Massenmedien und Gewalt

Ein kurzer Überblick aus dem Jahr 1997


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 1997

15 Pages, Note: 1

Anonyme


Extrait


Inhalt

1. Einleitung

2. Definition von Gewalt

3. Modelle zur Wirkung der Massenmedien
3.1 Die Katharsisthese
3.2 Die Inhibitionsthese
3.3 Die Stimulationsthese
3.4 Die Lerntheorie
3.5 Die Suggestionsthese
3.6 Die These der allgemeinen Erregung
3.7 Die Habitualisierungsthese
3.8 Die Hypothese der Rechtfertigung von Verbrechen
3.9 Die These der Wirkungslosigkeit

4. Massenmediale Auswirkungen auf die Gesellschaft
4.1 Die Kontroll- und Reflexionsthese
4.2 Die Eskapismustheorie
4.3 Strukturelle Gewalt (indirekte Gewalt)

5. Sexuelle Gewalt

6. Kommerzialisierung des Fernsehens

7. Methoden der Wirkungsforschung
7.1 Felduntersuchungen versus Laborstudien
7.2 Die Vielseherforschung

8. Wirkungsforschung
8.1 Die Struktur von Gewaltdarstellungen in den Medien
8.1 Expertenbefragung/Problemgruppenanalyse
8.1.1 Psychiater und Psychologen
8.1.2 Richter und Staatsanwälte

9. Nachrichten und Gewalt

10. Schlußanmerkungen

1. Einleitung

Die Diskussion um die Wirkung von Gewaltdarstellungen in den Massenmedien ist ein in der Öffentlichkeit immer wieder auftauchendes Thema: Von den einen wird das Fernsehen als Ausgeburt des Teufels betrachtet, die unsere Kultur zerstört und eine Bedrohung für die Menschheit darstellt, während die anderen all diese Vorwürfe abstreiten und keine gefährlichen Auswirkungen befürchten. Vor kurzem ist durch einen vierzehnjährigen Jungen, der mit einer Axt auf seine Cousine und eine Nachbarin einhackte nach dem er sich den Film „Freitag de 13.“ ansah. In dieser Arbeit wird vor allem auf das Fernsehen eingegangen, da es wohl das wichtigste Medium hinsichtlich Gewaltdarstellungen und deren Effekte verkörpert, aber auch andere Medien, wie beispielsweise Comics, Computerspiele oder Bücher, können hier eine Rolle spielen (z.B. wurde in Norwegen ein Kriminaldelikt der Panzerknackerbande eines Micky-Maus-Hefts imitiert[1] ). Die Diskussion über die Wirkungen von Gewaltdarstellungen ist schon sehr lange existent: z.B. wurde schon im antiken Griechenland diskutiert, ob Märchenerzählern den Kindern durch Geschichten über Greueltaten falsche Gedanken zuführen, die sie eigentlich nicht haben sollten.

Um die Wirkung von Gewaltdarstellungen zu analysieren, ist es vor allem wichtig, zu betrachten, welche Inhalte unter welchen Umständen auf welche Individuen wie wirken, eine Verallgemeinerung der Auswirkungen auf die breite Masse ist nahezu unmöglich.

Zum Thema „Massenmedien und Gewalt“ sind unzählige Studien durchgeführt worden und es gibt eine Unmenge von Theorien und Modellen, jedoch ist die Interpretation der Untersuchungsergebnisse sehr problematisch, da beinahe jeder Wissenschaftler seine Studien auf irgendeine Weise so auslegen kann, daß seine eigene Meinung bestätigt wird. Auch sind viele Studien von vornherein schon so ausgelegt, daß sie eine bestimmte Theorie untermauern. Hier soll vor allem auf die wichtigsten Theorien und Thesen eingegangen werden, aber auch auf gesellschaftliche Aspekte und Expertenbefragung, den Gewaltbegriff an sich und die Berichterstattung über Gewaltverbrechen.

2. Definition von Gewalt

Der Begriff “Gewalt” ist aufgrund seiner vielfältigen Erscheinungsformen schwer zu definieren, es ist daher nicht eindeutig klar, wann man von Gewalt spricht. Hieraus folgt, daß bei Forschungsarbeiten der zweifelsfreie Nachweis von z.B. Gewaltwellen oder der Tendenz zur Verrohung der Gesellschaft grundsätzlich nicht möglich ist. Durch die große Breite von Operationalisierungen, die aus der mangelnden Begrifflichkeit hervorging, wurde Gewalt mit Hilfe von vielen verschiedenen Verfahren gemessen (z.B. Bobo-Doll, Elektroschocks austeilen lassen, Luftballons zerplatzen lassen, Fragebögen, usw.). Aus diesen Tests gingen viele verschiedene und oft sogar gegensätzliche Ergebnisse hervor. Daraus ergab sich die Notwendigkeit der Eingrenzung des Gewaltbegriffes mit der Zielsetzung, ihn auf eine klare und eindeutige Definition festzulegen.

Unter personaler Gewalt wird die “beabsichtigte physische und/oder psychische Schädigung einer Person, von Lebewesen und Sachen durch eine andere Person”[2] verstanden.

Doch auch bei dieser auf den ersten Blick griffigen Definition stößt man auf Probleme: Wie definiert man die Absicht? Wie klassifiziert man unbeabsichtigte Verhaltensweisen, die vom Rezipienten als aggressiv wahrgenommen werden?

Zudem muß gesagt werden, daß bei Experimenten das Alter der Versuchspersonen von entscheidender Wichtigkeit ist. Nach Kohlberg[3] können z.B. Kinder erst mit sieben oder acht Jahren zwischen Gut und Böse unterscheiden; d.h., daß Versuche mit Kindern nicht übertragbar sind auf die erwachsene Bevölkerung.

3. Modelle zur Wirkung der Massenmedien

Die ersten Theorien gehen davon aus, daß ein omnipotentes Medium die wehrlosen Rezipienten nach Belieben beeinflussen kann (vgl. Stimulus-Response Modell); das soziale Umfeld und die Persönlichkeit wurden hierbei vernachlässigt, die breite Masse wurde als leicht manipulierbar eingeschätzt, bei jedem wurde die gleiche Wirkung erwartet.

Doch sobald man individuelle Unterschiede berücksichtigte (Intelligenz, Wahrnehmung, Persönlichkeit...), wurde dieses Modell widerlegt, es folgte das S-O-R Modell: Der Organismus wurde jetzt als Filter verstanden, der die Wirkung individuell modifiziert; es wurde jetzt auch die selektive Aufmerksamkeit und Wahrnehmung beachtet, die bei jeder Person variiert.

Abgesehen von der sogenannten Publikumsforschung (Wirkung von Massenmedien auf Individuen) werden von der Forschung andere ebenso wichtige Bereiche noch weitgehend vernachlässigt, wie z.B. die Wirkung von Massenmedien auf Gesamtsysteme (z.B. Gesamtgesellschaften).

3.1 Die Katharsisthese

Die Katharsisthese besagt, daß die Bereitschaft des Rezipienten, selbst aggressives Verhalten zu zeigen, zurückgeht, wenn er Gewaltakte an fiktiven Modellen beobachtet und sie dynamisch „miterlebt“/verarbeitet. Die Phantasiemodelle wirken nach dieser These so, als ob der Rezipient selbst gehandelt hätte. Katharsis bedeutet: die Vollziehung jeder aggressiven Tat führt zur Verminderung des Stimulus zu weiterer Aggression. Die Massenmedien werden hier als „Triebventil“ angesehen, das zur Reduktion des Aggressionstriebes führt. Die Katharsisthese kann jedoch als empirisch widerlegt angesehen werden.

3.2 Die Inhibitionsthese

Bei der Inhibitionsthese werden anstelle von kathartischen Wirkungen hemmende Effekte gesetzt, d.h., das Betrachten von fiktiven oder realen aggressiven Verhaltensweisen führt zu Aggressionsängsten oder Schuldgefühlen. Diese Wirkung tritt dann besonders stark auf, wenn die nachteiligen Folgen aggressiver Handlungen deutlich dargestellt werden. Die Inhibitionsthese kann als Spezifizierung der kognitiven Lerntheorie angesehen werden (s.u.).

3.3 Die Stimulationsthese

Die Stimulationsthese besagt, daß bei durch Frustration bedingt emotional erregten Individuen der Konsum von aggressiven Medieninhalten (die dem derzeitig vorherrschenden Ärgernis ähneln) Aggression auslöst und stimuliert.

Bei einem Experiment von L.Berkowitz wurde eine Versuchsperson von einem Versuchsleiter verärgert (z.B. durch ein unlösbares Puzzle), dann wurde der Vpn ein als violent eingestufter Film vorgeführt, wonach die Vpn den sie vorher frustrierenden Versuchsleiter bei einem vorgeblichen Lernexperiment mit Elektroschocks für Fehler bestrafen konnte.

Die Interpretation der vorliegenden Ergebnisse des Experiments in der Weise, daß Aggression durch das Ansehen von fiktiver Gewalt gefördert würde, kann jedoch kritisiert werden: Erstens kann man das Stimulusmaterial als untypisch ansehen (ein kurzer Boxkampf), zweitens können die Elektroschocks von der Versuchsperson als hilfreich für den Lernerfolg angesehen werden (und nicht als Akt der Aggression) und drittens kann bei diesem Versuch nicht auf die Langzeitwirkung rückgeschlossen werden.

3.4 Die Lerntheorie

Die Lerntheorie vertritt die Hypothese, daß häufiges Ansehen von gewalttätigen Medieninhalten insbesondere Jugendliche und Kinder mit latenten aggressiven Handlungsmustern versorgt, die in bestimmten Situationen in die Tat umgesetzt werden können; die Entwicklung der Persönlichkeit von Jugendlichen wird durch den Einfluß von Mediengewalt modifiziert: Man spricht hier vom sogenannten Beobachtungslernen, jedoch ist die Ausführung von Gelerntem stark von den erwarteten Konsequenzen abhängig; wenn beispielsweise Belohnungen oder positive Auswirkungen erwartet werden, ist die Wahrscheinlichkeit des Ausführens größer (vgl. Dagmar Krebs, in: Merten/Schmidt/Weischenberg, 1994, 364f).

Hier sind aber auch kompensierende Einflüsse nicht zu vernachlässigen, die kognitiven Aggressionsaufbau eindämmen (z.B. das Gespräch mit den Eltern im Anschluß an den Konsum von violenten Fernsehsendungen).

Um so mehr die gesehenen Modelle der Realität entsprechen, desto eher werden sie nachgeahmt. Ein wichtiger Faktor ist auch der Bezug des Individuums zum gezeigten Modell. Zwar ist die in Fernsehsendungen gezeigte Gewalt meistens erfolgreich und wird als alltägliches und normales Verhalten gezeigt, wobei die Spannung des jeweiligen Films die Aufmerksamkeit sichert, jedoch sind für das Erlernen und Nachahmen violenten Verhaltens das soziale Umfeld, die Persönlichkeit und die kognitive Reife/Intelligenz des Rezipienten die entscheidenden Faktoren. Sieht beispielsweise ein gesellschaftlich integriertes Kind, dessen moralische Werte auf Rücksicht und Toleranz basieren, gewalttätige Filme an, ist es durchaus möglich, daß es sich von den gesehenen Inhalten emotional distanziert und sie als negativ einstuft (vgl. Kleiter 1994, in: Kunczik 1996). Die Pilotstudie von Kleiter, in der 82 Schüler aus der dritten bis sechsten Klasse der Hauptschule untersucht wurden, kam zu dem Ergebnis, daß Mediengewalt nur ein Nebenfaktor bei der Aggressionsbildung ist, und daß beispielsweise soziale Integrität und Persönlichkeit neben weiteren Faktoren hier eine größere Rolle spielen und auch die Auswirkungen des Konsums violenter Medieninhalte beeinflussen.

Die vielen Studien, die zum Thema Massenmedien und Gewalt durchgeführt wurden, stellen insgesamt gesehen eine schwache Beziehung zwischen Mediengewalt und Aggression fest; genau dieses Ergebnis wäre lerntheoretisch gesehen auch zu erwarten, wenn man die vielen Drittvariablen betrachtet, die beim Aggressionsaufbau auch eine Rolle spielen. Nach diversen Experimenten gilt es als nachgewiesen, daß aggressive Menschen aggressive Medieninhalte bevorzugen, wobei es bei diesen Menschen durch den Konsum zu einer Aggressionssteigerung und zu einem gesteigerten Verlangen nach violenten Inhalten kommen kann.

[...]


[1] Die Täter versahen den über dem Nachtsafe einer Bank hängenden Briefkasten mit dem Hinweis, daß der Safe kaputt sei. Die Kunden sollten den Briefkasten benutzen, um ihr Geld zu deponieren - Die Täter konnten den Briefkasten leicht aufbrechen und erbeuteten 200.000 Norwegische Kronen

[2] Kunczik, 1996, 12

[3] 1969, in: Kunczik 1996

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Massenmedien und Gewalt
Sous-titre
Ein kurzer Überblick aus dem Jahr 1997
Université
LMU Munich  (Institut für Kommunikationswissenschaft)
Cours
Proseminar 1: Theorien und Modelle der Massenkommunikation
Note
1
Année
1997
Pages
15
N° de catalogue
V196
ISBN (ebook)
9783638101479
ISBN (Livre)
9783638876346
Taille d'un fichier
590 KB
Langue
allemand
Mots clés
Massenmedien, Gewalt, Proseminar, Theorien, Modelle, Massenkommunikation
Citation du texte
Anonyme, 1997, Massenmedien und Gewalt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/196

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