Kopftücher und Dönerläden, russische Diskotheken, afrikanische Musikfestivals, Sushi-Restaurants oder der Asiate um die Ecke – mit gesellschaftlicher Vielfalt bezeichnen wir heute oft die ethnische, religiöse oder auch kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft, die bereits seit Jahrzehnten durch Zuwanderungsströme aus verschiedenen Teilen der Erde geprägt wird.1 Doch nicht nur die kulturellen oder ethnischen Verschiedenheiten prägen eine Gesellschaft, auch soziale Ungleichheiten oder demographische Strukturen bestimmen das Bild unserer heutigen Gesellschaft. Der Trend des demographischen Wandels – weniger, älter, bunter- 2 beeinflusst diese Formen der Heterogenität und wird seinerseits auch von diesen Formen zurückbeeinflusst: „Der demographische Wandel wird unsere Gesellschaft und unser Miteinander verändern. Welche vielfältigen Auswirkungen auf alle Lebensbereiche das mit sich bringt, beginnen wir in Deutschland gerade erst richtig zu erfassen.“
Kopftücher und Dönerläden, russische Diskotheken, afrikanische Musikfestivals, Sushi-Restaurants oder der Asiate um die Ecke - mit gesellschaftlicher Vielfalt bezeichnen wir heute oft die ethnische, religiöse oder auch kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft, die bereits seit Jahrzehnten durch Zuwanderungsströme aus verschiedenen Teilen der Erde geprägt wird.[1] Doch nicht nur die kulturellen oder ethnischen Verschiedenheiten prägen eine Gesellschaft, auch soziale Ungleichheiten oder demographische Strukturen bestimmen das Bild unserer heutigen Gesellschaft. Der Trend des demographischen Wandels - weniger, älter, bunter-[2] beeinflusst diese Formen der Heterogenität und wird seinerseits auch von diesen Formen zurückbeeinflusst: „Der demographische Wandel wird unsere Gesellschaft und unser Miteinander verändern. Welche vielfältigen Auswirkungen auf alle Lebensbereiche das mit sich bringt, beginnen wir in Deutschland gerade erst richtig zu erfassen. “ [3]
Unter den Begriff „Demographischer Wandel“ fasse ich im Folgenden eine Veränderung der Zusammensetzung der Bevölkerungsstruktur, wobei der Wandel von den Faktoren der Geburtenrate, der Lebenserwartung und dem Wanderungssaldo beeinflusst wird. Aktuell verändern eine zunehmend älter werdende Bevölkerung, sinkende Fertilitätsraten und Wanderungsbewegungen die Bevölkerungsstruktur Deutschlands.[4]
Auch wenn man erst seit wenigen Jahren offiziell davon sprechen darf, Deutschland ist bereits seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland und die Geschichte zeigt, dass die Bevölkerungsstruktur bereits seit Jahrzehnten durch Wanderungsströme geprägt und im Zuge des Demographischen Wandels mehr denn je auf sie angewiesen ist. Die späte Anerkennung dieser Wirklichkeit hat die Integration jahrzehntelang erschwert und die positive Wirkung der Einwanderung beeinträchtigt.
Denn die Zuwanderung, ohne die die deutsche Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten auf Grund der eigenen niedrigen Geburtenraten beachtlich gesunken wäre, trägt zur Verstärkung dieser sogenannten „cultural diversity“ bei. Und genau jene Vielfalt durch die Zuwanderungen nach Deutschland sollten als Chance des Demographischen Wandels betrachtet werden- nicht nur da das Land u.a. zum Erhalt der sozialen Sicherungssysteme auf eine stabile Zuwanderungszahl angewiesen ist, auch kulturell und ethnisch sollten Migranten als eine Bereicherung für unser gesellschaftliches Leben angesehen werden. Denn gerade Unterschiede machen die Vielfalt einer Gesellschaft aus und sind Zeichen eines demokratischen Pluralismus.
In Deutschland haben heute rund 20% der Bevölkerung einen Migrationshintergrund.[5] Jeder fünfte hat also ethnisch-kulturelle oder Wurzeln, deren Ursprung nicht in Deutschland liegen. In einigen deutschen Städten bereits heute jedes zweite Kind einen Migrationshintergrund.[6] Seit Gründung der Bundesrepublik 1949 kamen mehr als 36 Millionen Menschen in das Land, während gleichzeitig 26 Millionen aus Deutschland auswanderten. Dies ergibt ein positives Wanderungssaldo von ca. 10 Millionen Menschen.[7] Durch die niedrige Geburtenrate in Deutschland, die bei ca. 1,4 Geburten pro Frau liegt[8], wäre die Bevölkerungszahl ohne eine Zuwanderung bereits seit Mitte der 1970er Jahre gesunken und würde heute etwa 9 Millionen Menschen weniger betragen. Die Zuwanderung nach Deutschland verlief hierbei keineswegs kontinuierlich. Es lassen sich zwei große Wanderungswellen in die BRD datieren: die erste in Zeiten des großen Wirtschaftswunders und die zweite von 1988-1993 als sich mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Krieg auf dem Balkan die politische Lage Europas veränderte. Diese beiden Einwanderungswellen hatten zur Folge, dass die Anzahl der Zuwanderung pro Kopf der Bevölkerung in Deutschland in den 1980er-Jahren sogar erheblich höher lag als in klassischen Einwanderungsländern wie den USA, Kanada oder Australien. Die deutsche Bevölkerungsstruktur ist demnach stark durch die Migration von Ausländern geprägt worden und unsere Kultur durch andere Sitten und Vorstellungen beeinflusst.
Der anhaltende demographische Wandel wird verschiedene Auswirkungen auf unser gesellschaftliches Miteinander haben. Der Zuwanderung kommt insofern auch eine entscheidende Bedeutung zu, als dass Deutschland unter Anderem zum Erhalt seines sozialen Sicherungssystems auf eine konstante und berechenbare Einwanderungszahl angewiesen ist. Denn eine Veränderung Altersstruktur durch die sinkenden Fertilitätsraten und die steigende Lebenserwartung führt zu einer erheblichen Belastung des deutschen Sicherungssystems, wozu man die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zählt. Am Beispiel des Rentensystems lässt sich die Auswirkung des demographischen Wandels verdeutlichen. Da es in Deutschland ein Umlagenfinanziertes Rentensystem gibt, also die aktuelle erwerbstätige Generation über ihre Beiträge zur Rentenversicherung im Wesentlichen für die Renten der gegenwärtigen Ruhestandsgeneration aufkommt, stößt dieses bereits jetzt an seine Grenzen, da das Verhältnis zwischen Beitragszahler und Beitragsempfänger in einem Ungleichgewicht ist. Diesen längerfristig nicht haltbaren Umstand bezeichnet man als „Generationenvertrag“.[9] Diese Belastung wird im Zuge des demographischen Wandels weiter steigen, wodurch Deutschland mehr denn je auf stabile Zuwanderungszahlen angewiesen seien wird, um dieses Ungleichgewicht ausbalancieren und das soziale Sicherungssystem erhalten zu können. Doch um die Einwanderung stabil zu halten, muss Deutschland seine Attraktivität für Zuwanderer steigern und die Integration von Ausländern und Migranten fördern. Das Defizit an Integration, welches bereits zum jetzigen Zeit im sozialen und kulturellen Bereich deutlich ist, muss auch in Zukunft verstärkt auf die Agenda politischer Debatten auf Kommunal-, Länder- und Bundesebene diskutiert werden.
Wie sich die Zuwanderung nach Deutschland in den kommenden Jahren und Jahrzehnten entwickeln wird, hängt maßgeblich von der Arbeitsmarkt- und Zuwanderungspolitik ab.
Vor allem die Sozialisations- und Bildungsbedingungen speziell für Kinder müssen verbessert werden, um die Integration von Zuwanderern erfolgreich zu machen. Hierfür wird in Deutschland bisher sehr wenig getan.[10] Das liegt unter anderem an der der Tatsache, dass man sich lange Zeit nicht eingestehen wollte, dass Deutschland ein klassisches Zuwanderungsland ist. Das wird durch die Ergebnisse des internationalen Vergleichs von Bildungs-und Schulleistungen (PISA-Studie) unterstrichen.[11] Doch in einer Zeit, in der sich die Zusammensetzung unserer Bevölkerungsstruktur so entscheidend verändert, dürfen wir Einwanderer nicht nur als Stütze unseres Sozialversicherungssytems betrachten, sondern auch als gesellschaftliche Bereicherung.
Der Demographische Wandel bietet uns die Chance die Vielfalt unserer Gesellschaft zu nutzen. Die Unterschiede in unserer Gesellschaft nehmen zu, es gibt mehr und mehr Menschen mit Migrationshintergrund, die Armutsschere wächst. Doch die gesellschaftliche Vielfalt kann durchaus positiv wirken: kulturelle Erfahrungen bereichern beispielsweise unsere Mode, die Musik oder die Gastronomie oder aber erleichtert das politische und wirtschaftliche Handeln in einer zunehmend globalisierten Welt. Es gilt, die Potenziale der Einwanderer zu entfalten und im Wettbewerb um Zuwanderung international attraktiv zu bleiben. Nicht nur um die Risiken des Wandels für den deutschen Sozialstaat abzufedern, sondern auch um von anderen Kulturen und Vorstellungen zu lernen und sich den Vorteilen einer gesellschaftlichen Vielfalt zu öffnen.
Deutschland kann es sich im Zuge eines demographischen Wandels und wachsender sozialer Unterschiede nicht erlauben, weiterhin eine solche Integrationspolitik zu betreiben und stetig unattraktiver für Zuwanderer zu werden. Besonders die Chancengleichheit in der Bildung und eine gelebte Integration müssen angestrebt werden.
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[1] Forum demographischer Wandel des Bundespräsidenten, Bericht der Jahreskonferenz 2008: <http://www.forum-demographie.de/uploads/txJpdownloads/Dokumentation-FDW-2008- final.pdf>, (06.06.2011, 11:41 Uhr).
[2] Ebd.
[3] Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler: <http://www.forum- demographie.de/Startseite.140.0.html>, (06.06.2011, 12:05 Uhr).
[4] Vgl.Berlin-Institut:
< http://www.berlin-institut.org/online-handbuchdemografie/glossar.html#c1400>,(06.06.2011, 18:13 Uhr).
[5] Bundeszentrale für politische Bildung:
<http://www.bpb.de/wissen/NY3SWU,0,0,Bev%F6lkerung_mit_Migrationshintergrund_I.html> (06.06.2011, 16:46 Uhr).
[6] Forum demographischer Wandel des Bundespräsidenten, Bericht der Jahreskonferenz 2008: <http://www.forum-demographie.de/uploads/tx_jpdownloads/Dokumentation-FDW-2008- final.pdf>, (06.06.2011, 11:41 Uhr).
[7] Ebd.
[8] Angabe von 2009.
[9] Bundesministerium der Finanzen:
<http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_39824/DE/BMF__ Startseite/Service/Glossar/G/009.
_Generationenvertrag.html>, (09.06.2011, 12.24 Uhr).
[10] Kaufmann, Franz-Xaver, Schrumpfende Gesellschaft-Vom Bevölkerungsrückgang und seinen Folgen, Suhrkamp-Verlag: Frankfurt am Main 2005, S.177.
[11] Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft, S. 83.
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- Anonym (Autor), 2011, Gesellschaftliche Vielfalt durch demographischen Wandel, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/194865