Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Naturwissenschaft und Technik im Roman
1.Jules Vernes Begeisterung für Technik und die Anfänge des Science-Fiction Genres
2.Ästhetik von Natur und Technik - Ein Widerspruch?
II. Figuren im Zwiespalt
1. Kapitän Nemo zwischen Gut und Böse
2. Professor Aronnax und seine Funktion als Medium zwischen zwei Polen
III. Utopische und Dystopische Züge des Werks
IV. Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
Jules Verne kann unbestritten als ein klassischer und wohl auch einer der bekanntesten Vertreter der frühen Science-Fiction Literatur bezeichnet werden. Auch wenn sich seine Romane allgemein gefasst dem Genre der Abenteuerromane zuordnen lassen, so spielen doch in einigen von seinen Werken faszinierende technologische Innovationen, welche zum größten Teil der Fantasie des Autors entspringen, eine maßgebliche Rolle. Meist sind diese technischen Errungenschaften weniger als Schreckgespenster, sondern als bewundernswerte und von einem genialen Geist ihres Erschaffers zeugende Wunderwerke, welche innerhalb der Handlung eine faszinierende Wirkung auf die übrigen Charaktere ausüben. Diese Wirkung vollzog sich sowohl bei vielen Lesern zu Jules Vernes Zeit als auch noch bei der heutigen Leserschaft. 20000 Meilen unter den Meeren[1] aus dem Jahre 1871 ist eines der bekanntesten Werke Jules Vernes, auf welche die vorangegangene Beschreibung zutrifft. Im Zentrum der Geschichte steht ein äußerst intelligenter, gebildeter aber auch zynischer und brutaler Mann, welcher ausschließlich das Innere seines U-Bootes mit dem Namen Nautilus sein Zuhause und die Weltmeere seine Heimat nennt. Das Besondere an diesem Roman sind die entstehenden Spannungsverhältnisse. So besteht ein Kontrast zwischen utopischen Technikinnovationen und Kritik an der Gesellschaft. Dabei ist es doch die Zivilisation, welche hinter der Entstehung und dem Fortschritt der modernen Technik steht und eben diese auch als Mittel der Zerstörung und Unterdrückung missbraucht. Beide Aspekte sind im Charakter des Kapitän Nemo zu finden. Des Weiteren treffen im Roman die Welt der Technik und die Welt der Natur aufeinander, wobei es keiner von beiden an ästhetischer Beschreibung mangelt. Nun ist die Frage, ob Jules Verne in diesem Roman einer bestimmten Richtung den Vorrang einräumt, der des technischen Optimismus und Fortschrittglaubens oder der der besinnten Bescheidenheit gegenüber Mensch und Natur.
I. Naturwissenschaft und Technik im Roman
1. Jules Vernes Begeisterung für Technik und die Anfänge des Science-Fiction Genres
Jules Verne ist mit vielen seiner Romane einem breiten Publikum von jung bis alt
bekannt. Durch Verfilmungen, Hörspielfassungen und anderen Formen der
Darstellung sind seine Abenteuergeschichten selbst jenen bekannt, die seinen Namen nicht zuordnen können. Fragt man heute Personen nach seinen Namen, kann es durchaus sein, dass einige von ihnen hinter diesem einen Abenteurer oder gar einen Wissenschaftler vermuten. Diese Tatsache gründet sich darauf, dass Vernes Romane sich als authentisch erscheinende Erlebnisberichte lesen lassen, mit detaillierten Beschreibungen von Geographie, Natur und Technik. Des Weiteren glauben auch einige Menschen, er selbst habe unter anderem die Erfindung des U-Bootes vorhergesagt, was auf einem weitverbreiteten Missverständnis beruht. Jules Verne war kein Wissenschaftler oder Erfinder, sondern erfand „belletristische Fiktionen“[2]. Er stellte sich selbst als „bodenständiger Realist, der die verantwortungsvolle Phantasie über die bloße Spekulation stellte“ dar[3].
Verne war also gemäß dem zeitgenössischen, aufklärerischen Geist ein fortschrittsgläubiger Mensch, der durch ästhetische Beschreibungen des Neuen und Unbekannten seinen Lesern eine neue Welt erschlossen hat. Durchaus hat er die Gattung des technischen Zukunftsromans (heute besser bekannt unter dem Begriff Science-Fiction) mit seinen wissenschaftlichen Abenteuerromanen entscheidend mitgeprägt[4]. Es wird hier bewusst zwischen dem technischen Zukunftsroman und dem wissenschaftlichen Abenteuerroman unterschieden, da Vernes bekannteste Werke nicht in der Zukunft angelegt sind und neben zwar noch in der Zukunft liegenden technischen Konzepten auch auf die Entfaltung realistischer Wissenschaft angelegt sind, wie zum Beispiel die Erforschung der maritimen Flora und Fauna. Sein Konzept bestand also darin, Abenteuer- und Reiseromane mit naturwissenschaftlichen und technischen Informationen zu verbinden[5].
Trotz seines Optimismus hatte Verne eine ebenso kritische Sicht auf die Auswirkungen der Industrialisierung und Forschung. Wenn es um die Erschließung der unbekannten Bereiche dieser Welt geht, zeigt sich dies insbesondere dadurch, dass ein zunächst idealisiertes Wunderwerk der Technik in Form einer Maschine und sein Erfinder ihre zerstörerische Seite offenbart, wie es in 20000 Meilen unter den Meeren der Fall ist. Auf diesen Sachverhalt wird in einem späteren Kapitel näher eingegangen.
2. Ästhetik von Natur und Technik - Ein Widerspruch?
Als eine frühe Form des Science-Fiction Romans zeichnet sich der Roman, wie viele andere frühe Werke dieses Genres, durch eine detaillierte und vor allem ästhetische Beschreibung des damaligen Technikkults aus[6]. Die Nautilus wird in all ihren technischen Feinheiten beschrieben und das auf eine fingiert wissenschaftliche und fachkundige Weise. Zum Beispiel hat das Thema Elektrizität eine besondere Stellung inne: „Es leuchtet, heizt und ist die Seele meiner technische Apparate. Dieses Agens ist die Elektrizität.“ (124). Auf der Basis fundierter mathematischer, physikalischer und chemischer Kenntnisse, gelingt es Verne dem Leser die perfekte Funktionsfähigkeit und den Nutzen der Elektrizität für die Nautilus zu erläutern. Möglich wird dies im Roman durch die Nutzung der im Meerwasser enthaltenen Elemente und dadurch resultierende chemische Reaktionen, die künstliche herbeigeführt werden (124).
[...]
[1] Jules Verne: 20000 Meilen unter den Meeren, München (Deutscher Taschenbuch Verlag) 2007. Anmerkung: in nachfolgenden Zitierungen wird innerhalb des Textes in Klammern auf die Seitenzahl verwiesen
[2] Vgl. Volker Dehs: Jules Verne. Eine kritische Biographie, Düsseldorf und Zürich (Artemis Winkler Verlag) 2005. S. 247
[3] Ebd. S. 248
[4] Roland Innerhofer: Deutsche Science Fiction 1870-1914. Rekonstruktion und Analyse der Anfänge einer Gattung, Wien (Böhlau Verlag) 1996. S. 29
[5] Ebd.
[6] Vgl. Roland Innerhofer: Deutsche Science Fiction 1870-1914. Rekonstruktion und Analyse der Anfänge einer Gattung, Wien (Böhlau Verlag) 1996. S. 29