 31.12.2007[25]

Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Bayerischen Landesamtes fur Statistik und Datenverarbeitung, 2008

2.3 Fragestellungen und Hypothesen

Das hier zu untersuchende Themenfeld mit dem Titel „Lebensbedingungen von Afrikanerinnen und Afrikanern sudlich der Sahara in Bayern/ Suddeutsch- land - Eine explorative Studie" lag zunachst nicht klar auf der Hand als ein wichtiges zu untersuchendes Feld. Es ist viel mehr - wie in vielen Fallen - ein personliches Forschungsinteresse der Forscherin.[26] Durch personliche Erleb- nisse (haufigere Polizeikontrollen in Begleitung von Afrikanern, Miterleben von Schwierigkeiten einen Arbeitsplatz zu finden usw.) wurde das grobe Forschungsthema „Afrikanerinnen und Afrikaner in Deutschland" gefunden.

Trotz der - wie weiter unten noch gezeigt werden wird - Neuartigkeit des Themas, gibt es einige Hypothesen und Grundannahmen, die dieser Untersu-chung zugrunde liegen. Das Prinzip der Offenheit widerspricht eigentlich der Hypothesenbilduna, dennoch wurden und werden hier Fragen und Hypothesen vorgestellt, um das Thema in eine bestimmte Richtung zu lenken und zu strukturieren.[27]

Um die Lebensbedingen zu untersuchen, wurden unterschiedliche Fragen vorab formuliert. Es geht nicht darum alle Lebensbedingungen und Determi- nanten, die auf die Zielgruppe einwirken, zu untersuchen. Das Hauptaugen- merk wurde auf Rassismus in verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen - latent oder offenkundig - in unterschiedlichen Lebensbereichen gelegt. Doch neben Rassismus spielen auch die Integration^sfahigkeit) der Befragten und die Nutzung unterschiedlicher Einrichtungen des alltaglichen Lebens eine wichtige Rolle. Alle diese genannten Indikatoren lassen sich in Relation zu einander setzen und es lassen sich eventuell Beziehungen oder Korrelationen untereinander feststellen.

Wichtige Lebensbereiche die untersucht werden sollten sind:

- das offentliche Leben (Einkaufen, StraBenbahnfahrten, Polizeikontrollen),
- die Arbeitsplatzsuche (mit Anerkennung der Schulabschlusse und der eventuell absolvierten Ausbildung),
- („gefuhlte") Chancengleichheit,
- Probleme bei Behordengangen,
- allgemeine Rassismuserfahrungen,
- Sprachprobleme,
- Integrationsgrad,
- Familienzusammenhalt,
- Aufenthaltsstatus und
- die Beziehung zu Deutschland.

Einige Fragen, die mit Hilfe dieser Untersuchung beantwortet werden sollen, sind:

- Gab es Hoffnungen, die mit dem Auswandern nach Deutschland erfullt werden sollten? Welche Motivationen fuhrten dazu nach Deutschland zu kommen und das Herkunftsland zu verlassen?

- Wie sehen die Lebensbedingungen von Afrikanerinnen und Afrikaner in Deutschland konkret aus? Fuhlen sich die Befragten angenommen/ integriert?
- Sind Afrikanerinnen und Afrikaner integriert? Falls Afrikanerinnen und Afrikaner schlecht integriert sind, woran liegt das? Welche Einrichtungen des alltaglichen Bedarfs werden hauptsachlich genutzt? Werden Parallelgesellschaften gebildet?
- Wie erleben Afrikanerinnen und Afrikaner die Kontrollen der Polizei?
- Haben die Befragten Erfahrungen mit Rassismus?

Diese und weitere Fragen sollen mit der vorliegenden Untersuchung geklart werden. Dafur wurden ein Leitfadeninterview (siehe Anhang C) und ein Interviewbogen (siehe Anhang C) entwickelt. Zur genauen Gliederung und Vorgehensweise der Erhebungsinstrumente siehe Kapitel 5.

Hypothesen die hier zu Grunde gelegt werden, sind unter anderem:

- die (eventuelle) Bildung von Parallelgesellschaften,
- Schwierigkeiten bei Behordengangen und im offentlichen Leben,
- vermehrter Kontakt mit der Polizei durch auffalligeres Aussehen als „Wei6e",
- Integrationsschwieriakeiten auf Grund von Herkunft und Hautfarbe aber auch durch erhebliche Sprachprobleme (moglicherweise hervor- gerufen durch uberwiegenden Kontakt mit Landsleuten),
- haufige Erfahrungen mit Rassismus und Vorurteilen.

3 Begriffsbestimmungen

3.1 Rassismus

Der Beginn einer rassistischen Haltung von Europa bzw. Deutschland gegenuber Afrika geht einher mit der Kolonisationszeit. Um die Kolonisation und den Sklavenhandel zu rechtfertigen, musste Afrika zuerst „entwertet" werden, wie z.B. Susan Arndt anmerkte.[28] Dies wurde mit einer zum Teil neu entwickelten Sprache/ Begrifflichkeit (z.B. den Neologismen „Hottentotten", „Hauptling") als auch uber die Verwendung vorhandener, aber abwertender Begriffe (z.B. „Bastard", „Stamm") realisiert. Wichtig bei der Herabsetzung der Wertigkeit von Afrika mit seinen Bewohnern war auch stets der Bezug zur Natur. So waren die „Schwarzen" immer das Bindeglied zwischen „Wei6en" und den Tieren.[29] Breite Unterstutzung fanden die Kolonialherren unter den Intellektuellen und Philosophen. David Hume, Immanuel Kant und Georg Friedrich Wilhelm Hegel propagierten regelrecht die Unterlegenheit der „Schwarzen" gegenuber den „Wei6en". Dem afrikanischen Kontinent, inklusive allen Bewohnern („Einheimischen"), wurde jede Entwicklungsfahig- keit abgesprochen.[30]

Diese lange geschichtliche Tradition der Abwertung Afrikas ist auch heute noch zu spuren. In den Medien beherrschen Bilder von halb nackten, ausge- mergelten, zum Teil kranken Mannern und Frauen, mit ihren zahlreichen Kin- dern, in ihren sparlichen Behausungen, die Berichterstattung. Immer wieder werden auf die Armut, die Trockenheit (Wusten), die Ernteausfalle und die neuen AIDS-/HIV-Ansteckungen aufmerksam gemacht. Es gibt kaum Erfolgs- meldungen, kaum erfolgreiche afrikanische Konzepte, uber die berichtet wer- den. Auch die - wenn auch vergleichsweise sehr kurze - deutsche Kolonisa- tionszeit wurde in Deutschland noch nicht aufgearbeitet und alte Vorurteile halten sich bis heute. So ist es nicht verwunderlich, dass Afrikaner mit Uni- versitatsabschluss in Deutschland nur als Reinigungskraft oder in der Gastro- nomie (naturlich als Spulkraft oder Kuchenhilfe) tatig ist.[31] Menschen mit afri- kanischer Abstammung bekommen diese Vorurteile stark zu spuren - wie spater die Auswertung der Interviews zeigen wird.

„Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsach- licher oder fiktiver Unterschiede zum Vorteil des Anklagers und zum Nachteil seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfer- tigt werden sollen."[32] Mit Hilfe dieser Definition von Albert Memmi lasst sich das Verhalten von Rassisten und deren Motivationen dahinter erklaren und deuten. Ein Rassist versucht mit Hilfe von „sichtbar und fuhlbar" gemachten Abweichungen egal welcher Art („tatsachliche oder fiktive Unterschiede"), gleichgultig, ob diese gerechtfertigt und vorhanden oder nicht gerechtfertigt und nicht vorhanden sind, seine Position zu Verbessern und seine Macht aus- zuweiten.[33] Durch die (biologischen) Unterschiede werden auch unterschied- liche Wertigkeiten der Rassen suggeriert. So werden der eigenen Rasse nutz- liche und gute Fahigkeiten und Eigenschaften zugeschrieben, wahrend der Rasse, der man feindlich gegenuber steht, schlechte korperliche wie auch geistige Fahigkeiten und Eigenschaften zugeschrieben werden. Der Unter- schied der Rassen wird mit der Rassenreinheit begrundet. So werden die „reinen" Rassen den anderen „Unreinen" als uberlegen bezeichnet.[34] Wobei nicht immer nur der Rassenunterschied oder der biologische Unterschied zur Abgrenzung herangezogen werden. Alle subjektiv als anders und fremd wahrgenommenen Begebenheiten (Charakter, Aussehen, Geschichte, Reli­gion, usw.) konnen als „Aufhanger" fur Rassisten gelten.[35]

„Der Rassist ist ein Mensch, der Angst hat."[36] Aus der Angst irgendein Gut nicht zu erhalten oder gar eines zu verlieren wachst Aggression. Diese Aggression zwingt zur Offensive. Man muss sich verteidigen und durch diese Verteidigung muss man darauf gefasst sein, selbst angegriffen zu werden und die Angst steigt.[37] Somit befindet sich ein Rassist in einem Kreislauf aus Angst und Aggression, welcher nur schwer zu durchbrechen ist.[38]

Die oben skizzierte Definition von Rassismus nach Memmi und die daraus ab- geleiteten Begrundungs- und Handlungsmuster von Rassisten sind sehr allge- mein gehalten und nicht speziell auf den Rassismus gegenuber Afrikanern in Deutschland bezogen. Die verschiedenen Auspragungen des Rassismus, die die Afrikaner subjektiv tagtaglich in Deutschland ertragen mussen - speziell im Suddeutschen Raum - werden im Praxisteil naher erlautert.

Neben der Definition von Memmi gibt es noch unzahlige weitere Rassismus- definitionen und -konzepte. Ein Weiteres sei hier kurz vorgestellt, dasOthering'. Dieses Konzept, welches als eines der Schlusselkonzepte postkolo- nialer Theorie gilt, beschreibt den Prozess desFremd-machens', „...bei dem dieAnderen' geschaffen und auf die Position der Nicht-Zugehongkeit fest- gelegt werden, wie auch gleichsam die produziert werden, die im Nachhinein alsnormal' und dazugehorend gelten. Spezifische soziale Gruppen wie Migrant/innen, Roma und Sinti oder Schwarze Menschen werden dabei alsruckstandig' undminderwertig' bestimmt und diese Bestimmung fernerhin als naturlich gegeben festgelegt. In der Folge sprechen wir dann von spezifi- schenMentalitaten' und demSosein' von Schwarzen Menschen, AsiatInnen, Roma etc. Der Prozess des Othering zeigt sich dabei eingebettet in die Pro- duktion oppositioneller Dualismen, d.h. diejenigen, die als nicht-dazugehorig konstruiert werden, stehen immer denen gegenuber, die als dazugehorig de- finiert werden. Es entsteht dabei das bekannteWir' und dieAnderen' (z.B.wir die Deutschen' unddie fremden Auslander')."[39]

Doch auch in wissenschaftlichen Diskursen und biologischen Untersuchungen der letzten beiden Jahrhunderte wurde versucht, die ^inderwertigkeit" der afrikanischen Menschen zu beweisen. Maria do Mar Castro Varela und Nikita Dhawan schreiben hierzu: „Im Verlauf der wissenschaftlichen Auseinander- setzungen wurden dierassischen' Charakteristika durch angebliche biolo- gische Differenzenbestatigt'. Es begannen Vermessungen des Schadels und des Gehirns, der Gesichtszuge und spater auch die Beschreibung der Gen- strukturen. Dabei wurde immer wieder aufbeweisbare' Zusammenhange zwischenkorperlichen' undkulturellen' Faktoren verwiesen. (...)

SowohlNation' als auchRasse' sind gewissermaBen imaginierte Gemein- schaften, die bestimmte Menschen an andere unzweifelhaft bindet und sie gleichzeitig von anderen trennt. Nationen werden auBerdem nicht selten als ein Ausdruck fur biologische undrassische' Zuaehoriakeiten gesehen. Konse- quenz ist ein Alltagsrassismus, der Schwarze Menschen nicht als Deutsche wahrnehmen kann und will, denn Deutsche sind nun einmal in diesem Den- kenweiB'."[40]

Auf Grund der oben genannten Aspekte sind ein Umdenken und auch eine Neuorientierung in der Politik, in der Wissenschaft, in der Gesellschaft und der Sprache notwendig, welche in dieser Arbeit im Dialog mit den Be- troffenen begonnen werden soll.

3.2 Parallelgesellschaft

Eine allaemein-verbindliche Definition des Begriffs „Parallelaesellschaft" exis- tiert nicht. Obwohl der Begriff haufig verwendet wird, in der Politik, in den Medien und auch in der Wissenschaft lasst sich in Lexika (z.B. Lexikon der Politikwissenschaft 1+2) keine Definition finden.

Thomas Meyer formulierte sechs Indikatoren um parallelgesellschaftliche Strukturen zu identifizieren:[41]

- sozial homogene oder heterogene Gruppen,
- ethno-kulturelle bzw. kulturell-religiose Homogenitat,
- nahezu vollstandige lebensweltliche, zivilgesellschaftliche und okonomische Strukturen/ Segregation,
- nahezu komplette Verdopplung der mehrheitsgesellschaftlichen Strukturen/ Institutionen,
- formal freiwillige Segregation,
- siedlungsraumliche Segregation oder nur sozial-interaktive Segregation, sofern alle anderen Merkmale erfullt sind.

Diese sehr enge Definition lasst mit groBer Wahrscheinlichkeit vermuten, dass es Parallelgesellschaften in der hier formulierten Reinform in Deutsch­land nicht gibt. Die Autoren des Buchs „Was heiBt hier Parallelgesellschaft? Zum Umgang mit Differenzen" sprechen in der Einleitung gar von einer „ge- fuhlten Parallelgesellschaft".[42] Eine Definition des Begriffs liefert das Werk al- lerdings nicht. Es werden nur gelegentlich verschiedene Indikatoren herange- zogen, die eine Parallelgesellschaft kennzeichnen. So z.B. bei der Beschrei- bung des Patrick-Henry-Village in Heidelberg, welches uber „...eigenes Geld, eigene Verwaltung, eigene Schulen, eigene Arbeitsplatze, StraBen und Ver- soraunassysteme, eigener Flugplatz, eigene Geschafte, Sprache, Kultur und Kirchen..."[43] verfugt. Nach Meinung der Autoren gibt es in Deutschland lediglich „...kleinere oder groBere Wir-Gruppen, eine Lebensstilorientierung, ein Milieu".[44]

Zunachst bleibt die Definition von Meyer die Grundlage fur diese Arbeit, wobei die Dimension der „gefuhlten Parallelgesellschaft" nicht aus den Augen verloren werden darf. Denn eine Abschottung einiger kulturell-religioser und/ oder ethno-kultureller Gruppierungen ist besonders seit dem 11. September 2001 deutlich zu spuren.

Das Konzept der Parallelgesellschaften ist deswegen so wichtig, da es in un- terschiedlichen politischen und wissenschaftlichen Debatten und Standpunk- ten entweder zur Integration beitragt oder sie verhindert.[45] In den Niederlan- den geht man z.B. davon aus, dass das Auffangen von Neuankommlingen in einer neuen Umgebung bzw. Gesellschaft durch eine Parallelgesellschaft oder eigenethnischen Community zur Integration beitragt.[46] Somit wird die Bildung von Parallelgesellschaften dort aktiv gefordert.[47]

Aber diese Communities oder Parallelgesellschaften bergen auch die Gefahr, dass die eigentlich wichtige Schleuserfunktion eine schnelle Integration ver­hindert.[48] Denn durch das Aufgenommen werden in eine „altbekannte" Ge­sellschaft mit bekannten Strukturen, werden der Erwerb von Sprachkennt- nissen sowie die soziale Integration[49] verhindert.

3.3 Integration

Eine allgemeine Definition von Integration ist der Zusammenhalt von Teilen. Diese Teile sind ein integraler Bestandteil des Ganzen. Durch den Zusam­menhalt wird das System von anderen Systemen - der Umgebung - abge- grenzt. Die Teile stehen im Gegensatz zu einer Segmentation in Beziehung. Bei der Segmentation stehen unterschiedliche Systeme beziehungslos neben- einander[50] (siehe Exkurs).

Leenen et al. verstehen hierunter ein Einbeziehen von Zuwanderern und dem damit verbundenen Aufrechterhalten der Funktionalitat und der Wirtschaft- lichkeit eines Gesamtsystems aus der Sicht der aufnehmenden Gesellschaft.[51]

Exkurs: Erscheinungsformen der Integration[52]:

- Assimilation: Teilhabe bei hohem Grad der Aneignung der Werte der Aufnahmegesellschaft,
- Inklusion: Teilhabe trotz Beibehaltung der Werte der Herkunfts- gesellschaft,
- Exklusion: mangelnde gesellschaftliche Teilhabe trotz Aufgabe der Werte der Herkunftsgesellschaft,
- Segregation: mangelnde Teilhabe bei Konservierung der Herkunfts kultur und eventuell Etablierung eigen-ethnischer Infrastrukturen.

Bei sozialen Systemen, wie z.B. Gesellschaften, lassen sich zwei Arten von Integration unterscheiden, die Systemintegration und die Sozialintegration. „Die Systemintegration bezieht sich [also] auf die Integration des Systems einer Gesellschaft als Ganzheit, die Sozialintegration dagegen auf die Integration der Akteure (bzw. der von ihnen gebildeten Gruppen)in' das System hinein. Das eine Mal ist das System der Gesellschaft der Bezugspunkt der Betrachtung, das andere Mal sind es die Akteure bzw. die Bevolkerung und die verschiedenen Gruppen."[53]

Die Systemintegration ist fur diese Arbeit nicht von zentraler Bedeutung, da hier der Fokus auf der Integration von Individuen liegt. Dennoch stellt die Systemintegration erst die Rahmenbedingungen fur eine Integration her.

Die Sozialintegration lasst sich in vier Dimensionen unterteilen, welche von- einander abhangen und sich gegenseitig beeinflussen[54]:

- die Kulturation (Erwerb von Wissen und Fertigkeiten),
- die Plazierung (Ubernahme von Positionen und Verleihung von Rechten),
- die Interaktion (Aufnahme sozialer Beziehungen im alltaglichen Bereich) und
- die Identifikation (emotionale Zuwendung zu dem betreffenden sozialen System).

3.4 Afrikaner, Schwarze, Afros, Afro-Deutsche, Schwarze Deutsche usw.?

Ein Problem, das sich vor und auch wahrend der Untersuchung zeigte, war die Vielzahl von Begriffen, Umschreibungen und Benennungen, die es fur die zu untersuchende Population gab und gibt. Bereits 1994 stellten Paul Mecheril und Thomas Teo fest, dass es eine unuberschaubar groBe Anzahl von Bezeichnungen fur in Deutschland aufgewachsene Menschen multi- ethnischer und multikultureller Herkunft gibt.[55] Somit wurde der Begriff „Andere Deutsche" gepragt, welcher fur alle formal als „Auslander" bezeich- neten Menschen gilt, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben aber nicht dem Aussehen eines Standard-Deutschen bzw. einer Standard- Deutschen entsprechen.[56] „Mit der Bezeichnung Andere Deutsche wollten wir Erfahrungen und Lebenssituationen von Menschen in den Blick nehmen, die in Deutschland leben, aber keine konventionelle „deutsche Geschichte" auf- weisen. Sie sind zwar in Deutschland aufgewachsen, werden jedoch als „Fremde", als nicht-selbstverstandlich Zugehorige angesehen, angesprochen und behandelt. Andere Deutsche sind Menschen, die ihre Lebensmitte in Deutschland haben, hier ihre Ausbildung absolvieren und erwerbslos sind, hier zur Schule gehen oder studieren, die in Deutschland wichtige Bezugsper- sonen haben, in Deutschland um ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart und Zukunft wissen, hier essen, lieben und streiten, zuruckhaltend und auf- dringlich sind, all das machen, was Menschen an dem Ort machen, an dem sie ihre Lebensmitte haben, die aber soweit von einem fiktiven, proto- typischen Bild des oder der Standard-Deutschen abweichen, dass sie als zu weit abweichend und folglich nicht legitim zugehorig wahrgenommen und behandelt werden."[57]

Mit der Bezeichnung „Andere Deutsche" konnen unterschiedliche Lebenssi­tuationen von Menschen mit (sichtbarem) Migrationshintergrund, der fur die Identitat und die gesellschaftliche Wahrnehmung dieser Menschen von Bedeutung ist, beschrieben und analysiert werden.[58]

Auch heute gibt es noch keine allgemeingültige und politisch korrekte Be- zeichnung fur die zu untersuchende Gruppe. Sollte in den Flyern nun nach Schwarzen Afrikanern (es gibt ja auch die Nordafrikaner, die sich selbst nicht als „schwarz" bezeichnen wurden und die von Schwarzen Menschen auch nicht als „schwarz" bezeichnet werden) gefragt werden oder nach Afro- Deutschen afrikanischer Herkunft?.

[...]


[1] Vgl. bspw. BMFSFJ (Hrsg.): Muslimische Familien in Deutschland - Alltagserfahrungen, Konflikte, Ressourcen, 2008

[2] Da es sich bei den Adjektiven „schwarz" und „weiB" um auBerliche Merkmale im Sinne von biologischen Entitaten handelt, wird hier auf die GroBschreibung zuruck gegriffen, um Schwarz und WeiB als soziale Konstruktionen darzustellen. Vgl. dazu Wachendorfer (2004), S. 116, in: TheBlackBook; „schwarz" in Anfuhrungszeichen wird in dieser Arbeit als auBerliches Merkmal verwendet

[3] Mecheril, Teo (1994), S. 22

[4] Vgl. http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/1651012_Rechte-schlagen-oe fter-zu.html

[5] Vgl. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,465571,00. html

[6] Vgl. http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/166140/

[7] Castro Varela, Dhawan (2004), S. 64 in: TheBlackBook

[8] Vgl. Migration und Integration, Aufenthaltsrecht, Migrations- und Integrationspolitik in Deutschland, www.bmi.bund.de, Bonifatius GmbH, Paderborn, Herausgeber: Bundes- ministerium des Innern, Referat Offentlichkeitsarbeit, S. 26

[9] Vgl. Europaische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) (Hrsg.), Dritter Bericht uber Deutschland, verabschiedet am 5. Dezember 2003, StraBburg 2004, S. 14

[10] Vgl. Amaizo (2000), S. 59 in: Europas langer Schatten

[11] Vgl. ebd.

[12] Vgl. dazu auch Bortz, Doring (2006), S. 74f

[13] Da die Angaben zur auslandischen Bevolkerung aus zwei unterschiedlichen Quellen, mit jeweils unterschiedlichen Abgrenzungen, stammen, zum einen aus der Bevolkerungsfort- schreibung und zum anderen aus dem Auslanderzentralregister (AZR), ist es nicht mog- lich die beiden Ergebnisse aus diesen Quellen zu vergleichen.

Die einzige Quelle fur ein umfassendes Bild der Gesamtbevolkerung in Deutschland bietet die Bevolkerunasfortschreibuna zwischen den Volkszahlungen. Die Bevolkerungsfort- schreibung unterscheidet zwischen der deutschen und der auslandischen Bevolkerung, nicht abgebildet werden jedoch die Staatsangehongkeit, die Aufenthaltsdauer oder der Aufenthaltsstatus. Diese Daten werden vom AZR bereitgestellt. Die Auslanderzahlen aus dem AZR sind niedriger als die aus der Bevolkerunasforschreibuna, da das AZR die nicht nur vorubergehend in Deutschland lebenden Auslanderinnen und Auslander erfasst.

[14] Vgl. http://www.statistik-portal.de/Statistik-Portal/de_jb01_jahrtab2.asp (Statistisches Bundesamt)

[15] Vgl. Bayerisches Sozialministerium fur Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (Hrsg.): Auslander in Bayern. Zahlen, Aktuelle Lage, Integration. Stand: 30. Juni 2008,

S. 3

[16] Vgl. Ebd. S. 2

[17] Vgl. ebd. S. 4

[18] Vgl. dazu: Statistisches Bundesamt (2006): 11. Koordinierte Bevolkerungsvorausberech- nung. Annahmen und Ergebnisse

[19] Vgl. Auslander in Bayern (2007)

[20] Vgl. dazu u.a. Humboldt (2006), S. 3

[21] Die Staaten sudlich der Sahara wurden nicht-kursiv dargestellt; der Anteil der Menschen aus Staaten sudlich der Sahara wurde durch Summenbildung der Anteile der einzelnen Lander gebildet.

[22] Vgl. Auslander in Bayern (2007)

[23] Die Daten aus dem Jahr 2003 waren leider nur mit einer Nachkommastelle ausgewiesen.

[24] Vgl. Auslander in Bayern (2007)

[25] Vgl. ebd.

[26] Vgl. Flick (2007), S. 133

[27] Vgl. ebd. S. 133

[28] Vgl. Arndt (2004), S. 91ff in: TheBlackBook

[29] Vgl. ebd.

[30] Vgl. Opoku (2000), S. 22ff in: Europas langer Schatten

[31] Vgl. dazu in Osterreich: Amaizo (2000), S. 58f in: Europas langer Schatten

[32] Memmi (1992), S.103

[33] Vgl. ebd. S. 96ff

[34] Vgl. ebd. S. 13

[35] Vgl. ebd. S. 101f

[36] Ebd. S. 100

[37] Vgl. ebd. S. 106

[38] Vgl. ebd.

[39] Castro Varela, Dhawan (2004), S. 66 in: TheBlackBook

[40] Ebd. S. 70f; Vgl. dazu auch Memmi (1992)

[41] Vgl. Meyer (2002), S. 343f; Thomas Meyer schreibt funf Indikatoren, benennt allerdings sechs.

[42] Vgl. Auernheimer et al. (2007), S. 15

[43] Ebd. S. 15

[44] Ebd.

[45] Vgl. Meyer (2002), S. 362f

[46] Vgl. ebd. S: 362ff

[47] Vgl. ebd.

[48] Vgl. ebd.

[49] Zum Begriff „soziale Integration" siehe weiter unten

[50] Vgl. Esser (2001), S. 1

[51] Vgl. Leenen, Scheitza, Wiedemeyer (2006), S. 10

[52] Vgl. Sen et al. (2001), S. 3; zitiert nach: Meyer (2002), S. 359

[53] Esser (2001), S. 3

[54] Vgl. ebd. S. 8ff

[55] Vgl. Mecheril, Teo (1994), S. 15 in: Andere Deutsche

[56] Vgl. ebd. S. 10 und S. 58

[57] Mecheril (2004), S. 82 in: TheBlackBook

[58] Vgl. ebd. S. 85

Excerpt out of 312 pages

Details

Title
Qualitative Untersuchung zu den Lebensverhältnissen von Afrikanerinnen und Afrikanern südlich der Sahara in Bayern / Süddeutschland
Subtitle
Eine explorative Studie
College
University of Augsburg
Grade
1,3
Author
Year
2009
Pages
312
Catalog Number
V194601
ISBN (eBook)
9783656198987
ISBN (Book)
9783656199366
File size
1365 KB
Language
German
Keywords
qualitative, untersuchung, lebensverhältnissen, afrikanerinnen, afrikanern, sahara, bayern/, süddeutschland, eine, studie
Quote paper
Melanie Gelück (Author), 2009, Qualitative Untersuchung zu den Lebensverhältnissen von Afrikanerinnen und Afrikanern südlich der Sahara in Bayern / Süddeutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/194601

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