1. Einleitung
Mit dem Fahrrad geht’s zum Bioladen. Der vegetarische Einkauf wird im Stoffbeutel verpackt, die am Tresen ausliegende Petition gegen die Abholzung der Lindenallee unterschrieben. Strom wird aus regenerativen Energiequellen bezogen und der Wasserverbrauch so gut als möglich reguliert – oder das Ganze auch nicht.
Umweltschonende Verhaltensweisen zeigen sich mannigfaltig und werden mit unterschiedlicher Beliebtheit umgesetzt. Die Freiheit der Entscheidung für oder entgegen umweltschonende Verhaltensweisen macht ein grünes Leben zur individuellen Geschmacksfrage.
Doch spätestens mit dem Blick über die Landesgrenze offenbaren sich Differenzen des Umgangs mit der ökologischen Umwelt, die aus einer kulturell deutsch geprägten Identität längst als selbstverständlich erscheinen. Fehlende Wasseraufbereitung, hohe Abgasbelastungen oder eine nicht funktionierende Müllentsorgung erscheinen befremdlich.
Die Konfrontation mit anderen Gesellschaften zeigt auf, dass Umweltbewusstsein weitaus mehr ist als individueller Geschmack. Es erstreckt sich auf gesellschaftliche Werte und stellt eine Orientierungslinie kollektiver Handlungen dar. Die Tatsache, dass diese Entwicklung in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern Unterschiede aufweist, signalisiert somit deren kulturspezifischen Prozesscharakter. Daraus ergibt sich die Frage: Über welche grundlegenden Mechanismen werden weitestgehend einheitliche Wahrnehmungen eines Phänomens hervorgerufen?
Unabhängig der transnationalen Grenzüberschreitung spiegelt sich die kollektive Wertschätzung der Umwelt in deren medialer Präsenz wider. Umwelt ist kein gesellschaftliches Randthema, sondern kontrovers umstritten und steht im Fokus der Aufmerksamkeit. Mediale Inhalte sind für große Teile der Bevölkerung die wesentliche Informationsquelle zu ökologischen Problematiken. Die Kenntnis ökologischer Risiken kann als wichtige Voraussetzung für die Entwicklung eines gesellschaftlichen Umweltbewusstseins betrachtet werden. Weder Massenmedien noch die Rezipienten gestalten sich dabei derart homogen, als dass eindimensionale Wirkungen zu erwarten wären. So ist zu fragen: Welche medialen Faktoren führten zur gesellschaftliche Wahrnehmung der Umwelt als schützenswertes Gut? Welchen Einfluss üben die Massenmedien auf das Umweltbewusstsein aus?
[...]
INHALT
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. GRUNDBEGRIFFE
2.1. Natur - Umwelt - Ökologie
2.2. Ökologisches Bewusstsein
2.3. Massenkommunikation und Massenmedien
3. GESCHICHTE DES UMWELTBEWUSSTSEINS IN DEUTSCHLAND
3.1. Historische Formen des Umweltbewusstsein
3.2. Genese des Umweltbewusstseins in Deutschland
4. UMWELT ALS MEDIENTHEMA
5. ENTSTEHUNG DES ÖKOLOGISCHEN RISIKOBEWUSSTSEINS
5.1. Risiko und Katastrophe
5.2. Objektivität und Konstruktion
5.3. Ökologische Risiken aus systemtheoretischer Perspektive
5.4. Ökologische Risiken aus sozialkonstruktivistischer Perspektive
5.5. Massenmedien und Konstruktion
6. RISIKOBEWUSSTSEIN UND MEDIENEFFEKTE
6.1. Systematisierung der Medienforschung
6.2. Eingrenzung der Theorien
6.3. Agenda-Setting-Forschung
6.4. Wissenskluft-Hypothese
6.5. Framing-Analyse
7. ENTSTEHUNGSMECHANISMEN UND MEDIENWIRKUNGEN
8. FAZIT
Literaturverzeichnis
Internetquellen
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Die Beteiligung der gesellschaftlichen Akteure am Prozess der Massenkommunikation
Abbildung 2: Anzahl der Teilnehmer an Ökologieprotesten von 1970 bis 1994
Abbildung 3: Die Wirklichkeit von Risiken zwischen Objektivität und Fiktionalität
Abbildung 4: Die Institutionalisierung der atomaren Gefährdung
Abbildung 5: Die (Re-) Konstruktion der Wirklichkeit
Abbildung 6: Nicht-lineare Wirkungsverläufe des Agenda-Setting-Prozesses
Abbildung 7: Visualisiertes Paradigma der Wissenskluft-Hypothese
Abbildung 8: Die Entstehung des ökologischen Bewusstseins unter Einfluss der Umweltberichterstattung
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Protestbewegungen von 1970 bis 1994
Tabelle 2: Nachrichtenfaktoren der Umweltberichterstattung
Tabelle 3: Zusammenfassung der homogenisierenden und differenzierenden Medieneffekte
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. EINLEITUNG
Mit dem Fahrrad geht’s zum Bioladen. Der vegetarische Einkauf wird im Stoffbeutel verpackt, die am Tresen ausliegende Petition gegen die Abholzung der Lindenallee unterschrieben. Strom wird aus regenerativen Energiequellen bezogen und der Wasserverbrauch so gut als möglich reguliert - oder das Ganze auch nicht.
Umweltschonende Verhaltensweisen zeigen sich mannigfaltig und werden mit unterschiedlicher Beliebtheit umgesetzt. Die Freiheit der Entscheidung für oder entgegen umweltschonende Verhaltensweisen macht ein grünes Leben zur individuellen Geschmacksfrage.
Doch spätestens mit dem Blick über die Landesgrenze offenbaren sich Differenzen des Umgangs mit der ökologischen Umwelt, die aus einer kulturell deutsch geprägten Identität längst als selbstverständlich erscheinen. Fehlende Wasseraufbereitung, hohe Abgas- belastungen oder eine nicht funktionierende Müllentsorgung erscheinen befremdlich. Die Konfrontation mit anderen Gesellschaften zeigt auf, dass Umweltbewusstsein weitaus mehr ist als individueller Geschmack. Es erstreckt sich auf gesellschaftliche Werte und stellt eine Orientierungslinie kollektiver Handlungen dar. Die Tatsache, dass diese Entwicklung in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern Unterschiede aufweist, signalisiert somit deren kulturspezifischen Prozesscharakter. Daraus ergibt sich die Frage: Über welche grundlegenden Mechanismen werden weitestgehend einheitliche Wahrnehmungen eines Phänomens hervorgerufen?
Unabhängig der transnationalen Grenzüberschreitung spiegelt sich die kollektive Wertschätzung der Umwelt in deren medialer Präsenz wider. Umwelt ist kein gesellschaftliches Randthema, sondern kontrovers umstritten und steht im Fokus der Aufmerksamkeit. Mediale Inhalte sind für große Teile der Bevölkerung die wesentliche Informationsquelle zu ökologischen Problematiken. Die Kenntnis ökologischer Risiken kann als wichtige Voraussetzung für die Entwicklung eines gesellschaftlichen Umwelt- bewusstseins betrachtet werden. Weder Massenmedien noch die Rezipienten gestalten sich dabei derart homogen, als dass eindimensionale Wirkungen zu erwarten wären. So ist zu fragen: Welche medialen Faktoren führten zur gesellschaftliche Wahrnehmung der Umwelt als schützenswertes Gut? Welchen Einfluss üben die Massenmedien auf das Umwelt- bewusstsein aus?
So soll im Rahmen dieser Arbeit das gesellschaftliche Phänomen des ökologischen Bewusstseins unter zwei Aspekten beleuchtet werden: Zum einen unter deren allgemeinen Entstehungsmechanismen, die hinter der kulturspezifischen Entwicklung des Umwelt- bewusstseins stehen - zum anderen unter dem speziellen Einfluss der Massenmedien auf diesen Entwicklungsprozess. Die zentrale Frage dieser Arbeit lautet demnach: Inwiefern wirkte die Umweltberichterstattung auf die Entstehung des ökologischen Bewusstseins in Deutschland?
Zunächst werden hierzu die elementaren Grundbegriffe - ökologisches Bewusstsein und Massenmedien - umrissen. Die begriffliche Eingrenzung des ökologischen Bewusstseins auf seine gesellschaftliche Komponente erfordert die Abgrenzung des Signifikats der Ökologie von verwandten Begriffen wie Umwelt und Natur. Zudem sollen die Aspekte, an denen Umweltbewusstsein festzumachen ist, dargestellt werden.
Weiterhin wird der Begriff der Massenkommunikation inhaltlich abgegrenzt zum Terminus der Massenmedien, um zu klären, auf welche Weise letztere auf das Umweltbewusstsein wirken. Wie gestaltet sich das Spektrum potenzieller Medieneinflüsse? Die kulturspezifische Entwicklung des Umweltbewusstseins in Deutschland ist Schwerpunkt des nächsten Kapitels: Die Genese des Umweltbewusstseins im historischen Kontext. Neben den konkreten geschichtlichen Ereignissen und Phasen der Entstehung und Entwicklung werden dabei auch die Formen historischer Ausprägungen betrachtet. Ziel ist es, den zeitlichen Rahmen der Entstehung des Umweltbewusstseins abzustecken und von vorherigen und späteren Entwicklungen zu trennen, sowie die gesellschaftlichen Akteure, die am Entstehungsprozess beteiligt waren, aufzuzeigen. Diese Betrachtungen zur historischen Genese bilden die Grundlage für die spätere Analyse der Entstehungs- mechanismen des Umweltbewusstseins.
Eng mit der geschichtlichen Entwicklung verbunden, ist die Thematisierung der Umwelt in den Medien. Die Darstellung der Umwelt soll dabei auf quantitative und qualitative Aspekte hin betrachtet werden, um deren mediale Präsentation nachvollziehen zu können. Anhand der medialen Darstellungsweise werden später die Wirkungen der Umweltberichterstattung analysiert. Ein weiterer Punkt in diesem Kapitel ist die Herleitung der Äußerung des Umwelt- bewusstseins auf gesellschaftlicher Ebene, welches sich im Wesentlichen als Gefahren- bewusstsein darstellt.
Nach der Aufschlüsselung der allgemeinen Grundlagen wird der Entstehungsprozess des Umweltbewusstseins unter seinen grundlegenden Mechanismen näher betrachtet. Die Möglichkeiten die Genese des Umweltbewusstseins zu analysieren, ergeben sich aus den strukturellen Eigenschaften des Risikos, welches in Abgrenzung zur Katastrophe fixiert wird.
Das Risiko als Antizipation der Katastrophe ist hinsichtlich seiner Wirklichkeitsverhaftung stark umstritten. Lassen sich Risiken objektiv nach mathematischen Kriterien erfassen oder sind sie lediglich fiktionale Tatbestände individueller Konstruktionen? Die Bandbreite der Theorien zur Erfassung des Wesens von Risiken orientiert sich dabei an diesen beiden Extremen und reicht vom Realismus bis zu jeglicher Negierung von objektiven Sachverhalten.
Die möglichen Erklärungsansätze lassen sich dabei nach einer ersten Selektion im Wesentlichen auf die Systemtheorie und den Sozialkonstruktivismus beschränken. Die beiden Theorien werden im Anschluss auf ihre Anwendbarkeit und den exemplarischen Bezug hinischtlich der historischen Genese des ökologischen Bewusstseins in Deutschland geprüft. Zudem sollen die Massenmedien innerhalb des theoretischen Entstehungsprozesses eingeordnet werden. Welche Rolle kommt den Medien zu? Von der Aufschlüsselung der Funktionen sind dabei weitere Hinweise auf die Beeinflussungsmöglichkeiten des Umweltbewusstseins zu erwarten.
Das nächste Kapitel widmet sich der bis dahin allgemeinen Analyse des Medieneinflusses genauer und fragt nach den Faktoren, die das gesellschaftliche Umweltbewusstsein stärken bzw. hemmen.
Aufgrund der Vielfalt erforschter medialer Funktionen, Dimensionen und Einflüsse existiert eine dementsprechend hohe Anzahl an Theorien, die diese Aspekte untersuchen. Da ein allgemeiner Überblick über das Theoriengebäude den thematischen Umfang sprengen würde, wird zunächst eine Auswahl an Theorien vorgenommen. Dies erfolgt über die Systematisierung des Spektrums der Medienforschung und anschließend per Ausschlussprinzip über die Eigenschaften des Umweltbewusstseins und Merkmale der Umweltberichterstattung.
Drei zentral erforschte Theorien der neueren Medienwirkungsforschung können somit gefiltert werden: Die Agenda-Setting-Forschung, die Wissenskluft-Hypothese und die Framing-Analyse. Diese Theorien werden zunächst jeweils allgemein dargestellt und anschließend auf ihre homogenisierenden und bzw. oder differenzierenden Einfluss betrachtet. Die Gewichtung der Einflüsse wird anschließend diskutiert. Zusätzlich werden die von den drei Theorien zentral untersuchten Funktionen und Einflüsse der Medienberichterstattung in den generellen Entstehungsmechanismus eingeordnet.
Zum Schluss wird, unter Rückgriff auf die dargestellten Elemente aus Geschichte, qualitativer und quantitativer Umweltberichterstattung, generellem Entstehungsmechanismen und differenzierenden sowie homogenisierenden, medialen Wirkungsfaktoren, die eingangs gestellte Frage nach dem Einfluss der Medien auf die Entstehung des ökologischen Bewusstseins analysiert. Die einzelnen Fragmente der Entstehung und des Medien- einflusses werden somit zusammengeführt und erlauben eine abschließende Bewertung der Rolle der Massenmedien für die Entstehung des Umweltbewusstseins in Deutschland.
2. GRUNDBEGRIFFE
Die Frage: „Was ist ökologisches Bewusstsein?“ berührt die Beziehung des Menschen zu seiner natürlichen Umgebung. Betrachtungen über das Wesen der Natur gehören dabei zu den anthropologisch ältesten Thematiken. So ist die Natur bereits seit der Antike Gegenstand der Aufmerksamkeit - namhaft mit Thales von Milet, Hesiod oder Aristoteles (vgl. Ströker 1993).
Im umgangssprachlichen Gebrauch wird Natur dabei häufig gleichgesetzt mit dem Begriff der Umwelt oder der Ökologie. Da die Begriffe jedoch keine kongruenten Sinnwelten abdecken, ist eine Abgrenzung der Termini nötig, um den Begriff des ökologischen Bewusstseins klar einzugrenzen. Folgendes Kapitel wird die Differenzen dieser Begriffe aufzeigen, um das Subjekt des ökologischen Bewusstseins klar heraus zu stellen.
Zudem soll in diesem Kapitel das zweite zentrale Konzept der Arbeit, das der Massenmedien näher bestimmt werden, da der Terminus der Massenmedien für verschiedene Dimensionen des Kommunikationsbegriffs genutzt wird.
2.1. NATUR - UMWELT - ÖKOLOGIE
Der Begriff Natur stammt aus dem Lateinischen von natura und leitet sich von natio her, was so viel heißt wie „das Geboren werden “ (vgl. Drosdowski 1989: 481).
Ideengeschichtlich hat sich der Begriff mehrfach gewandelt. Die beiden Extreme im Verständnis dürften zwischen den Vorsokratiker und den modernen Naturwissenschaftlern liegen. Während die Ersteren die Begrifflichkeit über die Erde hinaus auf den gesamten Kosmos auszudehnen suchten, wird er bei Letzteren, insbesondere den Physikern, fast als unbrauchbar nihiliert (vgl. Karafyllis 2001: 61).
Im allgemeinen Gebrauch findet der Begriff der Natur vielfältige Anwendung. So wird er des häufigeren als Gegensatz zur Kultur verwendet. Natur bezeichnet in diesem Verständnis eine Form von Urzustand des Seienden, welcher eine vom Menschen unberührte, den Dingen innwohnende Ordnung beschreibt (vgl. Eisler 20041 ). Doch nicht nur als Kontrast zu Kultur, auch als Pendant zu den Begriffen Technik oder Gott findet er Verwendung (vgl. Karafyllis 2001: 61), sowie um sinnlich Erfahrbares, den Kern einer Sache oder eine Totalität wiederzugeben (vgl. Eisler 2004). Letzteres ist beispielsweise der Fall, wenn von „der Natur des Menschen“ die Rede ist.
Auch in den Wissenschaften wird der Begriff sehr unterschiedlich verwendet. Dies wird deutlich bei der Durchsicht der Ergebnisse eines Kongresses zum Kultur- und Forschungsprojekt „Natur im Kopf“. Der Kongress fand 1993 zu den Naturbegriffen der Gegenwart in Stuttgart statt2 (vgl. Steindler 1999: 401). Insgesamt kennzeichnet Larry Steindler die im Rahmen der Tagung herausgearbeiteten wissenschaftlichen Naturkonzepte als zunehmend vielfältiger und sieht es als problematisch an, den Terminus der Natur gegenwärtig wissenschaftlich angemessen zu bestimmen (vgl. ebd.).
Dieser begrifflichen Weitläufigkeit entgegen sieht Gernot Böhme, welcher sich ebenfalls mit der Konzipierung von Natur in den Naturwissenschaften auseinandersetzte, die Behandlung des Naturbegriffs als zu eng gefasst. Er führt aus, „daß unsere Vorstellung von Natur mehr ist als ein bloßes Thema der Naturwissenschaft, nämlich eine kulturelle Leitvorstellung3 und eine Basis von Vertrauen“ (vgl. 1992: 222).
In gewisser Hinsicht eine Brücke geschlagen zwischen Wissenschaft und Alltagsgebrauch hat Gerhard Trommer. Trommers untersuchte den Begriff in seinem alltäglichen Verständnis, indem er Personen nach ihren Assoziationen zur Natur befragte. Trommers gelangte zu dem Ergebnis, dass unter Natur meist etwas Außermenschliches verstanden wird mit Bezug zu anderen Lebewesen und Landschaften. Der Begriff ist weitestgehend mit positiven Gefühlen besetzt (vgl. Karafyllis 2001: 62).
Eine einheitliche Definition von Natur lässt sich somit nicht erkennen, je nach Kontext bezeichnet sie eine anders geartete, begriffliche Räumlichkeit unterschiedlichen Signifikats. Der ihr verwandte Terminus der Umwelt wurde im wissenschaftlichen Kontext 1921 durch den Biologen Jakob von Uexküll eingeführt. Nach Uexkülls Definition bezeichnet Umwelt die Umgebung von Organismen, die diese über ihre Sinnesorgane erfassen können. Uexkülls wahrnehmungspsychologische Auffassung trifft demnach gattungsspezifische Unterschiede (vgl. Urbach4 ). Ein Mensch nimmt seine Umgebung anders wahr als eine Schlange. So ist der Mensch ein optisch orientiertes Wesen, während Schlangen ihre Umgebung über Infrarotsensoren wahrnehmen.
Spätere Bestimmungen modifizierten die ursprüngliche Umweltauffassung. So fasst das Umweltforum der Technischen Universität Dresden (TUD) den Terminus relativ eng, indem es einen anthropozentrischem Blickwinkel folgend, Umwelt lediglich als die Umgebung von Menschen beziffert. Begründet wird dies, indem auf die Einflussnahme verwiesen wird, die Menschen durch ihre Aktivität auf die räumliche Umgebung ausüben (vgl. INFU/ TUD 20035 ). Eine strukturelle Auffassung von Umwelt findet sich in der Systemtheorie von Niklas Luhmann, welche die anthropozentrische Sichtweise negiert und statt von Individuen, von psychischen Systemen und selbstreferentieller Kommunikation spricht. Nach Luhmann meint Umwelt alles außerhalb eines Systems Liegende und stellt demnach „kein eigenes System [dar], nicht einmal eine Wirkungseinheit, sondern nur das, was als Gesamtheit externer Umstände die Beliebigkeit der Morphogenese von Systemen einschränkt und sie evolutionärer Selektion aussetzt“ (1990: 23; s. Kap. 5.3).
Eine die Definitionen der TUD und Luhmann umfassende Begriffsbestimmung, findet sich bei Thorsten Hadeler. Nach ihm bezeichnet Umwelt die „spezifische Umgebung eines Systems oder einer Lebenseinheit, welche(s) mit dieser in wechselseitigen Beziehungen steht“ (2000b: 3126). Hadeler berücksichtigt somit Systeme und Organismen gleichermaßen. Anders als bei Luhmann wird hier der Begriff der Umwelt, wie zuvor von der TUD, auf die „spezifische“ Umgebung einer Einheit beschränkt.
So lässt sich zum Charakter des Umweltbegriffes bilanzieren, dass dieser in den Definitionen der TUD, von Luhmann und Hadeler, als etwas Außenliegendes beschrieben wird, dass mit dem ihm gegenüberstehenden, dem Inneren in einer gewissen Beziehung steht und nicht als losgelöst zu betrachten ist. Umwelt existiert nicht ohne das Pendant eines Systems oder einer Lebenseinheit. Die Lebenseinheit bzw. das System existiert nicht ohne Umwelt. Ob das Innere als System oder Lebenseinheiten gekennzeichnet wird, bleibt dabei vorerst unbedeutend (s. Kap. 5.3).
Alle drei Definitionen unterscheiden sich zu der Begriffsauffassung von Uexküll dahingehend, als dass Umwelt nicht als eine individuelle Wirkungsgröße auf einen einzelnen Organismus verstanden wird, sondern einen größeren Kontext umfasst.
Die Systematisierungen der Umwelt, wie sie sich bei Luhmann finden, orientieren sich dabei nicht am Umweltbegriff, der im Sinne des Naturkonzeptes gebraucht wird. Luhmanns Überlegungen orientieren sich vielmehr an einer systemtheoretischen Perspektive, die alles außerhalb des betrachteten Systems Liegende als Umwelt auffasst. Nach ihm kristallisieren sich zwei Systeme als wesentlich: Das Soziale und das kognitive System. Soziale Systeme, verstanden als die Gesellschaft, setzen sich mittels Kommunikation fort. Kognitive Systeme operieren mittels Sinnverarbeitung. Eine Systematisierung6, der außerhalb dieser beiden Systeme liegenden Umwelt, wird von Luhmann nicht unternommen (vgl. 1990).
Von diesem Grad an Allgemeinheit soll im Folgenden Abstand genommen und die empirische Umwelt als selbstständige Größe anerkannt werden. Dies ermöglicht eine weitere Differenzierung des Umweltterminus. So nimmt Hadeler beispielsweise eine Zweigliederung des Begriffs vor, indem er eine natürliche von einer künstlichen Umwelt unterscheidet (vgl. 2000b: 3126). Karafyllis und die TUD gliedern den Begriff dreifach. Sie fügen der natürlichen Umwelt von Hadeler zwei weitere Sphären hinzu, indem sie die künstliche aufspalten in eine technisch, sozio-ökonomische und eine anthropologisch, psychische Umwelt.
Somit bildet sich der Begriff der Umwelt aus drei wesentlichen Kompartimenten: Der Technosphäre, der Anthrosphäre und der Biosphäre (vgl. Karafyllis 2001: 61) bzw. durch die TUD als sozio-ökonomische, psychische und physische Umwelt bezeichnet (vgl. INFU/ TUD 2003).
Die Technosphäre umfasst die vom Menschen hervorgebrachte technische Umgebung einschließlich der Veränderungen und Folgen, die diese mit sich bringt (vgl. Erlach 1999: 2). Die Anthrosphäre beschreibt die durch menschliches Handeln hervorgebrachte Umgebung (vgl. Karafyllis 2001) und die Biosphäre oder auch Geosphäre wird verstanden als der von Organismen bewohnbare Teil der Erde (vgl. Bick 1999: 8). Die Grenzen zwischen den einzelnen Kompartimenten der Umwelt sind dabei nicht immer eindeutig (vgl. Karafyllis 2001).
Aus Sicht der Ökologie, welche vorrangig die Beziehungen zwischen Organismen und ihrer Umwelt untersucht, stellt lediglich das System der Biosphäre Umwelt dar. So wird der Begriff Umwelt bestimmt als die Summe der direkt und indirekt auf Organismen wirkenden, belebten und unbelebten Kräfte (vgl. Bick 1999: 8).
Um abschließend die Frage nach den Differenzen zwischen den Termini Umwelt, Natur und Ökologie zu beantworten, lässt sich festhalten, dass sich eine genaue Begriffsbestimmung der Natur als schwierig erweist. Je nach Betrachtungsziel, Denkschule oder Anwendungsbereich bezeichnet Natur etwas anderes. Die Differenz zwischen den Begriffen Natur und Umwelt liegt vor allem darin, dass Umwelt einen umgrenzten Raum abbildet, während Natur das unspezifisches Dasein von etwas bezeichnet, was sich in seinen Ausmaßen nicht genau erfassen lässt. Die Ökologie beschreibt wiederum eine Spezifikation des Umweltbegriffes, indem sie diesen auf die Biosphäre begrenzt.
Im Rahmen dieser Arbeit ist letztere Eingrenzung, die Auffassung von Umwelt als Biosphäre, zentral. Ökologisches Bewusstsein bezeichnet die natürliche oder physische Umwelt. Im Folgenden wird daher auch der Begriff der Umwelt synonym zur Biosphäre verwendet.
Dementsprechend ist Umweltbewusstsein adäquat zum Terminus des ökologischen Bewusstseins zu verstehen.
2.2. ÖKOLOGISCHES BEWUSSTSEIN
Im Zuge der Einführung einer Umweltbewusstseinsforschung in den siebziger Jahren fanden erste Konzeptspezifikationen des ökologischen Bewusstseins statt und seitdem wurden zahlreiche Definitionsversuche unternommen (vgl. Kuckartz 1998: 5). Die Begriffsbestimmungen weisen einen hohen Facettenreichtum auf und machen eine Zerlegung des Terminus in seine einzelnen Komponenten notwendig.
Eine sehr häufig in der Literatur zitierte Version des Umweltbewusstseins stammt vom Sachverständigenrat für Umweltfragen 7 (SRU) aus dem Jahr 1978 (vgl. Grunenberg/ Preisendörfer 2007: 48). Umweltbewusstsein stellt sich nach dem SRU als Einstellung zur Umwelt dar und ist die „Einsicht in die Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen durch sich selbst, verbunden mit der Bereitschaft zur Abhilfe“ (SRU 1978: 448 in Grunenberg/ Preisendörfer 2007: 48).
In anderen Definitionen von Umweltbewusstsein spielen weitere Dimensionen eine Rolle. So zählen die amerikanischen Forscher Maloney und Ward neben den vom SRU angesprochenen Merkmalen, Umweltwissen und verbal bekundetes Verhalten, affektive Beurteilungen der Umwelt, sowie real gezeigtes umweltschonendes Verhalten hinzu (vgl. Kuckartz 1998: 5 f.).
Weitere Aspekte der Verwendung finden sich im alltäglichen Gebrauch. So wird der Terminus des Umweltbewusstseins ebenfalls verwendet, um kritische Wertorientierungen gegenüber einem stetigen Wirtschaftswachstum zu bezeichnen, steht für pro ökologische Einstellungen zu politischen Maßnahmen, als auch für die subjektive Wahrnehmung von Umweltbelastungen der Umgebung (vgl. Preisendörfer 1999: 43).
Auch die Operationalisierung des Begriffes zur Messung des Phänomens in der Bevölkerung fiel uneinheitlich aus und so existieren heute zahlreiche Skalentypen8, die unterschiedliche Dimensionen des Begriffs einbeziehen (vgl. Diekmann/ Preisendörfer 2001: 102 ff.). In der Diskussion um die Komponenten die Umweltbewusstsein ausmachen, tritt als besonders wichtig hervor, dass reales Umweltverhalten begrifflich aus dem Terminus des ökologischen Bewusstseins auszuschließen ist (vgl. Diekmann/ Preisendörfer 2001).
Begründet wird der Ausschluss damit, dass Umweltbewusstsein nicht zwangsläufig mit umweltschonenden Verhaltensweisen korrespondiert. Ohne die Ausgrenzung würde „das gesamte Problem der Umsetzung von Umweltbewusstsein in Umweltverhalten auf dem Weg über eine Definition umgangen, also gleichsam definitorisch ausgeblendet“ (ebd. : 101). Eine neuere Betrachtung der Komponenten des Umweltbewussstseins findet sich bei Peter Preisendörfer, Andreas Diekmann und Heiko Grunenberg. Die Autoren heben nach einer Prüfung der Dimensionen des ökologischen Bewusstseins drei Kernelemente hervor: Die Kognition, die Konation und die Affektion. Die Kognition umfasst das faktische Wissen um ökologische Zusammenhänge. Die Konation erfasst die Handlungsbereitschaft einer Person sich für die Umwelt einzusetzen im Sinne des verbalisierten Verhaltens. Die Affektion bezeichnet die emotionale Betroffenheit einer Person, die aus dem Wissen um Umweltprobleme entsteht (vgl. Preisendörfer 1999: 44; Diekmann/ Preisendörfer 2001: 102; Grunenberg/ Preisendörfer 2007: 48).
Nach Preisendörfer und Diekmann bestimmt sich der Grad des individuellen Umweltbewusstseins aus einer faktorenanalytischen Verrechnung der Items, welche die kognitiven, konativen und affektiven Dimensionen erfassen9 (vgl. 2001: 103 f.). Ein weiterer Aspekt, der in der Debatte um die Bestimmung des Umweltbewusstseins stärker diskutiert wurde, dreht sich um die Frage, ob ökologisches Bewusstsein eine Einstellung oder eine grundlegende Werthaltung ist (vgl. Grunenberg/ Preisendörfer 2007: 48f.). Die Kontroverse um das Wesen des ökologischen Bewusstseins liefert einen zentralen Hinweis: Ökologisches Bewusstsein ist mehr als ein individuelles Phänomen, welches sich aus verschiedenen Dimensionen zusammensetzt. Umweltbewusstsein aus mikrosoziologischer Perspektive verstanden als individuelles Phänomen, lässt sich in makrosoziologischen Zusammenhängen als strukturelles, gesellschaftliches Phänomen analysieren.
Das gesellschaftliche Bewusstsein bezeichnet nach Karl-Heinz Hillmann die „Gesamtheit der ideellen und realen Gemeinsamkeiten menschlicher Orientierungen und daraus abgeleiteter Handlungen und Handlungsergebnisse […], die überhaupt erst Gesellschaft [ermöglichen]“ (2007: 98). Kollektives Umweltbewusstsein aufgefasst als Werthaltung, versteht umweltschonendes Verhalten demnach als Folge einer ideellen Orientierung. Gezeigtes Verhalten ist eine Dimension des ökologischen Bewusstseins und wird nicht wie beim individuellen Umweltbewusstsein definitorisch ausgrenzt.
Umweltschonendes Verhalten auf gesellschaftlicher Ebene ist dabei wesentlich weiter gefasst als auf individueller Ebene. Das Spektrum individueller Handlungen wird um Massnahmen gesellschaftlicher Organe wie der politischen Gesetzgebung oder öffentlichen Willensbekundungen von Organisationen, Gruppen und Vereinen erweitert.
Hillmann verweist in Bezug auf kollektive Bewusstseinslagen zudem darauf, dass sich das kollektive Bewusstsein erfassen lässt als „Produkt der gesamten geschichtlichen Entwicklung der Gesellschaft“ (vgl. 2007: 98). Die Entstehung und Entwicklung des gesellschaftlichen Umweltbewusstsein äußert sich demnach in seiner Geschichte. Die Genese des ökologischen Bewusstseins in Deutschland kann mittels seiner Historie im Längsschnitt untersucht werden (s. Kap. 3.2). Eine weitere Möglichkeit Umweltbewusstsein im Längsschnitt zu betrachten, ergibt sich aus der Analyse von zeitlich aufeinanderfolgenden Querschnittserhebungen. Querschnittsuntersuchungen wie beispielsweise die zweijährig stattfindenden Studien des Bundesumweltamtes erstellen einen Bevölkerungsspiegel aus der Summe der individuellen Werte des Umweltbewusstseins (s. Kap. 3.2).
Umweltbewusstsein als individuelles oder kollektives Phänomen verstanden, setzt dabei eine gemeinsame Komponente voraus: Das Umweltwissen. Ohne einen gewissen Grad des Umweltwissens können keine Formen der emotionalen Betroffenheit, Handlungsabsichten oder konkrete Handlungen, die auf die Umwelt bezogen sind, entstehen. So ist die Wahrnehmung von ökologischen Zusammenhängen als Basis und unumstößliches Fundament des Umweltbewusstseins zu betrachten.
Preisendörfer und Kollegen kommen in Bezug auf den Streit um das Wesen des Umweltbewusstseins - Einstellung oder Wert - zu dem Schluss, dass gesellschaftliche Werte dem Umweltbewusstsein vorgelagert sind und ökologisches Bewusstsein eher als Einstellung bzw. Attitüde gemäß dem SRU zu verstehen ist (vgl. Diekmann/ Preisendörfer 2001: 102; Grunenberg/ Preisendörfer 2007: 48 f.). Dies begründet sich für die Autoren aus der aktuellen Datengrundlage, wonach sich abzeichnet, dass umweltbewusstes Denken bereichsspezifisch verläuft und individuellen Vorlieben unterliegt (vgl. Grunenberg/ Preisendörfer 2007: 49).
Im Rahmen dieser Arbeit ist dennoch die gesellschaftliche Perspektive auf das Umweltbewusstsein entscheidend, da die Entstehung innerhalb von Deutschland betrachtet wird. Die gemeinschaftliche, ökologische Basis der deutschen Gesellschaft steht im Fokus der Betrachtungen und Umweltbewusstsein stellt sich als Teil des kulturspezifischen Wertesystems dar.
2.3. MASSENKOMMUNIKATION UND MASSENMEDIEN
Die zentrale Komponente des Umweltbewusstseins ist die Kognition: Ohne Wissen - kein Umweltbewusstsein. Essentiell beteiligt am Wissensaufbau und der Vermittlung von Werten und Normen sind neben den Sozialisationsinstanzen der primär stattfindenden Kommunikation wie Familie, Bekannten oder erzieherischen Einrichtungen, die Massenmedien als sekundäre Informationsdistribuenten (vgl. Hadeler 2000a: 2080). Kommunikation im Generellen kann als „Austausch von Bedeutungsgehalten zwischen zwei oder mehreren Personen, der auch nicht-sprachliche Elemente enthält“ verstanden werden (Pürer 2003: 63). Die Massenkommunikation, ebenfalls bezeichnet als indirekte Kommunikation oder Sekundärkommunikation, stellt deren Spezialfall dar (vgl. Hadeler 2000a: 2080). Sie kann als Basiselemente schriftliche, bildliche, verbale oder auch musikalische Informationen enthalten (vgl. Hillmann 2007: 538).
Massenkommunikation reicht dabei über den begrenzten Rezipientenkreis von primär, angesicht-zu-angesicht stattfindender Kommunikation hinaus. Sie definiert sich als Form „der Verbreitung von Informationen an größere Personengruppen, die sich zum Zeitpunkt des Empfangs oder der Nutzung an unterschiedlichen Orten befinden“ (ebd. 2007: 538).
In früheren Zeiten wurde Massenkommunikation neben der zeitlichen, räumlichen und quantitativen Komponente, zudem gekennzeichnet durch das Merkmal der „Ein-Weg-Kommunikation“ im Sinne eines einseitigen Informationsflusses vom Kommunikator zum Empfänger. Die Einseitigkeit stellt heutzutage jedoch kein zwingendes Moment mehr dar. Mit der Einführung von Medien wie dem Internet oder Formaten wie dem Call-In-TV können Zuschauer mittels Telefon das Medium kommunikativ rückkoppeln (vgl. Hoffmann 2007).
Massenkommunikation bezeichnet somit die mediale Informationsverbreitung. Die technischen Hilfsmittel, über die Sekundärkommunikation verläuft, sind die Massenmedien. Massenmedien treten als Rundfunk, Bücher, Zeitungen und Zeitschriften in Erscheinung, sowie über Kino, Fernsehen oder Internet (vgl. ebd.: 13). Massenkommunikation stellt dabei weitaus mehr dar denn Kommunikation plus Technologie. Sekundärkommunikation entpuppt sich als komplexes Phänomen, bei dessen Entstehung verschiedenste gesellschaftliche Ebenen reinspielen. Nach Alphons Silbermann sind dies die Wirtschaft, die Politik und die sozial-psychologische Ebene, worunter Gruppen und Organisationen verstanden werden, sowie die sozio-kulturelle Ebene. Letztere bezieht sich auf die Sozialstruktur der Rezipienten (vgl. Silbermann 1982: 289 f.).
Die Massenkommunikation wird somit durch verschiedene gesellschaftliche Akteure beeinflusst. Silbermann berücksichtigt jedoch nicht, dass die Massenmedien selbst aufgrund ihrer organisationalen Strukturen10 und Informationsbearbeitungsprozesse zu gesellschaft- lichen Akteuren werden. Die Massenmedien sind abseits ihrer Präsentationsfunktion gesellschaftlicher Entwicklungen als eigenständige Größe im Prozess der Massenkommunikation zu betrachten.
Im Verlauf des Prozesses der Massenkommunikation von der Entstehung der Information über ihre Verteilung bis hin zur Kenntnisnahme sind die gesellschaftlichen Akteure unterschiedlich stark an der Analyse der Botschaft beteiligt (vgl. Rössler 1997). In Abbildung 1 wird das Ausmaß der Aufmerksamkeit veranschaulicht, welches die Akteure dem Prozess der Massenkommunikation in seinen einzelnen Phasen entgegenbringen. Das Subsystem der Wirtschaft, Politik und sozialpsychologischen Ebene ist unter dem Begriff der Interessengruppen zusammengefasst.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die Beteiligung der gesellschaftlichen Akteure am Prozess der Massenkommunikation (Quelle: frei nach Megwa/ Brenner 1988: 56 in Rössler 1997: 5311 )
Die Hauptfunktion der Medien liegt auf dem Distributionsprozess von Informationen, während sie bei der Herstellung von Informationen und der Kenntnisnahme eine untergeordnete Rolle spielen. Bei der Herstellung sind sie durch eigene Recherchen oder Ereignisinszenierungen wie mittels Interviews etc. auf einem mittleren Niveau beteiligt. Die Bedeutung der Massenmedien im Prozess der Kenntnisnahme stellt sich im Verhältnis zu den anderen Akteuren als gering dar (vgl. Rössler 1997). Dennoch sind Medien auch am Konsumptions- prozess beteiligt, wie beispielsweise durch den Nachweis12 der Orientierung an Leitmedien deutlich wird. Themen großer Medienanstalten werden demnach aufgegriffen, um für die eigene Medienanstalt Agglomerationseffekte zu erzielen13 (vgl. Reinemann 2003). Ob die Medien bei der Kenntnisnahme der Informationen oder die Interessengruppen wichtiger sind, erscheint somit fragwürdig.
Der Hauptnutzer der Medieninformationen ist jedoch eindeutig das Publikum. Das Publikum oder auch die Rezipientengruppe sind als größere heterogen zusammengesetzte Personengruppen zu verstehen. Im Gegensatz dazu bezeichnet der Begriff der Öffentlichkeit eine homogene Einheit. Die abstrahierten Einstellungen des Publikums laufen in der öffentlichen Meinung zusammen (vgl. Bonfadelli 2004).
Problematisch ist an der akteursbezogenen Perspektive des Massenkommunikationsprozesses, dass die gesellschaftlichen Akteure sich nicht dermaßen trennscharf darstellen. So sind Journalisten sowohl Teil des Publikums als auch des Mediums (vgl. Rössler 1997). Eine Unterteilung der gesellschaftlichen Akteure erfolgt somit eher idealtypisch, während in der Realität Überschneidungen zu erwarten sind.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass der Terminus der Massenmedien im hiesigen Kontext über die Bezeichnung eines technischen Distributionsmittels hinausreicht. Massenmedien sind nicht nur die Hauptakteure der Informationsverteilung, sondern aktiv am Herstellungsprozess von Berichten beteiligt. Im Prozess der medialen Rezeption spielen sie unterdessen eine nur untergeordnete Rolle. Daher kann die Betrachtung des Einflusses der Massenmedien an der Entstehung des Umweltbewusstseins auf den Herstellungsprozess von Informationen und die Distributionsleistung der Medien beschränkt werden.
3. GESCHICHTE DES UMWELTBEWUSSTSEINS IN DEUTSCHLAND
An der Entstehung des Umweltbewusstseins in Deutschland waren im Zeitverlauf verschiedene gesellschaftliche Akteure unterschiedlich stark involviert. Die Geschichte des Umweltbewusstseins manifestiert sich somit in der Geschichte der Umweltpolitik, der ökologischen Protestbewegungen und der Einführung von Bevölkerungsumfragen. Bei den Umfragen wird die persönliche Priorität des Umweltschutzes in regelmäßigen Abständen erfassen. Die gesellschaftlichen Akteure haben dem Umweltbewusstsein in Deutschland seine spezifische Äußerung verliehen.
Im Folgenden soll die Entstehung des ökologischen Bewusstseins für Deutschland in ihren historischen Kontext eingeordnet werden. Zum einen um den Begriff des Umweltbewusstseins von vorherigen Formen ökologischer Einstellungen abzugrenzen. Zum anderen um die Entstehung von der späteren Etablierung des Umweltbewusstseins zu separieren. Die Entstehung wird dabei maßgeblich unter Berücksichtigung ihrer gesellschaftlichen Einfussgrößen aufgezeigt14.
3.1. HISTORISCHE FORMEN DES UMWELTBEWUSSTSEIN
So wie die Frage nach dem Wesen der Natur zu den anthropologisch ältesten überhaupt zählt, beschreibt die Mensch-Natur-Beziehung eine lange Geschichte. Wurde die Natur bis ins 19. Jahrhundert zwischen gefährlich bis göttlich stilisiert, sollten ihre Rohstoffe Mitte des 19. Jahrhunderts in den Vordergrund rücken (vgl. Groß 2001: 239).
Folgt man den Überlegungen von Reinhard Steurer lässt sich die Entstehung des Umweltbewusstseins kennzeichnen in der Genese einer neuzeitlichen und einer modernen Form. Das neuzeitliche Umweltbewusstsein steht in engem Zusammenhang mit der Industriellen Revolution und zeichnet sich durch ein lokales Problembewusstsein aus (vgl. 1998). Beispielsweise wurde 1878 bereits der „Internationale Verein gegen Verunreinigung der Flüsse, des Bodens und der Luft“ in Köln gegründet (vgl. ebd.: 34) oder 1899 der Bund für Vogelschutz später umbenannt in NABU (vgl. NABU15 ).
Das moderne Umweltbewusstsein datiert sich auf das Ende der sechziger Jahre (vgl. Steurer 1998). In dieser Zeit definierte sich das Mensch-Natur-Verhältnis dahingehend neu, als dass der Natur ein Eigenwert zugesprochen wurde, verbunden mit der normativen Forderung anthropogene, schädigende Einflüsse möglichst gering zu halten (vgl. Groß 2001).
Modernes Umweltbewusstsein ist eng verbunden mit dem gesteigerten Umfang von Umweltschäden durch die intensive, wirtschaftliche Nutzung von Ressourcen und Flächen. Schäden werden nicht länger als lokal isoliert, sondern vielmehr als globale Phänomene wahrgenommen. Zu diesem Perspektivwechsel hat der 1972 veröffentlichte Bericht des Club of Rome über die „Grenzen des Wachstums“ maßgeblich beigetragen (vgl. Steurer 1998).
Das moderne Umweltbewusstsein zeichnet sich durch die Aufhebung der lokalen Perspektive und die Ausweitung auf nationale bzw. globale Problemlagen aus. Es kann synonym zum gesellschaftlichen Umweltbewusstsein verstanden werden, da die Nationalität einen gesellschaftlichen Zusmmenhang beschreibt.
Wenngleich sich erste Schritte zu einer gesellschaftlichen Wahrnehmung der Umweltproblematik Ende der sechziger Jahre vollzogen, beschreibt die Entstehung einen langwierigen Prozess.
3.2. GENESE DES UMWELTBEWUSSTSEINS IN DEUTSCHLAND
Den Ausgangspunkt des modernen Umweltbewusstseins bildeten wechselseitige Einflüsse der Wissenschaft, Politik und Medien. So nahm die Problematisierung der ökologischen Lage ihren Ausgang in wissenschaftlichen Erkenntnissen und politischen Debatten (vgl. Rucht 2007: 520). Die Medien transportierten diese Informationen an die Bevölkerung.
Die politische Werbekampagne des US-Präsidenten Richard Nixon für Umweltschutz beeinflusste auch die deutsche Innenpolitik (vgl. Frohn 2006: 247). War der Naturschutz bis in die sechziger Jahre wenig beliebt, wahrgenommen als fundamentalistisch und nicht diskussionsoffen, sollte sich dies mit den siebziger Jahren ändern (vgl. ebd.). Willy Brandt band das Handlungsfeld „Umweltschutz“ als wesentliches Element in seine Politik ein und popularisierte das Thema „von oben“. So waren die Bemühungen zum Umweltschutz zu diesem Zeitpunkt nach Karl-Werner Brand und Henrik Stöver vor allem politischer Natur, ohne dass Druck von der Bevölkerung ausgeübt wurde (vgl. 2008: 224).
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1 http://www.textlog. de/4691.html (28.05.10).
2 Im Rahmen des Projektes entstand 1995 ein Zweiteiler, welcher laut der Buchrezension von Steindler einen guten Überblick der ökologischen Diskussion bietet aufgrund seiner zahlreichen interdisziplinären Beiträge (vgl. Steindler 1999: 408).
3 Unter kultureller Leitvorstellung versteht Böhme hierbei die „Natur als Ordnung […], als ein Gefüge des Zusammenspiels der Organismen und Elemente“ (1992: 199). Wobei auch fürs menschliche Zusammenleben eine solche Ordnung, bezeichnet als Naturrecht unterstellt wird. Vertrauen in die Natur meint die Sicherheit, die dem Menschen als verlässliche Konstante des Daseins vermittelt wird. Bewusst wird sie zumeist erst im Falle der Erschütterung wie bei Naturkatastrophen, Mutationen etc. (ebd.: 200).
4 http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/ressorts/natur/index,page=1262816.html (29.05.10).
5 http://www.ufodo.uni-dortmund.de/Umwelt (28.05.10).
6 In Luhmanns Betrachtungen über die Ö kologische Kommunikation beschäftigt sich dieser zwar mit der Frage ob die ökologische Krise aufzuhalten ist, doch behandelt er die ökologische Krise als gesellschaftsinternes Phänomen. Dahinter steht die Frage: Wie kommuniziert die Gesellschaft über ihre Umwelt? Phänomene der Ökologie werden somit als Spezialfall der Umwelt aufgegriffen, doch nicht weiter systematisiert, da die Kommunikation über die Umwelt untersucht wird und nicht die Umwelt selbst (s. Kap. 5.3).
7 Der SRU setzt sich aus 12 Fachleuten zusammen, die die Regierung beraten, sowie Gutachten und Analysen zum Umweltzustand erstellen. Die Mitglieder wechseln in drei Jahreszyklen (vgl. Katalyse 1988: 284). Der SRU ist Bestandteil des administrativen Apparats nationaler Umweltberichterstattung (vgl. Noll/ Kramer 1996).
8 Drei Skalentypen mit ihrem Komponenten werden bei Diekmann und Preisendörfer vorgestellt: Die Maloney/ Ward-Skala, das Skalensystem von Schahn und die Diekmann/ Preisendörfer-Skala (vgl. 2001: 102 ff.).
9 Die Diekmann/ Preisendörfer-Skala liegt der Bevölkerungsumfrage zum Stand des Umweltbewusstseins von 1998 zu Grunde (vgl. Preisendörfer 1999: 42ff.).
10 Hierzu zählen faktorimmanente Effekte der Medienagenda sowie der Einfluss von Leitmedien und Gatekeeper-Effekten. Die Erforschung des Letzteren betrachtet den Einfluss von Einzelpersonen oder internen Organisationsstrukturen von Medienanstalten auf die Berichterstattung (vgl. Rössler 1997).
11 Die Darstellung bildet in ihrer ursprünglichen Funktion das „Paradigma des Agenda-Setting- Prozesses“ ab, wobei die Darstellung eine Fortführung der ursprünglichen Agenda-Setting-Forschung darstellt (vgl. Rössler 1997: 53).
12 Der Einfluss von Leitmedien kann analysierte werden anhand von Inhaltsanalysen, der Überprüfung von Textübernahme, Zitierung oder direkter Befragung der Journalisten (vgl. Reinemann 2003: 47).
13 Dem liegt die Unterstellung zu Grunde, dass Rezipienten Themen, die die Nachrichtenschwelle durchbrochen haben, mit Interesse weiterverfolgen (vgl. Reinemann 2003).
14 Im Fokus stehen die Entwicklungen der BRD, wobei diese in der DDR unter dem Dachverband der Kirche ähnlich verliefen (vgl. Brand/ Stöver 2008).
15 http://www.nabu.de/nabu/portrait/geschichte/11980.html (21.07.10).
- Arbeit zitieren
- Bianka Bülow (Autor:in), 2010, Gesellschaft, Medien und Umwelt: Der Einfluss der Massenmedien auf die Entstehung des ökologischen Bewusstseins in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/196222