Entrepreneurship auf Firmenebene: Attitude, Behavior oder beides?

Konzeptionelle Herausforderungen von „Entrepreneurial Orientation“ und alternative Ansätze zur Konstruktmessung


Master's Thesis, 2012

105 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Management Summary

1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit 1
1.2 Aufbau der Arbeit und methodische Vorgehensweise

2. Konzeptionelle Unklarheiten innerhalb der Literatur zu Entrepreneurial Orientation (EO)
2.1 Einordnung und Definition von EO
2.2 Aktuelle Diskussionspunkte innerhalb der Literatur zu EO
2.2.1 Reflektive vs. formative Konzeptualisierung und Messung von EO
2.2.1.1 Charakteristika von reflektiven und formativen Konstrukten
2.2.1.2 Diskussion im Bezug zu EO
2.2.1.3 Zusammenfassung der Hinweise zur Modellierung von EO
2.2.2 Attitude vs. Behavior
2.2.2.1 Attitude und Behavior im Bezug zu wissenschaftlichen Konzepten auf Firmenebene
2.2.2.2 Die Natur verwendeter Definitionen von EO
2.2.2.3 Eine Analyse der Items der Covin und Slevin (1989)-Skala
2.2.2.4 Zulässigkeit einer Mischform von Attitude- und Behavior-Aspekten bei der Definition und Messung von EO
2.2.2.5 Ein alternatives Framework

3. Bestehende Attitude- und Behavior-Konzepte der Entrepreneurship-Forschung
3.1 Attitude-Konzepte
3.1.1 Firm-Level Entrepreneurial Culture
3.1.2 Entrepreneurial Climate
3.1.3 Entrepreneurial Mindset
3.1.4 Entrepreneurial Dominant Logic
3.1.5 Individual-Level Entrepreneurial Attitude
3.2 Behavior-Konzepte
3.2.1 Corporate Venturing
3.2.2 Strategic Renewal
3.2.3 Corporate Entrepreneurial Action
3.2.4 Pioneering-Innovative Management
3.3 Einordnung von Firm-Level Entrepreneurial Attitude und Behavior in die bestehende Literatur
3.3.1 Einordnung von Firm-Level Entrepreneurial Attitude
3.3.2 Einordnung von Firm-Level Entrepreneurial Behavior

4. Ein Vorschlag zur Konzeptualisierung von Firm-Level Entrepreneurial Attitude..
4.1 Zielsetzung der Untersuchung
4.2 Methodik der empirischen Untersuchung
4.2.1 Untersuchungsmethode
4.2.2 Untersuchungsteilnehmer
4.2.3 Untersuchungsdurchführung
4.2.4 Auswertungsverfahren
4.3 Identifizierung der relevanten Dimensionen
4.4 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse

5. Hinweise zur objektiven Messung von Firm-Level Entrepreneurial Behavior
5.1 Hinweise aus der bestehenden EO-Literatur
5.2 Zusammenfassung der Möglichkeiten zur objektiven Messung der einzelnen
Dimensionen

6. Schlussfolgerungen
6.1 Zusammenfassung der Erkenntnisse
6.2 Einordnung der Erkenntnisse
6.3 Forschungsausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Reflektive Modellierung

Abbildung 2: Formative Modellierung

Abbildung 3: "Reflective FOC, Reflective SOC"-Modell

Abbildung 4: "Formative FOC, Reflective SOC"-Modell

Abbildung 5: "Reflective FOC, Formative SOC"-Modell

Abbildung 6: "Formative FOC, Formative SOC"-Modell

Abbildung 7: Attitudes als Erklärung von Reaktionen auf Stimuli

Abbildung 8: Grundsätzliche Attitude-Behavior-Relation

Abbildung 9: Motivationsprozess nach Locke und Henne (1986)

Abbildung 10: Attitude-Behavior-Performance-Relation

Abbildung 11: Bisherige EO-Performance-Relation

Abbildung 12: Neues Framework für die EO-Thematik

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Kriterien für eine reflektive vs. formative Modellierung

Tabelle 2: Definitionen von EO bezüglich Attitude vs. Behavior

Tabelle 3: Auswertung der Covin und Slevin (1989)-Skala

Tabelle 4: Attitude-Konzepte in der Entrepreneurship-Literatur

Tabelle 5: Behavior-Konzepte in der Entrepreneurship-Literatur

Tabelle 6: Raster zum Interviewablauf

Tabelle 7: Antwortbogen

Tabelle 8: Beispiel zur Auswertung der Antwortbögen

Tabelle 9: Auflistung der generierten Items

Tabelle 10: Kategorisierung der Top-Daten

Tabelle 11: Kategorisierung der Tail-Daten

Tabelle 12: Identifikation der Dimensionen von Firm-Level Entrepreneurial Attitude

Tabelle 13: Hinweise zur objektiven Messung von Firm-Level Entrepreneurial Behavior

Tabelle 14: Begriffe zur inhaltlichen Analyse von Schriftstücken

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Management Summary

Die vorliegende Masterarbeit spricht einige konzeptionelle Herausforderungen der aktuellen EO-Forschung an. Hierbei werden unter Einbezug der Erkenntnisse weiterer wissenschaftlicher Disziplinen entsprechende Handlungsvorschläge erarbeitet.

Unter Entrepreneurial Orientation (EO) versteht sich generell gesprochen eine strategische Orientierung einer Unternehmung. Das Konstrukt entstammt also der Literatur des Unternehmertums. In den letzten Jahren entwickelte es sich zu einem der populärsten und meist genutzten Konzepte dieses Themenbereichs. Trotz der Fülle von Artikeln bestehen nach wie vor einige konzeptionelle Herausforderungen, welche die Entstehung eines stabilen und kompakten Literaturgebildes schwächen. So existiert nach wie vor keine allgemeingültige Definition von EO. Die damit verbundenen unterschiedlichen Konzeptualisierungen des Konstrukts vermindern die Vergleichbarkeit der verschiedenen Arbeiten. Diese Masterarbeit nimmt sich zweier dieser Herausforderungen an. Erstens ist dies die Frage, ob die Beziehung zwischen EO und dessen Dimensionen reflektiv oder formativ modelliert werden sollte. Zweitens wird diskutiert, ob es sich bei EO um ein Attitude-, um ein Behavior-Konzept oder sogar um eine Mischform handelt.

Während die Diskussion bezüglich der reflektiven vs. formativen Modellierung in der EO- Forschung erst spärlich stattgefunden hat, liefert die Literatur anderer wissenschaftlicher Bereiche wie der Psychologie oder dem Marketing umfangreiche Informationen. Der Unterschied zwischen den beiden Möglichkeiten liegt hauptsächlich in der Richtung der Beziehungen zwischen dem latenten Konstrukt und den Indikatoren. Eine reflektive Beziehung bedeutet hierbei, dass eine Veränderung des latenten Konstrukts zu einer Veränderung aller Indikatoren führt. Der formative Ansatz hingegen setzt voraus, dass eine Veränderung eines oder mehrerer Indikatoren zu einer Veränderung des latenten Konstrukts führt. Bezogen auf den Kontext dieser Arbeit bedeutet dies, dass EO in erstem Falle von seinen Dimensionen unabhängig existiert und in zweitem Falle erst durch die Kombination der verschiedenen Dimensionen erschaffen wird. Auf Basis einer Literaturanalyse wird ein Kriterienkatalog erarbeitet, welcher zur Klärung dieser Frage im Rahmen von EO verwendet wird. Dies führt zur Erkenntnis, dass sowohl reflektive als auch formative Modellierungen von EO denkbar sind. Abhängig ist dies hauptsächlich von der Überzeugung und Einschätzung des Autors, denn die Kohärenz zwischen Konzeptualisierung und Messung ist unabdinglich. Wichtig ist hierbei aber die Feststellung, dass EO als reflektives vs. formatives Modell streng genommen ein anderes Konstrukt darstellt. Dies impliziert beispielsweise, dass die Forschungsergebnisse einer Arbeit mit einer formativen Modellierung der Beziehung zwischen EO und seinen Dimensionen nicht automatische in den Kontext einer reflektiven Konzeptualisierung übertragen werden können.

Die Absenz einer Diskussion der Frage, ob es sich bei EO um eine Attitude oder ein Behavior respektive eine Mischform handelt, stellt einen weiteren Schwachpunkt der EO-Forschung dar. Nachdem Wiklund (1998) bereits vor längerer Zeit darauf aufmerksam gemacht hatte, rückte die Fragestellung erst kürzlich wieder in das Interesse der Forscher. Wie eine Analyse verschiedener Definitionen von EO zeigt, weisen diese je nach dem entweder eine Attitude, Behavior oder gemischte Sichtweise auf. Dies deutet darauf hin, dass die EO-Thematik beide Aspekte vereint. Eine Betrachtung des meist verwendeten Messinstruments, der Covin und Slevin (1989)-Skala zeigt zudem, dass bei der Messung gleichzeitig sowohl Attitudes als auch Behaviors erhoben werden. Die Erkenntnisse der Attitude-Forschung zeigen hingegen, dass eine Mischform aus theoretischer Sicht unzulässig ist. So stellen Attitudes und entsprechende Behaviors in jedem Fall eigenständige Konzepte dar. Zudem hängt die Abhängigkeit eines Behaviors von einer entsprechenden Attitude vom Einfluss weiterer Variablen ab (z.B. Zeit, externes Umfeld). In Anbetracht dessen schlägt diese Masterarbeit eine Trennung der beiden Aspekte vor, indem EO in die beiden eigenständigen Subkonstrukte Firm-Level Entrepreneurial Attitude und Firm-Level Entrepreneurial Behavior unterteilt wird. Ersteres wird hierbei als die Bereitschaft eines Unternehmens sich unternehmerisch zu verhalten definiert. Das Zweite als die Prozesse, Praktiken und Entscheidungsfindungsmechanismen, welche innerhalb eines Unternehmens zu neuen unternehmerischen Aktivitäten führen; charakterisiert durch ihre Proaktivität, das Eingehen von Risiken und die Innovativität. Ein Vergleich mit verwandten wissenschaftlichen Konzepten zeigt, dass die beiden Konstrukte eigenständige und abgrenzbare Ergänzungen des bestehenden Theoriegebildes darstellen. Das erstellte Framework sieht zudem vor, dass die beiden Konstrukte zwar positiv korreliert sind, die Relation zwischen Firm-Level Entrepreneurial Behavior und Firm-Level Entrepreneurial Attitude aber vom Einfluss weiterer Variablen abhängt.

Im Rahmen einer empirische Untersuchung anhand strukturierter Interviews werden unter Verwendung der Repertory Grid Technik vier Dimensionen von Firm-Level Entrepreneurial Attitude identifiziert: Innovationsfreudigkeit, Proaktivität, Risikobereitschaft und Orientierung gegen Aussen. Die Innovationsfreudigkeit umfasst hierbei die Bereitschaft zu einem hohen Innovationsgrad und einer konstanten Erneuerung der Produktpalette. Die Proaktivität beschreibt die Sensibilität für neue Märkte und Trends sowie die Bereitschaft zur aktiven Marktgestaltung. Die Bereitschaft, bei der Einführung neuer Produkte und dem Eintritt in neue Märkte Risiken einzugehen, führt zur Dimension Risikobereitschaft. Die vierte Dimension Orientierung gegen Aussen bezieht sich auf die Bereitschaft die Unternehmensentwicklung auf externe Gegebenheiten auszurichten.

Bisher wurde EO meist durch Befragungen von Managern mit Hilfe von Instrumenten wie der Covin und Slevin (1989)-Skala erhoben. Dies bedeutet, dass die EO eines Unternehmens durch die subjektive Einschätzung einer Führungsperson hergeleitet wird und zwangsläufig zu einer gewissen Verzerrung der Resultate führt. Im Rahmen von Firm-Level Entrepreneurial Behavior wird infolgedessen eine Messung durch objektive Indikatoren als adäquat erachtet. Eine Analyse von Arbeiten im Bereich EO bezüglich dessen objektiver Messung lässt drei entsprechende Möglichkeiten erkennen. So bieten sich die Auswertung von Kennzahlen auf Basis öffentlich zugänglicher Firmendaten, die Erhebung konkreter Daten durch die direkte Befragung von Managern sowie die inhaltliche Analyse von öffentlich zugänglichen Schriftstücken wie Firmenpublikation oder Zeitungsartikeln an. Zudem wird in diesem Zusammenhang eine Vielzahl möglicher Indikatoren von Firm-Level Entrepreneurial Behavior identifiziert.

Eine Beachtung der Erkenntnisse in der künftigen Erforschung von Entrepreneurship auf Firmenebene verspricht eine Verbesserung der wissenschaftlichen Basis. So können konzeptionelle Herausforderung entschärft und Schwachpunkte vermieden werden, was zu einer Stärkung der Aussagekraft und Vergleichbarkeit der Forschungsergebnisse führen wird.

1. Einleitung

Entrepreneurial Orientation (EO) umschreibt ein zunehmend populäres Konstrukt des wissenschaftlichen Themenbereichs des Unternehmertums („entrepreneurship“). Es handelt sich hierbei um eine strategische Orientierung eines Unternehmens im Bezug zu unternehmerischen Entscheidungen und Prozessen (vgl. u.a. Frank/Kessler/Fink 2010, S. 177, Lumpkin/Dess 1996, S. 136f). Fast 30 Jahre nach der ursprünglichen Definition von EO durch Miller (1983) und rund 20 respektive 15 Jahre nach den wegweisenden Artikeln von Covin und Slevin (1991) sowie Lumpkin und Dess (1996) ist es an der Zeit, die Konzeptualisierung und Messung von EO kritisch zu analysieren und zu hinterfragen. Einen Beitrag zu dieser Reflexion liefert die vorliegende Masterarbeit.

1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit

Gemeinhin wird die Definition von EO einem Artikel von Miller aus dem Jahre 1983 (vgl. Covin/Lumpkin 2011, S. 855) zugeschrieben. Damit ist die Forschung in diesem Themenbereich also fast 30-jährig. In den letzten Jahren hat die Anzahl wissenschaftlicher Publikation zu EO stark zugenommen. So ergibt eine simple Suche innerhalb der Datenbank „Business Source Premier“, dass der Begriff „Entrepreneurial Orientation“ seit 1991 bis Ende Januar 2012 im Titel von 163 wissenschaftlichen Publikationen Erwähnung findet. Bei 56, also mehr als einem Drittel davon, handelt es sich um Artikel, welche seit Beginn des Jahres 2010 veröffentlicht wurden. Dies zeigt, dass EO zunehmend in den Fokus der Wissenschaft rückt. Trotz der stetig wachsenden Anzahl wissenschaftlicher Publikationen bestehen nach wie vor zahlreiche Herausforderungen, Unklarheiten und Inkonsistenzen bezüglich der Konzeptualisierung und Messung von EO (vgl. u.a. Covin/Lumpkin 2011; Miller 2011). Während einige Punkte wie die Dimensionalität und die verschiedenen Dimensionen bereits ausführlich diskutiert wurden, sind andere Probleme noch gar nicht oder erst in ungenügendem Umfang besprochen worden.

Die vorliegende Masterarbeit nimmt sich in einem ersten Teil zweier dieser Probleme an und erarbeitet diesbezügliche Handlungsvorschläge. Zum einen ist dies die Frage, ob es sich bei EO um ein reflektives oder formatives latentes Konstrukt handelt. Zum anderen wird die Frage behandelt, ob EO ein Verhalten („behavior“), eine Haltung („attitude“) oder eine Mischung von beidem widerspiegelt. Zusätzlich wird die Frage geklärt, ob ein Konzept aus theoretischer Sicht gleichzeitig Attitude- und Behavior-Aspekte aufweisen darf.

Die Analyse der zweiten Problemstellung ergibt, dass EO weder ausschliesslich ein Behavior noch eine Attitude abbildet. Vielmehr lassen die verschiedenen Konzeptualisierungen und Messinstrumente (vgl. besonders Covin/Slevin 1991) darauf schliessen, dass die Thematik beide Aspekte vereint. Dies führt zur Erkenntnis, dass es an der Zeit ist, zwei ergänzende Subkonstrukte zu entwickeln, welche einerseits das unternehmerische Verhalten („Firm-Level Entrepreneurial Behavior“) und andererseits die unternehmerische Haltung („Firm-Level Entrepreneurial Attitude“) von Unternehmen separat abbilden (vgl. auch Miller 2011, S. 878f). Diese Erkenntnis wird in den folgenden Teilen aufgenommen, indem eine Einordnung in das bestehende Theoriegebilde vorgenommen wird und anschliessend mithilfe einer empirischen Untersuchung eine mögliche Konzeptualisierung von Firm-Level Entrepreneurial Attitude sowie durch ein Literaturstudium Möglichkeiten einer objektiven Messung von Firm-Level Entrepreneurial Behavior erarbeitet wird.

Es werden im Verlaufe dieser Masterarbeit somit die folgenden Forschungsfragen beantwortet:

- Sollte EO formativ oder reflektiv definiert respektive gemessen werden?
- Widerspiegelt EO eine Haltung („attitude“), ein Verhalten („behavior“) oder eine Mischform?
- Ist eine Mischung von Attitude- und Behavior-Aspekten innerhalb desselben Konstrukts aus theoretischer Sicht zulässig und wie lauten die Implikationen dieser Diskussion für die zukünftige Konzeptualisierung von EO?
- Wie sind die neuartigen Konstrukte Firm-Level Entrepreneurial Attitude und Firm- Level Entrepreneurial Behavior innerhalb des bestehenden Theoriegebildes einzuordnen?
- Wie kann Firm-Level Entrepreneurial Attitude konzeptualisiert werden?
- Wie kann Firm-Level Entrepreneurial Behavior objektiv gemessen werden?

Als Oberziel dient die Entschärfung konzeptioneller Unklarheiten innerhalb der Forschung zu EO.

1.2 Aufbau der Arbeit und methodische Vorgehensweise

Die Arbeit unterteilt sich in vier Hauptteile. Im Verlauf von Kapitel 2 werden das Konstrukt EO im Allgemeinen (siehe Kapitel 2.1) sowie dessen konzeptionelle Unklarheiten besprochen (siehe Kapitel 2.2). Hierbei wird diskutiert, ob EO ein formatives oder reflektives Modell beschreibt (siehe Kapitel 2.2.1) sowie inwiefern EO eine Attitude, ein Behavior oder eine Mischform widerspiegelt. Zudem wird untersucht, ob eine Mischung innerhalb eines Konstrukts aus theoretischer Sicht überhaupt zulässig ist und wie die Implikationen dieser Diskussion für die zukünftige Konzeptualisierung von EO lauten (siehe Kapitel 2.2.2). Als Basis dienen in beiden Fällen sowohl wissenschaftliche Beiträge zur EO-Literatur wie auch relevante Publikationen anderer wissenschaftlicher Gebiete. Das Kapitel 3 dient der Erstellung einer Übersicht über bestehende Attitude- und Behavior-Konzepte in der Entrepreneurship-Forschung (siehe Kapitel 3.1 und 3.2) sowie einer entsprechenden Einordnung von Firm-Level Entrepreneurial Attitude und Firm-Level Entrepreneurial Behavior (siehe Kapitel 3.3). Das Kapitel 4 widmet sich anschliessend der Konzeptualisierung von Firm-Level Entrepreneurial Attitude mithilfe einer empirischen Untersuchung. Dies beinhaltet die Klärung der Zielsetzung (siehe Kapitel 4.1), die Beschreibung der Methodik (siehe Kapitel 4.2) sowie die Präsentation und Interpretation der Ergebnisse (siehe Kapitel 4.3 und 4.4). Das Kapitel 5 widmet sich anhand eines Literaturstudiums (siehe Kapitel 5.1) der Erarbeitung der Möglichkeiten einer objektiven Messung von Firm-Level Entrepreneurial Behavior (siehe Kapitel 5.2). Das abschliessende Kapitel 6 enthält eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit (siehe Kapitel 6.1), eine Einordnung der Erkenntnisse (siehe Kapitel 6.2) und einen Forschungsausblick (siehe Kapitel 6.3).

2. Konzeptionelle Unklarheiten innerhalb der Literatur zu Entrepreneurial Orientation (EO)

Wie erwähnt ist EO mittlerweile ein äusserst populäres wissenschaftliches Konstrukt. Trotz der grossen Anzahl an Publikationen steht die Forschung zu EO aber vor verschiedenen Herausforderungen. So kann eine gewisse Fragmentierung der Forschung identifiziert werden. Dies erfordert eine Diskussion der einzelnen Punkte mit dem Ziel, die jeweiligen Unklarheiten zu klären und die Forschung zu EO auf ein stabileres Fundament zu heben. Zwei Herausforderungen davon werden im Verlaufe dieses Kapitels diskutiert und entsprechende Lösungsvorschläge entwickelt.

2.1 Einordnung und Definition von EO

EO hat seinen Ursprung in der Literatur zur strategischen Unternehmensführung und Unternehmertum („entrepreneurship“). Es handelt sich hierbei um eine strategische Orientierung auf Firmenebene. In diesem Sinne dient EO der Erklärung eines spezifischen strategischen Verhaltens einer Unternehmung, welches die Basis für unternehmerische Entscheidungen und Aktionen bildet (vgl. Rauch et al. 2009, S. 763). So ordnen Lumpkin und Dess (1996, S. 136) dem Unternehmertum die Aktivitäten des „new entry“ zu, also z.B. Unternehmensgründungen, die Einführung neuartiger Produkte und die Implementierung neuartiger Prozesse. EO hingegen widerspiegelt die Art der grundsätzlichen unternehmerischen Prozesse, welche zu ebendiesen Aktivitäten führen. Unternehmertum beschreibt demnach den Inhalt unternehmerischer Entscheide und somit, was unternommen wird, während EO beschreibt, wie neue unternehmerische Aktivitäten („new ventures“) unternommen werden (vgl. Lumpkin/Dess 2001, S. 432). EO beschreibt in diesem Rahmen je nach Auffassung die Position einer Organisation auf einem Kontinuum zwischen konservativ und unternehmerisch (u.a. nach Auffassung Covin und Slevin 1991) oder in einem multidimensionalen konzeptionellen Raum (u.a. nach Auffassung von Lumpkin und Dess 1996), der die Domäne des „unternehmerisch sein“ („being entrepreneurial“) abbildet (vgl. Covin/Wales 2011, S. 1) (siehe Kapitel 2.2. für eine Erklärung der Dimensionalität).

Als ursprüngliche Definition von EO wird gemeinhin die folgende Aussage Millers (1983, S. 771) genannt: „ An entrepreneurial firm is one that engages in product-market innovation, undertakes somewhat risky ventures, and is first to come up with ‚ proactive ’ innovations, beating competitors to the punch. “ Demnach weist das Konstrukt EO drei Dimensionen auf: Proaktivität („proactiveness“), Risikofreudigkeit („risk-taking“) und Innovationsfreudigkeit („innovativeness“). Eine Untersuchung von 59 Publikationen in renommierten wissenschaftlichen Journals (vgl. Bowald 2010, S. 4ff) zeigt auf, dass die verwendete Definition von EO in 51 Fällen zumindest diese drei Dimensionen beinhaltet. Die Autoren von 37 Artikeln verwenden sogar ausschliesslich diese drei Dimensionen, wobei besonders der wegweisende Artikel von Covin und Slevin (1991) zu erwähnen ist. Als weiterer wegweisender Artikel wird häufig derjenige von Lumpkin und Dess (1996) anerkannt. Hierbei erweitern die Autoren EO um die Dimensionen aggressives Wettbewerbsverhalten („competitive aggressiveness“) und Autonomie („autonomy“). Innerhalb der untersuchten 59 Artikel sind es nach den drei erwähnten ursprünglichen Dimensionen die am häufigsten verwendeten. Insgesamt folgen neun Artikel exakt der fünfdimensionalen Konzeptualisierung von Lumpkin und Dess. Alle untersuchten Artikel verwenden zur Definition von EO mindestens zwei Dimensionen, wobei der Median bei drei Dimensionen liegt (vgl. Bowald 2010, S. 5).

Die Lebenszyklen von Produkten und Prozessen verkürzen sich zusehends. Somit sind Unternehmen gezwungen sich ständig weiter zu entwickeln, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dies setzt voraus, dass sie neue Möglichkeiten identifizieren und nutzen. Es scheint naheliegend, dass eine hohe EO hierbei hilfreich sein kann. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Wissenschaftler der Erforschung des Zusammenhangs von EO und dem Geschäftserfolg widmen. Laut einer Metastudie von Rauch et al. (2009, S. 774f) ist EO im Allgemeinen tatsächlich ein signifikanter Indikator für den Geschäftserfolg. Verschiedene Studien zeigen hingegen, dass die Relation stark von einer grossen Anzahl weiterer Einflussgrössen wie der Dynamik des Wettbewerbsumfelds („environmental dynamism“) (vgl. u.a. Becherer/Maurer 1997, Lumpkin/Dess 2001) oder dem Zugang zu finanziellen Ressourcen („access to financial ressources“) (vgl. u.a. Frank/Kessler/Fink 2010, Wiklund/Sheperd 2005) abhängt (vgl. auch Bowald 2010). Eine kürzlich erschienene Studie von Wiklund und Sheperd (2011) zeigt ausserdem, dass EO zusätzlich die Fehlschlagquote von Unternehmen („failure“) erhöht. Die Autoren stützen damit ihre Hypothese, dass EO nicht direkt den Erfolg beeinflusst, sondern die Varianz des Erfolgs erhöht. Damit stellen sie zu einem gewissen Grad das Vorhandensein einer EO-Erfolgs-Relation in Frage. Auf Grund der praktischen Relevanz des EO-Phänomens ist es aber nicht überraschend, dass das entsprechende wissenschaftliche Interesse immer stärker zunimmt (vgl. Covin/Lumpkin 2011, S. 856).

2.2 Aktuelle Diskussionspunkte innerhalb der Literatur zu EO

Trotz der Popularität des Konstrukts weist die entsprechende Literatur einige Fragmentierungen auf. So fehlt ein Konsens in mehreren grundlegenden Bereichen der EO- Forschung. Dies beginnt bereits beim Fehlen einer einheitlichen Definition, abhängig vom Autor weist diese bisweilen erstaunlich grosse Differenzen auf (vgl. Covin/Wales 2011, S. 2ff). Um die Forschung effizient voranzutreiben, ist es unabdingbar, dass diese Unklarheiten identifiziert, gründlich diskutiert und Handlungsanweisungen entwickelt werden (vgl. Covin/Lumpkin 2011, S. 855f).

Bereits vielfach diskutiert wurde die Frage nach der Dimensionalität. Schon Miller (1983, S. 780) nimmt hierzu wie folgt Stellung: „ In general, theorists would not call a firm entrepreneurial if it changed its technology or product-line ,innovated ’ according to our terminology) simply by directly imitating competitors while refusing to take any risks. Some proactiveness would be essential as well. By the same token, risk-taking firms that are highly levered financially are not necessarily considered entrepreneurial. “ Dieser Argumentation folgen Covin und Slevin (1991) und gehen damit davon aus, dass EO ein unidimensionales Konstrukt darstellt. Dies bedeutet, dass eine hohe EO eine simultane starke Ausprägung aller Dimensionen voraussetzt. Dieser Auffassung widersprechen Lumpkin und Dess (1996, S. 150), postulieren als Gegenthese ein multidimensionales Modell und argumentieren:

„ Although we argue here that all five dimensions are central to understanding the entrepreneurial process, they may occur in different combinations, depending on the type of entrepreneurial opportunity a firm pursues. “ Mehrere kürzlich erschienene Artikel kommen zum Schluss, dass beide Konzeptualisierungen ihre Berechtigung haben und als unterschiedliche Konzepte weiter erforscht werden sollen (vgl. u.a. George 2011, S. 1309, Covin/Lumpkin 2011, S. 860).

Während diese Diskussion bereits seit Jahren geführt wird, wurden andere Unklarheiten bezüglich der Konzeptualisierung und Messung von EO erst in letzter Zeit angesprochen und bisher wenn überhaupt noch ungenügend diskutiert. Hierzu gehören auch die Unklarheiten, ob es sich bei EO um ein reflektives oder formatives Konstrukt handelt respektive ob EO eine Attitude, ein Behavior oder eine Mischform widerspiegelt. Diese beiden Fragen werden in den folgenden Unterkapiteln diskutiert.

2.2.1 Reflektive vs. formative Konzeptualisierung und Messung von EO

In der Management-Literatur wurden zur Konzeptualisierung und Messung von Konstrukten bisher vorwiegend reflektive Modelle verwendet. Vermehrt stellen Wissenschaftler diese Praxis aber in Frage und weisen auf die Gefahren einer fehlerhaften Modellierung („model misspecification“) hin (vgl. u.a. Coltman et al. 2008, Diamantopoulus/Riefler/Roth 2008, Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003, Law/Wong 1999). So kommen Diamantopoulus und Siguaw (2006, S. 274) bei einem Vergleich des Einflusses der Wahl des Ansatz im Rahmen der Modellierung der Beziehungen zwischen dem Konstrukt „Export Coordination“ und seinen Messgrössen zu folgendem Schluss: „ According to our findings, the two approaches result in materially different coordination measures in terms of content, parsimony and criterion validity; thus, the choice of measurement perspective (i.e. reflective versus formative) and the resultant choice of procedure (i.e. scale development versus index construction) does matter from a practical point of view. “ Dies bestätigt die Erkenntnisse früherer Untersuchungen von Jarvis, MacKenzie und Podsakoff (2003) sowie Law und Wong (1999).

Der folgende Abschnitt behandelt in Anbetracht dessen die Frage, ob EO als reflektives oder formatives Konstrukt modelliert und gemessen werden sollte. Diese Frage rückte allerdings erst kürzlich verstärkt in den Fokus von EO-Forschern (vgl. u.a. George 2011; Covin/Wales 2011). Darum werden zu dessen Klärung ergänzend die Erkenntnisse von Autoren anderer Forschungsgebiete einbezogen.

2.2.1.1 Charakteristika von reflektiven und formativen Konstrukten

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Management-Forscher strukturelle Beziehungen („structural relationships“) zwischen latenten Konstrukten und ihren beobachtbaren Variablen oder Indikatoren identifizieren (vgl. Borsboom/Mellenbergh/Heerden 2003). Latente Konstrukte sind hierbei nach Diamantopoulos, Riefler und Roth (2008, S. 1204) „ phenomena of theoretical interest which cannot be directly observed and have to be assessed by manifest measures which are observable. “ Ein latentes Konstrukt ist also nicht direkt messbar, sondern nur erst über entsprechende beobachtbare Indikatoren. Weiter erläutern die Autoren, dass es abhängig von der Richtung der Kausalität grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Modellierung der Beziehungen zwischen einem Konstrukt und dessen Indikatoren gibt. Entweder weist die Kausalität vom Konstrukt zu den Indikatoren (reflektive Modellierung) (siehe Abbildung 1) oder von den Indikatoren zum Konstrukt (formative Modellierung) (siehe Abbildung 2). In andern Worten: Während bei einer formativen Beziehung das latente Konstrukt von seinen Indikatoren beeinflusst wird, beeinflusst im Falle einer reflektiven Modellierung das latente Konstrukt seine Indikatoren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Reflektive Modellierung

Abbildung 2: Formative Modellierung

Im Rahmen einer reflektiven Modellierung wird davon ausgegangen, dass die Indikatoren eine (imperfekte) Reflexion des latenten Konstrukts darstellen. Dies macht in vielen Fällen tatsächlich Sinn (vgl. MacKenzie/Podsakoff/Jarvis 2005, S. 710). In diesem Sinne schreiben beispielsweise Fornell und Bookstein (1981, S. 5): „ Constructs such as ‚ personality ’ or ‚ attitude ’ are typically viewed as underlying factors that give rise to something that is observed. “ So beeinflusst beispielsweise die Einstellung („attitude“) gegenüber einem bestimmten Produkt die entsprechende Kaufwahrscheinlichkeit grundlegend. Dadurch ist eine reflektive Modellierung der Beziehung des Konstrukts zu den Indikatoren sinnvoll, wobei die Einstellung in diesem Beispiel das Konstrukt darstellt. Der sozioökonomische Status hingegen ergibt sich erst in Abhängigkeit der Kombination verschiedener beobachtbarer Faktoren wie Bildungsstand, Einkommen und beruflicher Stellung (vgl. Diamantopoulos/Siguaw 2006, S. 263). Gleiches gilt für Arbeitszufriedenheit („job satisfaction“), welche durch die Summe der Zufriedenheit gegenüber den verschiedensten Facetten entsteht. Dazu gehören beispielsweise die Entlohnung, die Aufstiegschancen, das Arbeitsklima und die Akzeptanz des Führungsstils der Vorgesetzten (vgl. MacKenzie/Podsakoff/Jarvis 2005, S. 710). Damit ist in diesen beiden Fällen eine formative Modellierung naheliegend. Nicht immer ist das Treffen der korrekten Entscheidung so einfach wie in obigen Beispielen. Verschiedene Publikationen bieten deshalb diesbezügliche Entscheidungshilfen an (vgl. u.a. Coltman et al. 2008, Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2003) (siehe auch Kapitel 2.2.1.2).

In den meisten Fällen gehen die Forscher von einer reflektiven Relation zwischen dem latenten Konstrukt und den Indikatoren aus. Das heisst, die Veränderung des Konstrukts führt zu einer Veränderung der Indikatoren (vgl. Coltman et al. 2008, S. 1250). Die Indikatoren werden somit als Funktion des latenten Konstrukts betrachtet (vgl. Diamantopoulos/Siguaw 2006, S. 263). Bezogen auf die Entrepreneurship auf Firmenebende bedeutet dies beispielsweise, dass eine Zunahme der EO zu einer höheren Proaktivität sowie Risiko- und Innovationsfreudigkeit führt (siehe auch Abbildung 1). Eine plausible Alternative dazu ist die formative Modellierung der Zusammenhänge zwischen Konstrukt und Indikatoren.1 Dies bedeutet, dass verschiedene Indikatoren zusammen ein Konstrukt bilden (vgl. Coltman et al. 2008, S. 1250f). Die Indikatoren formen also das latente Konstrukt, womit dieses unabhängig davon nicht existiert. Eine Veränderung des Werts eines Indikators führt in diesem Fall zu einer Veränderung des latenten Konstrukts (vgl. Covin/Wales 2011, S. 6). Angewendet auf EO bedeutet dies beispielsweise, dass eine höhere Proaktivität (ceteris paribus) zu einer höheren EO führt (siehe auch Abbildung 2).

Die Entscheidung bezüglich der reflektiven vs. formativen Modellierung impliziert auch unterschiedliche statistische Annahmen. Nunnally und Bernstein (1994, S. 139ff) unterteilen die beobachtete Varianz („observed variance“) in vier Teile: erstens die „common variance“ oder Kovarianz, welche von allen Indikatoren geteilt wird, zweitens die „group variances“, welche nur von einigen Indikatoren geteilt werden, drittens die „specific variances“, welche nur ein bestimmter Indikator aufweist und viertens die „random variances“, also der Anteil an der beobachteten Varianz, welcher durch zufällige Faktoren oder Messfehler („measurement error“) entsteht (vgl. auch George 2011, S. 1296; Law/Wong 1999, S. 146f). Nach Law und Wong (1999, S. 147) ist einem latenten Konstrukt nach der reflektiven Modellierung nur die Kovarianz aller untergeordneten Indikatoren zuzuordnen. Die „random variance“ sowie die Varianzen, welche nur von einem oder mehreren Indikatoren geteilt werden, werden dem Fehlerterm („error term“) zugeordnet. Im Falle einer formativen Modellierung umfasst die tatsächliche Varianz des latenten Konstrukts sowohl die Kovarianz als auch die „group variance“ und die „specific variances“. Einzig die „random variances“ werden dem Fehlerterm zugeordnet.

Zudem wirkt sich die Wahl der Modellierung auf die Anforderung an die Indikatoren aus. So schreiben MacKenzie, Podsakoff und Jarvis (2005, S. 713): „ If the measures are reflective, they should share a strong common theme, and each of them should capture the essence of the domain of the construct. “ Weiter führen die Autoren aus, dass die Indikatoren typischerweise aus derselben „conceptual domain“ stammen sollten. In diesem Sinne ist es zu erwarten oder zumindest wünschenswert, dass die Indikatoren stark interkorrelieren, da diese die gleiche Wirkungsquelle („cause“) aufweisen. Damit verbunden wird auch angenommen, dass die Indikatoren dieselben beeinflussenden („antecedents“) und beeinflussten Variablen („consequences“) aufweisen (vgl. u.a. Coltman et al. 2008, Diamantopoulos/Siguaw 2006). Zu erwähnen ist an dieser Stelle allerdings eine Untersuchung von Wilcox, Hower und Brevik (2008, S. 1222), welche zur Erkenntnis führt, dass „ in at least some cases, observables that appear to be caused by a latent trait do not correlate, suggesting that inter-item correlation is not a useful criterion for distinguishing formative and reflective measures. “ Reflektive Indikatoren müssen demnach nicht unbedingt korrelieren.

Bezüglich einer formativen Modellierung gehen MacKenzie, Podsakoff und Jarvis (2005, S. 713) hingegen von Folgendem aus: „ If the indicators are formative, they may not necessarily share a common theme, and each of them may capture a unique aspect of the conceptual domain. “ Dies hat zur Folge, dass es bezüglich der Korrelation zwischen den Indikatoren keine Einschränkungen gibt. Die Indikatoren können also auch unterschiedliche beeinflussende und beeinflusste Variablen aufweisen (vgl. auch u.a. Coltman et al. 2008, Diamantopoulos/Siguaw 2006).

Die unterschiedliche Natur des latenten Konstrukts und Richtung der Kausalität beeinflusst des Weiteren die Rolle der Indikatoren grundlegend (siehe oben). Im Falle einer reflektiven Modellierung sind die Indikatoren wie erwähnt einzig Manifestationen des latenten Konstrukts. Da Letzteres unabhängig davon existiert, sind die Indikatoren auswechselbar. Im Gegensatz dazu definiert im Falle der formativen Modellierung erst die Kombination der Indikatoren das latente Konstrukt. Dieses existiert somit unabhängig davon nicht. Eine Kombination anderer Indikatoren (z.B. durch Weglassen, Hinzunehmen oder Auswechseln eines Indikators) führt in diesem Sinne automatisch zu einem neuen Konstrukt (vgl. Coltman et al. 2008, S. 1252). Die Anforderungen an eine präzise und vollständige Identifizierung der Indikatoren sind also bei der formativen Modellierung deutlich strenger (vgl. auch George 2011, S. 1296).

Bei EO handelt es sich wie bereits erwähnt um ein latentes Konstrukt, welches sich aus mehreren Dimensionen zusammensetzt (siehe Kapitel 2.1). Diese Dimensionen werden wiederum durch verschiedene Items gemessen. Das populärste Messinstrument ist hierbei die Covin und Slevin (1989)-Skala (siehe Tabelle 3 im Anhang). Als Indikatoren für die drei Dimensionen Proaktivität, Risiko- und Innovationsfreudigkeit dienen hierbei jeweils drei Messitems. Hiermit besteht die Möglichkeit, dass es sich bei EO um ein zweistufiges Modell, ein sogenanntes „second order construct“ (SOC), handelt (vgl. MacKenzie/Podsakoff/Jarvis 2005, S. 713ff). Unter Hinzunahme einer weiteren Ebene entstehen zusätzliche Modellierungsmöglichkeiten. Die Modelle welche auf der nächsten Seite illustriert sind (siehe Abbildung 3-6), beschreiben jeweils eine indirekte Relation zwischen dem übergeordneten latenten Konstrukt und den Messitems (vgl. Edwards/Bagozzi 2000, S. 160ff). So handelt es sich bei dem latenten Konstrukt um ein SOC (vgl. MacKenzie/Podsakoff/Jarvis 2005, S. 713f). Als Mediatoren dieser Relation dienen die Dimensionen, welche ihrerseits untergeordnete latente Konstrukte darstellen. Es handelt sich damit um sogenannte „first order constructs“ (FOC). Die FOC weisen hierbei sowohl eine direkte Relation zu den Messitems als auch zum übergeordneten SOC auf (siehe Abbildungen 3-6). Im Falle von EO könnte also beispielsweise die Risikofreudigkeit ein FOC und EO ein SOC sein. Zu beachten ist zudem, dass ein solches zweistufiges Modell gleichzeitig reflektive und formative Beziehungen vereinen kann: „ For example, a single multidimensional construct might have one type of measurement model relating its measures to its first-order components and a different measurement model relating its components to the underlying second-order factor “ (Jarvis/MacKenzie/Podsakoff 2005, S. 204). Vier mögliche Ausgestaltungen der Beziehungen sind in den folgenden Abbildungen skizziert. Abbildungen 1 und 4 zeigen jeweils eine ausschliesslich reflektive respektive formative Modellierung. Abbildungen 2 und 3 hingegen zeigen Mischformen. Es ist allerdings sogar eine Mischung aus reflektiven und formativen Indikatoren auf der gleichen Ebene denkbar (vgl. Fornell/Bookstein, 1981, S. 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: "Reflective FOC, Reflective SOC"-Modell

Abbildung 4: "Formative FOC, Reflective SOC"-Modell

Abbildung 5: "Reflective FOC, Formative SOC"-Modell

Abbildung 6: "Formative FOC, Formative SOC"-Modell

Abschliessend ist zu erwähnen, dass verschiedene Autoren von der Annahme ausgehen, Konstrukte seien nicht grundsätzlich reflektiv oder formativ (vgl. u.a. Baxter 2009, Diamantopoulos 2010). So argumentieren Wilcox, Howell und Breivik (2008, p. 1220): „ A given research situation or research tradition may favor either formative or reflective measurement, but constructs themselves, posited under a realist philosophy of science as existing apart from their measurement, are neither formative nor reflective. ” Andere Autoren wie Podsakoff et al. (2003, S. 650) weisen aber darauf hin, dass zumindest einige Konstrukte von Natur aus formativ respektive reflektiv sind und somit entsprechend modelliert und gemessen werden müssen. Trotzdem ist darauf hinzuweisen, dass Konstrukte immer Abstraktionen der Realität darstellen, geschaffen von Wissenschaftlern zur Erklärung eines bestimmten Sachverhalts. Demnach ist es Forschern bis zu einem gewissen Grad freigestellt, wie sie die Modelle konzeptualisieren. Wichtig ist aber zu beachten, dass „ even if the construct label stays the same (e.g., relationship value), the conceptual meaning of the construct will change if the ‚ auxiliary theory ’ changes from reflective to formative (or vice versa) “ (Diamantopoulos 2010, S. 92). Dies bedeutet, dass beispielsweise durch einen Wechsel von einer reflektiven zu einer formativen Modellierung von EO ein neues Konstrukt mit einer neuen Bedeutung („meaning“) entsteht. Erkenntnisse können also nicht mehr ohne Weiteres übertragen werden. Ausserdem ist es danach in den meisten Fällen nicht sinnvoll, die gleichen Indikatoren respektive Dimensionen zu verwenden (vgl. Diamantopoulos 2011, S. 336).

Es ist also wichtig, dass Forscher im Vorfeld einer Studie sicherstellen, dass das verwendete Messinstrument der Konzeptualisierung des Konstrukts entspricht. Dies impliziert, dass eine bewährte Messmethode unter Umständen nicht überlegen ist. Denn eine hohe Zuverlässigkeit („reliability“) und interne Konsistenz („internal consistency“) ist nicht gleichbedeutend mit einer Bestätigung der Entscheidung für das gewählte Messinstrument. Im Vordergrund hat die Konsistenz zwischen Modellierung und Messverfahren zu stehen (vgl. Diamantopoulus/Siguaw 2006, S. 274f).

2.2.1.2 Diskussion im Bezug zu EO

Die Tabelle auf der nächsten Seite (t.w. adaptiert von Coltman et al. 2008, S. 1252) enthält eine zusammenfassende Gegenüberstellung der Implikationen einer reflektiven respektive formativen Modellierung (siehe Tabelle 1) (siehe auch Kapitel 2.2.1.1). Hierbei wird noch einmal ersichtlich, dass sich die beiden Ansätze grundsätzlich unterscheiden und darum eine entsprechende Evaluierung bei der Theoriebildung aus theoretischen und empirischen Gesichtspunkten unerlässlich ist.

Um die Frage nach der adäquaten Modellierung von EO zu beantworten, wird nun dem oben angeführten Raster gefolgt. Entscheidend für die Entscheidungsfindung ist also im Prinzip die Frage, ob EO unabhängig von seinen Dimensionen existiert oder nur durch deren Kombination entsteht. Covin und Lumpkin (2011) geben hierbei zu bedenken, dass dies von der Einschätzung des Forschers abhängt. Die Autoren stellen allerdings auch klar, dass sie EO als reales Phänomen (vs. ein künstliches Konstrukt durch die Kombination von Indikatoren) betrachten. Eine gegenteilige Auffassung schliessen sie aber nicht aus (vgl. Covin/Lumpkin 2011, S. 864f). Ob eine formative oder reflektive Modellierung Sinn macht, hängt demnach grundlegend von der Überzeugung des Autors ab. Ein Grossteil der Literatur beschreibt EO als ein typisches Verhalten oder Einstellung (siehe auch Kapitel 2.2.2.2) und lassen auf die Betrachtung als realen Phänomens, welches unabhängig von dessen Dimensionen existiert, schliessen (vgl. auch Covin/Lumpkin 2011, S. 865). Mit der Akzeptanz dieser Auffassung verknüpft und davon abhängig ist die Frage nach der Richtung der Kausalität zwischen EO und seinen Dimensionen. Auch diese hängt somit stark von der Einschätzung des Forschers ab. George (2011) erachtet beispielsweise beide Richtungen als Möglichkeiten zur Modellierung von EO.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

*) Einige Autoren widersprechen der Relevanz dieses Kriteriums (siehe Kapitel 2.2.1.1)

Tabelle 1: Kriterien für eine reflektive vs. formative Modellierung

Die Untersuchung der Rolle und Charakteristika der Dimensionen sowie deren Beziehung zueinander und zu externen Variablen liefern eher widersprüchliche Aussagen. Die gängigen Definitionen von Covin und Slevin (1991) sowie Lumpkin und Dess (1996) erachten die Dimensionen als Manifestationen des latenten Konstrukts. Zudem weisen die drei respektive fünf Dimensionen in beiden Fällen eine gemeinsame „conceptual domain“ und damit ein gemeinsames Thema auf. Die in unterschiedlichen Studien verwendeten Dimensionen variieren des Weiteren teilweise stark (vgl. u.a. Bowald 2011, Rauch et al. 2009) (siehe auch Kapitel 2.1). Dies lässt eher auf eine reflektive Modellierung schliessen. Unter Missachtung des letzten Punktes wäre aber auch eine formative Modellierung denkbar. Bezüglich der Korrelation zwischen den Dimensionen weisen Lumpkin und Dess (1996) explizit auf deren Unabhängigkeit hin. Dies legt wiederum eine formative Modellierung nahe. Verschiedene Untersuchungen zeigen hingegen, dass zumindest die drei ursprünglichen Dimensionen Innovationsfreudigkeit, Proaktivität und Risikofreudigkeit stark interkorreliert sind (vgl. u.a.

Kreiser/Marino/Weaver 2002). Dies lässt im Gegensatz dazu auf eine reflektive Modellierung schliessen. Wie bereits erwähnt ist die Relevanz der Interkorrelation als Entscheidungskriterium nicht unbestritten (siehe Kapitel 2.2.1.1). In diesem Sinne argumentieren auch Covin und Wales (2011, S. 8), dass sowohl eine unidimensionale nach Covin und Slevin (1991) respektive Miller (1983) ebenso wie eine multidimensionale Konzeptualisierung nach Lumpkin und Dess (1996) eine formative als auch eine reflektive Modellierung zulässt. George (2011) hingegen argumentiert, dass die Voraussetzung der Unidimensionalität automatisch zu einer reflektiven und diejenige der Multidimensionalität zu einer formativen Modellierung führt. Die Metaanalyse von Rauch et al. (2009, S. 774ff) bestätigt des Weiteren, dass die Dimensionen den Geschäftserfolg unabhängig voneinander beeinflussen, allerdings in relativ ähnlicher Stärke. Dies lässt sich sowohl als Indiz für eine formative als auch für eine reflektive Modellierung lesen.

Bisher wurden einzig die Beziehungen zwischen EO und seinen Dimensionen betrachtet. Allerdings handelt es sich bei Letzteren ebenfalls um nicht direkt beobachtbare latente Konstrukte. Deren Ausprägung wird in der Regel mithilfe mehrerer Indikatoren gemessen. Die populäre Covin und Slevin (1989)-Skala beispielsweise enthält zur Messung jeder Dimension jeweils drei Items (siehe Tabelle 3 im Anhang). Dies führt zur Frage, ob es sich bei EO um ein SOC oder FOC handelt (siehe Kapitel 2.2.1.1). Die Definitionen der meisten Autoren lassen auf die Existenz mehrerer Ebenen und darum auf ein SOC schliessen. Denn sowohl EO als auch dessen Dimensionen werden in der Regel als mehrdimensionale Konstrukte mit unterschiedlichen Manifestationen beschrieben (vgl. u.a. Miller 1983, Covin/Slevin 1991, Lumpkin/Dess 1996). Die Betrachtung der verwendeten Mess- und insbesondere der Auswertungsverfahren hingegen lässt im Gegensatz dazu einen weniger klaren Schluss zu. So werden zur Bestimmung von EO am weitaus häufigsten die Covin und Slevin (1989)-Skala respektive Adaptionen davon verwendet (vgl. Rauch et al. 2009, S. 767ff). Vielfach wird die Ausprägung von EO ausschliesslich durch die Additionen der Werte der neun Items der Skala berechnet. Auch bei der Untersuchung der Relationen zu anderen Variablen wie Geschäftserfolg wird meist dieser summierte Index verwendet (vgl. Covin/Wales 2011, S. 15f, George/Marino 2011, S. 767ff). Die Rolle der einzelnen Dimension wird also häufig missachtet. Dieses Auswertungsverfahren entspricht darum der Auffassung von EO als FOC. Andere Autoren hingegen verwenden komplexere Auswertungsverfahren wie das Structural Equation Modeling zur Auswertung von EO als im Sinne eines SOC (vgl. u.a. George 2011). Bisherige Arbeiten zu EO in diesem Rahmen vereinen ausserdem die Sichtweise, dass zwischen den Dimensionen und den jeweiligen Indikatoren eine reflektive Beziehung besteht (vgl. Covin/Wales 2011, S. 20ff, George 2011, George/Marino 2011).

2.2.1.3 Zusammenfassung der Hinweise zur Modellierung von EO

Wie bereits erwähnt, hängt die Entscheidung für eine reflektive respektive formative Modellierung der Beziehung zwischen einem latenten Konstrukt und seinen Indikatoren von der Einschätzung und vom Ziel des jeweiligen Forschers ab. Wichtig ist hauptsächlich, dass die Konzeptualisierung und die Messung übereinstimmen (siehe Kapitel 2.2.1.1). Wie die Diskussion im Bezug zu EO zeigt, ist unabhängig von der Dimensionalität sowohl eine formative als auch eine reflektive Modellierung der Beziehung zwischen EO den Dimensionen denkbar (siehe Kapitel 2.2.1.2). Hervorzuheben ist allerdings die Tatsache, dass es sich abhängig von der Art der Modellierung um unterschiedliche Konstrukte handelt. Aussagen und Ergebnisse aus einer reflektiven Untersuchung können darum beispielsweise nicht ohne Weiteres in einen formativen Kontext übertragen werden (siehe Kapitel 2.2.1.1).

Auf Grund der Wichtigkeit der Kohärenz zwischen Konzeptualisierung und Messung sollte EO zudem als SOC gemessen werden, da Erstere klar auf eine Zweistufigkeit hinweist. Dies setzt die Anwendung komplexerer Auswertungsverfahren wir Structural Equation Modeling voraus. Erst diese ermöglichen eine adäquate Abbildung und Auswertung der Mehrdimensionalität. Bezüglich der Beziehungen zwischen den Dimensionen und den entsprechenden Indikatoren macht eine reflektive Modellierung Sinn. In diesem Punkt herrscht unter den verschiedenen Forschern Einigkeit (siehe Kapitel 2.2.1.2). Zusammenfassend legt dies also die Modellierung von EO als „Reflective First-Order, Reflective Second-Order“- oder alternativ als „Reflective First-Order, Formative Second- Order“-Konstrukt nahe (vgl. auch George/Marino 2011) (siehe Abbildungen 3 und 5). George (2011) beispielsweise verwendet in seiner Arbeit diese beiden Möglichkeiten zur Messung von EO.

2.2.2 Attitude vs. Behavior

Die Skala, die von Covin und Slevin (1989) unter Anlehnung an die Arbeiten von Miller (1983) zur Messung von EO vorgeschlagen wurde respektive Adaptionen davon, werden nach wie vor am weitaus häufigsten zur Messung von EO verwendet (vgl. Rauch et al. 2009, S. 767ff). Die Skala enthält neun Items, die sowohl Attitude- wie auch Behavior-Aspekte widerspiegeln. So ist es noch nicht geklärt, ob es sich bei EO um eine Einstellung („attitude“), ein Verhalten („behavior“) oder tatsächlich um eine Mischform handelt. Das folgende Unterkapitel erläutert einige Erkenntnisse der Attitude-Forschung und bespricht verschiedene Definitionen von EO sowie die Items der Covin und Slevin (1989)-Skala. Auf dieser Basis wir die Zulässigkeit einer Mischung von Attitude- und Behavior-Aspekte innerhalb eines Konstrukts diskutiert und endet mit dem Vorschlag eines alternativen Frameworks für die EO-Thematik.

2.2.2.1 Attitude und Behavior im Bezug zu wissenschaftlichen Konzepten auf Firmenebene

Nach Eagly und Chaiken (1993, S. 1) bezeichnet Attitude „ a psychological tendency that is expressed by evaluating a particular entitiy with some degree of favor or disfavor “. Es handelt sich demnach um eine Einstellung, welche die Evaluierung eines bestimmten Objekts („attitude object“) positiv respektive negativ beeinflusst. Demnach beschreibt es ein hypothetisches („hypothetical construct“) oder implizites Konstrukt („implicit construct“), welches nicht direkt beobachtbar ist, sondern erst von beobachtbaren Reaktionen abgeleitet werden kann (siehe Abbildung 7). Attitude-Konstrukte wurden von Psychologen zu Erklärung der unterschiedlichen individuellen Reaktionen auf bestimmte Stimuli entworfen (vgl. Eagly/Chaiken 1993, S. 1f).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Attitudes als Erklärung von Reaktionen auf Stimuli

Nach einer komplexeren Sichtweise können Attitudes alternativ als eine Art versteckter Mechanismus („hidden mechanism“) oder latenter Prozess innerhalb der menschlichen Psyche betrachtet werden. Eine Attitude bezeichnet demnach das Resultat eines kognitiven Bewertungsprozesses, welches als negative oder positive Einstellung eines bestimmten Objekts gegenüber im Gedächtnis abgespeichert wird. Diese Sichtweise gilt in der heutigen Forschung in der Regel als überlegen. Als mentale Repräsentation („mental respresentation“) kann eine Attitude zumindest für eine gewisse Zeit abgerufen werden und beeinflusst damit zukünftiges Verhalten (vgl. Eagly/Chaiken 1993, S. 6ff). Häufig werden Attitudes als zeitlich relativ stabil betrachten, wenn auch bisweilen eine gegenteilige Meinung vertreten wird (vgl. Gawronski 2007, S. 576). Forscher unterscheiden gängigerweise kognitive („cognitive processes“), affektive („affective processes“) und Verhaltensprozesse („behavioral processes“) (vgl. Wiklund 1998, S. 57). Entsprechend können die Reaktionen ersichtlich, in kognitive (Gedanken und Erwartungen), affektive (Gefühle und Emotionen) und Verhaltensreaktionen bezüglich des Attitude Objekts unterteilt werden (vgl. Eagly/Chaiken 1993, S. 10ff). Die Verhaltensreaktionen umschreiben hierbei die Intention zu einem bestimmten Verhalten und müssen deshalb nicht unbedingt mit dem tatsächlichen Handeln übereinstimmen (vgl. Wiklund 1998, S. 57).

Während vieler Jahre stand die Untersuchung der Beziehung von Attitude und Behavior im Zentrum der Attitude-Forschung (vgl. Eagley/Chaiken 1993, S. 670, Glasmann/Albarracin 2006, S. 778). Als wegweisende Antwort auf die häufig artikulierte Ansicht, Attitude sei nicht in der Lage Verhalten zu prognostizieren, gelten insbesondere die Arbeiten von Fishbein und Ajzen (1974, Ajzen/Fishbein 1977). So gilt heute im Allgemeinen die Annahme, dass Attitude Behavior zumindest unter gewissen Voraussetzungen zu prognostizieren vermag (vgl. Wiklund 1998, S. 56). Eine Metastudie von Glasmann und Albarracin (2007, S. 806f) zeigt beispielsweise, dass Behavior mit Attitude insgesamt zwar korreliert, die Resultate der einzelnen Studien aber stark variieren. Des Weiteren schliessen die Autoren darauf, dass die Korrelationen insbesondere erhöht werden, wenn die Attitudes dauerhaft („stable over time“) und einfach zugänglich („easy to recall“) (z.B. durch häufige Verwendung und direkte Erfahrungen) sind (vgl. Glasmann/ Albarracin 2007). Andere Studien zeigen ausserdem, dass die Wahrscheinlichkeit einer signifikanten Attitude-Behavior-Relation u.a. durch eine zeitnahe Messung in einem möglichst unspezifischen Kontext erhöht wird (vgl. Wiklund 1998, S. 56f).

[...]


1 Wilcox, Howell und Breivik (2008) erachten die formative Messung von Konstrukten grundsätzlich als problematisch und kommen deshalb zum Schluss, dass „ in the context of theory testing, formative measurement (at this stage of development, at least) should not be considered an equally good alternative to the reflective measurement model which has served the social sciences well for many decades “ (S. 1227). Die vorliegende Masterarbeit hat aber nicht den Anspruch zu beurteilen, ob eine formative Modellierung generell sinnvoll ist oder nicht, sondern fokussiert einzig die Modellierung von EO. Auf eine eingehende Diskussion wird deshalb verzichtet.

Excerpt out of 105 pages

Details

Title
Entrepreneurship auf Firmenebene: Attitude, Behavior oder beides?
Subtitle
Konzeptionelle Herausforderungen von „Entrepreneurial Orientation“ und alternative Ansätze zur Konstruktmessung
College
University of Bern  (IMU Management)
Grade
1,0
Author
Year
2012
Pages
105
Catalog Number
V195268
ISBN (eBook)
9783656211587
ISBN (Book)
9783656211761
File size
734 KB
Language
German
Keywords
BWL, EO, Entrepreneurial Orientation, Unternehmerische Orientierung, Firm-level Entrepreneurship, Entrepreneurial Attitude, Entrepreneurial Behavior, Covin und Slevin Skala
Quote paper
Tobias Bowald (Author), 2012, Entrepreneurship auf Firmenebene: Attitude, Behavior oder beides?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/195268

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