In der deutschen Literatur trifft man immer wieder auf Autoren, die von den Normen ihrer Zeit abweichen und somit eine außerordentliche Sonderstellung einnehmen. Speziell E.T.A. Hoffmann gilt als ein solch „skurriler Sonderfall“ der deutschen Literatur. Besonders bezüglich seiner Erzählung „Des Vetters Eckfenster“ liegen die Positionen und Ergebnisse der Forschung weit auseinander. E.T.A. Hoffmann verzichte hier auf all das, was sonst einen bedeutsamen Bestandteil seiner Werke ausmache, nämlich das Unheimliche, das Übernatürliche, das Phantastische.
In „Des Vetters Eckfenster“ führt der durch Krankheit, sowohl in körperlicher, als auch in schriftstellerischer, jedoch nicht in geistiger Hinsicht gelähmte Vetter den jungen Ich-Erzähler in „die Primizien der Kunst zu schauen“ ein. Anhand eines äußeren Objekts, dem Marktgeschehen des Berliner Gendarmenmarktes, welcher sich vor dem Fenster des Vetters abspielt, demonstriert der Vetter, indem er einzelne Individuen aus dem Gesamtbild hervorhebt und ihnen Geschichten auf den Leib schneidert, die Anwendung des serapiontischen Prinzips und versucht somit den Blick des Ich-Erzählers zu schulen.
In der Literaturforschung, insbesondere seit den sechziger Jahren aber, wird Hoffmann aufgrund dieses Zusammenhangs, der Schau ausgehend von einem äußeren Objekts, die Hinwendung zum Realismus attestiert. „Des Vetters Eckfenster“ sei Hoffmanns Versuch einer neuen Poetik des Schauens, mit welcher er sich sowohl von der Romantik abwende, als auch dem serapiontischen Prinzip eine Absage erteile. Doch wird nicht auch schon in der Formulierung des serapiontischen Prinzips, die Unaufhebbarkeit der Außenwelt „als Hebel der inneren Bilder“ betont? Wenn die Außenwelt allerdings für die innere Schau als unabdingbar gilt, ist somit nicht gerade das, was hier als Ansatz einer neuen, realistischen Poetik gewertet wird ein konstanter Bestandteil der Erzählungen E.T.A. Hoffmanns? Vielmehr führt er in „Des Vetters Eckfenster“ das romantische Ideal der Absolutierung des Subjekts ad absurdum und entwickelt so eine funktionierende Schreibweise, die den Forderungen der Romantik weit mehr gerecht wird. Somit ist es Ziel dieser Arbeit aufzuzeigen, dass „Des Vetters Eckfenster“ nicht mit Hoffmanns Abkehr von der Romantik und der Hinwendung zum Realismus gleichzusetzen ist, sondern als eine der Anforderungen des literaturwissenschaftlichen Konstrukt der romantischen Epoche entsprechenden Poetik anzusehen ist...
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Positionen der Forschung: Die Rezeption Hoffmanns später Erzählung „Des Vetters Eckfenster“
- Das poetologische Prinzip des heiligen Serapion
- Romantische Elemente und Motive in „Des Vetters Eckfenster“
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Interpretation von E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Des Vetters Eckfenster“ und analysiert, ob diese als Abkehr von der Romantik und Hinwendung zum Realismus interpretiert werden kann. Im Fokus steht dabei die Frage, ob Hoffmanns in „Des Vetters Eckfenster“ präsentierte Poetik als Ausdrucksform der Romantik oder als Ausdruck einer neuen, realistischen Schreibweise zu werten ist.
- Rezeption von „Des Vetters Eckfenster“ in der Literaturforschung
- Das poetologische Prinzip des heiligen Serapion
- Romantische Elemente in „Des Vetters Eckfenster“
- Analyse der Anwendung des serapiontischen Prinzips in „Des Vetters Eckfenster“
- Neubestimmung von E.T.A. Hoffmanns Position in der Epoche der Romantik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Position E.T.A. Hoffmanns in der deutschen Literatur und stellt seine Erzählung „Des Vetters Eckfenster“ als Besonderheit in seinem Werk heraus. In der Rezeption des Werks in der Literaturforschung werden kontroverse Interpretationen, die zwischen Romantik und Realismus changieren, beleuchtet. Das zweite Kapitel erläutert das serapiontische Prinzip, welches die Grundlage für die Interpretation des Textes bildet. Im dritten Kapitel wird „Des Vetters Eckfenster“ anhand der Themenstellung und der Anwendung des serapiontischen Prinzips analysiert. Die Schlussbetrachtung soll E.T.A. Hoffmanns Position in der Konstruktion der Epochengliederung neu bestimmen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beleuchtet die Rezeption von E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Des Vetters Eckfenster“ in der Literaturwissenschaft. Dabei stehen die Interpretation des Werks in Bezug auf Romantik und Realismus, das serapiontische Prinzip, die Anwendung dieses Prinzips im Text und die Positionierung von E.T.A. Hoffmann in der Epoche der Romantik im Vordergrund. Die Analyse fokussiert auf die Analyse der Erzählstruktur, die Bedeutung der Außenwelt, die Verbindung zwischen Romantik und Realismus in Hoffmanns Werk sowie die Relevanz des serapiontischen Prinzips für die romantische Poetik.
- Quote paper
- Christian Paga (Author), 2004, E.T.A. Hoffmann "Des Vetters Eckfenster" - Bekenntnis zur Romantik oder Versöhnung mit dem Realismus?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197325