[...] Folglich ist der Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit die Frage: Sind NGOs an der Reproduktion
der heterosexuellen dualen Geschlechterkonstruktion beteiligt, oder üben sie, und wenn ja, wie, Herrschaftskritik.
Und wie verhalten sie sich zur Gleichheits-/ Differenzdebatte? Unterstützen sie das Begehren
nach Anerkennung von Differenzen, einer Pluralität von Lebensformen oder versuchen sie,
diejenigen die sie unterstützen mit ihren „Unzulänglichkeiten“ in die jetzige Gesellschaft zu assimilieren? Bei dieser Frage wird davon ausgegangen, dass der theoretische gender-Diskurs seinen Fokus
auf die Annerkennung von Differenzen legt, während die Realpolitik eine Gleichstellung zwischen
Mann und Frau (und damit gefangen im heterodualem Bild) verfolgt und damit den Fokus auf die
Gleichheitsdebatte legt. Aus diesem Grund ist die Positionierung der NGOs interessant, um zu sehen
inwieweit sie theoretische Ansätze in die Realität umgesetzt haben.
In der vorangegangenen Arbeit der Autorin, einer Analyse von Internetauftritten von Menschenrechtsorganisationen
(AMNESTY FOR WOMEN) und Frauen-NGOs (EUROPEAN WOMEN LOBBY)
bestätigte sich, dass nicht nur das heterosexuelle, duale Geschlechterkonstrukt tief verwurzelt ist, sondern
überhaupt nicht zur Disposition steht. Weiterhin wurden in den Selbstdarstellungen der untersuchten
NGOs immer wieder Frauen als Opfer und zu unterstützende Individuen gezeichnet. Aus diesem
Grund soll der Kernpunkt dieser Arbeit, auf den Geschlechterbildern liegen, die die NGOs zeichnen.
Geschlechterbilder sollen als kollektives Symbol gesehen werden, als kulturelle Stereotypen, die
gemeinschaftlich in der Gesellschaft, benutzt, abgebildet und tradiert werden. Für die Untersuchung werden in einer Diskursanalyse Internetauftritte von NGOs analysiert, die sich
mit gender-Identitäten befassen. Alle zu untersuchenden Organisationen befassen sich mit soziogeschlechtlichen
Themen und bewegen sich nicht unmittelbar im heterosexuellen Kontext. Fälschlicherweise
könnte nun angenommen werden, dass NGOs, die außerhalb des dualen heterosexuellen
Geschlechterkonstruktes angesiedelt sind, einer Untersuchung nicht bedürften, da sie von vornherein
aus diesem Konstrukt heraus fallen. Die These der Autorin ist jedoch, dass auch diese NGOs reproduktiv
an den hegemonialen Geschlechterdiskursen beteiligt sind. [...]
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Historischer Abriss der Geschlechterkonstruktionen
- 2.1 Antike
- 2.1.1 Die Eingeschlechtkonstruktion
- 2.2 Aufklärung Die duale Geschlechterkonstruktion
- 2.2.1 Das 'Dritte Geschlecht'
- 2.2.2 Entstehung der Gleichheits/ Differenzdebatte; oder zu Zeiten Marx und Freuds
- 2.3 Feministische Konstrukte
- 2.3.1 Frau als Opfer
- 2.3.2 Gleichheits/ Differenzdebatte
- 2.3.3 sex und gender
- 2.3.4 doing gender
- 2.3.5 Postmoderne/ Diskurs
- 2.3.6 Dekonstruktion
- 2.3.7 Queer-Theorie oder die Pluralität der Geschlechter
- 2.3.8 Transgendering
- 2.4 Zusammenfassung
- 2.5 Exkurs neoliberaler Transformationsprozess
- 3. Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs)
- 3.1 Was sind NGOs?
- 3.2 Phänomen NGO
- 3.3 Die Legitimationsfrage und Macht von NGOs
- 3.4 NGOs als öffentliche Meinungsbildner
- 3.5 NGO als Verschiebungsmodel von Hegemonien?
- 3.6 Zusammenfassung
- 4. Methode der Diskursanalyse
- 4. 1 Materialkorpus
- 4.2. Kriterien der Analyse
- 5. Analyse der Web Auftritte
- 5.1 AG Lesben und Asyl
- 5.1.1 Arbeitsziel der AG
- 5.1.2 Frauen/Lesben als Konzept der Nicht-Intelligibilität
- 5.1.3 Unsichtbare Frauen/Lesben in Familien
- 5.1.4 Diskriminierungen und Menschenrechtverletzungen an Frauen/Lesben
- 5.1.5 Mit NGOs zur Intelligibilität
- 5.1.6 Zusammenfassung
- 5.2 The International Lesbian and Gay Association (ILGA)
- 5.2.1 Gestaltungsmacht
- 5.2.2 Geschlechterkonstruktion
- 5.2.3 Diskriminierung
- 5.2.4 Zusammenfassung
- 5.3 TransMann
- 5.3.1 Geschlechterkonstruktion
- 5.3.2 Medizinischer Diskurs
- 5.3.3 Rechtlicher Diskurs an Hand des Transsexuellen-Gesetzes (TSG)
- 5.3.4 Politisch-sozialer Diskurs
- 5.3.5 Emanzipation
- 5.3.6 Integration/ Unsichtbarkeit
- 5.3.7 Zusammenfassung
- 5.4 Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit analysiert die Gestaltungsmacht von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) hinsichtlich der Konstruktion von Geschlecht. Im Fokus steht die Frage, ob NGOs die heterosexuelle, duale Geschlechterkonstruktion reproduzieren oder - und wenn ja, wie - Herrschaftskritik üben. Die Arbeit untersucht, wie sich NGOs zur Gleichheits-/ Differenzdebatte verhalten und ob sie das Begehren nach Anerkennung von Differenzen oder eine Assimilation der unterstützten Personen in die bestehende Gesellschaft fördern.
- Die Rolle von NGOs in der Konstruktion von Geschlecht
- Analyse des Einflusses von NGOs auf die Gleichheits-/ Differenzdebatte
- Die Relevanz von NGOs für die Anerkennung von Differenzen in der Gesellschaft
- Die Relevanz von NGOs für die Sichtbarmachung von "unsichtbaren" Geschlechterkonstruktionen
- Die potenzielle Rolle von NGOs in der Dekonstruktion von hegemonialen Geschlechterdiskursen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einem historischen Abriss der Geschlechterkonstruktionen, wobei verschiedene Theorien und Konzepte von der Antike bis zur Postmoderne beleuchtet werden. Anschließend werden Nichtregierungsorganisationen (NGOs) als "Containerbegriff" vorgestellt, ihre Funktionen und ihre Rolle in der Gestaltung des öffentlichen Diskurses werden analysiert.
Die Arbeit widmet sich dann der Methode der Diskursanalyse, die zur Untersuchung der Web-Auftritte von NGOs eingesetzt wird, die sich mit gender-Identitäten beschäftigen. Die Analyse fokussiert auf die AG Lesben und Asyl, die International Lesbian and Gay Association (ILGA) sowie TransMann. Jedes Kapitel beleuchtet die Geschlechterkonstruktionen, die in den jeweiligen Web-Auftritten sichtbar werden, sowie die Rolle von NGOs im Diskurs über Diskriminierung, Integration und Emanzipation.
Schlüsselwörter
Die Diplomarbeit beschäftigt sich mit den zentralen Themen der Geschlechterkonstruktion, NGOs, Diskursanalyse, Intelligibilität, Unsichtbarkeit, Gleichheits-/ Differenzdebatte, Hegemonie, Neoliberalismus und Transgendering. Die Arbeit analysiert die Konstruktion von Geschlecht durch NGOs im Kontext von Diskriminierung, Emanzipation und Integration. Weitere relevante Begriffe sind gender-Identitäten, Menschenrechte, Sichtbarkeit und politische Gestaltungsmacht.
- Quote paper
- Wiebke Bötefür (Author), 2003, Intelligibilitäten und Unsichtbarkeiten - Diskursanalyse über die Konstruktion von Geschlecht durch NGOs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19711