Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Radical Translation
II.I. Die Dschungelszene
II.II. Reizbedeutung
II.III. Unbestimmheit des Bezugs
II.IV. Analytische Hypothesen
II.V. Unterdeterminiertheit der Übersetzung und Bedeutungsskepsis
III. Erster nativistischer Einwand: Unzulänglichkeit des Stimulus
IV. Zweiter nativistischer Einwand: Ambiguität ostensiver Definition
V. Sind die nativistischen Einwände gerechtfertigt?
VI. Schlusswort
VII. Literaturverzeichnis:
I. Einleitung
Willard Van Orman Quine gilt als einer der einflussreichsten und am meisten diskutierten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Unter seinen zahlreichen Veröffentlichungen nimmt sein 1960 erschienenes Buch Word and Object einen besonders kontroversen Stellenwert ein. Vor allem das darin enthaltene Gedankenexperiment der «radical translation» hat weit über das eigentliche Feld der analytischen Philosophie hinaus Berühmtheit erlangt. Dieses berühmt-berüchtigte Gedankenexperiment stellt den Ausganspunkt der vorliegenden Arbeit dar. In einem ersten Schritt werden, ausgehend von der „Dschungelszene“, in der Quines «radical translation» passiert, die für seine Argumentation zentralen Begriffe erarbeitet. In einem weiteren Schritt wird das Argument, das zu Quines These der «indeterminacy of translation» führt, rekonstruiert. Im Folgenden sollen die darin enthaltenen Prämissen zu Quines behaviouristischer Konzeption von Sprache auf den Erstspracherwerb übertragen werden. Die Idee dahinter ist, dass es eine strukturelle Ähnlichkeit zwischen der «radical translation» und dem Erstspracherwerb gibt. Dabei steht eine Frage im Zentrum: Wenn sprachlernende Kinder mit denselben Problemen konfrontiert sind, wie urübersetzende Feldlinguisten, wie ist es dann zu erklären, dass der Erstspracherwerb in den meisten Fällen so verblüffend gut funktioniert? Diese Frage ist der Anknüpfungspunkt zweier nativistischer Einwände gegen Quines Spracherwerbstheorie, auf die ich im weiteren Verlauf der Arbeit den Fokus richten werde. Es sind die „Unzulänglichkeit des Stimulus“ und die „Ambiguität ostensiver Definition“. Zum Abschluss werde ich die Kritik an Quine, die bei diesen beiden Einwänden ansetzt, zumindest teilweise zurückzuweisen versuchen.
II. Radical Translation
II.I. Die „ Dschungelszene “
Am Anfang des zweiten Kapitels Translation and Meaning von Quines 1960 erschienenem Buch Word and Object 1 nimmt er folgendes Gedankenexperiment vor. Es handelt sich um das Gedankenexperiment der «radical translation» (Urübersetzung):
Ein Sprachforscher trifft in einen entlegenen Winkel der Erde auf einen Stamm von Eingeborenen, die eine ihm völlig unbekannte Sprache sprechen. Er ist der erste Fremde, der mit den Eingeborenen in Kontakt tritt, und folglich ist bisher noch kein einziges Wort der Eingeborenensprache in eine andere übersetzt worden. Das Ziel des Forschers ist es, ein erstes brauchbares Übersetzungshandbuch zu erarbeiten. Dazu muss er in vielen empirischen Versuchen herausfinden, welche Entsprechung eine bestimmte Äusserung eines Eingeborenen in seiner Sprache hat. Er begibt er sich zusammen mit einem Eingeborenen in eine Situation, in der beide den gleichen Reizen auf ihre körperliche Aussenfläche ausgesetzt sind. Denn für Quine sind „die einzigen objektiven Daten, nach denen er [der Forscher] sich richten kann, die Kräfte, die er auf die Aussenfläche des Eingeborenen einwirken sieht, sowie das beobachtbare, stimmliche und sonstige Verhalten des Eingeborenen“ (WG 62). Als erstes konzentriert sich der Forscher auf die am wenigsten problematischen Situationen, nämlich diejenigen, in denen ein für beide augenfälliges Ereignis eine Äusserung beim Eingeborenen hervorruft. Quine beschreibt eine solche Situation wie folgt: „Ein Kaninchen huscht vorbei, der Eingeborene sagt ‚Gavagai’, und der Sprachforscher notiert den Satz ‚Kaninchen’ (oder ‚sieh da, ein Kaninchen’) als vorläufige, in weiteren Fällen zu erprobende Übersetzung“ (WG 63). Zur weiteren Erprobung seiner Übersetzungshypothese kann der Sprachforscher bei verschiedenen Gelegenheiten ‚Gavagai?’ fragen und acht geben, ob sein Gewährsmann zustimmt oder ablehnt. Leider weiss er noch nicht, wie man fragt und welche Äusserungen oder Gesten er als Zustimmung oder Ablehnung werten kann. Um dies herauszufinden schlägt Quine vor, Äusserungen des Gewährsmanns nachzusprechen. Wenn der Forscher dadurch einigermassen regelmässig dasselbe Wort auslöst, liegt die Vermutung nahe, dass es die Bedeutung von ‚ja’ hat. Es handelt sich dabei allerdings nur um eine Arbeitshypothese, die sich in weiteren Fällen bewähren muss. (vgl. WG 64f.) Hat sich der Sprachforscher entschieden, welche Zeichen des Eingeborenen Zustimmung resp. Ablehnung ausdrücken, kann er damit beginnen, induktive Belege für seine Hypothese ‚Gavagai’ = ‚[da ist ein] Kaninchen’ zu sammeln.
II.II. Reizbedeutung
Quine bemerkt, dass einfache «occasion sentences» (Ereignissätze) wie ‚Gavagai’ verhältnismässig leicht übersetzbar sind, weil sie unmittelbar mit nichtverbalen Reizen verknüpft sind. Des Weiteren, so Quine, lasse sich so etwas wie die Bedeutung eines solchen Satzes anhand der Reize definieren, denen der Eingeborene und der Forscher gleichermassen ausgesetz sind. Diese Bedeutung nennt Quine «stimulus meaning» (Reizbedeutung):
Die Reizbedeutung eines Satzes für eine bestimmte Person fasst ihre Disposition zusammen, dem Satz in Reaktion auf einen gegenwärtigen Reiz entweder zuzustimmen oder ihn abzulehnen. Der Reiz ist dasjenige, was die Disposition aktiviert, wobei „aktivieren“ im Gegensatz zu „einprägen“ zu verstehen ist (obgleich der Reiz zufällig irgendwie zur Einprägung einer weiteren Disposition beitragen kann.) (WG 72).
Die positive Reizbedeutung ist die Klasse aller Reize, die den Eingeborenen veranlasst, dem Satz ‚Gavagai’ zuzustimmen, wenn der Forscher ihm diesen vorsagt. Also ‚Gavagai?’ beim tatsächlichen Erscheinen eines Kaninchens. Entsprechend definiert Quine die Klasse aller Reize, die den Eingeborenen zur Ablehnung des Satzes veranlassen, als die negative Reizbedeutung (‚Gavagai?’ wenn kein Kaninchen zu sehen ist). Dieses geordnete Paar der beiden Reizklassen definiert Quine als die Reizbedeutung des Satzes ‚Gavagai’.
Wie oben bereits angetönt, funktioniert die Übersetzung mittels Reizbedeutung bei Ereignisssätzen ziemlich gut. Bei unserem Beispielsatz ‚Gavagai’ handelt es sich sogar um eine zum Übersetzen besonders komfortable Unterkategorie der Ereignissätze - um einen Beobachtungssatz (observation sentence). Diese Sätze zeichnen sich dadurch aus, dass sie in einer besonders festen Beziehung zu aktuellen Reizen stehen und ihre Reizbedeutung nur wenig durch «intrusive information» (Hintergrundinformation)2 bestimmt wird. Doch nicht alle unsere Sätze sind Ereignissätze, geschweige denn Beobachtungssätze. Um einiges problematischer für die Urübersetzung sind «standing sentences» (Dauersätze)3. Wird der Eingeborene beispielsweise den Satz ‚ist die Sonne aufgegangen?’ gefragt, wird er ihm einen ganzen Tag lang zustimmen, gleichgültig, welchen Reizen er im Moment des Fragens gerade ausgesetzt ist. Gleiches gilt für den Satz ‚sind die Sterne untergegangen?’. Auch wenn es gelingen sollte hier Reizbedeutungen zu eruieren (Blick in den Himmel etc.), sind diese beiden Sätze gar nicht leicht unterscheidbar und eine Übersetzung dadurch äusserst schwierig. Das Problem wird noch drastischer, wenn man sich (mit einer Zeitangabe versehene) Sätze über die Vergangenheit vor Augen führt: ‚Julius Cäsar wurde vor mehr als 2000 Jahren ermordet’ ist seit 1956 wahr, gleichgültig, welchen Reizen man ausgesetzt ist. Wie kann ihn der Sprachforscher jemals übersetzen? Die Extremform von Dauersätzen sind «eternal sentences» (ewige Sätze), zu denen die logischen Gesetze gehören. Der Eingeborene wird dem Satz ‚A = A’ (wenn er ihn überhaupt für wahr hält) unter allen Reizsituationen zustimmen. Folglich kann der Forscher den Satz entweder gar nicht übersetzen oder nicht entscheiden, in welchen der ewigen Sätze seiner Sprache ,A = A’ zu übersetzen wäre. Es wäre durchaus möglich, dass der Eingeborene auch ‚A v ¬A’ unter allen Umständen zustimmen würde und die beiden Sätze nicht zu unterscheiden wären.
II.III. Unbestimmheit des Bezugs
Doch selbst bei Beobachtungssätzen wie ‚Gavagai’ ist die Übersetzung aufgrund von Reizbedeutung schwierig. Zwar kann durch die Methode der Beobachtung von zustimmender oder ablehnender Reaktion auf Nachfragen festgestellt werden, ob ein Satz in einer bestimmten Reizsituation wahr oder falsch ist. Hingegen ist es schwierig herauszufinden, worauf sich die Ausdrücke im Satz beziehen. Quine fügt eine ganze Reihe von bisweilen unterhaltsamen Beispielen an, die verdeutlichen, dass es schwierig ist, den durch ‚Gavagai’ bezeichneten Gegenstand zu bestimmen. So könnte der Ausdruck ‚Gavagai’ vielleicht nur eine Kaninchenpfote oder ein anderes unabgetrenntes Kaninchenteil bezeichnen (vgl. WG 101ff.). Weiter fügt Quine an, dass der Forscher nicht wissen könne, ob die Eingeborenen mit ‚Gavagai’ wirklich ein ganzes dauerhaftes Kaninchen bezeichnen. Es könnte sein, dass im Gegensatz zu seiner Sprache, die Sprache der Eingeborenen Bezeichnungen für einzelne Kaninchenlebenszeitabschnitte vorsieht. Des Weiteren bestünde die Möglichkeit, dass ‚Gavagai’ denjenigen Teil der raumzeitlichen Welt bezeichnet, der aus Kaninchen besteht, quasi die ‚Kaninchenheit’.
Quine zieht gar in Betracht, dass der Reiz, der den Eingeborenen zur Zustimmung von ‚Gavagai?’ bewegt, lediglich ein indexikalisches Zeichen für ‚Kaninchen’ sein könnte. Es bestünde die Möglichkeit, dass es im besagten Dschungel eine Kaninchenfliege gibt, die immer um ein Kaninchen herumschwirrt. Dem Eingeborenen, der diese besonderen Gegebenheiten der lokalen Fauna besser kennt als der Forscher, ist diese Fliege natürlich bekannt. So zeigt ihm die Fliege ein Kaninchen an und er wird ‚Gavagai?’ folglich zustimmen, wenn er die Fliege sieht.
Alle diese Beispiele verdeutlichen, dass die Reizbedeutung, also die gegenwärtigen Dispositionen einem Satz zuzustimmen oder nicht, keinen Unterschied zwischen ‚Gavagai’ und ‚Kaninchen’ registrieren würde. Der Eingeborene würde in jeder Situation, in der der Forscher ,Kaninchen?’ zustimmt auch ‚Gavagai?’ zustimmen (Reizsynonymie), obwohl die beiden Ausdrücke auf verschiedene Gegenstände referieren, sprich, nicht extensionsgleich sind. Oder anders ausgedrückt: Es ist möglich, dass der Forscher und der Eingeborene ihren Sätzen gleiche Wahrheitswerte zuordnen, aber vielleicht nie erkennen, dass sich ihre Ausdrücke gar nicht auf dieselbe Ontologie beziehen. Im oben genannten Beispiel mit der ‚Kaninchenheit’ zeigt Quine, dass selbst die Unterscheidung zwischen allgemeinen und singulären Termini von der Reizbedeutung nicht erfasst wird.
Die Unbestimmtheit des bezeichneten Gegenstands könnte zwar zumindest in einigen Fallbeispielen ausgeschlossen werden, z.B. durch Fragen wie: ‚Ist dies dasselbe Gavagai wie das?’ während auf verschiedene Teile des Kaninchens gezeigt wird. Dieses Vorgehen setzt aber eine vorgängige Übersetzung des Individuationsapparats voraus, also von Zahlwörtern, Pronomen, Identitätszeichen, die der Forscher zu diesem Zeitpunkt seiner Arbeit noch nicht übersetzt haben kann.
II.IV. Analytische Hypothesen
Was bleibt dem Sprachforscher übrig, wenn er sich nicht auf Reizbedeutungen stützen kann, um zu einer Übersetzung zu gelangen? Quine schlägt ihm vor analytische Hypothesen («analytical hypotheses») zu bilden:
Er [der Sprachforscher] gliedert die gehörten Äusserungen in handlich kurze, wiederkehrende Teile und stellt so eine Liste der «Wörter» der Eingeborenen zusammen. Mehrere dieser Wörter setzt er hypothetisch mit deutschen Wörtern und komplexen Ausdrücken gleich […].“ (WG 129)
Der Sprachforscher stellt, ausgehend von den eigenen Sprachstrukturen, Hypothesen über lexikalische, syntaktische und grammatikalische Muster der fremden Sprache auf. Ein Beispiel für eine, bereits eher fortgeschrittene, analytischen Hypothese wäre: ‚Der Plural wird (wie in der Heimatsprache) auch in der Eingeborenensprache durch eine bestimmte Endung markiert.’ Quine nennt die Methode der analytischen Hypothesen „ein Verfahren, sich unter Ausnutzung der Schwungkraft der Heimatsprache in die Dschungelsprache zu katapultieren“ (WG 133).4 Im fortgeschrittenen Stadium wird der Forscher seine Hypothesen in eigenen Äusserungen anwenden, um sie zu überprüfen. Durch die analytischen Hypothesen sollen die durch blosse Reizbedeutung nicht bestimmbaren Teile der Eingeborenensprache erschlossen werden. Analytische Hypothesen gehen somit über die Dispositionen zum Redeverhalten hinaus. Und mit dem Fortschreiten der Arbeit, das heisst, je komplexer die aufgestellten Hypothesen sind, nimmt deren empirische Verankerung ab. Dazu Quine:
Der grösste Teil der semantischen Korrelation [Satzentsprechungen Eingeborenensprache - Forschersprache] wird lediglich durch analytische Hypothesen gestützt, die über den Bereich, wo unabhängige Belege für das Übersetzen möglich sind, hinausgehen.“ (WG 135)
Zusammenfassend lässt sich folgendes sagen: Der Forscher ist mit einer Unbestimmtheit der Referenz («inscrutability of reference») konfrontiert, wenn er versucht, allein aufgrund von Reizbedeutung eine Übersetzung anzufertigen - dies gilt selbst für einfache Beobachtungssätze. Das zeigen die oben genannten Fallbeispiele, wo nicht entschieden werden kann, was mit „Gavagai“ gemeint ist. Zusätzlich muss der Forscher bei Sätzen, die keine direkten Verbindungen zu aussersprachlichen Reizen haben, auf analytische Hypothesen zurückgreifen. Je weiter ein Satz von der Beobachtungssphäre entfernt ist, desto mehr basiert seine Übersetzung auf anlytischen Hypothesen. Da die meisten Sätze (Dauersätze, Quantorensätze etc.) nur wenig empirische Verankerung haben, beruht der grösste Teil der Übersetzungen lediglich auf Hypothesen.
II.V. Unterdeterminiertheit der Übersetzung und Bedeutungsskepsis
Hier erreicht Quines Argumentation ihren Höhepunkt: Er bemerkt, dass ein zweiter Forscher ebenfalls ein Übersetzungshandbuch anfertigen könnte. Dieses würde, wie das Buch vom ersten Forscher, mit der Gesamtheit der Rededispositionen in Einklang stehen. Trotzdem wären die beiden Handbücher miteinander unvereinbar. Da sie auf unterschiedlichen analytischen Hypothesen beruhen, würden sie an zahllosen Stellen divergieren, d.h. der gleiche Satz der Eingeborenensprache hätte unterschiedliche Einträge im jeweiligen Handbuch (vgl. WG 136). Dabei ist festzuhalten, dass kein Buch dem anderen überlegen wäre, da ja beide der Gesamtheit des Redeverhaltens bis ins letzte Detail entsprechen würden - vorausgesetzt beide Forscher hätten sauber gearbeitet. Damit will Quine nicht sagen, dass es keine richtige Übersetzung gibt und Übersetzung somit unmöglich ist. Vielmehr gibt es mehr als eine richtige Übersetzung. Die Pointe ist, so Quine, dass die anhand verschiedener Handbücher gleichsam richtig übersetzten Sätze in Kontexten der Zielsprache nicht austauschbar sind.5 Radikale Übersetzung ist somit immer unterdeterminiert («indeterminacy of translation»).
Wenn es keine eindeutige radikale Übersetzung geben kann, wie es Quine im 2. Kapitel von „ Word and Object “ gezeigt hat, dann stellt sich die Frage, was dies für den Begriff der ‚Bedeutung’ für Auswirkungen hat. Bedeutungen bringen Übersetzungen zum Funktionieren. Sie werden durch eine richtige Übersetzung von der Ausgangs- in die Zielsprache transportiert. Wenn es nun keine Übersetzung im strengen Sinn von Quines «radical translation» gibt, dann stellt dies auch die Existenz von Bedeutungen in Frage - zumindest in der Weise, wie der Begriff ‚Bedeutung’ traditionell verwendet wird, nämlich als Intension. Im Folgenden soll das Argument, das zur Ablehnung von Bedeutungen führt rekonstruiert werden:6
P1 Die behavioristische Methode der Urübersetzung ist in der Lage, gegenwärtige
Dispositionen zu verbalem Verhalten zu erfassen.
P2 Sprache ist nicht mehr als ein Komplex gegenwärtiger Dispositionen zu verbalem Verhalten.
C1 Alle semantischen Tatsachen werden durch die behavioristische Methode der Urübersetzung erfasst.
P3 Diese Methode erlaubt es nicht, zwischen verschiedenen Übersetzungen/ Bedeutungen zu unterscheiden.
C2 Es gibt keine Identitätskriterien für Bedeutungen.
P4 Keine Entität ohne (Kriterien der) Identität („no entity without identity“)7. C3 Es gibt keine Bedeutungen/Intensionen.
[...]
1 Dieser Arbeit liegt im Wesentlichen die deutsche Übersetzung Wort und Gegenstand von Schulte (1980) zu Grunde (im Folgenden WG abgekürzt). Spezielle Termini, die Quine verwendet, werden jedoch bei deren Einführung in den Text aus dem englischen Original zitiert und ihre, im weiteren Verlauf des Textes verwendete, deutsche Entsprechung angegeben.
2 Als Beispiel eines Ereignissatzes, der durch Hintergrundinformation in seiner Reizbedeutung massgeblich geprägt wird, nennt Quine den Satz ‚Junggeselle’, der beim Anblick eines vertrauten Gesichts geäussert wird. Das Missliche an Jungeselle, so Quine, sei, dass seine Reizbedeutung über das Aussehen des veranlassenden Gesichts hinausgehe und Dinge betrifft, die man nur über andere Kanäle erfahren könne (vgl. WG 85).
3 Eine gute Darstellung der Übersetzungsprobleme von Dauersätzen befindet sich in Sukale (1988), S. 218f, an die der folgende Abschnitt anlehnt.
4 Quine benutzt dafür die Metapher von einem „wohlvertrauten Baum“, auf den „exotische Schösslinge so lange aufgepfropft werden, bis nur noch das Exotische sichtbar ist“ (WG 133). Die Möglichkeit, dass die beiden Sprachsysteme soweit inkompatibel sind, dass keine von der Heimatsprache ausgehenden Hypothesen aufgestellt werden können, zieht Quine nicht in Betracht. Dies ist aber zumindest denkbar. Oder um in Quines Bild zu bleiben: Es könnte sein, dass kein einziger exotischer Schössling auf dem wohlvertrauten Baum gedeiht.
5 Vgl. Quine (1990). S. 68.
6 Vgl. Glock (2003). S. 207.
7 Quine ist der Ansicht, dass wenn man eine Entität in die Ontologie aufnehmen möchte, man auch sagen können muss, wann Exemplare dieser Art identisch sind. "[w]e have an acceptable notion of class, or physical object, or attribute, or any other sort of object, only insofar as we have an acceptable principle of individuation for that sort of object. There is no entity without identity" Quine (1981) S. 102.