Das internationale System des vergangenen Jahrhunderts war weitgehend
geprägt von der Blockkonfrontation des Ost-West-Konfliktes. Letztendlich erwies
sich das Sowjetimperium jedoch als unhaltbare Utopie. Als westliches Bündnis
zur kollektiven Verteidigung verlor die NATO ihr klares Feindbild und sah sich
folglich eines wesentlichen Teiles ihrer Existenzgrundlage beraubt. Zum
legitimen Fortbestehen unterzog sich die Allianz in den 90er Jahren einem
grundlegenden Wandel, der sich schematisch mit den Schlagwörtern Öffnung,
Neuorientierung und Umstrukturierung umreißen läßt.
Der vorliegende Aufsatz skizziert die historisch essentiellen Eckpunkte der
Bündnisgenese und stellt anschließend den Transformationsprozeß in Bezug mit
diversen theoretischen Konzepten der Internationalen Politik. Aufgrund seiner
breiten Resonanz wird zunächst der (Neo-)Realismus betrachtet. Dabei zeigt
sich, dass seine Prämissen nicht in Einklang mit aktuell empirischen
Entwicklungen zu bringen sind. Es folgt der Versuch, die herauskristallisierten
Mängel anhand einer analytischen Verknüpfung von Interdependenzansatz,
(neoliberalen) Institutionalismus und Regimetheorie zu überbrücken. Die
Organisationstheorie liefert eine wesentliche Ergänzung im Bereich des
Verständnisses internationaler Normen. Kurze Erwähnung findet das Phänomen
des demokratischen Friedens, das auf Hypothesen des Idealismus beruht.
Aus der Betrachtung der genannten Theoriebilder lassen sich anschließend zwei
Definitionen des Sicherheitsbegriffes ableiten: Die Annahme einer Dimension
objektiver Sicherheit scheint ein subjektives Sicherheitsverständnis
grundlegend in Frage zu stellen. Bei erneuter Überprüfung durch historische
Fakten zeigt sich, dass es sich nicht wirklich um Alternativkonzepte handelt,
sondern lediglich verschiedene Ebenen analysiert werden: Zusammenfassend
wird die These entwickelt, dass angesichts wachsender Interdependenzen
subjektive Sicherheitsinteressen der Staaten nahezu zwingend internationalobjektive
Sicherheitskooperation zur Folge haben. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Die strategischen Neuorientierung der NATO seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes im Kontext der Theorien Internationaler Politik und deren Sicherheitsverständnis
- Die Entstehung der NATO
- Der Wandel der NATO: Öffnung, Neuorientierung und Umstrukturierung
- Die Relevanz theoretischer Konzepte
- Der (Neo-)Realismus und die NATO-Transformation
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Aufsatz analysiert die strategische Neuorientierung der NATO seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes. Er beleuchtet die Veränderungen der Allianz im Kontext verschiedener Theorien der Internationalen Politik und deren Sicherheitsverständnis. Dabei wird untersucht, inwiefern diese Theorien das Handeln der NATO erklären können.
- Die Entstehung der NATO als Bündnis zur kollektiven Verteidigung im Ost-West-Konflikt
- Die Transformation der NATO in den 1990er Jahren: Öffnung, Neuorientierung und Umstrukturierung
- Die Relevanz theoretischer Konzepte der Internationalen Politik für die Analyse der NATO-Transformation
- Die Rolle des (Neo-)Realismus und seine Grenzen bei der Erklärung des NATO-Wandels
- Die Bedeutung von Interdependenz, Institutionalismus und Regimetheorie für das Verständnis der NATO-Entwicklung
Zusammenfassung der Kapitel
- Das erste Kapitel beleuchtet die Entstehung der NATO als Bündnis zur kollektiven Verteidigung gegen die Bedrohung durch den Sowjetblock. Der Fokus liegt auf den Gründungsmitgliedstaaten, den strategischen Herausforderungen und dem Sicherheitsverständnis im Kalten Krieg.
- Das zweite Kapitel untersucht den Transformationsprozess der NATO nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes. Die Öffnung gegenüber neuen Mitgliedsstaaten, die Erschließung neuer Funktionen und die Reform innerer Strukturen werden analysiert.
- Das dritte Kapitel stellt verschiedene theoretische Konzepte der Internationalen Politik vor und bewertet deren Relevanz für die Erklärung des NATO-Wandels. Der Fokus liegt auf dem (Neo-)Realismus und seinen Schwächen bei der Interpretation der aktuellen Entwicklungen der Allianz.
- Im vierten Kapitel werden alternative theoretische Ansätze wie der Interdependenzansatz, der Institutionalismus und die Regimetheorie betrachtet. Es wird untersucht, inwieweit diese Konzepte das Handeln der NATO besser erklären können als der (Neo-)Realismus.
Schlüsselwörter
Dieser Essay konzentriert sich auf die Themen NATO, strategische Neuorientierung, Internationale Politik, Sicherheitsverständnis, Ost-West-Konflikt, Realismus, Neorealismus, Interdependenz, Institutionalismus, Regimetheorie, Kooperation, Sicherheit, Transformation, Öffnung, Neuorientierung, Umstrukturierung.
- Quote paper
- Philipp Lehmann (Author), 2000, Die strategische Neuorientierung der NATO seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes im Kontext der Theorien Internationaler Politik und deren Sicherheitsverständnis, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19782