Die Terroranschläge auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 waren ohne Zweifel ein Medienereignis, wenn nicht sogar eines der ersten Medienereignisse überhaupt. Die Anschläge, bei denen insgesamt drei Flugzeuge in die Zwillingstürme, sowie in das Pentagon rasten, rissen 3000 Menschen in den Tod. Das Geschehen wurde in Echtzeit in die ganze Welt übertragen und von so vielen Menschen gleichzeitig verfolgt und miterlebt oder auf Film und Foto festgehalten wie kaum vorher. Diese Tatsache hat die Medienpraxis nicht nur für eine kurze Zeit, sondern langfristig und grundlegend geändert. Auch heute noch hat fast jeder die Bilder der brennenden Türme vor Augen, die in den Fernsehern um die Welt gingen.
Das Essay befasst sich mit den Geschehnissen des 11. Septembers als Medienereignis und seinen Folgen, basierend auf einer detaillierten Betrachtung von Beispielen.
HS Graswurzel-Journalismus. Der Amateur als Augenzeuge
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
SS 2011
Sandra Kuberski 30. Juli 2011
Der 11. September als Medienereignis
Die Terroranschläge auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 waren ohne Zweifel ein Medienereignis, wenn nicht sogar eines der ersten Medienereignisse überhaupt. Die Anschläge, bei denen insgesamt drei Flugzeuge in die Zwillingstürme, sowie in das Pentagon rasten, rissen 3000 Menschen in den Tod. Das Geschehen wurde in Echtzeit in die ganze Welt übertragen und von so vielen Menschen gleichzeitig verfolgt und miterlebt oder auf Film und Foto festgehalten wie kaum vorher. Diese Tatsache hat die Medienpraxis nicht nur für eine kurze Zeit, sondern langfristig und grundlegend geändert. Auch heute noch hat fast jeder die Bilder der brennenden Türme vor Augen, die in den Fernsehern um die Welt gingen. Man erinnert sich daran, wie man an diesem Tag von dem Unglück erfahren hatte, wie man dann selbst stundenlang vor dem Fernsehbildschirm saß und die Sondersendungen verfolgte.
Ein interessante Beobachtung ist die intuitive Reaktion der Betroffenen, die direkt nach dem ersten Medium griffen, das ihnen zur Hand war: dem Telefon, Handy oder der Digitalkamera, um Freunde und Bekannte per Anruf oder SMS zu informieren, sich ihrer Sicherheit zu vergewissern oder um zu fotografieren oder zu filmen. Radios und Fernseher wurden angestellt, Autoradios liefen auf voller Lautstärke, damit alle mithören konnten, man versammelte sich vor öffentlichen Fernsehern, etwa in Elektromärkten – und das nicht nur in unmittelbarer Umgebung, sondern weltweit. Allein in einem Elektrogroßmarkt in Berlin sehen 200 Menschen gemeinsam in einem Elektrogroßmarkt die Sondersendung.[1] Es scheint, als gäbe es einen grundlegenden Instinkt des Menschen, sich zu vernetzen.
Der 11. September war zu jener Zeit das meistfotografierte Ereignis der Mediengeschichte.[2] Viele der Bilder und Videos, die sich in die Gedächtnisse der Weltbevölkerung brannten, stammen von Augenzeugen selbst, die ihr Material später an die großen Medienhäuser weiterverkauften. Somit gilt der 11. September auch als Ausgangspunkt des sogenannten Graswurzeljournalismus. Hier sind es Amateure statt professionellen Journalisten, die Neuigkeiten sammeln und Erlebtes vermitteln. Im Falle eines unvorhergesehenen Unglücks, wie es der 11. September war, sind es direkte Augenzeugen, die durch den Griff zu Handy- und Fotokamera zu Amateurjournalisten werden, noch bevor die professionellen Reporterteams vor Ort sind. Während sich heute die Idee des „Lesereporters“ auch bei großen Zeitungen und Fernsehsendern durchgesetzt hat, war 2001 diese Form noch eine relativ neue: die neuen Medien wie Fotohandys und Internet waren erst langsam im Kommen. Diese Entwicklung brachte nach und nach neue Akteure mit sich, die Nachrichtenvermittlung veränderte sich: es war der Beginn des Amateurjournalismus.
Die direkten Augenzeugen des Geschehens lassen sich in drei Gruppen gliedern: die erste besteht aus den Menschen, die in den entführten Flugzeugen selbst saßen. Da alle von ihnen bei den Einschlägen ums Leben kamen, sind es nur aufgesprochene Mailbox-Nachrichten oder SMS, die aus erster Hand von ihnen geblieben sind. Zur zweiten Gruppe zählen die Menschen, die sich zu der Zeit in oder in unmittelbarer Nähe der Twin Towers befanden und sich retten konnten. Auch die kurz später ankommenden Feuerwehrleute und sonstige Einsatzkräfte gehören zu dieser Gruppe. Von ihnen gibt es Videos und Fotografien, die zeigen, wie sie durch den aufgewirbelten Staub flüchten oder wie sie sich auf die Suche nach Verletzten machen. Eine dritte Gruppe direkter Augenzeugen sind solche, die die Einschläge zwar unmittelbar sahen, sich aber in Sicherheit in Sichtweite der Türme befanden, und somit einen Überblick auf das Geschehen hatten. Von ihnen stammen größtenteils die Videos, die das Einschlagen der Flugzeuge in die Türme zeigen und das Zusammenstürzen dieser.
Nur ein kleiner Teil der Menschen, die in Echtzeit an dem Geschehen teilnahmen – in welcher Form auch immer – zählen zu diesen „direkten Augenzeugen“. Die meisten waren nur „sekundäre Augenzeugen“, verfolgten das Geschehen live über den Fernsehbildschirm.
Der Impuls, das unglaubliche Ereignis zu dokumentieren ist als unmittelbare Folge des technischen Fortschritts zu sehen. Seit es die Möglichkeit der Fotografie gab, haben die Menschen wichtige Ereignisse festgehalten. Nun kam die kleine, kompakte Digitalkamera hinzu, die man überall hin mitnehmen konnte und auch erste Handys baten die Möglichkeit ein – wenn auch stark verpixeltes – Foto aufzunehmen. Der Hintergedanke dabei, die entstandenen Bilder später an die Medien weitergeben zu können, war 2001 wohl noch nicht so stark präsent wie heute. Trotzdem schienen die Menschen zu ahnen, dass sie da etwas „Großes“ und „Weltbewegendes“ erlebten, das Teil der Geschichte eines Landes sein würde, das sie festhalten und somit archivieren wollten, für sich selbst, oder um es später Freunden und Bekannten zu zeigen. Die Videoplattform youtube, auf die heute sicher jeder der Videos gestellt worden wäre, wurde erst 2005 gegründet. Deswegen sind ein Großteil der Videos nie veröffentlicht worden. Allerdings gibt es diverse Webseiten, die es sich zum Auftrag machten, eben solche Videos – meist mit dem Motiv des Gedenkens – zu sammeln um den schrecklichen Tag in möglichst vielen Blickwinkeln wiedergeben zu können. Ohne all diese Bilder und Videos wäre es heute unmöglich, den Tag in dem gegebenen Umfang zu analysieren.
[...]
[1] Spiegel Online, http://www.spiegel.de/flash/0,5532,13728,00.html (25.07.2011)
[2] Kirshenblatt-Gimblett, Barbara, Kodak Moments, Flashbulb Memories: Reflections on 9/11, in: TDR Vol. 47, Nr. 1 (Frühling, 2003), S. 12.Kirshenblatt-Gimblett
- Citar trabajo
- Sandra Kuberski (Autor), 2011, Der 11. September als Medienereignis, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/195954