In der reinen Außenhandelstheorie herrschte bis zum Ende der siebziger Jahre
annähernd Übereinstimmung darüber, daß Freihandel vom Gesichtspunkt der
gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt optimal ist und daher protektionistische
Maßnahmen abzulehnen sind.1 Grundlage für diesen wissenschaftlichen Konsens
war David Ricardos Theorie der komparativen Kostenvorteile aus dem Jahr 1817,
auf deren Annahmen nahezu alle außenwirtschaftlichen Modelle seit jener Zeit
beruhten.2
Das Resultat dieses traditionellen Ansatzes steht allerdings im offensichtlichen
Widerspruch zum tatsächlichen Verhalten der Länder, die weiterhin Handelsbarrieren
errichten oder aufrechterhalten.3 Es erscheint unwahrscheinlich, daß alle
diese Länder derart beständig gegen ihr eigenes Interesse handeln. Folglich
entsteht der Eindruck, daß die reine Außenhandelstheorie zwar für lange Zeit in
sich geschlossen war, aber nie eine befriedigende Erklärung für das
handelspolitische Verhalten des Staates liefern konnte.
Einen Fortschritt stellt hier eine Entwicklung - in Abschnitt 2.1 beschrieben - dar,
die etwa zu Beginn der achtziger Jahre einsetzte. Als entscheidende Änderung
gegenüber den traditionellen Ansätzen wurde die realitätsferne Grundannahme
der vollkommenen Konkurrenz aufgegeben. Dieser Schritt brachte unter anderem
mehrere Modelle hervor, die in der Regel unter der Bezeichnung der strategischen
Handelspolitik zusammengefaßt werden. Gemeinsamer Nenner dieser Modelle ist
der Entwurf wirtschaftlicher Strukturen, in denen ein protektionistischer Eingriff
die nationale Wohlfahrt erhöht. Einige zentrale Modelle der strategischen
Handelspolitik werden in Abschnitt 2.2 vorgestellt.
Wie jedoch aus der Kritik in Abschnitt 2.3 deutlich werden wird, liefert die
strategische Handelspolitik weder eine Rechtfertigung noch eine umfassende
Erklärung für den Fortbestand von protektionistischen Tendenzen.
1 Vgl. KÖSTERS (1992), S.49.
2 Vgl. KRUGMAN (1987), S.131 f.
3 Vgl. GUERRIERI (1989), S.27.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Strategische Handelspolitik
- Abgrenzung des Begriffes
- Modelle strategischer Handelspolitik in den New International Economics
- Rentenumlenkung im internationalen Dyopol durch Subventionen
- Schaffung von Skalenvorteilen im internationalen Dyopol durch Erhebung eines Importzolls
- Rentenumlenkung bei einem ausländischen Monopolisten durch Erhebung eines Importzolls
- Kritik an der strategischen Handelspolitik
- Formale Kritikpunkte
- Politökonomische Kritikpunkte
- Strategische Handelspolitik als Erklärungsansatz für protektionistische Maßnahmen
- Handelspolitische Entscheidungen als Gefangenendilemma
- Das Gefangenendilemma
- Grundmodell
- Das Gefangenendilemma im Mehrpersonenkontext
- Internationales Gefangenendilemma
- Iteratives Gefangenendilemma
- Handelspolitische Entscheidungen als Gefangenendilemma
- Theorie der Optimal- und Retorsionszölle
- Strategische Interventionen bei oligopolistischem Wettbewerb
- Intranationales Gefangenendilemma
- Relevanz des Gefangenendilemmas für die Handelspolitik
- Freihandel durch Lösung des Gefangenendilemmas
- Allgemeine Lösungsmöglichkeiten des Gefangenendilemmas
- Lösung von Gefangenendilemma-Situationen in der Handelspolitik
- Ansätze zur Lösung des internationalen Gefangenendilemmas
- Der Beitrag des GATT
- Stillschweigende Kooperation auf Basis von Gegenseitigkeit
- Ansätze zur Lösung des intranationalen Gefangenendilemmas
- Institutionelle Schlussfolgerungen
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit beschäftigt sich mit der Problematik der strategischen Handelspolitik am Beispiel des Gefangenendilemmas. Ziel ist es, die Funktionsweise strategischer Handelspolitik zu analysieren und ihre Auswirkungen auf die internationale Handelspolitik zu untersuchen. Hierbei wird insbesondere auf die Rolle des Gefangenendilemmas bei der Erklärung von protektionistischen Maßnahmen eingegangen.
- Strategische Handelspolitik und ihre Instrumente
- Das Gefangenendilemma und seine Relevanz für die Handelspolitik
- Lösungsmöglichkeiten des Gefangenendilemmas in der Handelspolitik
- Institutionelle Auswirkungen von strategischer Handelspolitik
- Kritische Analyse der strategischen Handelspolitik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung bietet eine Einführung in das Thema und skizziert die Problemstellung der strategischen Handelspolitik. Anschließend wird in Kapitel 2 die strategische Handelspolitik definiert und verschiedene Modelle der New International Economics vorgestellt. Kapitel 3 untersucht die Anwendung des Gefangenendilemmas auf handelspolitische Entscheidungen. Hierbei wird sowohl das internationale als auch das intranationale Gefangenendilemma analysiert. Kapitel 4 widmet sich der Suche nach Lösungen für das Gefangenendilemma in der Handelspolitik. Abschließend werden in den Schlussbemerkungen die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit zusammengefasst und Ausblicke auf zukünftige Forschungsfelder gegeben.
Schlüsselwörter
Strategische Handelspolitik, Gefangenendilemma, Protektionismus, Freihandel, Internationale Handelspolitik, Oligopolistischer Wettbewerb, Optimalzölle, Retorsionszölle, Internationale Institutionen, GATT, WTO.
- Quote paper
- Lars Dieckmann (Author), 1997, Zur Problematik der strategischen Handelspolitik am Beispiel des Gefangenendilemmas, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19787