Das ›Schachzabelbuch‹ Konrads von Ammenhausen ist die ausführlichste deutsche Bearbeitung im Gefolge der lateinischen Schachallegorie des Jacobus de Cessolis. Dessen ›Liber de ludo scakorum et de moribus hominum tam nobilium quam popularium‹ war der erste Text, der das Bild vom Schachspiel für eine umfassende, nach gesellschaftlichen Gruppen gegliederte Verhaltenslehre nutzte. Diese Schachbücher bieten keine Anleitung zur Austragung von Schachpartien, die tatsächlichen Spielregeln treten fast vollständig zurück. Statt dessen beschreiben sie das Schachbrett als Abbild der Welt bzw. der idealisierten Stadt Babylon und die Figuren des Schachspiels als Vertreter der Stände sowie einzelner Berufsgruppen, um anhand derer und unter Zuhilfenahme von Exempeln und Sentenzen eine breit angelegte Gesellschaftslehre zu entwickeln. ...
In der Forschung hat verschiedentlich für Aufsehen gesorgt, daß mit der achten der ›gemeinen‹ Figuren, dem achten Bauern oder ›Venden‹, sogar eine sich außerhalb der sozialen Konventionen bewegende Gestalt, eine in weiten Teilen negativ gekennzeichnete Figur der auf dem Schachbrett dargestellten Gesellschaft anzugehören scheint. Denn neben dem Boten symbolisiert der achte Vende im Werk Konrads von Ammenhausen auch denjenigen, der verschwendet, und den Spieler. Auf die Untersuchung dieser Schachfigur und der durch sie dargestellten Personengruppen konzentriert sich die vorliegende Arbeit.
Wie die meisten anderen Figuren der Bauernreihe ist auch der achte Vende mit mehreren Gruppen besetzt. Doch während sich der Bote problemlos in das bis zu diesem Schlußteil der Auslegungen bezüglich der gemeinen Figuren eingehaltene Berufe-Schema fügt, ist dies bei den zwei anderen Ausdeutungen des achten Venden nicht der Fall. Diese stellen augenscheinlich keine handwerklichen Beschäftigungen, sondern ständisch zunächst einmal nicht differenzierte Verhaltensweisen von Individuen dar. Im Gegensatz zu den Berufen und Gewerben, denen die anderen Venden nachgehen, können Verschwendung und Spiel von vornherein nicht wertneutral betrachtet werden: Sie sind ganz offensichtlich als Untugenden einzuschätzen.
Wie fügen sich derjenige, der verschwendet, und jener, der dem Spiel frönt, in ein Werk ein, welches normsetzende Wirkung hat und auf das Verhalten seiner Leser einwirken will? Welche Funktion erfüllt der achte Vende in dem auf dem Schachbrett dargestellten gesellschaftlichen Gefüge, und wie läßt sich seine Aufnahme in das Schachbuch begründen?
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1. Problemstellung
- 1.2. Zu Übersetzung und Kommentar
- 1.3. Zur Vorgehensweise der Untersuchung
- 1.4. Forschungsüberblick
- 2. Zur Anbindung sozialer Denkfiguren und gesellschaftstheoretischer Traditionen an didaktische Konzepte
- 3. Zu Überlieferung und Edition des ›Schachzabelbuchs‹ Konrads von Ammenhausen
- 4. Zu Autor und Werk
- 5. Übersetzung und Kommentar
- 5.1. Übersetzung
- 5.2. Kommentar
- 6. Der achte Vende im ›Schachzabelbuch‹ Konrads von Ammenhausen
- 6.1. Kapitelaufbau und Erzählstil
- 6.2. Die Schachfigur und ihre Attribute
- 6.3. Die einzelnen Ausdeutungen
- 6.3.1. Derjenige, der verschwendet
- 6.3.1.1 Tugenden, Laster und Normen
- 6.3.1.2 Funktionsweise und Verhaltensanweisungen der Exempel
- 6.3.1.2.1 Pseudo-Boethius
- 6.3.1.2.2 Johannes von Canacia
- 6.3.1.2.3 Die Witwe und der Narr
- 6.3.1.3 Figurenanalyse für die Exempel
- 6.3.1.3.1 Lukrez und sein Sohn
- 6.3.1.3.2 Johannes von Canacia, seine Schwiegersöhne und Töchter
- 6.3.1.3.3 Die Witwe und der Narr
- 6.3.1.4 Intendiertes Publikum
- 6.3.1.5 Gesamtdarstellung des Abschnitts
- 6.3.2. Der Spieler
- 6.3.2.1 Tugenden, Laster und Normen
- 6.3.2.2 Funktionsweise und Verhaltensanweisungen der Exempel
- 6.3.2.2.1 Sankt Bernhard und der Spieler
- 6.3.2.2.2 Sankt Bernhard und der besessene Mönch
- 6.3.2.3 Figurenanalyse für die Exempel
- 6.3.2.3.1 Sankt Bernhard
- 6.3.2.3.2 Der Spieler
- 6.3.2.3.3 Der Mönch
- 6.3.2.4 Intendiertes Publikum
- 6.3.2.5 Gesamtdarstellung des Abschnitts
- 6.3.3. Der Bote
- 6.3.3.1 Tugenden, Laster und Normen
- 6.3.3.2 Exempel
- 6.3.3.3 Intendiertes Publikum
- 6.3.3.4 Gesamtdarstellung des Abschnitts
- 6.4. Gesamtbild und Funktion der Schachfigur
- 6.5. Der achte Vende als Ausdeutung von Außenseitern oder Randgruppen?
- 6.5.1. Beispielhafte Forschungsmeinungen
- 6.5.2. Randgruppen und Außenseiter in der mittelalterlichen Gesellschaft
- 6.5.3. Jeder kann der achte Vende sein
- 7. Schlußbetrachtung
- Darstellung des achten Venden im Schachzabelbuch
- Soziale und gesellschaftliche Bedeutung der Figur
- Interpretation der Exempel im Zusammenhang mit dem achten Venden
- Kontextualisierung innerhalb der spätmittelalterlichen Gesellschaftslehre
- Vergleich mit anderen Auslegungen der Schachfigur in ähnlichen Werken
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den achten Bauern, den "achten Venden", im Schachzabelbuch Konrads von Ammenhausen. Ziel ist es, die Darstellung dieser Figur und der damit verbundenen Personengruppen zu analysieren und deren Bedeutung im Kontext der mittelalterlichen Gesellschaft zu ergründen.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema ein und beschreibt das Schachzabelbuch Konrads von Ammenhausen als ausführlichste deutsche Bearbeitung der lateinischen Schachallegorie des Jacobus de Cessolis. Sie erläutert die Problemstellung, die sich auf die Analyse des achten Venden konzentriert, und skizziert die Vorgehensweise der Untersuchung sowie den Forschungsüberblick zum Thema. Besondere Aufmerksamkeit wird der einzigartigen Darstellung des achten Venden als Figur außerhalb sozialer Konventionen gewidmet, im Gegensatz zu den sonst idealisierten Ständen im Werk.
2. Zur Anbindung sozialer Denkfiguren und gesellschaftstheoretischer Traditionen an didaktische Konzepte: Dieses Kapitel beleuchtet vermutlich den theoretischen Rahmen, in dem das Schachzabelbuch entstanden ist. Es wird die Verbindung zwischen sozialen Denkmodellen des Mittelalters und den didaktischen Konzepten des Buches untersucht. Dies könnte den Kontext für die moralische und gesellschaftliche Botschaft des Werkes liefern, insbesondere im Hinblick auf die Darstellung von Randgruppen und Außenseitern wie dem achten Venden.
3. Zu Überlieferung und Edition des ›Schachzabelbuchs‹ Konrads von Ammenhausen: Dieses Kapitel analysiert die Überlieferungsgeschichte des Schachzabelbuchs und die verschiedenen Editionen. Es wird sich mit der Frage beschäftigen, wie die unterschiedlichen Versionen und handschriftlichen Überlieferungen das Verständnis des Werkes und speziell der Darstellung des achten Venden beeinflussen können.
4. Zu Autor und Werk: Dieses Kapitel bietet Informationen über Konrad von Ammenhausen, den Autor des Schachzabelbuchs, sowie eine detaillierte Analyse des Werks selbst. Es wird Kontextualisierung des Werkes innerhalb des zeitgenössischen kulturellen und intellektuellen Kontextes ermöglichen. Dies beinhaltet wahrscheinlich die Einordnung des Werkes in die Tradition der Schachallegorien und die Analyse des Autors Stil und seiner Intentionen.
5. Übersetzung und Kommentar: Hier wird die angewandte Übersetzungsmethode und der Kommentar zum Schachzabelbuch detailliert erläutert. Das Kapitel beschreibt die Herausforderungen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der Übersetzung und Interpretation des Textes getroffen wurden, und begründet deren Relevanz für das Verständnis des Werkes. Die Auswahl der Übersetzung und deren Auswirkungen auf die Interpretation des achten Venden werden hier beleuchtet.
6. Der achte Vende im ›Schachzabelbuch‹ Konrads von Ammenhausen: Das zentrale Kapitel untersucht den achten Venden, eine ungewöhnliche Figur im Kontext des Werkes, als Repräsentation von Außenseitern und Randgruppen. Es wird eine detaillierte Analyse des Kapitelaufbaus und des Erzählstils erfolgen, um die Funktion und Bedeutung dieser Figur innerhalb der gesamten Gesellschaftslehre des Buches zu erfassen. Die verschiedenen Ausdeutungen des achten Venden (der Verschwender, der Spieler, der Bote) werden im Detail analysiert und in Beziehung zueinander gesetzt.
Schlüsselwörter
Schachzabelbuch, Konrad von Ammenhausen, Jacobus de Cessolis, Mittelalter, Schachallegorie, Gesellschaftsspiegel, Ständelehre, achte Vende, Außenseiter, Randgruppen, Moral, Didaktik, Exempel, Figurenanalyse.
Häufig gestellte Fragen zum Schachzabelbuch Konrads von Ammenhausen
Was ist der Gegenstand der vorliegenden Arbeit?
Die Arbeit analysiert den achten Bauern, den „achten Venden“, im Schachzabelbuch Konrads von Ammenhausen. Der Fokus liegt auf der Darstellung dieser Figur und der damit verbundenen Personengruppen, sowie deren Bedeutung im Kontext der mittelalterlichen Gesellschaft.
Welche Aspekte des achten Venden werden untersucht?
Die Untersuchung umfasst die Darstellung des achten Venden im Schachzabelbuch, seine soziale und gesellschaftliche Bedeutung, die Interpretation der zugehörigen Exempel, die Kontextualisierung innerhalb der spätmittelalterlichen Gesellschaftslehre und einen Vergleich mit anderen Auslegungen der Schachfigur in ähnlichen Werken.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel: Einleitung, Anbindung sozialer Denkfiguren und gesellschaftstheoretischer Traditionen an didaktische Konzepte, Überlieferung und Edition des Schachzabelbuchs, Autor und Werk, Übersetzung und Kommentar, Der achte Vende im Schachzabelbuch und Schlussbetrachtung. Kapitel 6 ist dem achten Venden gewidmet und unterteilt sich in detaillierte Analysen der einzelnen Ausdeutungen dieser Figur (der Verschwender, der Spieler, der Bote).
Welche Ausdeutungen des achten Venden werden betrachtet?
Die Arbeit untersucht drei Hauptaspekte des achten Venden: denjenigen, der verschwendet, den Spieler und den Boten. Für jede dieser Ausdeutungen werden die Tugenden, Laster und Normen, die Funktionsweise der Exempel, die Figurenanalyse, das intendierte Publikum und eine Gesamtdarstellung des Abschnitts analysiert.
Welche Rolle spielen die Exempel in der Analyse?
Die Exempel (Beispielerzählungen) spielen eine zentrale Rolle, da sie die verschiedenen Ausdeutungen des achten Venden illustrieren und somit ein tieferes Verständnis seiner Bedeutung ermöglichen. Die Analyse der Exempel umfasst die Identifizierung der Akteure, die Untersuchung ihrer Handlungen und die Interpretation der moralischen Botschaften.
Wie wird der achte Vende im Kontext der mittelalterlichen Gesellschaft gesehen?
Der achte Vende wird als Repräsentation von Außenseitern und Randgruppen interpretiert. Die Arbeit untersucht, wie diese Figur die gesellschaftlichen Normen und Konventionen des Mittelalters widerspiegelt und hinterfragt.
Welche Quellen werden verwendet?
Die Arbeit basiert auf dem Schachzabelbuch Konrads von Ammenhausen, dessen Überlieferungsgeschichte und verschiedenen Editionen berücksichtigt werden. Zusätzlich werden relevante Werke zur spätmittelalterlichen Gesellschaftslehre und zur Interpretation von Schachallegorien herangezogen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Schachzabelbuch, Konrad von Ammenhausen, Jacobus de Cessolis, Mittelalter, Schachallegorie, Gesellschaftsspiegel, Ständelehre, achte Vende, Außenseiter, Randgruppen, Moral, Didaktik, Exempel, Figurenanalyse.
Welche Bedeutung hat die Übersetzung des Schachzabelbuchs für die Arbeit?
Die Übersetzung des Schachzabelbuchs ist von zentraler Bedeutung, da sie die Grundlage der Analyse bildet. Das Kapitel zur Übersetzung und zum Kommentar erläutert die angewandte Methode und die getroffenen Entscheidungen, inklusive der Auswirkungen auf die Interpretation des achten Venden.
Wie wird der Kontext des Schachzabelbuchs beleuchtet?
Der Kontext des Schachzabelbuchs wird durch die Analyse der Überlieferungsgeschichte, die Darstellung des Autors und seines Werkes sowie die Einordnung in die Tradition der Schachallegorien und die zeitgenössische Gesellschaftslehre beleuchtet. Der theoretische Rahmen, in dem das Werk entstanden ist, wird ebenfalls untersucht.
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- Christina Wagner-Emden (Autor), 2004, Studien zum Schachzabelbuch des Konrad von Ammenhausen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197101