Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 EINFÜHRUNG IN DIE THEMATIK
2 DIE DEUTSCH-SOWJETISCHEN- UND IHRE NACHFOLGEVERTRÄGE
2.1 DIE DEUTSCH-SOWJETISCHEN VERTRÄGE
2.1.1 Der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt
2.1.1.1 Inhalt des Vertrages
2.1.1.2 Geheimes Zusatzprotokoll
2.1.2 Der deutsch-sowjetischer Grenz- und Freundschaftsvertrag
2.1.2.1 Inhalt des Vertrages
2.1.2.2 Die Zusatzprotokolle
2.2 DIE DEUTSCH-BALTISCHEN UMSIEDLUNGSPROTOKOLLE
2.3 DIE BALTISCH-SOWJETISCHEN BEISTANDSPAKTE
3 AUSWIRKUNGEN AUF DIE BALTISCHEN STAATEN
3.1 AUSWIRKUNGEN AUF STAATSEBENE
3.2 AUSWIRKUNGEN AUF DIE BALTISCHE BEVÖLKERUNG
3.2.1 Umsiedlung der Baltendeutschen
3.2.2 Sowjetisierung des Baltikums
4 RESUMÉ UND ABSCHLIESSENDE GEDANKEN
TABELLEN- UND ABBILDUNGSVERZEICHNIS
LITERATURVERZEICHNIS
DOKUMENTENVERZEICHNIS
1 Einführung in die Thematik
„Als wichtigste Aufgabe [...] eine neue Ordnung der ethnographischen Verhältnisse, das heißt, eine Umsiedlung der Nationalitäten, so, daß sich am Abschluß der Entwicklung bessere Trennungslinien ergeben, als es heute der Fall ist.“
Adolf Hitler (Hitler 82)
Beim obigen Zitat handelt es sich um einen Auszug aus der Rede Adolf Hitlers (1889-1945) vom 6. Oktober 1939, in welcher Hitler seine Ziele und Visionen sowie Ansprüche an sich und das deutsche Volk artikulierte. Wie dem vorangestellten Zitat entnommen werden kann, beabsichtigte der Diktator eine Neuordnung Europas. Dieses Vorhaben, gepaart mit einer aggressiven Rassenpolitik, hatte für Europa weitreichende Konsequenzen, die selbst in heutiger Zeit das moderne Europa massgeblich mitgestalten1. Ein nicht unwesentliches Fundament der Rede sind vorangegangene Verträge zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion, deren Inhalte in der Rede paraphrasiert werden. Aufgrund der hohen Tragweite dieser Verträge, setzt sich die vorliegende Arbeit mit der Fragestellung auseinander, welchen Inhalt die deutsch-sowjetischen- und deren Nachfolgeverträge behandeln und welche Bedeutung ihnen für die baltischen Staaten zugeschrieben werden kann. Um dies herauszufinden, wird das Themenfeld aus zwei Perspektiven beleuchtet.
Im ersten Teil dieser Arbeit werden der Hitler-Stalin-Pakt und seine Nachfolgeverträge auf deren Inhalt hin überprüft. Die Untersuchung findet nur anhand des Wortlauts der eigentlichen Verträge und deren Zusatzprotokolle statt. Daher ist diese von grammatikalischer Natur. Nach erfolgreicher Analyse und Herauskristallisierung der wesentlichen Vertragspunkte wird im zweiten Teil der Arbeit untersucht, welche Auswirkungen die Verträge auf das Baltikum hatten. Diese Auswirkungen werden anhand von Primär- und Sekundärquellen aufgezeigt. Es wird zwischen zwei Ebenen differenziert. Einerseits handelt es sich dabei um Konsequenzen auf Staatsebene, andererseits um Konsequenzen für die Bevölkerung.
Zunächst soll mit der Analyse der Verträge begonnen werden.
2 Die deutsch-sowjetischen- und ihre Nachfolgeverträge
Die europäische Ordnung nach dem Ende des ersten Weltkrieges im Jahre 1918 war massgeblich vom Friedensvertrag von Versailles und den Vorstellungen der Mitglieder des Völkerbundes abhängig (vgl. Société des Nations). Zahlreiche Gebiete wurden nach dem ersten Weltkrieg zu unabhängigen Staaten, sogenannte Pufferstaaten, welche den in Russland aufkommenden Kommunismus eindämmen sollten. Diese Staaten bildeten einen Wall, den sogenannten „Cordon Sanitaire“. In diesen fallen auch die baltischen Staaten. Nach Hitlers Vorstellungen jedoch sollten diese Gebiete zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion aufgeteilt werden (vgl. Hitler). Um dies zu bewerkstelligen wurden deutsch-sowjetische- (1939) ,deutsch-baltische- (1939-41) und baltisch-sowjetische Verträge (1939) unterzeichnet. Diese Verträge gilt es nun auf das Baltikum betreffende Vertragspunkte zu untersuchen.
2.1 Die deutsch-sowjetischen Verträge
Die deutsch-sowjetischen Verträge und deren Zusatzprotokolle wurden beide im Jahre 1939 durch Reichsaussenminister Ribbentrop (1893-1946) und durch den russischen Volkskommissar Molotow (1890- 1986) unterzeichnet.
2.1.1 Der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt
In der öffentlichen Debatte findet der am 23. August 1939 unterzeichnete Nichtangriffspakt vielerlei Bezeichnungen. So wird oft der Name „Hitler-Stalin-Pakt“ oder „Molotow-Ribbentrop-Pakt“ verwendet (Bisovsky, Schafranek und Streibel). Im Laufe dieser Arbeit werden die Begriffe synonym verwendet.
2.1.1.1 Inhalt des Vertrages
Die Präambel
Im vorangestellten Teil werden zunächst die Sowjetunion und das Deutsche Reich als Vertragsparteien benannt. Die mit diesem Vertrag einhergehenden Friedensabsichten werden betont. Auch wird zum Ausdruck gebracht, dass der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt auf dem Berliner Vertrag von 1926 und somit gleichzeitig auf dem 1922 unterzeichneten Vertrag von Rapallo aufbaut2.
Die einzelnen Artikel
Der erste Artikel des Vertrages hält fest, dass weder das Deutsche Reich noch das Sowjetrussland in irgendeiner Form eine „aggressive“ Handlung gegenüber dem Vertragspartner ausüben darf. Im zweiten Artikel wird zum Ausdruck gebracht, dass keine Partei ein drittes Land unterstützen darf, welches mit einem der beiden vertragschliessenden Ländern im militärischen Konflikt steht. In der dritten Bestimmung wird manifestiert, dass beide Parteien in ständigem Dialog zueinander stehen sollen. Der vierte Artikel unterbindet Beteiligungen an Mächtegruppierungen, die sich gegen eine der Vertragsparteien richten. Der fünfte Artikel behandelt den Fall, dass Deutschland und die Sowjetunion selbst im Konflikt miteinander stehen. Beide verpflichten sich diesen Konflikt auf eine friedliche Weise zu lösen. Artikel sechs bestimmt die Gültigkeit des Vertrages auf zehn Jahre. Im siebten Artikel wird die Ratifizierung behandelt. So tritt der Vertrag unmittelbar nach Unterzeichnung in Kraft (vgl. Deutsch-sowjetischer Nichtangriffsvertrag).
Aufgrund obiger Untersuchung kann festgehalten werden, dass die baltischen Staaten nicht Gegenstand der offiziellen Vereinbarungen sind. Deshalb wird im Folgenden ein geheimes Zusatzprotokoll des Vertrages untersucht.
2.1.1.2 Geheimes Zusatzprotokoll
Das am selben Abend unterschriebene geheime Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Pakts behandelt die sogenannten „Interessensphären in Osteuropa“ (Geheimes Zusatzprotokoll des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrages). Hierunter fallen auch die baltischen Staaten. So wird im ersten Passus festgehalten, dass im Falle einer Umgestaltung Osteuropas Finnland, Estland und Lettland unter die Kontrolle der sowjetischen Macht fallen. Litauen hingegen soll dem deutschen Gebiet zugeordnet werden (vgl. Geheimes Zusatzprotokoll des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrages).
2.1.2 Der deutsch-sowjetischer Grenz- und Freundschaftsvertrag
Die Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag erfolgte am 28. September 1939. Zeitlich ist dieser damit nach dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt einzuordnen.
2.1.2.1 Inhalt des Vertrages
Präambel
In der Präambel erfolgt die Legitimation des Vertrages. Beide Staaten erkennen es als ihre Pflicht an „die Ruhe und Ordnung wiederherzustellen und den dort lebenden Völkerschaften ein ihrer völkischen Eigenart entsprechendes friedliches Dasein zu sichern“ (Deutsch-sowjetischer Grenz- und Freundschaftsvertrag).
Die einzelnen Artikel
Im ersten Artikel wird die in Abbildung 1, Map 1 dargestellte Teilung Osteuropas festgehalten. In Artikel zwei bekennen sich die beiden Vertragsparteien zu dieser Teilung. Artikel drei manifestiert, dass die Gebiete westlich der Trennlinie dem Deutschen Reich, die Gebiete östlich hingegen der Sowjetunion zugeordnet werden. Im vierten Artikel werden die friedlichen Absichten sowie die deutsch-sowjetische Freundschaft wiederholend betont. Artikel fünf gleicht Artikel sieben des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts: Der Vertrag tritt unmittelbar nach Unterzeichnung in Kraft.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1- Deutsch-sowjetischer Grenzverlauf vor (Map 1) und nach (Map 2) Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Grenz-und Freundschaftsvertrag am 28.09.1939.
Quelle: Library of economics and liberty, <http://econlog.econlib.org/archives/800px-Ribbentrop-Molotov.PNG>
2.1.2.2 Die Zusatzprotokolle
Der deutsch-sowjetische Grenz- und Freundschaftsvertrag bringt einige geheime und vertrauliche Protokolle mit sich. Untersucht werden nur jene Protokolle, die das Baltikum betreffen.
Geheimes Zusatzprotokoll bezüglich der Abänderung der Grenzverläufe Das am 28. September 1939 unterzeichnete Dokument3 ordnet das litauische Gebiet nachträglich der Interessensphäre der Sowjetunion zu. Lediglich ein kleiner Teil Südostlitauens bleibt in deutscher Hand. Im Gegenzug dazu werden die polnischen Städte Lublin und Warschau dem Deutschen Reich zugeordnet. Der eigenständige Staat Litauen wird damit Tauschgegenstand der beiden Grossmächte. Die durch dieses Zusatzprotokoll modifizierte Grenzlinie wird in Abbildung1, Map 2 dargestellt. Unabhängig von der neuen Grenzziehung behält sich Deutschland das Recht zur wirtschaftlichen Interaktion mit Litauen vor.
[...]
1 Gemeint ist damit beispielsweise die staatliche Ordnung Europas oder der rechtspositivistische Charakter mancher Artikel europäischer Verfassungen.
2 An dieser Stelle wird davon ausgegangen, dass der Leser mit dem Berliner Vertrag von 1926 sowie mit dem Vertrag von Rapallo 1922 und deren Bedeutung vertraut ist.
3 vgl. „Geheimes Zusatzprotokoll bezüglich der Abänderung der Grenzverläufe des deutsch-sowjetischen Grenzund Freundschaftsvertrages“ im Dokumentenverzeichnis.