Die Auswirkungen des Europarechts auf das kirchliche Arbeitsrecht der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers

Das Antidiskriminierungsrecht


Diplomarbeit, 2007

50 Seiten, Note: 13 Punkte


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Das deutsche Staatskirchenrecht
2.1. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht
2.1.1. Die Träger des Selbstbestimmungsrecht
2.1.2. Der Inhalt des Selbstbestimmungsrechts
2.1.3. Die Schranken des Selbstbestimmungsrechts
2.1.4. Das Selbstbestimmungsrecht und die Grundrechtsbindung
2.2. Die Dienstgemeinschaft als prägendes Prinzip

3. Regelungen des kirchlichen Arbeitsrechts
3.1. Kirchliche Regelungen des Individualarbeitsrechts
3.1.1. Anstellungsvoraussetzungen
3.1.2. Die Loyalitätspflichten
3.1.3. Die Sanktionierung von Verstößen
3.2. Kirchliche Regelungen des kollektiven Arbeitsrechts
3.2.1. Die MAV-Mitgliedschaft
3.2.2. Die ADK-Mitgliedschaft

4. Europarecht
4.1. Regelungskompetenz der EU im kirchlichen Arbeitsrecht
4.1.1. Kompetenzbegründung
4.1.2. Kompetenzschranken
4.2. Anti-Diskriminierungsregelungen der EU im Arbeitsrecht
4.2.1. Primäres Gemeinschaftsrecht
4.2.2. Sekundäres Gemeinschaftsrecht
4.3. EG-Richtlinien und das nationale Recht
4.3.1. Die Richtlinienkonforme Auslegung
4.3.2. Anwendungsvorrang

5. Europarecht und das kirchliche Arbeitsrecht der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers
5.1. Allgemeines
5.2. Sachlicher Anwendungsbereich
5.2.1. Richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 4 AGG
5.2.2. Wortlautauslegung des § 2 Abs. 4 AGG
5.2.3. Ergebnis der Auslegung
5.2.4. Anwendungsvorrang der Richtlinie
5.3. Persönlicher Geltungsbereich
5.3.1. Privatrechtliche Arbeitsverhältnisse
5.3.2. Öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse
5.3.3. Zusammenfassung des Geltungsbereichs
5.4. Diskriminierung aufgrund der Religion
5.4.1. Grundsatz des Verbots der religiösen Diskriminierung
5.4.2. Ausnahme vom Verbot der religiösen Diskriminierung
5.5. Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität
5.6. Andere Diskriminierungen

6. Abschließende Zusammenfassung und Perspektive
6.1. Zusammenfassung
6.1.1. Allgemein
6.1.2. Diskriminierung aufgrund der Religion
6.1.3. Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität
6.1.4. Andere Diskriminierungen
6.1.5. Offene Fragen zum Geltungsbereich des AGG
6.2. Perspektive

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Deshalb wollen wir, solange wir noch Zeit haben, allen Menschen Gutes tun, besonders aber denen, die mit uns im Glauben verbunden sind.

(Der Apostel Paulus im Brief an die Galater, Kapitel 6 Vers 10)

1. Vorwort

Die EU erscheint den meisten Menschen weit vom Leben entfernt, dass dies nicht immer so ist, die Rechtssetzung durch die EU vielmehr direkt und unmittelbar das Leben jedes Einzelnen beeinflussen kann, zeigt sich gerade im Antidiskriminierungsrecht. Hier hat die EU in den letzten Jahren einige Richtlinien erlassen, die das Ziel haben, Ungleichbehandlungen aufgrund verschiedener Gründe zu bekämpfen. Etwas verspätet hat auch die Bundesrepublik vier dieser Richtlinien in nationales Recht umgesetzt und so das AGG erlassen.

Bereits, als die ersten Richtlinien in Kraft traten, beschäftigte sich die wissenschaftliche Literatur mit möglichen Auswirkungen auf kirchliche Arbeitsverhältnisse. Der EuGH allerdings hat es bisher vermieden im Bereich des Religionsrechts Recht zu sprechen.

Nach bisher geltendem Recht, hat die Kirche die verfassungsrechtlich garantierte Möglichkeit sich im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts, eigene kirchliche Gesetze zu geben und darin auch, nur dem eigenen Selbstverständnis verpflichtet, festzulegen, inwieweit eine bestimmte Konfession für ein bestimmtes Amt, eine bestimmte Funktion oder auch für eine bestimmte Tätigkeit notwendig ist, zudem auch, wie sich ein kirchlicher Mitarbeiter im Dienst, aber auch in seinem Privatleben zu verhalten hat.

Dabei ist zu bemerken, dass gerade das kirchliche Arbeitsrecht in den letzten Jahrzehnten enorm an Bedeutung gewonnen hat. Grund hierfür ist vor allem dass der Staat sich aus vielen Bereichen des Sozial- und Gesundheitswesens zurückgezogen hat und noch zurückzieht und die Kirchen, auch aufgrund ihres Selbstverständnisses, in diese Lücken nachgerückt sind und sie ausfüllen.[1] So waren noch 1960 nur etwa 320.000 Menschen im Umfeld der beiden großen Volkskirchen beschäftigt, während es jetzt mehr als 1,2 Mio. sind.

Hier kommt nun aber der Konflikt zwischen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht und dem Europarecht zum Tragen. Während die Kirche ihr eigenes Engagement und ihre eigene Tätigkeit vor allem als religiöses Handeln begreift, ist sie zugleich auch Arbeitgeber und hat Arbeitnehmer. Arbeitnehmer, die sich nun auf die Gleichbehandlungsrichtlinien und das AGG berufen können.

Die Situation verschärfend, kommt hinzu, dass die Ev.-luth. Landeskirche Hannovers erst vor wenigen Jahren für sich beschlossen hat, auch im Blick auf mittelfristig wohl zurückgehende Kirchensteuereinnahmen, nur noch Einrichtungen zu unterstützen, die ein klares evangelisches Profil haben. Profile aber müssen durch Menschen mit Leben gefüllt werden. Die Frage, die diese Arbeit beantworten soll, ist, inwieweit die europäischen Antidiskriminierungsnormen, mittelbar und unmittelbar, das ausgeübte Recht der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers einschränken, ihre Mitarbeiter bewusst nach der Religion auszusuchen, zudem ihnen Loyalitätspflichten aufzuerlegen und auch die Mitgliedschaft in MAV und ADK von der Religion abhängig zu machen und inwiefern die diesbezüglich bestehenden Regelungen des kirchlichen Arbeitsrechts angepasst werden müssen.

Um diese Frage beantworten zu können, wird hierzu zunächst das geltende Staatskirchenrecht (2.), die aufgrund dessen erlassenen einschlägigen Regelungen des kirchlichen Arbeitsrechts (3.) und das, hier relevante, Europarecht (4.) kurz aber dennoch möglichst umfassend dargestellt, um auf dieser Basis das AGG und die Richtlinien auf das geltende kirchliche Arbeitsrecht der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers anzuwenden und so eine wissenschaftliche Klärung herbeizuführen.

Rüdiger-Mirco NIjenhof

2. Das deutsche Staatskirchenrecht

Erörtert werden soll im Folgenden, welche grundsätzlichen deutschen Regelungen staatskirchlicher Art, dazu führen, dass die Ev.-luth. Landeskirche Hannovers sich eigenständiges individuelles und kollektives Arbeitsrecht setzen darf.

Das deutsche Staatskirchenrecht basiert auf drei Säulen, zum einen der allgemeinen Religionsfreiheit, zum anderem der Trennung von Staat und Kirche und zum dritten dem Selbstbestimmungsrechts der Kirchen.[2] Für die Ausgestaltung des daraus entstehenden Rechts ist als wichtiger Teil des kirchlichen Selbstverständnisses das Prinzip der Dienstgemeinschaft maßgebend.

2.1. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht

Das Recht zur Setzung kirchlichen Arbeitsrechts durch die Ev.-luth. Landeskirche Hannovers entspringt dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV.

2.1.1. Die Träger des Selbstbestimmungsrecht

Auf das Selbstbestimmungsrecht können sich primär alle Religionsgesellschaften berufen, die den Schutz des Art. 4 Abs. 2 GG genießen,[3] somit also selbstverständlich auch die Ev.-luth. Landeskirche Hannovers. Zugleich gilt das Selbstbestimmungsrecht aber auch für alle rechtlich selbstständigen Untergliederungen und Einrichtungen, also bspw. sowohl für Kirchenkreise und Kirchengemeinden, wie auch für Diakonische Einrichtungen u. a.,[4] sofern diese nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe nach berufen sind, ein Stück Auftrag der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen.[5] Allerdings gilt dies für diese Organisationen nicht aus eigenem Recht, sondern aus abgeleitetem Recht der Landeskirche.[6]

2.1.2. Der Inhalt des Selbstbestimmungsrechts

Nach dem Selbstbestimmungsrecht ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbstständig. Hieraus erwächst der Kirche das, vom staatlichen Zugriff entzogene, Recht auf eine eigene kirchliche Rechtsetzung und sogar Rechtsprechung im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten.[7] Dieses Recht beschreibt keine vom Staat gewährte Autonomie,[8] sondern eine schon vor ihm, dem Staat, existierende kirchliche Eigenständigkeit.[9] Der Bereich der eigenen Angelegenheiten erstreckt sich auf den Bereich, den das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft umfasst.[10] Die Landeskirche bestimmt somit selbst, wie weit dieser Bereich gefasst ist,[11] muss dies aber auch belegen können, eine bloße Behauptung ist nicht ausreichend.[12]

In den Bereich der eigenen Angelegenheiten fällt somit eindeutig auch das individuelle, wie kollektive Arbeitsrecht,[13] Kirche darf danach u.a. eigenständig darüber befinden, welche Dienste es in ihren Einrichtungen geben soll und in welcher Rechtsform, also ob öffentlich- oder privatrechtlich, sie wahrzunehmen sind.[14] Durch die zulässige Wahl der Begründung von weltlichen Arbeitsverhältnissen durch die Kirche findet das staatliche Arbeitsrecht auf privatrechtliche Arbeitsverhältnisse zunächst vollständige Anwendung.[15] Die Einbeziehung dieser kirchlichen Arbeitsverhältnisse hebt ihre Zugehörigkeit zu den eigenen Angelegenheiten aber keineswegs auf, vielmehr kann es durch das Leitbild der kirchlichen Dienstgemeinschaft überlagert werden.[16] Die Landeskirche kann also eigenes Arbeitsrecht setzen, das mit Blick auf das kirchliche Selbstverständnis und die kirchliche Dienstgemeinschaft den Beschäftigten auch besondere Loyalitätspflichten auferlegen, bzw. Anstellungsvoraussetzungen bestimmen darf.

2.1.3. Die Schranken des Selbstbestimmungsrechts

Seine Schranken findet das Selbstbestimmungsrecht innerhalb des für alle geltenden Gesetzes, also eines Bundes- oder Landesgesetzes.[17] Zudem ist möglicherweise auch Europarecht „für alle geltendes Gesetz“,[18] in jedem Falle aber ein nationales Gesetz das der Umsetzung einer europäischen Richtlinie dient.[19] Allerdings gilt dies nur für Gesetze, die die Kirche auch wie alle anderen gleichermaßen betreffen. Ein Gesetz, dass die Kirche, wenn auch nur faktisch, deutlich härter als alle anderen treffen, sie insbesondere in ihrem geistig-religiösen Auftrag beschränken würde, wäre nicht imstande das kirchliche Selbstbestimmungsrecht zu beschränken.[20] Letztlich besteht eine Wechselwirkung zwischen Kirchenfreiheit und Schrankenzweck, der durch Güterabwägung Rechnung getragen werden muss.[21]

Weitere, selbstverständliche Schranken sind dort erreicht, wo das Selbstbestimmungsrecht in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung gerät, so z.B. im allgemeinen Willkürverbot, wie am Begriff der guten Sitten und des ordre public.[22]

2.1.4. Das Selbstbestimmungsrecht und die Grundrechtsbindung

Auch Kirchenglieder sind Grundrechtsträger und somit gilt für sie sowohl das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 GG, wie das Recht auf Glaubensfreiheit gem. Art. 4 GG. Innerhalb der Ev.-luth. Landeskirche kann dies aber nicht zur Folge haben, dass kirchliche Glaubensüberzeugungen geleugnet oder offen gegen die Kirche agitiert werden dürfen. Die Grundrechte binden den Staat und schützen vor staatlichen Eingriffen. Kirchen sind aber nicht Teil des Staates, und somit grundsätzlich nicht an Grundrechte gebunden.[23]

2.2. Die Dienstgemeinschaft als prägendes Prinzip

Wichtiger Teil des Selbstverständnisses der Ev.-luth. Landeskirche ist das Prinzip der Dienstgemeinschaft.[24] Der Begriff Dienstgemeinschaft beschreibt keinen Verband im Rechtssinne und definiert auch keine soziologische Gemeinschaft,[25] er stellt vielmehr die Verbundenheit aller kirchlichen Mitarbeiter untereinander in der Verpflichtung zum gemeinsamen Auftrag der Kirche dar,[26] ist damit Ausdruck des Priestertums aller Gläubigen, die nach lutherischer Lehre die Basis kirchlicher Struktur bildet[27] und hat keine weltliche Parallele.[28] Teil dieser Dienstgemeinschaft sind nicht einzelne kirchliche Mitarbeiter, sie umschließt alle kirchlichen Bediensteten jedweder Tätigkeit,[29] eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Erziehung, Berichterstattung und Meinungsäußerung und übrigem Dienst, bzw. zwischen geistlichen (Verkündigung und Seelsorge) und äußeren (Dienstleistungen, Verwaltung) Dienstbereichen ist nicht möglich und würde diesem Selbstverständnis völlig widersprechen,[30] alle Dienstaufgaben der Kirchen stellen insoweit eine Einheit dar,[31] ein Arzt eines evangelischen Krankenhauses wäre somit mit den gleichen Maßstäben der Dienstgemeinschaft zu messen, wie etwa ein Diakon oder ein Lehrer einer kirchlichen Schule.[32]

Da jeder kirchliche Dienst Erfüllung des Auftrags Christi, in der Welt zu Wirken und für die Welt da zu sein, ist, gibt es im kirchlichen Dienst prinzipiell keine „tendenzfreien“ Räume.[33] Folglich können jedem Bediensteten im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts entsprechende Loyalitätspflichten auferlegt werden, wenngleich diese auch innerhalb der Dienstgemeinschaft der ausgeübten Funktion anzupassen sind. Dies geschieht aber nicht durch den Staat, sondern die Ev.-luth. Landeskirche Hannovers entscheidet autonom über eine solche Staffelung.[34]

3. Regelungen des kirchlichen Arbeitsrechts

Damit ein Widerspruch des kirchlichen Arbeitsrechts der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers zu europäischen Anti-Diskriminierungsnormen vorliegen kann, müsste sie im individuellen oder kollektiven Bereich solche Regelungen erlassen haben, die darauf abzielen bestimmte Personengruppen zu bevorzugen, oder zu benachteiligen.

3.1. Kirchliche Regelungen des Individualarbeitsrechts

Zunächst sollen hier Regelungen des kirchlichen Individualarbeitsrechts dargestellt werden. Hier kommen drei Bereiche in Frage, die chronologisch abgebildet werden sollen. Zum einen kirchenrechtliche Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit es zur Anstellung kommen kann, zum anderen kirchenrechtliche Bestimmungen über die Loyalitätspflichten während der Zeit der Beschäftigung und zum dritten die Folgen, so gegen diese Loyalitätspflichten verstoßen wird.

3.1.1. Anstellungsvoraussetzungen

Die Anstellungsvoraussetzungen sind für die verschiedenen Berufsgruppen in den jeweils einschlägigen für die Landeskirche gültigen Gesetzen verankert. Hier sollen die wichtigsten genannt werden, darüber hinaus gibt es noch viele weitere, sie darzustellen würde aber bei weitem den Rahmen sprengen.

3.1.1.1. Der Grundsatz der Voraussetzung des Ev.-luth. Bekenntnisses

Ihnen allen gemein ist dabei die Voraussetzung des Ev.-luth. Bekenntnisses. Diese Voraussetzung ist für Pfarrer in § 22 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 PfG der VELKD geregelt, hinzu kommt hier noch die in § 12 Abs. 1 Nr. 2 PfG die Verengung auf eine Mitgliedschaft in einer Gliedkirche der EKD.

Für Kirchenbeamte ist das evangelische Bekenntnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 KBG.EKD Anstellungsvoraussetzung, danach darf nur Kirchenbeamter werden, wer Mitglied einer Gliedkirche oder angeschlossenen Gemeinschaft der EKD ist. Danach ist also auch eine Mitgliedschaft in einer nicht-lutherischen Gliedkirche, also z.B. einer unierten oder reformierten, ausreichend.

Für alle anderen Mitarbeiter, also Angestellte und Arbeiter, ist das Bekenntnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1a und b MG letztlich so vorausgesetzt, dass nur angestellt werden darf, wer nach Nr. 1a evangelisch-lutherischen Bekenntnisses ist, oder nach Nr. 1b einem anderen in der EKD geltenden Bekenntnisses angehört.

3.1.1.2. Die Ausnahme von der Voraussetzung des Ev.-luth. Bekenntnisses

Während es für Pfarrer zwar die Möglichkeit gibt in besonderen Fällen von der Mitgliedschaft in einer Gliedkirche der EKD als Voraussetzung abzusehen, § 12 Abs. 2 PfG, sonst aber keine Ausnahme vom evangelisch-lutherischen Bekenntnis vorgesehen ist, ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 KBG.EKD für Kirchenbeamte, unter der Bedingung, dass ein dienstliches Interesse besteht und es mit der künftigen Amtsstellung vereinbar ist, ausnahmsweise auch die Mitgliedschaft einer mit einer mit einer Gliedkirche der EKD in Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft befindlichen Kirche ausreichend.[35]

Für alle anderen Mitarbeiter ist zum einen in § 4 Abs. 2 MG den Landeskirchen erlaubt Arbeitsbereiche zu bestimmen, in denen eine Mitgliedschaft in einer der in der Anlage zum Gesetz genannten Kirche ausreichen soll,[36] zum anderen ist in § 4 Abs. 3 MG die zuständige oberste Behörde, hier also das Landeskirchenamt, ermächtigt selbst Befreiungen auszusprechen und andere Stellen zu berechtigen, diese Befreiung auszusprechen.

§ 4 Abs. 7 MG folgend hat das Landeskirchenamt die Verwaltungsanordnung zur Ausführung des § 4 des Mitarbeitergesetzes erlassen, Nr. 1 legt die Arbeitsbereiche nach § 4 Abs. 2 MG fest, Nr. 2 ermächtigt weitere Stellen nach § 4 Abs. 3 MG.

3.1.1.3. Die anderen Anstellungsvoraussetzungen

Neben dem Bekenntnis gibt es jeweils noch eine Reihe von anderen Anstellungsvoraussetzungen, die aber zumeist den staatlichen Anforderungen an Arbeitnehmer in vergleichbaren Positionen entsprechen und insgesamt hier nicht zu problematisieren sind.

3.1.2. Die Loyalitätspflichten

Für Pfarrer gibt es eine Reihe von teilweise klar definierten Loyalitätspflichten, die in verschiedenen §§ des PfG dargestellt sind.

Kirchenbeamte haben sich nach § 18 Satz 3 KBG.EKD inner- und außerhalb ihres Dienstes so zu verhalten, dass u.a. die Glaubwürdigkeit der Wahrnehmung des kirchlichen Auftrags nicht beeinträchtigt wird. Dies wird, allerdings nicht abschließend, in weiteren §§ des KBG.EKD ausgefüllt und findet auch im, nach § 19 Abs. 1 KBG.EKD vom Kirchenbeamten abzulegenden, Gelöbnis seinen Widerhall.

Der Grundsatz der, einem anderen kirchlichen Mitarbeiter obliegenden, Loyalitätspflichten ist in § 3 DienstVO verankert, dort wird in Abs. 1 u.a. festgelegt, dass der Mitarbeiter an Bekenntnis und Recht der Landeskirche gebunden ist und sein Leben so zu führen hat, dass er damit das Evangelium in Wort und Tat bezeugt. Diese Mitarbeiter geloben nach § 7 Abs. 2 MG, dass sie ihr Leben so führen werden, „wie es von einem Mitarbeiter der Kirche erwartet werden muss.“

Dieses Gelöbnis, das bisher auch in ähnlicher Form von Kirchenbeamten abzulegen war, beschreibt letztlich den Kern der kirchlichen Loyalitätspflichten.

3.1.3. Die Sanktionierung von Verstößen

Die schwerste Loyalitätspflichtverletzung ist der Kirchenaustritt. Der Kirchenaustritt führt in allen Fällen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage und damit entweder zur gesetzlichen Beendigung des Dienstverhältnisses, so bei Pfarrern nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 PfG und bei Kirchenbeamten nach § 76 Abs. 1 Nr. 1 KBG.EKD, oder aber zur Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung nach §§ 4 Abs. 5, 9 Abs. 1 MG i.V.m. § 20 DienstVO für Angestellte und § 34 DienstVO für Arbeiter.

3.2. Kirchliche Regelungen des kollektiven Arbeitsrechts

Innerhalb des kollektiven kirchlichen Arbeitsrechts können durch das Antidiskriminierungsrecht sowohl die durch die MAV repräsentierte Mitarbeiterbeteiligung, wie auch der durch die ADK repräsentierte „Dritte Weg“[37] betroffen sein.

3.2.1. Die MAV-Mitgliedschaft

Die MAV ist das kirchliche Gegenstück zum Betriebs- oder Personalrat. Sie wird nach § 10 MVG von allen Mitarbeitern gewählt, die das 18te Lebensjahr vollendet haben und nicht für weitere drei Jahre beurlaubt sind. Wahlberechtigt ist also auch, wer nicht evang.-luth. Bekenntnisses ist.[38]

Passives Wahlrecht hat aber in Diakonischen Werken und ihnen angeschlossenen Einrichtungen nach § 11 Abs. 2 Nr. 4 MVG nur, wer Glied einer Kirche ist, die der ACK angehört; zugleich scheidet ein MAV-Mitglied gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 5 MVG aus, sobald diese Voraussetzung nicht mehr vorliegt.[39]

3.2.2. Die ADK-Mitgliedschaft

Die ADK ist das für Arbeitsrechtsregelungen zuständige Gremium, es besteht nach § 16 Abs. 1 MG aus je neun Vertretern der Mitarbeiter und der Dienstherren. Vertreter in der ADK kann nach § 16 Abs. 2 MG nur sein, wer innerhalb einer der Gliedkirchen der EKD die Wählbarkeit zu kirchlichen Ämtern besitzt. Voraussetzung hierfür ist regelmäßig die Mitgliedschaft in einer EKD-Gliedkirche. Hinsichtlich des Ausscheidens gilt das für die MAV geschriebene entsprechend.

4. Europarecht

Nachdem nun die kirchenrechtliche Seite dargestellt wurde, soll im folgenden umrissen werden, in welchem Rahmen die EU die Möglichkeit zum Erlass von das kirchliche Arbeitsrecht berührenden Anti-Diskriminierungsregelungen hat, in welchem Verhältnis diese zu nationalen Normen stehen und welche, fürs kirchliche Arbeitsrecht relevante Anti-Diskriminierungsnormen sie bereits erlassen hat.

4.1. Regelungskompetenz der EU im kirchlichen Arbeitsrecht

Das Europarecht gliedert sich im Grundsatz in primäres (Vertragsrecht u.ä.) und sekundäres (u.a. Richtlinien und Verordnungen) Gemeinschaftsrecht,[40] hinzukommen die Allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts und das Richterrecht.[41] Unstreitig hat die EU, durch den EGV, in der durch den Vertrag von Nizza geänderten Fassung, zahlreiche Kompetenzen zur Regelung von arbeitsrechtlichen Sachfragen.[42] Hier soll beleuchtet werden, ob und inwieweit diese Kompetenzen auch das kirchliche Arbeitsrecht umfassen.

4.1.1. Kompetenzbegründung

Innerhalb des Europarechts gilt das Prinzip, dass durch die EU nur geregelt werden darf, was jeweils eindeutig enumerativ der EU zugewiesen wurde.[43] Eine unbegrenzte Regelungsgewalt der EU gibt es nicht,[44] sie wird gemäß Artikel 5 Abs. 1 EGV innerhalb der Grenzen des EGV tätig[45].

4.1.1.1. Prinzip der Einzelermächtigung

Da sich aus dem EGV in dem zu problematisierenden Bereich keine unmittelbaren Auswirkungen abzuzeichnen scheinen, müsste es eine Ermächtigungsnorm für den Erlass von einer entsprechenden Regelung geben. Die Artikel 136 – 140, 142 und 143 EGV geben der EG ein umfassendes arbeitsrechtliches Mandat, die Artikel 13 und 141 EGV erstrecken dieses Mandat schließlich auch auf Diskriminierungsverbote. So wird der Rat durch Art. 13 Abs. 1 EGV ermächtigt Vorkehrungen zur Bekämpfung von Diskriminierung zu treffen.

4.1.1.2. Kompetenztitel für kirchliches Arbeitsrecht

Da durch den EGV der EU keine Ermächtigung zur Regelung von staatskirchlichen, bzw. religiösen Sachfragen[46] zuerkannt wurde, existiert somit auch keine direkte Regelungsbefugnis für die EU.[47]

4.1.1.3. Keine Bereichsausnahme

Daraus folgt lediglich, dass die EU nicht gezielt kirchenrechtliche Sachfragen regeln darf.[48] Dennoch wirkt sich das Recht der EU vielfach auf das kirchliche Recht aus, da der kirchliche Auftrag sich letztlich auf alle, somit auch auf die durch die EU geregelten, Lebensbereiche[49] bezieht.

Es handelt sich also stets um Folgewirkungen von EU-Regelungen, die nicht spezifisch kirchenrechtliche Bereiche regeln wollen.[50] Insoweit liegt hier auch keine Bereichsausnahme vor.[51]

4.1.2. Kompetenzschranken

Die Rechtssetzungskompetenz der EU ist zum einen durch Gemeinschaftsschranken, zum anderen durch nationale Schranken begrenzt.

4.1.2.1. Gemeinschaftsschranken

Da es sich beim Arbeitsrecht nicht um eine ausschließlich der EU zugewiesenen Materie handelt, findet die Kompetenz der EU zur Rechtssetzung aufgrund von Art. 13 EGV ihre Grenzen in der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.[52]

4.1.2.1.1. Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit

Das aus Art. 5 Abs. 2 EGV anzuwendende Subsidiaritätsprinzip bestimmt das „ob“, während das, in Art. 5 Abs. 3 EGV angesprochene, Prinzip der Verhältnismäßigkeit das „wie“ eingrenzt. In der Praxis ist anzunehmen, dass die Prinzipien der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit stets eingehalten werden.[53] Letztlich dürfte das Subsidiaritätsprinzip keinen wirksamen Schutz des Staatskirchenrechts vor mittelbaren europäischen Eingriffen bieten.[54]

[...]


[1] Briza, S. 51.

[2] V.Campenhausen/De Wall, Staatskirchenrecht, § 14 S. 99 m.w.N.

[3] V.Campenhausen/De Wall, Staatskirchenrecht, § 15 S. 115f.; Jeand’Heur/Korioth § 9 Rdnr. 172.

[4] BverfGE 46, S. 73, 85; 53, S. 366, 391; Burghart in Leibholz/Rink Art. 140 Rdnr. 161; Jeand’Heur/Korioth § 9 Rdnr. 173; Schliemann in NZA 8/2003 S. 406, 412.

[5] BVerfG vom 25.03.1980, NJW 1980, 1895; BVerfG vom 11.10. 1977, NJW 1978, 581; BAG vom 16.03.2004, NZA 2004, 927, 929; BAG vom 24.07.1991, NZA 1991, 977, 978; Richardi § 3 Rdnr. 8f.

[6] Dreier Art. 140 / Art. 137 Rdnr. 49.

[7] V.Campenhausen/De Wall, Staatskirchenrecht, § 14 S. 101f m.w.N.; Schliemann in NZA 8/2003 S. 407, 408.

[8] Fey, AuR 2005, S. 349.

[9] V.Campenhausen/De Wall, Staatskirchenrecht, § 14 S. 102 m.w.N.; Burghart in Leibholz/Rink Art. 140 Rdnr. 131; Richardi/Thüsing, AuR 2002, S. 94, 97.

[10] BVerfGE 70, S. 138, 164; Dreier Art. 140 / Art. 137 Rdnr. 46; Korioth in Maunz/Dürig, Art. 140 - Art. 137 Rdnr. 28.

[11] BverfGE 66, S. 1, 21.

[12] Korioth in Maunz/Dürig, Art. 140 - Art. 137 Rdnr. 28 f m.w.N.

[13] vgl. BverfGE 70, S. 138, 165; V.Campenhausen/De Wall, Staatskirchenrecht, § 14 S. 105; Thüsing, ZTR 2006, S. 230, 234.

[14] BVerfGE 70, S. 138, 164.

[15] BVerfG vom 04.06.1985, NJW 1986, 367, 368; Richardi § 2 Rdnr. 18, 25; Schliemann, NZA 2003, 407, 408; Mummenhoff, NZA 1990, S. 585, 586.

[16] BVerfG vom 04.06.1985, NJW 1986, 367, 368; Richardi § 2 Rdnr. 26; Schliemann, NZA 2003, 407, 408; Korioth in Maunz/Dürig, Art. 140 - Art. 137 Rdnr. 41; Mummenhoff, NZA 1990, S. 585, 586.

[17] Korioth in Maunz/Dürig, Art. 140 - Art. 137 Rdnr. 44f.

[18] so Korioth in Maunz/Dürig,Art. 140 Rdnr. 38f.

[19] Schliemann in NZA 8/2003 S. 406, 412.

[20] BVerfGE 42, 312, 334; Korioth in Maunz/Dürig,Art. 140 - Art. 137 Rdnr. 46; Richardi/Thüsing,AuR 2002, S. 94, 96; Thüsing, JZ 2004, S. 172, 175.

[21] BVerfGE 53, S. 366, 401.

[22] Mummenhoff, NZA 1990, S. 585, 587.

[23] V.Campenhausen/De Wall, Staatskirchenrecht, § 15 S. 114f m.w.N.

[24] vgl. z.B. Art. 1 Abs. 4 der KVerf.

[25] Richardi § 4 Rdnr. 18.

[26] Richardi/Thüsing, AuR 2002, S. 94, 95.

[27] Richardi § 4 Rdnr. 11; V.Campenhausen in v.Mangoldt/Klein/Starck, Art. 137 WRV Rdnr. 81f; Briza S. 57; alle m.w.N.

[28] Briza S. 56 m.w.N.

[29] Link, ZevKR 2005, S. 403, 417; V.Campenhausen/De Wall, Staatskirchenrecht, § 21 S. 180 m.w.N.; V.Campenhausen in v.Mangoldt/Klein/Starck Art. 137 WRV Rdnr. 84 m.w.N.

[30] Schilberg S. 70f m.w.N.; Briza S. 53 m.w.N.

[31] Schilberg S. 71 m.w.N.

[32] Thüsing, JZ 2004, S.172, 176.

[33] V.Campenhausen in v.Mangoldt/Klein/Starck Art. 137 WRV Rdnr. 85 m.w.N.; siehe auch Triebel S. 190f.

[34] vgl. V.Campenhausen/De Wall, Staatskirchenrecht, § 21 S. 180f m.w.N.

[35] Entspricht einer Kirche der Leuenberger Konkordie.

[36] Die Anlage umfasst derzeit zwölf anerkannt christliche Kirchen.

[37] Ausführlicher: Reichegger, S. 9f m.w.N.

[38] Baumann-Czichon/Germer § 10 Rdnr. 3; gleiches gilt auch für die JAV: vgl. Baumann-Czichon/Germer § 49 Rdnr. 4; und sogar für die Hinzuziehung eines Beistandes: vgl. Baumann-Czichon/Germer § 61 Rdnr. 5.

[39] vgl. Baumann-Czichon/Germer § 18 Rdnr. 5.

[40] vgl. Weber, ZevKR 2002, S. 221, 223f.

[41] Ausführlich siehe auch Emmert, Kapitel 4.

[42] Müller-Volbehr S. 32.

[43] Oppermann § 6 Rdnr. 513; Emmert § 12 Rdnr. 7.

[44] Müller-Volbehr S. 32.

[45] Mückl, Europäisierung des Staatskirchenrechts S. 409f m.w.N.

[46] Czermak B I Nr. 1; Jeand’Heur § 21 Rdnr. 371 m.w.N.

[47] De Wall, ZevKR 2000, S. 157, 159; Mückl, Europäisierung des Staatskirchenrechts S. 410ff m.w.N.

[48] De Wall, ZevKR 2000, S. 157, 160.

[49] Fey, AuR 2005, S. 348, 351.

[50] Czermak B I Nr. 2.

[51] Mückl, Europäisierung des Staatskirchenrechts S. 412f m.w.N.

[52] Kehlen S.114ff.

[53] vgl. Müller-Volbehr S. 103.

[54] Kehlen, S.114ff.; Mückl, Europäisierung des Staatskirchenrechts S. 423f m.w.N.; a.A.: Müller-Volbehr S. 103.

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Details

Titel
Die Auswirkungen des Europarechts auf das kirchliche Arbeitsrecht der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers
Untertitel
Das Antidiskriminierungsrecht
Hochschule
Niedersächsische Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Hildesheim
Veranstaltung
Kirchliches Arbeitsrecht
Note
13 Punkte
Autor
Jahr
2007
Seiten
50
Katalognummer
V196266
ISBN (eBook)
9783668735514
ISBN (Buch)
9783668735521
Dateigröße
701 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
auswirkungen, europarechts, arbeitsrecht, landeskirche, hannovers, beispiel, antidiskriminierungsrechts
Arbeit zitieren
Rüdiger-Mirco Nijenhof (Autor:in), 2007, Die Auswirkungen des Europarechts auf das kirchliche Arbeitsrecht der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/196266

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