Die „digitale Revolution“ hat im Rahmen der Digitalisierung und des Metaprozesses der Mediatisierung in den letzten Jahrzehnten einen grundlegenden technischen als auch gesellschaftlichen Wandel hervorgerufen, der (fast) alle gesellschaftlichen Lebensbereiche durchdringt. Technische Evolutionen wie die Erfindung des Mikrochips und dessen ständiger Verbesserung, das Internet und die Breitbandverbindung schufen technische Grundlagen, aufgrund derer sich die Gesellschaft zu ‚digitalisieren‘ schien und damit auch der kulturelle Teilbereich der Kunst. Die Konvergenz von digitaler Technik und Kunst schafft neue kulturelle Artefakte und neue Begriffe entstehen: „Medienkunst“, „Virtual Reality“, „Simulation“, „Interaktivität“, um nur einige von ihnen zu nennen. Analog und digital scheinen sich dabei auf den ersten Blick diametral entgegenzustehen und lösen Diskurse darum aus, ob es sich bei digitaler Kunst noch um ‚echte‘ Kunst handelt oder es sich bei der digitalen Kunst um einen Prozess der Entmaterialisierung, der Auflösung der Autorenschaft oder etwas ähnlich ‚mangel-haftem‘ handelt. Ausgangspunkt solcher Diskurse ist häufig die Anwendung tradierter kunsttheoretischen Überlegungen, die der digitalen Kunst durch ihre ‚Andersartigkeit‘ zwangsläufig einen Mangel an irgendetwas bescheinigen mussten. Beispielhaft sei hier der kunsttheoretische Diskurs um die analoge und digitale Fotografie erwähnt, in der nur die analoge Fotografie „Fotografie“ im eigentlichen Sinne sei, und digitale Fotografie keine Fotografie sei, da es ihr an einer 1:1 – Abbildung der Realität mangele – festgemacht an der Diskussion um Ikon und Index. Folgt man tradierten Theorien wie dieser letztgenannten, mangelt es der digitalen Kunst an vielen Orten an Eigenschaften, die nur der ‚analogen‘ Kunst zugeschrieben werden. Fraglich ist jedoch, ob sich die ‚digitale Kunst‘ tatsächlich so fundamental von der ‚analogen Kunst‘ unterscheidet, wie dies oft implizit angenommen wird. Gleiches kann für die Unterscheidung einer analogen und digitalen Ästhetik gelten. Der Frage nach der Bedeutung für die Ästhetik der ‚digitalen Kunst‘ liegt‚ basiert auf einem umfassenden Medienumbruch, der Konvergenz verschiedener Künste mit dem (digitalen) Computer und der Telefon- bzw. Breitbandverbindung. Die digitale Kunst besetzt ein Gebiet der menschlichen Wahrnehmung, das zuvor den Gattungen der klassischen Kunst wie der Malerei, der Musik und dem Theater vorbehalten waren.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung und Verortung einer digitalen Ästhetik
2. Interaktivität
3. Vorgeschichte der Interaktivität
4. Ästhetische Paradigmen der Interaktivität
4.1 Offenheit von interaktiven Kunstwerken
4.2 Räumliche und zeitliche Ubiquität
4.3 Entmaterialisierung - Die Ästhetik der Absenz
4.4 Synästhetik & Tactility
5. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung und Verortung einer digitalen Ästhetik
Die „digitale Revolution“ hat im Rahmen der Digitalisierung und des Metaprozesses der Mediatisie- rung in den letzten Jahrzehnten einen grundlegenden technischen als auch gesellschaftlichen Wan- del hervorgerufen, der (fast) alle gesellschaftlichen Lebensbereiche durchdringt.1 Technische Evolu- tionen wie die Erfindung des Mikrochips und dessen ständiger Verbesserung, das Internet und die Breitbandverbindung schufen technische Grundlagen, aufgrund derer sich die Gesellschaft zu ‚digita- lisieren‘ schien und damit auch der kulturelle Teilbereich der Kunst. Die Konvergenz von digitaler Technik und Kunst schafft neue kulturelle Artefakte und neue Begriffe entstehen: „Medienkunst“, „Virtual Reality“, „Simulation“, „Interaktivität“, um nur einige von ihnen zu nennen. Analog und digital scheinen sich dabei auf den ersten Blick diametral entgegenzustehen und lösen Diskurse darum aus, ob es sich bei digitaler Kunst noch um ‚echte‘ Kunst handelt oder es sich bei der digitalen Kunst um einen Prozess der Entmaterialisierung, der Auflösung der Autorenschaft oder etwas ähnlich ‚mangel- haftem‘ handelt.2 Ausgangspunkt solcher Diskurse ist häufig die Anwendung tradierter kunsttheore- tischen Überlegungen, die der digitalen Kunst durch ihre ‚Andersartigkeit‘ zwangsläufig einen Mangel an irgendetwas bescheinigen mussten. Beispielhaft sei hier der kunsttheoretische Diskurs um die analoge und digitale Fotografie erwähnt, in der nur die analoge Fotografie „Fotografie“ im eigentli- chen Sinne sei, und digitale Fotografie keine Fotografie sei, da es ihr an einer 1:1 - Abbildung der Realität mangele - festgemacht an der Diskussion um Ikon und Index.3 Folgt man tradierten Theorien wie dieser letztgenannten, mangelt es der digitalen Kunst an vielen Orten an Eigenschaften, die nur der ‚analogen‘ Kunst zugeschrieben werden. Fraglich ist jedoch, ob sich die ‚digitale Kunst‘ tatsächlich so fundamental von der ‚analogen Kunst‘ unterscheidet, wie dies oft implizit angenommen wird. Glei- ches kann für die Unterscheidung einer analogen und digitalen Ästhetik gelten. Der Frage nach der Bedeutung für die Ästhetik der ‚digitalen Kunst‘ liegt‚ basiert auf einem umfassenden Medienum- bruch, der Konvergenz verschiedener Künste mit dem (digitalen) Computer und der Telefon- bzw. Breitbandverbindung. Die digitale Kunst besetzt ein Gebiet der menschlichen Wahrnehmung, das zuvor den Gattungen der klassischen Kunst wie der Malerei, der Musik und dem Theater vorbehalten waren.4 Zentrum oder Aushandlungsort der Diskurse um eine digitale Ästhetik der digitalen Künste ist das Verhältnis von Mensch und Maschine, bzw. der Interrelation von Ästhetik und Information.5 Dieses Verhältnis verortet sich an der Schnittstelle von Mensch und Maschine, dem Interface. Es ist der Dreh- und Angelpunkt um die Diskurse der menschlichen Wahrnehmung im Kontext der Digitali- sierung. „Interface“ bedeutet im Zusammenhang mit der Interaktivität nicht nur die Kontaktpunkt zwischen Mensch und Maschine im technischen Sinne, sondern die für eine digitale Ästhetik relevan- ten „künstlerische Strategien, den Besucher zu adressieren und in einer dialogähnlichen Situation zu involvieren.“6 Die Interaktivität ist für die Betrachtung digitaler Medienkunst zentral.7 Denn die Inter- aktivität ist das Schlüsselwort der neuen Medientechnologien, das die Differenz gegenüber den tra- ditionellen Medien markiert.8 Ästhetische Theorien der interaktiven Medienkunst betonen den Dialog des Rezipienten mit der offenen Struktur des Werkes, der spielerischen Reorganisation von Informa- tion durch die Rezipienten und Non-Linearität.9 Um sie kreisen die ästhetischen Diskurse der Entma- terialisierung, fehlenden Autorenschaft, Synästhesie und Tactility, die in dieser Ausarbeitung in Kapi- tel 3 dargestellt werden. Die Diskurse um Synästhesie und Tactility beziehen sich zum einen auf ein klassisches Verständnis von Ästhetik, der Verbindung von körperlichem Ausdruck mit intellektuellem Inhalt: dem sinnlichen Erleben.10 Das sinnliche Erleben einer (fiktiven) Mensch-Maschine-Interaktion hat bereits vor der „digitalen Revolution“ menschliche Fantasien geweckt. Bereits Marcel Duchamps sprach bei der Beschreibung seiner „Junggesellenmaschine“ von der Hoffnung nach einer sinnlichen Erfahrbarkeit des Raums zwischen Mensch und Maschine, bzw. einer „elektrischen Verbindung“ zwi- schen zwei Menschen über eine Maschine. Also der Schaffung eines menschenähnlichen Dialogpart- ners durch die Maschine. Diese Phantasie wurde jedoch mangels eines physischen Kontakts zwischen beiden enttäuscht.11 Die Interaktivität spielt in der Entwicklungsgeschichte der digitalen Künste und einer ‚digitalen Ästhetik’ eine große Rolle, da ihr, wie gesehen, wichtige Aspekte der digitalen Medi- enkunst inhärent sind.
2. Interaktivität
Interaktivität ist ein schwer fassbarer, schillernder Begriff. Jaron Lanier konstantierte: „Ich weiß nicht genau, was Interaktivität tatsächlich bedeutet, aber ich glaube, dass es ein Abenteuer ist, die tat- sächliche Bedeutung herauszufinden.“12 Vom etymologischen Ursprung her stammt Interaktivität aus dem Lateinischen für „inter agere“, also „wechselseitig“ und „aufeinander bezogen“. Zwar geht der Begriff von einer soziologischen Perspektive aus betrachtet von der Interaktion zwischen Men- schen aus, jedoch ist im Rahmen der Computerkunst vor allem auch die wechselseitige Kommunikati- on zwischen Mensch und Maschine gemeint. Interaktive Medienkunst muss neben der wechselseiti- gen Kommunikation in Form einer Rückkopplung zwischen Mensch und Maschine noch zwei weitere Kriterien erfüllen: die Interaktion muss in Echtzeit erfolgen und einen bestimmten Mindestgrad an Immersion erfüllen.13 Mit Immersion ist das Eintauchen und Verschmelzen des Rezipienten, bzw. dessen Vorstellung in den Datenraum gemeint, beschreibt also den „psychologischen Prozess der Modifikation von Wahrnehmungsinhalten, in dem die simulierten Inhalte zu realen Eindrücken werden und die physikalische Umgebung neben diesen an Eindrucksqualität verliert.“14
3. Vorgeschichte der Interaktivität
Wichtige Charakteristika der Interaktivität, die auch in den allgemeinen Diskursen um digitale Ästhe- tik eine Rolle spielen, wie die Frage nach der Autorenschaft von Kunstwerken oder dem Auflösen von Körper und Raum sind bereits in der Genese der Interaktiven Medienkunst zu finden. Von der Reflexion des Körpers bis hin zu synästhetischen Erfahrungen und einer vollständigen Immersion in den virtuellen Datenraum, der Wandlung von bloßer Partizipation an Kunstwerken zu echter Interak- tion mit diesen oder der Wandel von analog und digital, sind in der Geschichte der Interaktivität zu finden.
Als Beginn einer Beteiligung des Zuschauers kann der Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts auf- kommende Dadaismus gesehen werden. Der Bewegung der Dadaisten war eine generelle Kritik an den starren Werten und Normen der bürgerlichen Gesellschaft inhärent, zu der auch die Ablehnung des konventionellen, elitären Kunstbegriffs gehörte. Um diese aufzubrechen wurden neben der Ein- beziehung von Alltagsgegenständen und -situationen in die Kunst auch die elitäre Autorenschaft von Kunstwerken in Frage gestellt, in dem auch die Zuschauer zu Teilnehmern in den „ready-mades“ wurden und so versucht wurde, sie mit in die Autorenschaft von Kunstwerken mit einzubeziehen. Jedoch waren solche Kunstwerke, wie der Name schon sagt ready-made - der Ablauf des Kunstwerks und die Stelle(n) der Zuschauerbeteiligungen waren inhaltlich wie zeitlich geplant. Die Zuschauer hatten also keine wirkliche Eingriffsmöglichkeit im Sinne einer Mitbestimmung an dem Kunstwerk, sie waren lediglich Teilnehmer. Trotzdem liegt in der Bewegung des Dadaismus ein erstes Aufbrechen vom starren Prinzip der elitären Autorenschaft von Kunstwerken. Die Kerngedanken der Dadaisten wurden schließlich von der Bewegung des Fluxus wieder aufgegriffen und weiterentwickelt. Die Nivellierung der Unterscheidung von Produzenten- und Rezipientenrolle war auch für den Fluxus prägend. Eine typische Kunstform der Fluxus-Bewegung waren unvollendete Kunstwerke, die durch den Rezipienten erst vervollständigt werden mussten sowie insbesondere Happenings und Musik- Performances, mit aktiver Zuschauerbeteiligung. Die Fluxus-Bewegung entstand in einer Zeit, in der das Massenmedium Fernsehen und später auch der Videorekorder technische Evolutionsschritte darstellten und sich die Künstler mit diesen neuen Medien kritisch auseinandersetzen und sie sich aneigneten.
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1 vgl. Krotz (2008), S. 143.
2 vgl. so auch Schröter (2004), S. 7.
3 vgl. Pierce (2000), S. 193.
4 vgl. Daniels (2004).
5 vgl. Giannetti (2004), S. 1.
6 vgl. Dinkla (1997), S. 7.
7 Ebd. (1997), S. 228.
8 vgl. Leggewie/Bieber (2006), S. 7.
9 vgl. Gianetti (2004), S. 1; Dinkla (1997), S.7.
10 vgl. Huhtamo (2008), S. 130; Kwastek (2008), S. 154.
11 vgl. Daniels (2001), S. 97.
12 vgl. Goertz (2004), S. 98.
13 vgl. Dinkla (1997), S. 228; Goertz (2004), S.103.
14 Vaihinger (1997), S. 16.
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- Anonym (Autor), 2012, Digitale Ästhetik und Interaktivität , Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/195904