Infotainment als Wettbewerbsstrategie - Unterhaltungselemente in den Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und Sat.1


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

40 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Allgemeine Tendenzen
2.1 Thesen zum Dualen Rundfunksystem
2.2 Tendenzen in der Programmstruktur

3. Wettbewerbsstrategien
3.1 Grundmodell des Wettbewerbs
3.2 Positionierung im Gesamtprogramm
3.3 Ausweitung des Nachrichtenangebots
3.4 Zuschauererwartungen und Rezeptionsbedingungen

4. Unterhaltungselemente
4.1 formal-strukturelle Ebene
4.2 inhaltliche Ebene
4.3 Präsentationsebene

5. Fazit

6. Quellenverzeichnis

7. Anhang
7.1 Daten der analysierten Sendungen
7.2 Übersicht 1: Basisdaten
7.3 Übersicht 2: Sendeabläufe
7.4 Übersicht 3: Themenanalyse
7.5 Übersicht 4: Beitragslängen
7.6 Transkription (Auszug)

1. Einleitung

Wie Andreas Wittwen anhand einer Auszählung der Begriffsnennung v.a. im amerikanischen Kulturraum feststellt[1], scheint Infotainment seit Ende der 80er Jahre zu einem regelrechten Leit- oder Modewort in der Fernsehindustrie avanciert zu sein und verdeutlicht auch in Deutschland die zunehmende Tendenz, Information und Unterhaltung zu verbinden, wenn nicht gar zu vermischen.

Für eine Untersuchung dieses Phänomens im Rahmen der Analyse von Unterhaltungselementen in Nachrichtensendungen ist zunächst eine Definition dessen, was man in diesem Zusammenhang unter Information bzw. Unterhaltung versteht, notwendig. Dabei ergeben sich verschiedene Probleme der Abgrenzung. Zum einen ist eine eindeutige, über eine allgemeine Begrifflichkeit des Informierens bzw. Unterhaltens[2] hinausgehende Definition kaum möglich. Vielmehr zeigt sich eine gewisse Abhängigkeit vom Untersuchungsgegenstand sowie von der Perspektive der Analyse.[3] Zum anderen enthält potentiell jede Sendung in jeweils unterschiedlicher Ausprägung sowohl Informations- als auch Unterhaltungselemente. Man sollte daher eher von einem Kontinuum als von klaren Grenzen zwischen den Kategorien Information, Unterhaltung (und Kultur als weiterer klassischer Programmgattung) ausgehen. So lassen sich die einzelnen Fernsehsendungen nicht immer ohne weiteres genau einer dieser Kategorien zuordnen, zumal das Informations- bzw. Unterhaltungsverständnis der Sender selbst keineswegs einheitlich ist.[4] Die Grenzen scheinen zunehmend zu verwischen, und eine Unterscheidung ist vielmehr nach Anteil und Gewichtung der einzelnen Elemente innerhalb der Sendung sinnvoll, wobei neben inhaltlichen auch formale Aspekte eine Rolle spielen.

Entsprechend des jeweils unterschiedlichen Verständnisses von Information bzw. Unterhaltung sowie deren Gewichtung variieren auch die Definitionen von Infotainment. Sprachwissenschaftlich handelt es sich bei diesem Begriff um eine Kontamination, d.h. um eine Wortkreuzung aus Information und Entertainment (Unterhaltung). Analoge Bildungen wie Docudrama (documentary + drama), Faction (fact + fiction), Sitcom (situation + comedy), Docutainment oder Edutainment (docymentary bzw. education + entertainment) zeigen, dass diese Bezeichnungen im allgemeinen wie medialen Sprachgebrauch durchaus produktiv und auf alle Bereiche und Genres anwendbar zu sein scheinen. Allein aus der Form der Zusammensetzung ist jedoch noch nicht deren Begriffsverhältnis erkennbar, d.h. ob es sich bei Infotainment um informierende Unterhaltung (also mit Schwerpunkt auf der Unterhaltungsfunktion), um unterhaltende Information (mit hauptsächlich informierendem Charakter) oder um eine Mischung von Information und Unterhaltung handelt, bei denen die Anteile und Funktionen gleichberechtigt nebeneinander stehen bzw. verteilt sind. Wittwen unterscheidet in diesem Sinne fünf Hauptbedeutungen im Gebrauch von Infotainment: Zum einen dient die Bezeichnung als Sammelbegriff für eine Vielzahl der Möglichkeiten unterhaltender Aufbereitung von Information (etwa durch thematische Auswahl oder formale Gestaltung in Bild und Sprache), als Oberbegriff für Sendungsformate, die Information und Unterhaltung „mischen“ (etwa das Frühstücksfernsehen, Reality-TV, Docudrama etc.) oder als sehr allgemein gehaltenes und für eine Kategorisierung, geschweige denn Charakterisierung wenig brauchbares Schlagwort für die Vermischung von Information und Unterhaltung in der Fernsehindustrie. Zum anderen wird Infotainment aber auch über den Medienbereich hinaus gebraucht als Modewort für eine Reihe zufälliger Augenblickszuordnungen in Literatur, Musik, Malerei bis hin zu Politik und Sport, sowie als Fachbegriff im Computerbereich für interaktive Lern- und Spielprogramme bzw. für die Verbindung von Computer und Fernsehen im zukünftigen Privathaushalt.[5]

Da es sich bei Nachrichtensendungen um klassische Informationssendungen handelt, d.h. die Informationsvermittlung trotz aller unterhaltender Elemente sowohl beim Produzenten als auch beim Rezipienten im Vordergrund steht, gehe ich bei meiner Analyse der Hauptnachrichtensendungen von der ersten Definition aus, d.h. von Infotainment als unterhaltende Aufbereitung von Informationen. Der Unterhaltungseffekt ergibt sich dabei aus dem Einsatz bestimmter Stimuli auf formaler, visueller und sprachlicher Ebene, die beim Zuschauer eine Aktivierung von Gefühlen und damit generell eine Emotionalisierung bewirken.[6]

Ziel dieser Arbeit ist es, mittels der Analyse derartiger Unterhaltungsfaktoren innerhalb von Fernsehnachrichtensendungen zu zeigen, dass Infotainment seitens der Sender bewusst als Strategie des Wettbewerbs um Zuschauer und Marktanteile eingesetzt wird, wobei sich eine gewisse Annäherung bzw. Konvergenz der einzelnen Sendungen in Bezug auf Themenwahl und Präsentationsform beobachten lässt. Vor der eigentlichen Analyse der konkreten Beispielsendungen soll zunächst ein kurzer Überblick in die Bedingungen der Nachrichtenproduktion einführen. Ausgehend von einigen allgemeinen Tendenzen und Entwicklungen in der Programmstruktur – insbesondere in Hinblick auf deren Anteile im Bereich der Information (Kapitel 2) – werden die verschiedenen Wettbewerbsstrategien der einzelnen Sender bezüglich ihres jeweiligen Nachrichtenkonzepts untersucht, wobei gerade im Nachrichtenbereich Zuschauererwartungen und Rezeptionshaltungen eine wichtige Rolle spielen (Kapitel 3). Wie sich diese Strategien auf die konkrete Gestaltung der Nachrichtensendungen auswirkt, zeigt schließlich die konkrete Analyse der sowohl auf inhaltlicher Ebene der Themenwahl sowie auf formaler Ebene der Präsentation eingesetzten Unterhaltungselemente (Kapitel 4). Anhand der dabei gewonnenen Erkenntnisse soll zugleich die bereits angedeutete These von der Konvergenz der Sender (insbesondere im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Fernsehen) überprüft werden. Um eine möglichst objektive Vergleichsbasis zu schaffen, erfolgte die Auswahl der untersuchten Sendungen nach bestimmten Kriterien, die sich vor allem aus der Struktur bzw. dem Profil der Sender ergeben. So beschränkt sich die Analyse auf sogenannte Vollprogramme (die im Gegensatz zu Spartenkanälen zumindest tendenziell, in jeweils unterschiedlicher Gewichtung der Programmanteile die drei Bereiche Information, Unterhaltung und Kultur abdecken), sowie innerhalb dieser wiederum auf die Hauptnachrichtensendungen mit ähnlichem Sendeformat und vergleichbarer Position im Nachrichtenkonzept des jeweiligen Senders. Unter Berücksichtung technischer Restriktionen[7] ergeben sich daraus als Materialgrundlage die Sendungen „Tagesschau“ (ARD), „heute“ (ZDF), „RTL aktuell“ (RTL) sowie „18:30“ (Sat.1) in Form einer Videoaufzeichnung und anschließender Transkription[8]. Der Untersuchungszeitraum umfasst eine natürliche Woche.[9]

2. Allgemeine Tendenzen

2.1 Thesen zum Dualen Rundfunksystem

Mitte der 80er Jahre kam es im Zuge der ersten Kabelpilotprojekte und der damit verbundenen Einführung erster privater Fernsehanbieter zu Diskussionen über Vor- und Nachteile des Dualen Rundfunksystems. Medienpolitisches Hauptargument für das Aufbrechen des öffentlich-rechtlichen Rundfunkmonopols waren die mögliche „Vielfaltserweiterung“ und zusätzliche Wahlmöglichkeiten für die Zuschauer durch neue, privat-kommerziell orientierte Fernsehanbieter.[10] Kritiker und Gegner bezweifelten allerdings eine solche Erweiterung der „Artenvielfalt“ im Gesamtprogramm oder in speziellen Bereichen wie Unterhaltung und Information und sahen vielmehr die Konflikte zwischen dem Kosten-Nutzen-Kalkül der Privatanbieter und der Aufgabe des Rundfunks als „Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung“.[11]

Bezugnehmend auf die Ergebnisse des Projektes „Programmstruktur- und Inhaltsanalyse des Rundfunkprogramms an den vier Kabelpilotprojektorten“ (PIA) gehen Schatz, Irmer und Marcinkowski 1989 von der Grundannahme einer Funktionsverschiebung des Fernsehens von seinen politischen und sozio-kulturellen Funktionen zu den ökonomischen Funktionen als Folge der Einführung privat-kommerzieller Anbieter aus, die sich neben quantitativen Unterschieden (Anteile von Information, Bildung und Unterhaltung am Gesamtprogramm) auch in qualitativen Veränderungen hinsichtlich der Programmbreite bzw. -vielfalt, seiner Tiefe (Informationsgehalt) und seiner Attraktivität äußern würden.[12] Neben den analysierten Unterschieden sowohl in quantitativen Proportionen als auch bezüglich der drei qualitativen Kriterien stellten Schatz u.a. aber ebenfalls konvergente Entwicklungen fest. Die von ihnen geprägte Konvergenzthese geht demzufolge von einer beiderseitigen Annäherung der Programme aus, die nicht zwangsläufig einen einseitigen Niveauverlust bedeutet. Vor allem in den Jahren 1985 bis 1989 fand demnach v.a. im Nachrichtenbereich eine selektive Imitation von bereits etablierten und den Zuschauererwartungen entsprechenden Strukturen und Elementen öffentlich-rechtlicher Programme seitens der Privatanbieter statt. Die öffentlich-rechtlichen Sender wiederum reagierten defensiv und anpassend hinsichtlich einer höheren Publikumsattraktivität mit steigenden Unterhaltungsanteilen. Ursache dafür sei das Streben nach optimaler Ausrichtung der Programme an Zuschauerpräferenzen innerhalb des Wettbewerbs.[13],[14]

Merten sieht für die Zeit 1983 – 1990 die Konvergenzprozesse umgekehrt, d.h. von öffentlich- rechtlichen Programme in Richtung der privaten Anbieter, wobei auch er die Nachrichten als Bereich einer deutlichen Annäherung angibt.[15] Udo Michael Krüger hingegen meint, zwischen 1986 und 1989 keine Konvergenz in der Hauptsendezeit ausmachen zu können. Vielmehr betont er die Stabilität öffentlich-rechtlicher Programmstrukturen und die deutlichen Differenzen hinsichtlich der Programmanteile von Information, Spielfilmen, Unterhaltungsshows und Sport.[16]

In diesem Zusammenhang wurde erstmals auch das Infotainment-Konzept (also die Vermischung von Information und Unterhaltung) diskutiert, an welchem sich vor allem die neuen privaten Anbieter orientierten, und als Folge des verstärkten Wettbewerbs um Zuschauer- und Werbemarkt eine Entpolitisierung und Kommerzialisierung befürchtet. Tatsächlich lassen sich infolge der Konkurrenz im Dualen Rundfunksystem gewisse Veränderungen beobachten, die sich im Bereich der Nachrichten vor allem als Standardisierung und Schematisierung, als zunehmende Visualisierung mit höherem „Augenkitzel“ sowie als Informalisierung und Personalisierung äußern.[17]

2.2 Tendenzen in der Programmstruktur

Hinsichtlich der Programmstrukturen der einzelnen Sender v.a. in Bezug auf die Anteile von Information und Bildung am Gesamtprogramm sind im Verlauf der letzten zehn Jahre unterschiedliche Entwicklungen festzustellen, wobei die entsprechenden Zahlen bei den Öffentlich-Rechtlichen generell deutlich über denen der Privaten liegen.[18] Während die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender auf die private Konkurrenz Anfang der 90er Jahre mit einer Erhöhung des Informationsangebotes reagieren[19] und sie sich damit quasi auf ihre traditionelle Kernkompetenz besinnen, nimmt der Programmanteil der Privaten an Information und Bildung bis 1995/96 fast kontinuierlich ab. Erst Ende der 90er Jahre scheinen insbesondere bei RTL, aber auch bei Sat.1 Informationssendungen zu einem festen und wichtigen Bestandteil des Programms zu avancieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ein Problem bei der Auswertung der Daten stellt jedoch – wie eingangs bereits angedeutet - die Definition von Information und damit die Zuordnung der einzelnen Sendungen zu den entsprechenden Programmkategorien dar. Neben reinen Nachrichtensendungen als die klassische Form der Informationssendung werden zu dem Bereich Information / Bildung so unterschiedliche Genres gezählt wie diverse Früh- und Mittagsmagazine, Regional-, Wissenschafts-, Ratgeber- und Tiersendungen, Reality TV sowie kulturelle, gesellschaftsorientierte, boulevardorientierte oder unterhaltungsorientierte Infosendungen.[20] Gerade bei den privaten Sendern ist bei der Ausweitung des Informationsangebotes eine Ausdifferenzierung im Bereich leichter, nicht politischer Information an der Grenze zur reinen Unterhaltung festzustellen.[21] Interessant ist in diesem Zusammenhang, welchen Anteil die klassischen Nachrichtensendungen im Informationsangebot der Sender ausmachen. Dabei ist zu beobachten, dass v.a. Sat.1 offenbar andere Formen der Informationsvermittlung einsetzt. Trotz des insgesamt ansteigenden Informationsangebots bleibt der Anteil an Nachrichtensendungen bei Sat.1 seit etwa 1993 konstant relativ niedrig, während sowohl bei ARD und ZDF als auch bei RTL dieser Anteil zumindest bis 1999 kontinuierlich steigt, wobei den (Haupt-) Nachrichtensendungen oft der Status des Flaggschiffes des jeweiligen Senders zugeschrieben wird.[22]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Bezug auf die Zuschauerzahlen und Marktanteile der Sendungen „Tagesschau“ (ARD), „heute“ (ZDF), „RTL aktuell“ (RTL) und „18:30“ (Sat.1) lassen sich hingegen zumindest seit Mitte der 90er Jahre abgesehen von leichten Schwankungen keine großen Veränderungen feststellen.[23] Dies spricht dafür, dass die Sender ihr jeweiliges Nachrichtenkonzept so auf- und ausgebaut zu haben scheinen, dass sie ein gewisses „Stammpublikum“ an sich binden konnten, zumal gerade in der Rezeption von Nachrichten Erwartungen und Gewohnheiten eine wesentliche Rolle spielen. Das wiederum beeinflusst logischerweise den Wettbewerb und schränkt die Strategien der Sender gerade in Hinblick auf neue Formen – etwa den verstärkten Einsatz von Unterhaltungselementen – mitunter stark ein.

3. Wettbewerbsstrategien

3.1 Grundmodell des Wettbewerbs

Ausgehend von den allgemeinen Tendenzen im Bereich der Programmstruktur lassen sich seitens der Sender bzw. Redaktionen unterschiedliche Strategien zur Optimierung ihrer Position auf dem Wettbewerbsmarkt feststellen. Diese zielen v.a. auf eine Maximierung der Zuschauerreichweite, und zwar nicht nur pauschal, sondern qualitativ gewichtet nach Zielgruppen. Gerade bei den Privatsendern geht es im Zusammenhang mit den Zuschauerzahlen letztlich um Gewinnmaximierung durch Werbeeinnahmen. Für Bartels stellt sich der Wettbewerb im dualen Fernsehsystem wie folgendes Grundmodell dar[24]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern gestaltet sich die Motivation für die Optimierung ihrer Marktposition etwas anders als bei den privaten. Da sie sich hauptsächlich über allgemein erhobene Rundfunkgebühren finanzieren, spielt der Wettbewerb um den Werbemarkt bei ihnen zunächst eine weniger wichtige Rolle.[25] Allerdings ergibt sich aus der Gebührenfinanzierung zum einen ein politisches Legitimationsproblem, dem nur mit hohen Einschaltquoten beizukommen ist (bei geringen Zuschauerzahlen lässt sich die pauschale Gebühr schwer rechtfertigen). Zum anderen sind die öffentlich-rechtlichen Sender an ihren Programmauftrag gebunden, der eine „Grundversorgung“, also ein umfassendes Gesamtprogramm an Information, Bildung und Unterhaltung sowie Meinungsvielfalt gewährleisten soll, was den Handlungsspielraum im Wettbewerb zusätzlich einschränkt.[26]

Hinsichtlich der Nachrichten lassen sich neben der Gestaltung der Sendungen selbst zwei grundsätzliche Strategien zur Optimierung der Wettbewerbssituation beobachten: zum einen die Positionierung der einzelnen Sendung im Gesamtprogramm (v.a. durch den Sendeplatz) und zum anderen die Ausweitung des Nachrichtenangebots insgesamt, wobei gerade diese nicht erst mit der Einführung des Dualen Rundfunksystems und den privaten Sendern, sondern bereits seit Mitte der 60er Jahre bei ARD und ZDF Anwendung fand, wie ein kurzer Blick auf die Programmgeschichte zeigt.

3.2 Positionierung im Gesamtprogramm

Mit dem Senderstart des Zweiten Deutschen Fernsehens sowie ersten Probeläufen der „heute“-Sendung bekam die seit 1956 täglich um 20 Uhr ausgestrahlte „Tagesschau“ der ARD im Frühjahr 1963 Konkurrenz. Entgegen vorheriger Absprachen sendete das ZDF seine tägliche Nachrichtensendung nicht um 19:50 Uhr (und damit mehr oder weniger parallel zur „Tagesschau“), sondern bereits um 19:30 Uhr.[27] Damit konnte auch das unterhaltende Abendprogramm des ZDF früher beginnen und Zuschauer der ARD-Nachrichten „abwerben“. Die ARD reagierte ihrerseits nicht mit einer Vorverlegung des Sendeplatzes, sondern mit attraktiven und parallel zur „heute“-Sendung laufenden Serien der Regionalprogramme sowie mit Ergänzungen zur 20 Uhr- Hauptausgabe der „Tagesschau“.[28] Die Strategie des Sendeplatzes nutzten dann auch die privaten Sender, um sich auf dem Markt und gegenüber den etablierten Nachrichtensendungen von ARD und ZDF behaupten zu können. So bedeutete der Sendebeginn des „Newsmagazins“ (Sat.1) um 19:00 Uhr einen direkten „Angriff“ auf die „heute“-Sendung des ZDF. Eine informelle Übereinkunft zwischen Sat.1, RTL und ProSieben im Jahr 1994 zur Vorverlegung ihres Hauptabendprogrammes von 20:15 auf 20 Uhr und damit parallel zur „Tagesschau“ der ARD wurde wieder aufgegeben. Trotzdem blieb es bis heute bei den relativ frühen Sendeterminen der Nachrichten, wobei eine Massierung um die 19 Uhr- Marke zu verzeichnen ist: „18:30“ (Sat.1) um 18:30 Uhr, „RTL aktuell“ (RTL) um 18:45 Uhr (statt anfangs 19:35 Uhr) sowie „heute“ (ZDF) um 19 Uhr. Der Sendeplatz der „Tagesschau“ um 20 Uhr scheint nur noch durch die lange Tradition gerechtfertigt.[29]

3.3 Ausweitung des Nachrichtenangebots

Gegenüber dem Aspekt des vorgezogenen Abendprogramms[30] spielt das Kriterium der Aktualität zur Aufwertung der Nachrichten bei den Überlegungen zum Sendeplatz meines Erachtens eine eher untergeordnete Rolle, zumal es mit der zweiten Strategie, der Ausweitung des Nachrichtenangebots weit effektiver umgesetzt werden kann. ARD und ZDF ergänzten ihre Hauptnachrichtensendungen bereits Ende der 70er Jahre um ein längeres Nachrichtenjournal, das am späten Abend v.a. über Hintergründe ausführlicher berichtet. Inzwischen bieten (fast) alle Sender über den ganzen Tag verteilt Nachrichten an – entweder als eigenständige Sendung oder in Form von Nachrichtenblöcken innerhalb anderer Sendungen. Bei den vier analysierten Sendern ARD, ZDF, RTL und Sat.1 ist das Minimum der Kombination von Hauptnachrichtensendung („Tagesschau“, „heute“, „RTL aktuell“ bzw. „18:30“) und Nachrichtenjournal („Tagesthemen“, „heute-Journal“, „Nachtjournal“ bzw. „Die Nacht“) fester und stark standardisierter Bestandteil des Abendprogramms, das vor allem am Morgen sowie in der Nacht durch zusätzliche Sendungen ergänzt wird. Vor allem ARD und ZDF zeigen dabei eine starke Tendenz zu beinah stündlicher Berichterstattung.[31]

[...]


[1] Wittwen, S.18f.

[2] informieren im Sinne von „benachrichtigen, von etwas in Kenntnis setzen bzw. aufklären, belehren“; unterhalten im Sinne von „Vergnügen bereiten, jmd. die Zeit vertreiben, belustigen, zerstreuen“ (vgl. entsprechende Einträge im Brockhaus Wahrig Deutsches Wörterbuch)

[3] Wittwen weist darauf hin, dass es drei verschiedene Perspektiven von Unterhaltung gibt: die Perspektive des Kommunikators, der bei der Produktion die Intention der Unterhaltung verfolgt; des weiteren die Text-Perspektive, zu welcher die Unterhaltungselemente zählen und schließlich die Rezipienten-Perspektive, also die Empfindung von Unterhaltung bzw. Unterhaltensein seitens der Zuschauer.

[4] Aus der unterschiedlichen Zuordnung von Sendungen zu Programmkategorien je nach Auffassung der einzelnen Sender ergeben sich auch Schwierigkeiten in der Statistik, was beispielsweise den Anteil von Information am Gesamtprogramm angeht. (vgl. Kapitel 2 – Allgemeine Tendenzen)

[5] Wittwen, S.22f.

[6] vgl. Huh, S.35ff.

[7] Da sich die Sendungen zum Teil zeitlich überschneiden und mir lediglich zwei Videorekorder zur Verfügung standen, war es mir nicht möglich, Nachrichten anderer Sender wie Pro Sieben und damit mehr als die angegeben Sendungen aufzunehmen und zu analysieren. Da jedoch mit ARD, ZDF, RTL und Sat.1 die vier großen Sendergruppen erfasst sind, wirkt sich diese Einschränkung meines Erachtens nicht auf die Aussagefähigkeit der analysierten Daten aus.

[8] Ein Teil dieser Transkription ist der Arbeit als Anhang beigefügt.

[9] 13.-19.11.2000; Da sich die analysierten Sendungen bis auf einige Neuerungen im graphischen Bereich bis heute kaum verändert haben, können die Ergebnisse der Analyse trotz des bereits drei Jahre alten Sendematerials im wesentlichen auch auf die heutige Situation übertragen werden.

[10] Schatz/ Irmer/ Marcinkowski, S.5

[11] ebd.

[12] ebd., S.7

[13] Bartel, S.28ff.

[14] Als weiterer Grund für die Konvergenz von Programminhalten wird die zunehmende Konkurrenz auf dem Beschaffungsmarkt um verfügbare Kaufprogramme und Übertragungsrechte (insbesondere für Unterhaltungs- und Sportsendungen) und gleichzeitig schrumpfende (finanzielle) Spielräume für teure Auftrags- und Eigenproduktionen genannt. vgl. Schatz/ Irmer/ Marcinkowski, S.22

[15] Merten, S.159f.

[16] Krüger (1991), S.84f.

[17] vgl. dazu Wettbewerbsstrategien (Kapitel 3) und insbesondere Kapitel 4

[18] Die folgenden Angaben beziehen sich auf die von der SWR Medienforschung erhobenen Daten (in: Media Perspektiven Basisdaten). Diese sind i.d.R. durch andere Quellen bestätigt, jedoch weichen gerade die Angaben der Sender selbst mitunter von diesen Zahlen ab, was meist auf eine andere Berechnungsgrundlage aufgrund eines unterschiedlichen Informationsverständnisses zurückzuführen ist. Zugunsten einer einheitlichen Vergleichsbasis gehe ich auf diese differierenden Zahlen jedoch nicht weiter ein und beschränke mich auf die Angaben der Media Perspektiven. Eine Übersicht dieser Basisdaten ist dieser Arbeit im Anhang beigefügt.

[19] Der Anteil von Information und Bildung am Gesamtprogramm pegelt sich im Laufe der Jahre um die 40% (ARD) bzw. 45% (ZDF) ein und ist seitdem relativ stabil. Lediglich 1991/92 ist kurzzeitig ein deutlich geringerer Anteil zu verzeichnen.

[20] vgl. Media Perspektiven 7/2000, S.283

[21] Krüger (2000), S.279f.

[22] vgl. dazu auch Kapitel 3 – Ausweitung des Nachrichtenangebots als Wettbewerbsstrategie

[23] vgl. dazu im Anhang Übersicht 1: Basisdaten

[24] Bartels, S.36

[25] Allerdings erweisen sich auch hier sinkende Werbeeinnahmen zunehmend als Problem, da die Gelder der Rundfunkgebühr für die Finanzierung der Sender allein nicht ausreichen.

[26] Dafür genießen die öffentlich-rechtlichen Sender verfassungsrechtlichen Schutz und damit eine Bestands- und Entwicklungsgarantie.

[27] Nachdem 1969 der Beginn der „heute“-Sendung auf 19:45 Uhr verschoben wurde, ist seit 1973 bis heute 19 Uhr der feste Sendeplatz der ZDF-Nachrichten.

[28] vgl. Ludes

[29] Allerdings diskutierte 1995 auch die ARD im Bereich des Nachrichtenjournals eine Vorverlegung der „Tagesthemen“ von 22:30Uhr auf 21:45Uhr und damit zeitgleich zum konkurrierenden „heute-Journal“.

[30] Interessanterweise „füllen“ die Sender die gegenüber der „Tagesschau“ gewonnene Zeit v.a. mit Serien, Quiz-Shows u.ä., während die Spielfilme als klassisches Hauptabendprogramm durchweg erst um 20:15Uhr und damit nach der „Tagesschau“ beginnen.

[31] Auf eine Aufzählung der einzelnen Sendungen, Sendezeiten und -längen soll hier verzichtet werden – ein Blick in eine Programmzeitschrift genügt, um das gestiegene Nachrichtenangebot zu dokumentieren.

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Infotainment als Wettbewerbsstrategie - Unterhaltungselemente in den Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und Sat.1
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Kultur- und Kunstwissenschaften / Seminar für Theaterwissenschaft und Kulturelle Kommunikation)
Veranstaltung
Wirtschaftliche und inhaltliche Veränderungen der deutschen Medienlandschaft nach 1985
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
40
Katalognummer
V19699
ISBN (eBook)
9783638237574
Dateigröße
641 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Infotainment, Wettbewerbsstrategie, Unterhaltungselemente, Hauptnachrichtensendungen, Wirtschaftliche, Veränderungen, Medienlandschaft
Arbeit zitieren
Astrid Lukas (Autor:in), 2003, Infotainment als Wettbewerbsstrategie - Unterhaltungselemente in den Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und Sat.1, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19699

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