PR in Sozialen Online-Netzwerken

Bedeutung dialogorientierter Kommunikation für den Schutz der Reputation von Unternehmen am Beispiel Facebook


Tesis de Máster, 2012

82 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhalt

1 Dialogorientierte Kommunikation in der PR-Theorie
1.1 Bedeutung symmetrischer Kommunikation nach Grunig/Hunt
1.2 Kritische Würdigung des Ansatzes von Grunig/Hunt
1.3 Das Konzept der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit nach Burkart
1.4 Kritische Würdigung des Ansatzes von Burkart
1.5 Der Dialogorientierte Ansatz der Public Relations von Kent/Taylor
1.6 Kritische Würdigung des Ansatzes von Kent/Taylor
1.7 Zwischenfazit: Bedeutung dialogischer Kommunikation für die PR

2 Reputation im Social Web
2.1 Unternehmensreputation - Begriff und Definition
2.2 Herausforderung Social Web für die Reputation von Unternehmen
2.2.1 Fallbeispiel 1: Greenpeace vs. Nestlé
2.2.2 Fallbeispiel 2: Chefticket der Deutschen Bahn

3 Grundlagen der Online-Kommunikation
3.1 Ziele der Online-PR
3.2 Evolution der Online-PR vom Web 1.0 zum Web 2

4 Online-Kommunikation im Social Web
4.1 Begriff und Definitionen - vom Web 2.0 zum Social Web
4.2 Merkmale und Dimensionen des Social Web
4.3 Anwendungen im Social Web
4.4 Soziale Online-Netzwerke - Begriff und Definition
4.4.1 Kurze Geschichte der Sozialen Online-Netzwerke
4.4.2 Facebook: Selbstverständnis und Kernfunktionen
4.4.3 Nutzung und Bedeutung von Facebook
4.4.4 Möglichkeiten der Selbstdarstellung bei Facebook
4.4.5 Einsatz von Facebook für die Kommunikation von Organisationen

5 Dialog als Mittel zum Schutz der Reputation in Sozialen Online-Netzwerken
5.1 Dialog ist kein Selbstläufer - auch nicht bei Facebook
5.1.1 Erfolgsfaktoren des Dialogs und Umgang mit Kritik

6 Bedeutung dialogorientierter -Kommunikation bei Facebook: Umfrage unter Kommunikationsexperten in der ITK-Branche
6.1 Zielsetzung und Forschungsfrage
6.2 Sample und Durchführung
6.3 Konstruktion des Fragebogens
6.4 Die Ergebnisse der Umfrage
6.5 Limitationen der Umfrage und Zusammenfassung der Ergebnisse

Fazit

Anhang

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Modelle der Public Relations in Anlehnung an Grunig/Hunt (1994)

Tabelle 2: Umgang mit Kritik im Social Web nach Peters (2011)

Tabelle 3: Motive des Facebook-Einsatzes und kommunikative Grundhaltung

Tabelle 4: Status des Social-Media-Einsatzes

Tabelle 5: Gründe für den Facebook-Verzicht (Mehrfachnennungen möglich)

Tabelle 6: Themen der Facebook-Seiten

Tabelle 7: Motive des Facebook-Einsatzes

Tabelle 8: Dialog als Bestandteil der Facebook-Kommunikation

Tabelle 9: Reaktion auf Lob auf der Facebook-Pinnwand

Tabelle 10: Reaktion auf Kritik am Produkt auf der Facebook-Pinnwand

Tabelle 11: Reaktion auf Beschimpfung bei Facebook

Tabelle 12: Reaktion auf einen beginnenden Shitstorm bei Facebook

Zusammenfassung

Unternehmen stehen aktuell vor der Herausforderung, wie sie das Soziale Online-Netzwerk Facebook erfolgreich für die Kommunikation nutzen und gleichzeitig ihre Reputation schützen können. Ein zentraler Ansatzpunkt zur Lösung dieses Problems ist eine stärkere Dialogorientierung der Facebook-Kommunikation. Dieser Annahme wird in der vorliegenden Masterarbeit nachgegangen. Theoretische Grundlage ist das Modell der symmetrischen Kommunikation nach Grunig/Hunt, das seit Mitte der 1980er Jahre stetig weiterentwickelt wurde. Eine im Rahmen der Arbeit durchgeführte Umfrage unter Kommunikationsverantwortlichen in der IT-Branche in Deutschland zeigt, dass die Unternehmen auf Facebook mehrheitlich monologisch statt dialogisch kommunizieren. Die Ergebnisse zeigen, dass noch Nachholbedarf bei der dialogorientierten Facebook-Kommunikation besteht.

Einleitung

Die PR-Leute der ING DiBa staunten nicht schlecht, als sie den neuesten Werbespot der Bank auf ihrer Facebook-Seite einstellten. Darin zu sehen: Basketball-Star Dirk Nowitzki, der in der Metzgerei seines Heimatortes eine Scheibe Wurst verspeist. Die überraschende Folge: Eine hitzige, sich über Tage hinziehende Debatte zwischen Vegetariern und Fleischessern mit 1.400 Posts und 15.000 Kommentaren über das Für und Wider des Fleischkonsums (vgl. Bialek et al. 2012). Das Unternehmen stand zwar nicht selbst unter Beschuss, aber das Bei- spiel zeigt, wie schnell sich Diskussionen auf Facebook verselbständigen und zu einer Gefahr für die Reputation eines Unternehmens werden können (vgl. u.a. Gaines-Ross 2010). Aktuell stehen Organisationen vor der Herausforderung, wie sie das Soziale Online-Netzwerk Face- book mit seinen weltweit rund 800 Millionen Mitgliedern erfolgreich für die Kommunikation nutzen und gleichzeitig ihre Reputation schützen können. Ein zentraler Ansatzpunkt, um dieses Ziel zu erreichen, könnte die Dialogorientierung der Facebook-Kommunikation sein. Dieser Annahme soll in der vorliegenden Master Thesis nachgegangen werden.

Der Dialog mit den Anspruchsgruppen gilt seit der wegweisenden Arbeit von Grunig/Hunt im Jahr 1984 als „Königsweg“ in der Public-Relations-Theorie. Autoren wir Burkart (1992) oder Kent/Taylor (1998) haben diesen Ansatz weiterentwickelt. Zum einen lassen sich mit symmetrischer Kommunikation schwierige kommunikative Herausforderungen besser bewältigen. Zum anderen gilt sie als ethischer als eine reine One-Way-Kommunikation, die allein darauf bedacht ist, die eigene Sicht der Dinge zu verbreiten (vgl. Grunig/Hunt 1994).

Einen zusätzlichen Schub in der Literatur bekam der Trend zur Dialog-Kommunikation mit der Verbreitung des Internet seit Mitte der 1990er Jahre (vgl. Schultz/Wehmeier 2010). Neue Kommunikationsmittel wie Websites, E-Mail, Chats oder Foren boten neue technische Mög- lichkeiten für die direkte Interaktion mit den Stakeholdern. Allerdings wurden diese Chancen anfangs kaum genutzt (vgl. Westermann 2004). Derzeit stellt sich die Frage, ob mit dem Social Web der Durchbruch zu mehr interaktiver Kommunikation doch noch erfolgt.

Die vorliegende Arbeit stellt zunächst die theoretischen Grundlagen symmetrischer Kommu- nikation dar. Ein weiterer Teil beschäftigt sich mit der Kommunikation im Social Web. Den Schwerpunkt bildet hier das Soziale Online-Netzwerk Facebook, weil es mit seiner enormen Reichweite zunehmend wichtiger für die Kommunikation von Unternehmen wird. Mit der Nutzung von Facebook besteht für Unternehmen die Gefahr, dass die Plattform als zentraler Anlaufpunkt für Kritik genutzt und damit die Reputation der Organisation beschädigt wird.

Die vorliegende Arbeit soll darlegen, wie Unternehmen ihre Reputation durch dialogische Kommunikation bei Facebook schützen können.

Im praktischen Teil wird die These „Dialog schützt Reputation“ anhand einer Umfrage unter Kommunikationsverantwortlichen in der ITK-Branche in Deutschland überprüft. Welche Rolle spielt dialogische Kommunikation bei Facebook für die Unternehmen? Welcher kommunikativen Grundhaltung folgen sie? Sehen die Befragten die Gefahr eines Reputationsverlustes? Wie reagieren die Verantwortlichen, wenn Facebook-Nutzer das Unternehmen in Beiträgen loben, kritisieren oder angreifen? Aus den Ergebnissen werden schließlich konkrete Handlungsempfehlungen für die Facebook-Kommunikation abgeleitet.

1 Dialogorientierte Kommunikation in der PR-Theorie

Bis in die 1970er Jahre herrschten in der noch jungen PR-Wissenschaft Theorien vor, die von Praktikern wie Edward L. Bernays in den USA (1928) oder Carl Hundhausen (1951) und Albert Oeckl (1976) in Deutschland entworfen wurden. Diese „Praktikertheorien“ waren noch stark von den Möglichkeiten und Erfahrungen der Massenkommunikation geprägt. Das Ziel von Public Relations bestand aus Sicht der PR-Praktiker im Wesentlichen darin, die Men- schen im Sinne des Absenders, in der Regel eines Unternehmens, zu beeinflussen. Wesentli- che Voraussetzung dafür war - und ist bis heute - die Verbreitung von Informationen auf unterschiedlichen medialen Wegen1. Im Zuge der verstärkten wissenschaftlichen Auseinan- dersetzung mit den Public Relations in den 1980er Jahren rückten zweiseitige Kommunikati- onsbeziehungen (Interaktion, Dialog) in den Blickpunkt der Forschung. An dieser Stelle werden der organisationstheoretische Ansatz von Grunig/Hunt (1994), der verständigungsori- entierte Ansatz von Burkart (1993) sowie das Konzept der dialogorientierten Public Relations nach Kent/Taylor (2002) erläutert. Sie bilden das theoretische Fundament für die Auseinan- dersetzung mit der Frage, ob dialogorientierte Kommunikation im Internet einen Beitrag zum Schutz der Reputation von Unternehmen leisten kann.

1.1 Bedeutung symmetrischer Kommunikation nach Grunig/Hunt

Die Frage, warum Organisationen Public Relations überhaupt brauchen, beantworten Grunig/Hunt (1994, 4) schlicht damit, dass diese nicht allein auf der Welt sind:

„Organizations, like people, must communicate with others because they do not exist alone in the world.“

Unternehmen haben Beziehungen, intern zu ihren Mitarbeitern und extern zu Kunden, Liefe- ranten, Kreditgebern, Aktionären, Anwohnern, Behörden etc. Diese Anspruchsgruppen, die Grunig/Hunt als publics bezeichnen, haben durch ihre Rolle als Arbeitskraft, Käufer oder Geldgeber Einfluss darauf, ob die Organisation ihre eigenen Ziele erreichen kann (ebd., 5). Die Anspruchsgruppen2 stellen ihrerseits unterschiedliche Anforderungen an das Unterneh- men. Mitarbeiter wollen einen sicheren Arbeitsplatz, Anteilseigner steigende Aktienkurse oder Umweltschützer eine emissionsarme Produktion. Ein Interessenausgleich zwischen der Orga- nisation und seinen Anspruchsgruppen erfolgt nach Grunig/Hunt durch Verhandlungen und Kompromisse, die nur durch zweiseitige Kommunikation erreicht werden können (ebd., 5). Im Ergebnis sollten Organisationen ihre Ziele besser erreichen, oder sich ggf. andere Ziele setzen, wenn sie einen Interessenausgleich mit ihren Anspruchsgruppen im Rahmen eines Kommunikationsprozesses anstreben (vgl. Signitzer 2007, 155).

Im Sinne eines systemtheoretisch-organisationszentrierten Ansatzes definieren Grunig/Hunt (1994, 6) Public Relations wie folgt:

„Public Relations is the management of communication between an organization and its publics.“

Auf dieser Grundlage entwickeln die Wissenschaftler vier Modelle, nach denen Organisatio- nen in der Praxis kommunizieren. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Kommunikations- richtung (Einweg vs. Zweiweg) und der Kommunikationsabsicht (Beeinflussung vs. Verstän- digung) (vgl. Zerfaß 2006, 68). Beim „Publicity-Modell“ (eine Übersicht gibt Tab. 1) geht es allein darum, positive Berichterstattung über das Unternehmen oder seine Produkte in den Massenmedien zu erreichen. Bei diesem von Signitzer (2007, 157) als „marktschreierisch“ bezeichneten Vorgehen spielt der Wahrheitsgehalt der Aussagen eine untergeordnete Rolle. Das Modell „Informationstätigkeit“ beschreibt die Verbreitung korrekter Informationen mit- tels klassischer Pressearbeit über die Massenmedien und über eigene Kanäle wie Newsletter oder Website. Bei beiden Modellen erfolgt die Kommunikation nur in eine Richtung, vom Sender zum Empfänger, mit dem Ziel, die Organisation möglichst vorteilhaft aussehen zu lassen (vgl. Grunig/Hunt 1994, 8).

Bei der „Asymmetrischen Kommunikation“ bedient sich die Organisation der Markt- bzw. Meinungsforschung, um die eigenen Botschaften zu entwickeln und ggf. zu verfeinern. Das Feedback der Anspruchsgruppen wird genutzt, um diese noch besser beeinflussen zu können. Da die Organisation durch Marktforschung und Feedback mehr über die Wünsche der Anspruchsgruppen erfährt, ist die asymmetrische Kommunikation effizienter als die Modelle Publicity und Informationstätigkeit (ebd.).

Laut Zerfaß (2006, 66) zielen die ersten drei Modelle auf vom PR-Betreiber „a priori definier- te Einstellungsänderungen oder Verhaltensweisen der Rezipienten ab“. Beim Modell der „Symmetrischen Kommunikation“ sind die Organisation und die jeweilige Anspruchsgruppe dagegen gleichberechtigte Kommunikationspartner. Dabei gilt es, Verständnis für die Belange des anderen zu erreichen und bei strittigen Punkten im Rahmen von Verhandlungen einen Kompromiss zu erzielen. Das schließt die Möglichkeit ein, dass die Organisation ihr eigenes Verhalten ändert. Zerfaß (2006, 67) betont, dass in diesem Prozess statt einer Kommunikation über Massenmedien i.d.R. eine interpersonale Kommunikation notwendig ist. So fordern Anspruchsgruppen im Konfliktfall eine direkte Kommunikation auf Augenhöhe: „They want dialogue rather than monologue.“ (Grunig/Hunt 1994, 9) Da die symmetrische Kommunikation auf Verhandlungen und Kompromisssuche basiert, ist sie aus Sicht der Forscher ethischer als die anderen Kommunikationsmodelle (ebd.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Modelle der Public Relations (in Anlehnung an Grunig/Hunt (1994, 9), Übersetzung der Modell-Begriffe nach Signitzer (2007), sonst eigene Übersetzung)

Die vier Modelle der Public Relations von Grunig/Hunt, die sie erstmals 1984 vorgestellt haben, gelten in der Wissenschaft als akzeptiert und empirisch abgesichert (vgl. u.a. Zerfaß 2006, 68). Grunig leitete seit Mitte der 1980er Jahre das „Excellence Project“, eine der welt- weit umfangreichsten Forschungsvorhaben zur Kommunikation von Organisationen. Die Studie sollte herausfinden, wie Public Relations die Zielerreichung einer Organisation am effektivsten unterstützt und wie sie praktisch organisiert werden soll. Zudem lieferte sie Er- gebnisse zur Überprüfung und Einordnung der vier PR-Modelle (vgl. Signitzer 2007, 156). Ursprünglich interpretierten Grunig/Hunt ihre Modelle historisch (vgl. Grunig/Hunt 1994, 8). Demnach entwickelten sich im Laufe des 20. Jahrhunderts die Public Relations von einer reinen Einwegkommunikation (Publicity, Informationstätigkeit) über das asymmetrische Kommunikationsmodell bis zur symmetrischen Kommunikation.

Inzwischen besteht Konsens darüber, dass die Modelle anders interpretiert werden können. Nach Zerfaß (2006, 68) sind die Modelle einerseits als Leitbilder anzusehen, die das „grund- sätzliche Kommunikationsverständnis“ einer Organisation widerspiegeln. Dabei geht es in erster Linie um die Frage, ob eine Organisation offen ist für einen Dialog mit den Bezugs- gruppen oder sich eher abschottet und nur dann nach außen kommuniziert, wenn es unbedingt notwendig oder gesetzlich erforderlich ist. Meist ergibt sich die Grundeinstellung einer Orga- nisation zur Kommunikation aus ihrer Funktion oder ist historisch gewachsen. So reagieren Behörden eher passiv auf Anfragen anstatt offensiv in die Öffentlichkeit zu drängen, was als Informationstätigkeit verstanden werden kann. In der Wirtschaft galten in Deutschland z.B. das Finanzgewerbe und der Handel lange Zeit als besonders verschwiegen.

Die zweite Erkenntnis besteht darin, dass Organisationen in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation unterschiedliche PR-Modelle anwenden (vgl. Signitzer 2007, 156, Mast 2008, 37). So neigt ein Regierungssprecher i.d.R. zur Informationstätigkeit, indem er nüchtern den Standpunkt der Regierung beschreibt. Unternehmen bevorzugen im Rahmen der Produkt-PR unter Einsatz der Marktforschung üblicherweise das asymmetrische Modell. In einer Krise, bei dem es einen Konflikt mit den Bezugsgruppen zu lösen gilt, könnte die symmetrische Kommunikation der richtige Weg sein (vgl. Zerfaß 2008, 68). Grunig/Grunig (1989) fassten die Ergebnisse ihrer Forschung schließlich wie folgt zusammen:

„In particular, we have concluded that organizations do and should use different models strategically to deal with different public relations problems and different sources of conflict in their environments.“

1.2 Kritische Würdigung des Ansatzes von Grunig/Hunt

Grunig/Hunt beschreiben vier PR-Modelle, die in der Lage sind, die Wirklichkeit der PR- Praxis abzubilden. Die symmetrische Kommunikation zeichnet aus ihrer Sicht exzellente Public Relations aus und ist den anderen Modellen der einseitigen Informationsverbreitung ethisch überlegen. Zahlreiche Studien zeigen allerdings, dass die symmetrische Kommunika- tion in der Realität (noch) relativ selten anzutreffen ist. In der PR-Praxis werden die unter- schiedlichen Modelle von Organisationen situationsspezifisch angewendet. Danach eignet sich die symmetrische Kommunikation vor allem für die Lösung von Konflikten und die Aushandlung von Kompromissen. Das wirft die Frage auf, warum die symmetrische Kom- munikation eine herausragende Stellung im Sinne exzellenter PR einnehmen soll? Es gibt in der PR-Praxis sehr viele Situationen, in denen Informationstätigkeit oder asymmetrische Kommunikation völlig ausreichend ist und seinen Zweck erfüllt. Dennoch stellt der Ansatz von Grunig/Hunt einen Meilenstein in Richtung Dialogorientierung dar. Diese ist aufgrund der gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen notwendig (s. Kap. 1.7). Im Kern geht es Grunig/Hunt darum, der grundsätzlichen Einstellung von Organisationen zur Kommu- nikation eine zusätzliche Dimension hinzuzufügen. Weniger reine Informationsverbreitung, weniger Persuasion, weniger „die eigenen Interessen durchsetzen“ und stattdessen mehr Offenheit, mehr Interaktion und eine größere Bereitschaft, die eigenen Standpunkte und Ent- scheidungen zu hinterfragen mit dem Ziel, einen Gewinn für alle zu erzielen.

1.3 Das Konzept der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit nach Burkart

Burkart (1993) knüpft mit seinem Ansatz der „Verständigungsorientierten Öffentlichkeit“ am symmetrischen Kommunikationsmodell von Grunig/Hunt an. Das symmetrische Zweiweg- Modell zeichne sich dadurch aus, dass die „Chance einer wechselseitigen Einflussnahme eingeräumt wird“ (ebd., 19). Ziel der Öffentlichkeitsarbeit sei es, einen Interessenausgleich herbeizuführen und Konflikte mit Anspruchsgruppen zu bewältigen (vgl. Zerfaß 2006, 55f.). Burkart beschreibt in seinem Ansatz, wie der Verständigungsprozess theoretisch und praktisch ablaufen sollte. Dabei geht er von zwei grundsätzlichen Prämissen aus. Erstens fordern Bür- ger in den westlichen (demokratischen) Industriegesellschaften ein verstärktes Mitsprache- recht ein, wenn sie sich durch wirtschaftliche Entscheidungen betroffen fühlen. Burkart (2010, 223f.) macht das vor allem am Entstehen der Umweltbewegung in den 1970er und 1980er Jahren fest3. Zweitens geht er davon aus, dass Kommunikation zwischen Menschen grundsätzlich „auf das Ziel wechselseitiger Verständigung hin angelegt“ ist (ebd., 224).

Theoretische Grundlage des Begriffs ‚Verständigung‘ und damit seines gesamten PR Konzepts ist die „Theorie des kommunikativen Handelns“ des Soziologen Jürgen Habermas. Verständigung ist laut Habermas ein Prozess der Einigung, der darauf ausgerichtet ist, Einver- nehmen zu erzielen. Das Mittel dafür ist die Sprache, da mittels Sprache Bezüge hergestellt werden zur a) äußeren (objektiven) Welt als Gesamtheit aller Dinge, über die wahre Aussagen möglich sind, b) zur sozialen Welt, in der interpersonale Beziehungen zusammengefasst sind und c) zur subjektiven Welt als Gesamtheit der persönlichen Intentionen und Erlebnisse des Sprechers (vgl. Zerfaß 2006, 57).

Nach Habermas wissen die Kommunikationspartner intuitiv, dass für einen funktionierenden Verständigungsprozess mehrere grundsätzliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Es gelten die Ansprüche Verständlichkeit, Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Richtigkeit (vgl. Burkart 2010, 225). Die Kommunikationspartner müssen die gleiche Sprache beherrschen und sich ver- ständlich ausdrücken können (Anspruch der Verständlichkeit). Die Kommunikationspartner machen Aussagen über Sachverhalte, deren Existenz die andere Seite anerkennt (Anspruch der Wahrheit). Der Anspruch der Wahrhaftigkeit bedeutet, dass die Kommunikationspartner ihre wirklichen Absichten zum Ausdruck bringen und sich nicht gegenseitig täuschen. Vor dem Hintergrund beiderseitig anerkannter Werte und Normen akzeptieren die Kommunikati- onspartner, dass sie ihre Interessen „richtigerweise“ vertreten (Anspruch der Richtigkeit). Das heißt, dass ihre Anliegen legitim sind (vgl. ebd.). In der Praxis muss für die Kommunikations- partner klar sein, über welche Themen bzw. Sachverhalte gesprochen wird (Was), welche Personen oder Organisationen auf welcher Ebene miteinander kommunizieren (Wer) und welche Interessen bzw. Absichten sie verfolgen (Warum) (vgl. ebd., 230).

Burkart (1993, 29ff., 2010, 231ff.) unterscheidet vier Phasen der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit, die der PR-Betreiber initiieren sollte: Information, Diskussion, Diskurs und Situationsdefinition. Ausgangspunkt ist ein Konflikt oder eine Kontroverse, z.B. ein umstrittenes Bauvorhaben oder Unklarheiten über die Nebenwirkungen eines Medikaments.

1. Information: In der Phase der Information werden Zahlen, Daten und Fakten bereit gestellt. Darüber hinaus muss der PR-Betreiber klar machen, wer an dem Vorhaben beteiligt ist und wer die konkreten Ansprechpartner sind. Schließlich muss er Argumente für sein Konzept oder seine Sichtweise liefern, um sich zu legitimieren.

2. Diskussion: Nach der kommunikativ eher einseitigen Informationsphase geht es in der Diskussionsphase darum, eine Plattform für den Dialog zu schaffen und mit den An- spruchsgruppen ins Gespräch zu kommen (vgl. Kunczik 2002, 302). Dazu werden Infor- mationsabende veranstaltet, Bürgersprechstunden eingerichtet oder andere Kontaktmög- lichkeiten geschaffen. Dazu können auch interaktive Kommunikationsmittel wie das In- ternet gehören (vgl. Burkart 2000). Da die Diskussion stark über die Medien geführt wird, ist der Dialog mit Journalisten von zentraler Bedeutung. Diese sollten gezielt mit Informa- tionen versorgt werden. Ziel der Diskussion ist es, Argumente auszutauschen und strittige Punkte zu klären. Im Idealfall wird auf dieser Basis ein Einverständnis erzielt (vgl. Bur- kart 2010, 233).

3. Diskurs: Der Diskurs ist die nächste „Eskalationsstufe“, wenn es zu keiner Einigung kommt. In der Regel werden in dieser Situation die grundsätzlichen Geltungsansprüche des PR-Betreibers in Zweifel gezogen: Aussagen werden als unwahr angesehen, die Ver- trauenswürdigkeit der handelnden Personen bezweifelt oder die Legitimität des Vorhabens generell in Frage gestellt (ebd., 234). Der PR-Betreiber sollte dann weiter sachlich mit Fakten argumentieren, um die Wahrheit seiner Aussagen zu belegen (theoretischer Dis- kurs). Die Beteiligten sollten sich auf ein Verfahren einigen, wie sie auf der Sachebene zu beidseitig akzeptierten Einschätzungen kommen können, z.B. durch Einbeziehen eines unabhängigen Sachverständigen. Zudem fordert Burkart (2010, 234), dass der PR- Betreiber sein Vorhaben nach ethisch-moralischen Wertmaßstäben rechtfertigt (praktischer Diskurs).

4. Situationsdefinition: In dieser Phase stellt der PR-Betreiber fest, inwieweit ein Einver ständnis erzielt werden konnte und entscheidet, wie es weitergehen soll. Alternativen sind auf der kommunikativen Ebene die Beendigung oder die Fortführung des Diskurses. Auf der Ebene der Organisationsziele kommt eine Weiterführung, ein Abbruch oder eine Änderung des Vorhabens infrage.

In allen Phasen können - mit unterschiedlichen Schwerpunkten - sowohl klassische Instru mente der Pressearbeit und PR-Evaluation zum Einsatz kommen als auch Formen des Dialogs mit den Anspruchsgruppen. Das wichtigste Ziel der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit ist es, einen möglichst reibungslos ablaufenden Prozess der Kommunikation zwischen der Organisation und seinen Anspruchsgruppen zu erreichen (vgl. Burkart 2010, 229f.). Damit ordnet sich die Kommunikation den übergeordneten Zielen der Organisation unter, z.B. ein bestimmtes Vorhaben durchzusetzen.

1.4 Kritische Würdigung des Ansatzes von Burkart

Ein scharfer Kritiker der verständigungsorientierten Öffentlichkeit ist Merten (2000, 332ff.). Aus seiner Sicht lässt sich der Dialogbegriff, den er der informellen Kommunikation (Face-to- Face-Kommunikation u.a.) zurechnet, nicht auf die Massenkommunikation übertragen. Zu- dem kritisiert er, dass Burkart in seinem Ansatz die „Theorie des kommunikativen Handelns“ von Habermas vorbehaltlos übernehme. Dieser begreife den Prozess der Verständigung als herrschaftsfreien und somit interessenfreien Diskurs, was in der PR-Praxis kaum umzusetzen sei. Zudem werde ausgeblendet, dass Habermas mit der „erfolgsorientierten Kommunikation“ den Einsatz von Täuschung zur Durchsetzung eigener Interessen als legitim angesehen hat. Daher sei Burkarts Ansatz verständigungsorientierter Kommunikation „maximal ungeeignet für ein PR-Modell“. Unabhängig von dieser wissenschaftstheoretischen Kontroverse findet Merten die praktische Verwendung des Dialogbegriffs „ausgesprochen aufregend“ (ebd., 336).

Zerfaß (2006, 60) weist in diesem Zusammenhang auf einen anderen Widerspruch hin. Ziel der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit ist es, Akzeptanz zu erzielen bzw. Einver- ständnis vom Kommunikationspartner zu erreichen. Damit will der PR-Betreiber letztlich seinen Kommunikationspartner in eine bestimmte Richtung beeinflussen. Laut Habermas schließen sich aber Einflussnahme und Verständigung aus: „Sprechhandlungen können nicht in der doppelten Absicht geführt werden, mit dem Adressaten Einverständnis über etwas zu erzielen und gleichzeitig bei ihm kausal etwas zu bewirken.“ (Habermas zit. n. Zerfaß 2006, 60) Dieser Einwand von Zerfaß ist nicht von der Hand zu weisen und wirft Fragen für die praktische PR-Arbeit auf. In der Praxis wird es sehr häufig darum gehen, Entscheidungen der Unternehmensführung „zu verkaufen“. Verständigungsorientierte Vorgehensweisen haben aber nur geringe Chancen auf Erfolg, wenn sie von den Anspruchsgruppen als eine Art Scheindialog aufgefasst werden. Die Bereitschaft zur eigenen Verhaltensänderung als höchste Form der Dialogorientierung dürfte in der Realität eher selten anzutreffen sein.

Entscheidend ist, dass Burkart zwei Dinge betont. Erstens nennt er als wichtigstes Ziel seines Konzepts, die Voraussetzungen für einen Dialog zu schaffen, um die Eskalation eines Kon- flikts zu vermeiden (vgl. Burkart 2000, 223). Allein das ist schon viel Wert und war Anfang der 1990er Jahre durchaus progressiv. Zweitens ist ihm bewusst, dass man Einverständnis nicht erzwingen kann. Konflikte beruhen auf Interessengegensätzen und lassen sich nicht durch Kommunikation aus der Welt schaffen (vgl. ebd.). Burkart hat mit seinem Ansatz m.E. im deutschen Sprachraum einen wichtigen Beitrag zur Etablierung eines neuen PR- Verständnisses geleistet. Letztendlich geht es auch hier um die Grundhaltung einer Organisa- tion zur Kommunikation. Sie sollte von Offenheit geprägt sein, den direkten Austausch mit den Anspruchsgruppen zum Ziel haben und die Bereitschaft zur Anpassung beinhalten.

1.5 Der Dialogorientierte Ansatz der Public Relations von Kent/Taylor

Formen des Dialogs werden sowohl im symmetrischen Kommunikationsmodell nach Gru- nig/Hunt als auch im Konzept der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit nach Bur- kart als notwendig angesehen. Eine dialogorientierte Kommunikation ist erforderlich, da die einseitige Verbreitung von Informationen nicht ausreicht, um Kompromisse mit Anspruchs- gruppen auszuhandeln bzw. Verständigung zu erzielen. Kent/Taylor (1998, 2002) grenzen sich bewusst von diesen Theoriekonzepten ab und formulieren einen eigenständigen Ansatz. Sie verstehen Dialog nicht allein als Mittel zur Lösung von Konflikten oder zur Durchsetzung von Interessen einer Organisation, sondern als Weg zum Aufbau von nachhaltigen Beziehun- gen zu Personen oder Anspruchsgruppen (vgl. Kent/Taylor 2002, 23). Damit knüpfen sie an Forschungsarbeiten von Wissenschaftlern wie Ledingham/Bruning (2000) an, die den Aufbau und die Pflege von Beziehungen als Kernfunktion von Public Relations ansehen (vgl. Botan/Taylor 2004, 645). Zudem beziehen sie sich auf den Kommunikationswissenschaftler Pearson, der den Dialog zum generellen Leitbild der Öffentlichkeitsarbeit macht (vgl. Zerfaß 2006, 56). Nach Pearson können Public Relations als „management of personal dialectic“ bezeichnet werden, also als das Management der Gesprächsführung (Pearson zit. n. Kent/Taylor 2002, 23).

Kent/Taylor (2002, 24ff.) nennen fünf zentrale Prinzipien bzw. Grundsätze, die dialogorien- tierte Kommunikation auszeichnen: Gegenseitigkeit (mutuality) bedeutet, dass die Pflege von Beziehungen durch Zweiwegkommunikation kritisch für den Erfolg einer Organisation ist. Es existiert eine partnerschaftliche Grundhaltung: Die Kommunikationspartner sollten gleichbe- rechtigt agieren und bereit sein, den Standpunkt des anderen anzuerkennen sowie im Rahmen des Dialogs auf die Ausübung von Macht zu verzichten. Nähe (propinquity) beschreibt eine weitere Grundhaltung der Organisation. Die Kommunikation mit den Anspruchsgruppen sollte stattfinden, bevor Entscheidungen getroffen werden und für den Dialog sollte ein geeig- neter Raum (virtuell oder real) geschaffen werden. Zudem zeichnen sich die Kommunikati- onsteilnehmer einer Organisation durch Verbindlichkeit aus. Einfühlungsvermögen bzw. Empathie (empathy) beschreibt die Atmosphäre, in der ein Dialog stattfindet. Ein gegenseiti- ger Austausch kann nur in einer Atmosphäre erfolgen, in der Offenheit und Vertrauen herrscht. Praktisch heißt das u.a., dass Dialoge mit der Öffentlichkeit allen Interessierten offen stehen und die Teilnehmer bereit sind, zuzuhören und auf die Argumente des Kommunikati- onspartners einzugehen.

Kein Dialog ist ohne Risiko (risk) und eine Organisation muss deshalb bereit sein, mit Perso- nen und Anspruchsgruppen nach deren Maßstäben zu kommunizieren. Das Ergebnis eines Dialogs ist stets offen und es besteht z.B. die Gefahr, verspottet zu werden oder ungewollt kritische Sachverhalte preiszugeben. Gerade der Faktor Risiko ist für die Public Relations laut Kent/Taylor (2002, 29) problematisch, da sie eher bestrebt ist, Risiken für eine Organisation zu minimieren. Allerdings sensibilisiert das bestehende Risiko eines Dialogs die Organisation bereits im Vorfeld und kann so dazu beitragen, Unsicherheit zu reduzieren. Letzter Faktor ist die generelle Bereitschaft der Organisation, sich intensiv in einen Dialog einzubringen (commitment). Gesprächspartner sollten aufrichtig und authentisch sein. Zudem sollten sie bereit sein, unterschiedliche Interpretationen zu akzeptieren.

Kent/Taylor (2002, 30ff.) schlagen drei Wege vor, wie PR-Praktiker den Dialog mit den An- spruchsgruppen fördern können: erstens den Aufbau und die Pflege persönlicher Beziehun- gen, zweitens die Nutzung von Massenmedien als Kommunikationskanal und drittens den Aufbau organisatorischer Strukturen. Die Aussagen dazu sind allerdings nicht sehr konkret. So sollten Führungskräfte bestimmte persönliche Kompetenzen haben, um den Dialog zu fördern. Dazu zählen Einfühlungsvermögen und die Bereitschaft, unterschiedliche Standpunk- te von internen und externen Anspruchsgruppen zu berücksichtigen. In Bezug auf organisato- rische Strukturen beschreiben sie mehrere Faktoren, die erfüllt sein müssen: Die Kommunika- tionspartner sollten Einverständnis darüber erzielen, über welchen Kanal kommuniziert wird und welche Themen angesprochen werden sollen. Große Chancen für die Etablierung eines Dialogs mit den Anspruchsgruppen sehen die Autoren frühzeitig in den Möglichkeiten des Internets (vgl. Kent/Taylor 1998).

Die Vorteile des Dialogs für die Organisation sind eine stärkere Unterstützung durch die Öffentlichkeit bzw. durch ihre Anspruchsgruppen, positive Beiträge für Image und Reputation sowie geringere Behinderungen durch Behörden oder andere staatliche Stellen (vgl. Kent/Taylor 2002, 30). Die Forscher sehen den Dialog als theoretische Grundlage für ethische Public Relations. Da der Dialog nicht als „Mittel zum Zweck“ zur Durchsetzung wirtschaftlicher Ziele verstanden wird, ist das Konzept aus ihrer Sicht dem PR-Modell der symmetrischen Kommunikation von Grunig/Hunt überlegen.

1.6 Kritische Würdigung des Ansatzes von Kent/Taylor

Der Ansatz von Kent/Taylor wirkt theoretisch am schwächsten fundiert und die Hinweise für die PR-Praxis bleiben an der Oberfläche. Ihre Grundsätze in Bezug auf Dialog wie „spirit of mutual equality“, „temporal flow“ oder „recognition of strange otherness“ wirken für Wirt- schaftswissenschaftler und PR-Praktiker geradezu esoterisch. Die generelle Dialogorientie- rung einer Organisation, wie sie Kent/Taylor vorschweben, ist m.E. aber keinesfalls welt- fremd. Für sie ist der Dialog kein Mittel zum Zweck, um bestimmte Ziele zu erreichen, sondern eine Grundhaltung, die eine Leitbildfunktion für die Public Relations hat. Sie signalisiert Offenheit und fördert, sofern die Grundsätze dialogischer Kommunikation eingehalten wer- den, eine partnerschaftliche Form der Interaktion mit den Anspruchsgruppen. Dieser Anspruch ist vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen aktueller denn je.

1.7 Zwischenfazit: Bedeutung dialogischer Kommunikation für die Public Relations

Die Bedeutung des Dialogs für die Public Relations wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Die Standpunkte reichen von Ablehnung bis zur Überhöhung. In der Praxis scheint sich die dialogorientierte Kommunikation mit all seinen Konsequenzen noch nicht in der Breite durchgesetzt zu haben. Zwei der erfolgreichsten Unternehmen der Welt in ihren jeweiligen Märkten kommunizieren sehr restriktiv: Apple und Aldi. Bei Apple wirkt das geradezu absurd, revolutioniert das Unternehmen doch mit seinen Produkten die mobile Kommunikation in Richtung einer Überallverfügbarkeit.

Dennoch ist eine stärkere Dialogorientierung m.E. aufgrund gesellschaftlicher und technolo- gischer Entwicklungen erforderlich. Zum einen fordern die Bürger in den westlichen Demo- kratien mehr Mitsprache bei politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen, was Auswir- kungen auf die Kommunikation von Unternehmen hat (vgl. Burkart 2010, 223f.). Die Unter- nehmen bewegen sich in einem gesellschaftlichen Spannungsfeld, das in den vergangenen Jahrzehnten von sozialen Megatrends mit weitreichenden Folgen geprägt war. Exemplarisch seien hier die Umweltbewegung, die Globalisierungskritik und die zunehmende Kapitalis- muskritik genannt. Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass Unternehmen heute viel stärker unter öffentlicher Beobachtung stehen als früher und sich zunehmend rechtfertigen müssen. Vor diesem Hintergrund ist ein zentrales Ziel der Kommunikation, die Interessen der Organisation zu legitimieren und Handlungsspielräume (licence to operate) zu sichern (vgl. Westermann/Schmid 2012, 2).

Verstärkt wird dieser Trend durch eine voranschreitende Medialisierung und die neuen Kom- munikationsmöglichkeiten des Internet. Nach Ansicht von Röttger/Schmitt (2009, 7) können sich Unternehmen „in der Mediengesellschaft - ob sie es wollen oder nicht - der öffentlichen Kommunikation und öffentlichen Beobachtung dauerhaft nicht entziehen“. Mit der Weiter- entwicklung des Internet zum Social Web werden den Unternehmen interaktive Formen des Dialogs quasi „aufgezwungen“. Zu diesem Schluss kommen auch Westermann/Schmid (2012, 7), wenn sie ausführen: „Die (…) Umkehr des Sender-Empfänger-Prinzips und die Kommu- nikationsmodi des Internet sorgen dafür, dass Bezugsgruppen die Bereitschaft zum Dialog zunehmend voraussetzen bzw. einfordern. Hieraus resultiert die strategische Notwendigkeit, diesen Dialog auch zu führen.“

Für die praktische PR-Arbeit ergeben sich aus der Theoriediskussion m.E. folgende Schlussfolgerungen:

Einwegkommunikation mit Rückkanal bleibt gängige Praxis

In der PR-Praxis werden auch in Zukunft Situationen vorherrschen, in denen es um die einsei- tige Vermittlung von Informationen geht oder bereits gefällte Entscheidungen kommuniziert werden müssen. Anspruch und Aufgabe der PR-Verantwortlichen sollte es sein, einen Rück- kanal zu schaffen und Fragen zu beantworten. Der Dialog erschöpft sich dann allerdings in der Erläuterung der gefassten Beschlüsse. Es sollte nicht der Eindruck erweckt werden, die jeweilige Anspruchsgruppe könne im Rahmen des Dialogs eine Änderung von Entscheidun- gen herbeiführen (Scheindialog).

Dialogkommunikation ist situationsspezifisch sinnvoll und notwendig

In Krisen und Konfliktsituationen scheint ein verständigungsorientiertes Vorgehen sinnvoll. Es lassen sich aber auch andere Anwendungsbeispiele konstruieren: etwa die Einführung eines neuen, besonders erklärungsbedürftigen Produkts oder eine Informationskampagne zur Suchtprävention. Der Dialog bietet zum einen die Möglichkeit, Informationen über die mas- senmediale Kommunikation hinaus im direkten Kontakt zu vermitteln, auf Nachfragen zu reagieren oder Unklarheiten auszuräumen. Die Public Relations leistet damit „Überzeugungs- arbeit“. Zum anderen eröffnet der Dialog in Streitfällen die Möglichkeit, mehr über die Standpunkte und Argumente des Kommunikationspartners zu erfahren. Dialog ist allerdings nur dann wirklich sinnvoll, wenn die Organisation bereit ist - und das auch praktisch möglich ist - eigene Standpunkte zu hinterfragen und Entscheidungen ggf. zu revidieren. Das Konzept der verständigungsorientierten Öffentlichkeit gibt hier wichtige Hinweise, wie ein solcher Prozess praktisch ablaufen sollte.

Generelle Dialogorientierung kann als Leitbild dienen, wenn sie zum Unternehmen passt Die generelle Dialogorientierung einer Organisation kann vor dem Hintergrund der beschrie- benen gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen sinnvoll sein. Gerade in Zeiten des Social Webs, in denen Mitarbeiter ständig bloggen, twittern und facebooken, verschwim- men die Grenzen zwischen dem System Unternehmen und seiner Umwelt immer mehr. Die Dialogorientierung als Leitbild ist dann der nächste logische Schritt. Allerdings muss dieser Ansatz zur Identität des Unternehmens passen. Die Einführung dialogorientierter Strukturen und Prozesse ist eine Managementaufgabe, die sorgfältig geplant und auf allen Ebenen einer Organisation implementiert werden muss. Man kann sich ausmalen, was das für ein Unter- nehmen wie den Handelskonzern Aldi bedeuten würde, der bis heute nicht mal einen Presse- sprecher hat.

[...]


1 Burkart (1993, 20) erwähnt, dass auch diese Autoren dialogorientierte Formen der Kommunikation ansprechen, um eine Verständigung mit Anspruchsgruppen zu erreichen. Allerdings fehle es an „konkreten Umsetzungsstrategien“. Die Ausführungen wirken laut Burkart daher wie „Sonntagsreden“.

2 Eine einheitliche Übersetzung von „Publics“ ins Deutsche hat sich in der Literatur bisher nicht durchgesetzt. Neben Anspruchsgruppen werden u.a. folgende Begriffe synonym verwendet: Publikumsgruppen, Zielgruppen, Bezugsgruppen, Interessengruppen, Stakeholder, Teilöffentlichkeiten. Ich verwende die Begriffe Anspruchs- gruppe und Stakeholder.

3 Burkart entwickelte seine Theorie anhand eines konkreten Falls, den er evaluiert hat. Dabei ging es um die Auseinandersetzungen zwischen Bürgern und Landesregierung im Zuge des geplanten Baus von zwei Sonderabfalldeponien in Niederösterreich.

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Detalles

Título
PR in Sozialen Online-Netzwerken
Subtítulo
Bedeutung dialogorientierter Kommunikation für den Schutz der Reputation von Unternehmen am Beispiel Facebook
Universidad
Quadriga Hochschule Berlin  (Corporate Communications)
Calificación
1,0
Autor
Año
2012
Páginas
82
No. de catálogo
V195014
ISBN (Ebook)
9783656213994
ISBN (Libro)
9783656216247
Tamaño de fichero
1194 KB
Idioma
Alemán
Notas
Die Arbeit Enthält eine Umfrage unter PR- und Marketing-Experten in der IT-Branche zum Einsatz von Facebook in der Kommunikation.
Palabras clave
Public Relations, Facebook, soziale Netzwerke, Reputation, Dialog, symmetrische Kommunikation, Social Web, Web 2.0
Citar trabajo
Maurice Shahd (Autor), 2012, PR in Sozialen Online-Netzwerken, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/195014

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Título: PR in Sozialen Online-Netzwerken



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