Lässt sich die präklinische Notfallversorgung des akuten Koronarsyndroms (ACS) im deutschen Rettungsdienst durch Telemedizin verbessern?


Thèse de Bachelor, 2007

62 Pages, Note: 1.3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
Einführung in die Thematik

2 Ausgangslage und Entwicklung der Fragestellung
2.1 Einflussfaktoren der präklinischen Notfallver- sorgung die das Patientenoutcome beeinflussen
2.1.1 Einflussfaktor Zeit
2.1.2 Einflussfaktor Rettungsmittel

3 Theoretischer Rahmen
3.1 Definition des akuten Koronarsyndroms
3.2 Beschreibung des Rettungswesens in Deutsch- land allgemein und im Bezug auf ACS
3.3 Telemedizin
3.3.1 Historische Entwicklung der Telemedizin
3.3.2 Definition der Telematik und der Telemedizin
3.3.3 Telemedizin in der präklinischen Notfallversorgung

4 Ziele der Studie

5 Methodik der Studie
5.1 Datenquellen und Recherchen
5.2 Konzept und Definition von Evidenz
5.3 Ein- und Ausschlusskriterien

6 Ergebnisse
6.1 Evidenzgrade der Studien und Bewertung
6.1.1 Bewertung hinsichtlich der Verkürzung des therapiefreien Intervalls
6.1.2 Klinische Auswirkungen

7 Diskussion und Schlussfolgerung

8 Literaturverzeichnis

9 Abbildungsverzeichnis / Tabellenverzeichnis

10 Glossar

1 Einleitung

Einführung in die Thematik

Herz- und Kreislauferkrankungen nehmen nach wie vor die vorderen Plätze in der Statistik der häufigsten Todesursachen in Deutschland und anderen Industrienationen ein. Der akute Myokardinfarkt steht mit 7,5 % aller Todesfälle an zweiter Stelle. Laut statistischem Bundesamt stirbt fast jeder zweite Deutsche an einer Herz-Kreislauferkrankung (Stat. Bundesamt, 2005). Mit fast 20 % führt das akute Koronarsyndrom die Indikationsliste aller Notarzteinsätze in Deutschland an. Im Jahr 2005 erlitten in Deutschland etwa 290.000 Menschen einen Herzinfarkt, von denen 65.218 verstarben. Tabelle 1 zeigt die fünf häufigsten Todesursachen bezogen auf das Herz-Kreislaufsystem.

Tabelle 1: Herz-Kreislaufbedingte Todesursachen 2005 in Deutschland.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2005

Auch international lassen sich die enormen Auswirkungen von Herz-Kreislauferkrankungen eindrucksvoll belegen. So geht die World Health Organization (WHO) in ihrem World Health Report 2003 (WHO, 2003) von 16,6 Millionen Todesfällen (oder 29,2% aller Todesfälle) durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen für das Jahr 2002 aus. Erwartet wird eine Steigerung auf bis zu 24,2 Millionen Todesfälle (oder 32,5%) im Jahr 2030.

In Tabelle 2 sind die Sterbefälle und der Verlust an Lebensjahren / gesundheitlich beeinträchtigte Lebensjahre (DALY- Disability-Ajusted-Life-Years) für verschiedene Regionen Europas dargestellt. Die Daten basieren auf einer Untersuchung der WHO aus dem Jahr 2005. In Westeuropa (Eur-A) machen Herz-Kreislauf-Erkrankungen 41,1% der Todesfälle und 17,1% der beeinträchtigten Lebensjahre aus. Diese Werte werden in Osteuropa (EUR-B) und den ehemaligen GUS-Staaten (EUR-C) sogar noch deutlich übertroffen. Das Ausmaß der Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt also insgesamt

(Bundesministerium für Bildung und Forschung BMFBf, 2005).

Tabelle 2: Sterbefälle und Verlust an Lebensjahren / gesundheitlich beeinträchtigte Lebensjahre (DALY)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Etwa zwei Drittel der Todesfälle ereigneten sich vor Erreichen der Klinik, davon wiederum die Hälfte innerhalb der ersten Stunden nach Symptombeginn. Fast die Hälfte aller Patienten greift nach dem Auftreten erster Symptome

(z.B. Angina pectoris) nicht auf den Rettungsdienst zurück, sondern sucht stattdessen selbstständig den Hausarzt oder eine Klinik auf.

Doch gerade beim akuten Koronarsyndrom (ACS) profitiert jeder Notfallpatient von jeder eingesparten Minute. Die folgende Abbildung von Boersma et al. verdeutlicht noch einmal den Zusammenhang zwischen einer möglichst rasch eingeleiteten Therapie und der dadurch minimierten Mortalität bei akut ischämischen Herzerkrankungen.

Abb. 1

Mortalität in Abhängigkeit von der Zeitverzögerung bis zum Begin der Therapie

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Boersma, 1996

Je schneller die gesicherte Diagnose (akutes Koronarsyndrom!) erstellt ist, desto schneller kann eine adäquate Therapie durchgeführt werden. Dieser so genannte „gesicherte Diagnose- und Therapieblock“ kann bereits in der präklinischen Phase erfolgen.

Nach dem Motto „Time is life“ gilt es das „therapiefreie Intervall“ noch in der Präklinik zu verkürzen und die Patientenversorgung zu optimieren.

In dieser Bachelor-Arbeit soll untersucht werden, inwieweit durch den Einsatz von Telemedizin im deutschen Rettungsdienst:

- die präklinische Patientenversorgung beim ACS optimiert werden kann
- das Outcome (Überlebensrate) der Patienten verbessert wird
- die Versorgungsprozesse im Krankenhaus optimiert werden
- eine Verkürzung der Krankenhausliegetage erfolgt

Nach einer ausführlichen Einleitung und Einführung in die Thematik wird im zweiten Kapitel der Bachelor-Arbeit auf die Ausgangslage und Entwicklung der Fragestellung eingegangen. Es werden verschiedene Faktoren betrachtet, die das Outcome von Notfallpatienten mit akutem Koronarsyndrom beeinflussen.

Darauf aufbauend werden im dritten Kapitel die Begriffe akutes Koronarsyndrom und Telemedizin definiert. Das deutsche Rettungswesen wird zum einen allgemein beschrieben und zum anderen speziell in Hinsicht auf das ACS. Des Weiteren wird die historische Entwicklung der Telemedizin beschrieben, und infolgedessen über den Einsatz von telemedizinischen Systemen in der präklinischen Notfallversorgung berichtet.

Im vierten Kapitel werden die Ziele der Studie dargestellt und beschrieben.

Im fünften Kapitel wird die Methodik zur Beantwortung der Fragestellung dieser Arbeit erläutert. Es wird auf Daten und Literaturrecherchen eingegangen, und deren wissenschaftliche Bewertung nach dem Konzept der Evidenz.

Die Ergebnisse der Studien, und deren Bewertung sind Inhalte des 6. Kapitels.

Kapitel 7 schließt mit einer zusammenfassenden Diskussion und Schluss-folgerung die Bachelor-Arbeit ab.

2 Ausgangslage und Entwicklung der Fragestellung

Gerade in Staaten, deren Rettungswesen keine Notärzte am Einsatzort vorsieht (z.B. USA, Großbritannien, Schweiz, Finnland, …), befinden sich seit einigen Jahren telemedizinische Systeme im Einsatz, die ärztliches Wissen am Einsatz-ort verfügbar machen.

Im folgendem werden die telematischen Systeme aufgelistet, und kurz beschrieben, die derzeit erprobt oder sogar schon in der Präklinik eingesetzt werden:

- Telepräsenz-Systeme: Während der Anfahrt zum Einsatzort wird der als Beifahrer im NEF mitfahrende Notarzt mit Informationen über den Einsatz bzw. den Patienten versorgt. Voraussetzung dafür ist die Anwesenheit des RTW-Personals am Einsatzort. Die Rettungs-assistenten übermitteln neben medizinischen Daten, die mit Hilfe medizinischer Geräte aufgenommen werden, ein Videobild, das dem Notarzt einen ersten rudimentären Eindruck vom Patienten und seiner Umgebung verschafft. Über eine bidirektionale Audioverbindung kann der Notarzt mit den Rettungsassistenten Informationen austauschen und Anweisungen zur Vorbereitung oder Durchführung von Maßnahmen geben (Kirn, 2002).
- Telemonitoring-Systeme: Bedingt durch das derzeitige Kommunika-tionssystem im Rettungswesen kommt es vor, dass eilige Patienten-transporte nicht bzw. unzureichend angemeldet in den Notaufnahmen der Kliniken ankommen. Telemonitoringanwendungen, das heißt die Übertragung aktueller Vitalparameter des Patienten, kombiniert mit Patientenspezifika wie Alter, Geschlecht, etc., in das Zielklinikum, bieten die Chance, die Vorlaufzeiten der Kliniken zu erhöhen und gleichzeitig das Klinikpersonal über den Gesundheitszustand des ankommenden Patienten zu informieren (Kirn, 2002).
- Telekonsultations-Systeme: Vor oder während der Behandlung des Patienten kann es von Vorteil für den behandelnden Notarzt oder die Rettungsassistenten sein, ergänzende medizinische Informationen zur Person des Patienten, seiner Kranken(vor-)geschichte oder allgemein zum Krankheitsbild zu erhalten. Telekonsultationsanwendungen bieten hier eine Möglichkeit, entsprechende Fachärzte oder den Hausarzt des Patienten zu konsultieren. Gleiches gilt für die Abfrage medizinischer Datenbanken (z.B. Giftstoffdatenbank) oder elektronischer Patienten-akten (Kirn, 2002).
- Mobile Home-Care-Systeme: Gefährdete oder chronisch kranke Per-sonen werden durch invasive oder nicht-invasive Sensoren online überwacht. Mit dem Eintreten eines Notfalls informiert die Anwendung automatisch den Hausarzt des Patienten sowie die nächstgelegene Rettungsleitstelle. Durch die Übermittlung Personen bezogener (Alter, Geschlecht, Kranken(-vor)geschichte), geografischer (aktueller Aufent-haltsort) und medizinischer (Puls, Blutdruck, etc.) Daten ist der Leit-stellendisponent befähigt, das passende rettungsmittel zu alamieren und dieses mit verlässlichen Einsatzinformationen zu versorgen (Kirn, 2002).

Auch im deutschen Rettungswesen bietet sich der Einsatz solcher Tele-medizinsysteme an.

Der potenzielle Nutzen der Telemedizin wird heute kaum mehr bestritten. Es ist konsensfähig, dass die Telemedizin zu einer höheren Effizienz im Gesundheits-wesen beiträgt, da sie eine deutliche Zeitminimierung, höhere Behandlungs-qualität und rationellere Behandlungsabläufe verspricht (Telemedizinführer Deutschland, 2006).

Die vorliegende Bachelor-Arbeit soll den Forschungsstand zum Einsatz von telemedizinischen Systemen im deutschen und internationalen Rettungswesen analysieren und vergleichen. Es soll untersucht werden, inwieweit die präklinische Notfallversorgung, speziell des akuten Koronarsyndroms, durch den Einsatz von Telemedizin optimiert werden kann. Es werden die verschiedenen Einflussfaktoren der präklinischen Notfallversorgung betrachtet, die das Patientenoutcome beeinflussen.

2.1 Einflussfaktoren der präklinischen Notfallversorgung, die das Patientenoutcome beeinflussen

Das Outcome von Notfallpatienten hängt einerseits von Faktoren ab, die nicht primär durch die medizinische Versorgung nach einem Notfall beeinflusst werden können (z.B. Art der Erkrankung, Schweregrad, körperliche Verfassung des Patienten).

Andererseits ist das Patientenoutcome von Faktoren abhängig, die direkt im Einflussbereich der am Notfallort anwesenden Personen, des Rettungsdienstes und der sich anschließenden klinischen Versorgung liegen. Zu diesen Einflussfaktoren gehören unter anderem die Zeitspanne (Einflussfaktor Zeit) zwischen dem Eintritt eines Notfalls und dem Beginn von suffizienten Hilfeleistungen, und die Qualität der präklinischen Versorgung des Notfallpatienten durch den Rettungsdienst (Einflussfaktor Rettungsmittel)

(Issing, 2006).

Im Folgenden werden die oben angeführten Einflussfaktoren, speziell auf das akute Koronarsyndrom bezogen, näher betrachtet.

2.1.1 Einflussfaktor Zeit

Entscheidend für die Versorgung von Notfallpatienten ist die gesamte Zeitspanne vom Eintritt des Notfalls bis zur ersten suffizienten Hilfeleistung, die häufig erst durch den professionellen Rettungsdienst erbracht werden kann. Dieser Zeitabschnitt wird als therapiefreies Intervall bezeichnet.

Gerade aus medizinischer Sicht ist das therapiefreie Intervall entscheidend für das Outcome des Notfallpatienten und die Bedeutung einer schnellstmöglichen adäquaten notfallmedizinischen Versorgung, was durch eine Vielzahl innerklinischer Studien und präklinischer Untersuchungen bestätigt wird (Schlechtriemen, 2000).

In einer prospektiven Analyse von 276 Herzinfarkt-Patienten im Zeitraum von 1991 bis 1997 im Stadtgebiet Wien, Österreich wird unter anderem der Einfluss von Laienhilfe, der Eintreffzeit des Notfallrettungspersonals und der Zeit bis zur ersten Defibrillation auf das neurologische Outcome und die damit verbundenen Behandlungskosten im Krankenhaus untersucht. Dabei stellen Bur et al. fest, dass bei Patienten mit gutem neurologischem Outcome die Eintreffzeiten des Notfallrettungspersonals und die Zeit bis zur ersten Defibrillation geringer ist, als bei Patienten mit schlechtem neurologischem Outcome (Bur, 2001).

In einer Analyse, die gezielt den Zeit- und Therapieintervallen in der ersten „Golden Hour“ des Myokardinfarkts nachgeht, kommt die FTT- Studiengruppe zu dem Ergebnis, dass jede Stunde Therapieverzögerung einen Verlust von 1,6 Menschenleben/ 1000 behandelte Personen bedeutet (FTT- Group, 1994).

Die ISAR-COOL-Studie zeigt, dass eine Zeitverzögerung, beziehungsweise das Hinausschieben einer gezielten Koronarintervention, ein kontinuierlich ansteigendes Mortalitätsrisiko mit sich bringt (Neumann, 2003).

In einer Kohorten-Studie wird zwischen 1991 und 1998 in Großbritannien der Zusammenhang zwischen dem therapiefreien Intervall und der Überlebens-wahrscheinlichkeit bei Herz-Kreislauf-Stillstand untersucht. Dabei ergibt sich, dass bei einer aktuellen Eintreffzeit von 15 Minuten die Überlebens-wahrscheinlichkeit bei 6% liegt. Pell et al. prognostizieren, dass sich die Überlebenswahrscheinlichkeit auf 8% beziehungsweise 11% erhöhen ließe, wenn die Eintreffzeit auf acht beziehungsweise fünf Minuten verkürzt werden würde. Die Prognose lautet, dass eine Verkürzung der Eintreffzeit auf fünf Minuten die Überlebenswahrscheinlichkeit verdoppeln würde (Pell, 2001).

Speziell bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom hat die Minimierung des Zeitintervalls zwischen dem Beschwerdebeginn und der Anforderung medizinischer Hilfe einen zentralen Stellenwert. Register, wie die des MONICA-Projekts aus der Region Augsburg zeigen trotz sinkender Infarktinzidenz und therapeutischer Fortschritte eine konstant hohe prähospitale Letalität.

Nach wie vor ereignen sich die meisten Todesfälle bevor der Patient das Krankenhaus erreicht, so dass das größte Potential zur Senkung der Infarktsterblichkeit in der Prähospitalphase liegt (Löwel, 1999).

Die folgenden zwei Abbildungen stellen die zeitlichen Komponenten dar, die die Frühphase eines Myokardinfarktes charakterisieren. In der ersten Abbildung werden die Zeiten ohne telemedizinische Anwendungen dargestellt. Die zweite Abbildung stellt eine deutliche Zeitlimitierung dar, die durch den präklinischen Einsatz von telemedizinischen Systemen erreicht werden kann.

Abb. 2a

Zeitliche Komponenten beim Myokardinfarkt ohne telemedizinische Anwendung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2b

Zeitliche Komponenten beim Myokardinfarkt mit telemedizinischer Anwendung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Korb, 2005

2.1.2 Einflussfaktor Rettungsmittel

Neben der Länge der Zeit vom Beginn des Notfalls bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes und der Qualität der Versorgung des Notfallpatienten stellen die Art und Anzahl der primär disponierten Rettungsmittel (RTW, NEF) und damit die Qualität der primären Versorgung durch den Rettungsdienst weitere Einflussfaktoren auf das Outcome bzw. die Überlebenswahrscheinlichkeit dar.

Die Art der Rettungsmittel bezieht sich insbesondere auf die Qualifikation des Rettungsdienstfachpersonals (Notarzt versus Rettungssanitäter/-assistent) und auf die technische Ausstattung der Fahrzeuge. Speziell im Hinblick auf die präklinische Patientenversorgung spielen die Qualifikation des Rettungsdienst-fachpersonals und die technisch-medizinische Ausstattung der Rettungsmittel eine erhebliche Rolle.

Die Dispositionsentscheidung über die Art des Rettungsmittels ist eine wesentliche Aufgabe der Rettungsleitstelle. In der Leitstelle muss von einem Disponenten die Entscheidung über die Art und die technische Ausstattung der Rettungsmittel, sowie über die Indikation eines Notarzteinsatzes getroffen werden. Nachdispositionen führen zu einer Verlängerung des therapiefreien Intervalls, womit sich die Wahrscheinlichkeit eines schlechteren Patienten-outcome erhöht (Adams, 1999).

Wie bereits in Punkt 2.1.1 erwähnt, profitiert jeder Notfallpatient, speziell mit akutem Koronarsyndrom, von jeder eingesparten Minute bis zur medikamentösen bzw. operativen Reperfusionstherapie des ischämischen Myokardareals.

Senges et al haben anhand von 14980 Fällen aus deutschen Kliniken die Zeitintervalle analysiert, die vom Auftreten der ersten kardialen Symptome bis zur akut PTCA vergehen. Demnach kam es bereits in der prähospitalen Phase zu Verzögerungen, die einerseits durch die Patienten und andererseits durch den Rettungsdienst verursacht wurden. Die Patienten verkannten häufig Symptome oder führten den Notruf nicht zeitgerecht durch. Der Rettungsdienst hingegen wies oftmals zu lange Versorgungszeiten auf. Insgesamt lag die mediane prähospitale Verzögerung bei 170 Minuten, nur 17% der Infarktpatienten erreichen die Klinik innerhalb der ersten Stunde und nur etwa 60% innerhalb von vier Stunden nach Manifestation der Symptome.

Aber auch auf Seiten der klinischen Versorgung kam es zu ungenügender Ausschöpfung von therapeutischen Optionen. Nur knapp über die Hälfte aller Patienten wurde überhaupt eine Reperfusionstherapie (PTCA) zugeführt, davon wiederum weniger als 50% eine Koronarangioplastie. Die mediane Zeitdauer zwischen Ankunft in der Klinik und Beginn einer adäquaten Therapie lag bei 30 Minuten. Aufgrund der durchgeführten Analysen von Senges et al konnte signifikant belegt werden, dass insbesondere die Notfallpatienten, die bereits präklinisch ein diagnostisches EKG abgeleitet bekommen hatten, einer kürzeren Verzögerung bis zur Reperfusion ausgesetzt waren (Senges, 1997).

3 Theoretischer Rahmen

3.1 Definition akutes Koronarsyndrom (ACS)

Das akute Koronarsyndrom (ACS) ist in der Humanmedizin ein Sammelbegriff für verschiedene Phasen von akuten Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäße, die unmittelbar lebensbedrohlich sein können. Dieser Sammelbegriff wird insbesondere in der Notfallmedizin als vorläufige Diagnose bei Patienten mit länger anhaltenden Angina pectoris- Beschwerden verwendet, solange zwischen einem akuten Herzinfarkt und „instabiler Angina pectoris“ noch nicht unterschieden werden kann (Arentz, 2002).

Von den in Deutschland etwa zwei Millionen Notfallpatienten mit einem „akuten Koronarsyndrom“ wird bei etwa 15% letztlich ein Myokardinfarkt diagnostiziert.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie bezeichnet das akute Koronar-syndrom als eine lebensgefährliche Erkrankung, und definiert es wie folgt:

„Durch den plötzlichen Verschluss eines meist chronisch stenosierten Koronargefäßabschnittes kommt es zur Ischämie im Bereich des distal gelegenen Myokards. Ursächlich dafür ist in der Regel eine Plaqueruptur oder Ulzeration bei der gerinningsaktive Oberflächenstrukturen (Kollagen, Gewebsfaktoren, Schaumzellen) frei werden, die zur Bildung eines Thrombus führen, welcher das Gefäß vollständig verschließt. Durch die Ischämie im distalen Gefäßabschnitt kommt es somit zwangsläufig zum Untergang der betroffenen Myozyten. Das klinische Erscheinungsbild einer akuten Myokardischämie wird unter dem Begriff akutes Koronarsyndrom (ACS= acute coronary syndrome) zusammengefasst“.

Nach Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie werden unter dem Oberbegriff „Akutes Koronarsyndrom“ drei Phasen der koronaren Herzerkrankung zusammengefasst.

- die instabile Angina pectoris
- der akute Myokardinfarkt
- und der plötzliche Herztod.

(Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, 2005)

Die folgende Abbildung, von dem Kardiologen Prof. Dr. med Christian W. Hamm, stellt die Terminologie des akuten Koronarsyndroms graphisch dar:

Abb. 3: Terminologie akutes Koronarsyndrom

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Hamm, 2007

In der medizinischen Fachzeitschrift „Der Allgemeinarzt 9/2004“ beschreiben die zwei Kardiologen PD Dr. med. Andreas van de Loo, Abteilung für Kardiologie am Universitätsklinikum Freiburg, sowie Prof. Dr. med. Wilhelm Niebling, Lehrbereich Allgemeinmedizin ebenfalls Universität Freiburg das akute Koronarsyndrom wie folgt:

„Das akute Koronarsyndrom ist ein Sammelbegriff für Angina pectoris-Symptome in Zusammenhang mit EKG-Veränderungen, die auf eine Myokard-Ischämie hindeuten. Dabei reicht das Spektrum von der instabilen Angina bis zum transmuralen Infarkt“.

Die folgende Tabelle enthält mehrere spezifische Definitionen verschiedener koronarer Syndrome, die aber alle unter dem Oberbegriff akutes Koronarsyndrom (ACS) zusammengefasst werden:

Tabelle 3: Spezifische Definitionen akutes Koronarsyndrom

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Der Allgemeinarzt, 9/2004

Für die Erstversorgung eines Patienten, dessen Anamnese, Beschwerden und EKG-Befund ein akutes Koronarsyndrom vermuten lassen, ist diese Unterscheidung jedoch nicht erforderlich. Sofern es sich innerhalb bestimmter Zeitgrenzen bewerkstelligen lässt, sollte möglichst jeder Patient mit akutem Koronarsyndrom in ein Zentrum zur interventionellen Katheterdiagnostik bzw. –therapie verbracht werden (Niebling, 2004).

[...]

Fin de l'extrait de 62 pages

Résumé des informations

Titre
Lässt sich die präklinische Notfallversorgung des akuten Koronarsyndroms (ACS) im deutschen Rettungsdienst durch Telemedizin verbessern?
Université
University of Applied Sciences Magdeburg  (Angewandte Gesundheitswissenschaften )
Note
1.3
Auteur
Année
2007
Pages
62
N° de catalogue
V195424
ISBN (ebook)
9783656217404
ISBN (Livre)
9783656218388
Taille d'un fichier
704 KB
Langue
allemand
Mots clés
lässt, notfallversorgung, koronarsyndroms, rettungsdienst, telemedizin
Citation du texte
Jean-Claude Balanck (Auteur), 2007, Lässt sich die präklinische Notfallversorgung des akuten Koronarsyndroms (ACS) im deutschen Rettungsdienst durch Telemedizin verbessern?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/195424

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