Die Synode von Whitby im Jahr 664


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

19 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

I. Vorwort

II. Synoden in der angelsächsischen Zeit

III. Die Berechnung des Osterfestes

IV. Der Ablauf der Synode bei Beda und Eddius Stephanus

V. Schlussbemerkung

Quellen

Literatur

I. Vorwort

Die Christianisierung Englands, die Ende des 6. Jahrhunderts im Norden Englands von den irischkeltischen Mönchen um Aidan und im Süden durch eine von Papst Gregor I. ausgesandte Gruppe um Bischof Augustine betrieben wurde, musste zu Beginn auf römischer Seite einige Rückschläge hinnehmen. Die anfänglich erfolgreichere Christianisierung der irisch-keltischen Mönche, die wohl auch auf die bessere Kenntnis der einheimischen Strukturen zurückzuführen ist, unterschied sich von der römischen Kirchenorganisation nicht in Punkten der Glaubenslehre, wohl aber in ihrer lockereren Klosterstruktur und im Bereich der kirchlichen disciplina, wie einem anderen Taufritus, einer anderen Tonsur und der Berechnung des Osterfestes. Anfangs stellten diese Unterschiede wegen des gemeinsamen Grundanliegens der Christianisierung kein Problem dar, doch schon bald wurden diese Fragen entscheidend für die weitere Entwicklung der angelsächsischen Kirche. Die Osterfestberechnung, die auf der Synode von Whitby zu Gunsten der römischen Kirche entschieden wurde, hatte für die weitere Geschichte Englands und für die römische Kirche fundamentale Bedeutung, denn sie ermöglichte die Wiederbegründung der angelsächsischen Kirche als eine einheitlichen, gegliederten Kirche unter dem Primat Roms. Dieses Faktum führte dazu, dass die Synode von Whitby in den Gesamtdarstellungen zur Geschichte Englands, aber auch in der Kirchen- und Papstgeschichte gebührend berücksichtigt wird.

Im Folgenden möchte ich auf Fragen des englischen Synodalwesens und auf die Osterfestberechung eingehen, um dann mittels der beiden Hauptquellen[1] die Ausgangslage, den Grund und den Ablauf der Synode von Whitby nachzuzeichnen.

II. Synode in der angelsächsischen Zeit

Das Synodalwesen im angelsächsischen England wurde in den kirchengeschichtlichen Darstellungen im angelsächsischen England erst relativ spät Objekt wissenschaftlicher Untersuchungen, und daher sind die Erkenntnisse, die man über diese Zeit gewonnen hat noch recht aktuell.[2] Bei dem Versuch eine genaue Definition für den Begriff Synode im angelsächsischen England vorzunehmen stellt sich die Frage, inwiefern sich diese Art von Versammlung von den angelsächsischen witena gemot unterschied.

Witenagemot wurde spätestens im 10. Jahrhundert zum terminus technicus für eine Art Rats- oder Hofversammlung, die in England eine Institution dargestellt haben muss. In der älteren Forschung wurde die Witenagemot etwas idealisiert als eine Institution demokratischer Willensbildung und Beschlussfassung bezeichnet, deren innere Kraft sich bis hin zur englischen Parlamentarisierung fortgesetzt habe.[3] Einen Wendepunkt in der Forschung wurde durch den deutschen Privatgelehrten F. Liebermann herbeigeführt, der den Witengamot einen wesentlich aristokratischeren und weniger organisierten Charakter zuschrieb als seine Vorgänger.[4] Um die Aufgabe, den Zweck und die Verfassungsrechtlichkeit der Witengamot herauszuarbeiten, verglich Liebermann die Witengamot mit den kirchlichen Synoden. Hierbei setzte er voraus, dass aufgrund der starken Verflochtenheit zwischen Kirche und Staat diese Unterscheidung nicht einfach vorzunehmen sei, da in beiden Versammlungen weltliche und geistliche Stände teilgenommen hätten. Trotz dieser schwierigen Grundvoraussetzung unternahm Liebermann das Wagnis Kriterien für die Abgrenzung kirchlicher Synoden von den Witenagemot anhand von drei Punkten aufzustellen:

1. Die Versammlung muss als bischöflich oder priesterlich gekennzeichnet sein.
2. Die Beschlussfassung muss allein bei den kirchlichen Amtsträgern liegen.
3. Die verhandelten Themen müssen geistlicher Natur sein.[5]

Die Auffassung Liebermanns bezüglich der Witenagemot erfuhren in der neueren Forschung weitere Abstriche. Im Besonderen wird heute angezweifelt, ob man bei den Witenagemot überhaupt von einer festen Institution ausgehen kann, womit gleichzeitig die Frage aufgeworfen wird, ob unsere modernen staatlichen Vorstellungen einer Reichsversammlung der angelsächsischen Reichsstruktur überhaupt gerecht werden kann.[6]

In der Frage der angelsächsischen Synoden trafen zwei verschiedene Traditionen aufeinander, die der angelsächsischen Witengamot und die der römisch-institutionell verfassten Kirche. Während es bei den Witengamot um politische Fragen ging, hatten die Synoden aus ihrer Entstehungsgeschichte heraus vorerst nur einen kirchlichen Zweck, womit nicht gesagt werden soll, dass es nicht zu ‚Gemengelagen’ kommen konnte. Für die angelsächsische Zeit treffen allerdings die Definitionen des Corpus Iuris Canonici über die Form und Gestalt von Synoden, der erst ab dem 11. Jahrhundert angelegt wurde, noch nicht zu, da es im Frühmittelalter Synoden beziehungsweise Konzile[7] im eigentlichen Sinn höchstens vereinzelt gegeben hat.[8] Somit stellt sich die Frage, was für kirchliche Versammlungen es zu dieser Zeit gab und welchen Zweck diese Versammlungen verfolgten. Um dies zu beantworten, müssen die Grundlagen der Konzilsidee betrachtet werden, deren erste und vorzüglichste Aufgabe es war, die Einheit der Glaubenslehre zu wahren. Sie sollten „die Heilswahrheit vermitteln und auf Erden gegenwärtig machen.“[9] Die Zusammenkommenden beriefen sich bei der Manifestierung der Glaubenslehre auf einen consensus fidelium, der davon ausging, dass die Konzilsväter für alle Menschen die Wahrheit Gottes erkannt und ausgesprochen hatten und deshalb diese auch von allen zu befolgen war.[10] Die Einheit der Glaubenslehre wurde im Allgemeinen in drei verschiedene Bereiche unterteilt. Als wichtigste Aufgabe der Konzilien wurde die Einheit der Kirche in Glaubensfragen (fides), das heißt in dogmatischen Fragen, angesehen. Hierzu wird in der theologischen Literatur meist das Konzil von Calcedon im Jahre 451 als Beispiel angeführt, da bei diesem Konzil der Glaubensgrundsatz festgelegt wurde, dass Christus in in zwei Naturen unvermischt und ungetrennt ganz Gott und ganz Mensch sei.[11]

Da sich der Glaube in geistigen Handlungen und Riten (disciplina) manifestiert, war die zweite Aufgabe der Konzilien diese zu normieren und in christlichen Gemeinden durchzusetzen. Hierbei ist nun die Synode von Whitby zu nennen, denn bei dieser Synode ging es vornehmlich um die Durchsetzung von Normen, wie den Taufritus, den Ostertermin und die Tonsur. Inbesonders Beda[12] betont, dass es sich bei bei der Synode von Whitby nur um Fragen der disciplina gehandelt habe und nicht um Fragen der fides, auch wenn dies zum Teil anders gesehen worden sei, um größeren Druck ausüben zu können.[13] Die dritte Aufgabe der Konzilien war die Frage der kirchlichen Sitten (mores), also der Fragen aus dem Bereich einer christlichen Lebensführung, wie die Einehe, Keuschheit für Angehörige des geistlichen Standes und die Fürsorge für die Armen. Themen, die in besonderer Weise auf dem 4. Konzil von Toledo im Jahr 681 behandelt wurden.

Nach Tertullian verhandelten die Synoden “nicht nur alles Wichtige, sondern waren auch die sichtbare Vergegenwärtigung (repraesentatio) des gesamten christlichen Namens”[14], was darauf schließen läßt, dass die auf den Synoden beschlossenen Maßnahmen repräsentativ für die gesamte Kirche waren, ähnlich wie die Witangemot repräsentativ für das jeweilige Königreich war. Hierbei kam es in der angelsächsischen Zeit, da Kirche und Staat nicht getrennt waren, zu Mischformen kirchlicher und staatlicher Zusammenkünfte bei denen kirchliche Ziele mit politischer Absicht verfolgt wurden oder auch umgekehrt. Die genauen Beweggründe für diese Zusammenkünfte sind jedoch meist mangels zu Verfügung stehender Quellen nicht mehr genau zu rekonstruieren.

Des Weiteren ist als Merkmal für eine Synode im angelsächsischen England anzunehmen, dass ein Treffen mehrerer Bischöfe aus den verschiedenen anglischen Königreichen als ein synodales Treffen angesehen werden kann, da es sich dann um Fragen der gesamten Ecclesia Anglorum gehandelt haben muss, wohingegen die Witangemot nur auf das entsprechende Königreich beschränkt waren.[15]

[...]


[1] „Bede’s Ecclesiastical History of the English People“, ed. B. Colgrave – R.A.B. Mynors, (Oxford 1969), Chapter XXV-XXVI, und „Eddius Stephanus, Life of Bishop Wilfrid“ ed. B. Colgrave (Cambridge 1927).

[2] Zu erwähnen wären hierbei die Arbeiten von Whitelock, Councils and Synods I. (1981), die Dissertation von Hanna Vollrath, Die Synoden Englands bis 1066, (Paderborn 1985) und als jüngste Arbeit von Cathrine Cubit, Anglo-Saxon Church Councils c. 650-c. 850, (London, 1995).

[3] Im besonderen finden sich diese Ansätze bei Kemble, Die Sachsen in England, der schon die Ursprünge eines politischen Zweikammersystems auf der Synode von Nothelm zu sehen schie (S.211) und Stubbs, Constitutional History, der den angelsächsischen König ein demokratisches Verantwortungsgefühl bescheinigte indem er annahm, „that the king would (not) venture to outnumber by his own nominees the national officers, lay and clerical, who formed the older and more authoritative portion of the council.“ (S. 147)

[4] Liebermann, F., The National Assembly in the Anglo-Saxon Period, (Halle 1913). “...he [the king] presidet, spoke first, put his questions, proposed his bills and finally dismissed the witan” (S. 20), gleichzeitig wollte Liebermann die germanisch-urdemokrtischen Vorstellungen, die Kemble und Stubbs den witengamots zugeschrieben hatten nicht aufgeben. “...without which the republican commonwealth of the continental forefathers of the English cannot be conceived.” (S. 3)

[5] Ebd. S. 15 f.

[6] Siehe Oleson, Witenagemot, S. 22.

[7] Im frühen Mittelalter wurden die Begriffe Konzil und Synode meist synonym verwendet, der heutige Bedeutungsunterschied traf noch nicht zu.

[8] Vollrath, S. 18.

[9] Grillmeier, Der Glaube v. Chalkedon, S. 330.

[10] Vollrath, S.20

[11] Vgl. Lexikon für Theologie und Kirche (Freiburg 21965).

[12] Beda, Historia Eclesiastica Gentis Anglorum, ed. Colgrave, B., R.A.B. Manors, Bede’s Ecclesiastical History of the Engish People, Oxford Medieval Texts, Clarendon Press (Oxford, 1972), III 4, 224.

[13] Vgl. Vollrath, S. 21.

[14] Tertulliani Opera I 1272, zitiert nach Vollrath, S. 23.

[15] Vollrath, S. 25.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Synode von Whitby im Jahr 664
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Anglistik u. Amerikanistik)
Veranstaltung
Christianisierung in England
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
19
Katalognummer
V19531
ISBN (eBook)
9783638236294
ISBN (Buch)
9783640202911
Dateigröße
557 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Synode, Whitby, Jahr, Christianisierung, England
Arbeit zitieren
Joseph Badde (Autor:in), 2003, Die Synode von Whitby im Jahr 664, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19531

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