Das Phänomen der Erfolgsreligion

Mit einer Analyse der "Science of Getting Rich" von Wallace D. Wattles (1910)


Essai Scientifique, 2012

17 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Annäherung an das Phänomen der Erfolgsreligion

1. Zum Verständnis
1.1 Verfasser
1.2 Übersetzer und Übersetzung
1.3 Hinweise zum Verständnis

2. Inhalt des Traktats
Vorwort
Das Recht reich zu sein
Es gibt einen Weg zum Reich-Werden
Sind Chancen monopolisiert?
Das erste Prinzip auf dem Weg zum Reich-Werden
Wachstum des Lebens
Wie Reichtum zu dir kommt
Dankbarkeit
Denken auf bestimmte Weise
Wie man den Willen gebraucht
Weiterer Gebrauch des Willens
Handeln auf Bestimmte Weise
Effizientes Handeln
Die Wahl des richtigen Berufs
Fortschritt und Vermehrung
Der sich weiterentwickelnde Mensch
Einige Hinweise und abschließende Beobachtungen
Zusammenfassung: Der Weg zum Reich-Werden

3. Religionswissenschaftliche Verortung

4. Die These von der Erfolgsreligion
Exkurs: Vorläufige Definition des Begriffs „Erfolgsreligion“

5. Theologische Überlegungen

6. Kritische Schlussbemerkungen

Annäherung an das Phänomen der Erfolgsreligion

Zusammenfassung:

Der vorliegende Beitrag führt detailliert in das 1910 von Wallace D. Wattles vorgelegte Traktat „The Science of Getting Rich“[1] ein, das in den letzten Jahren v.a. durch den Bestseller „The Secret – Das Geheimnis“ von Rhonda Byrne (2007) bekannt wurde, und veranschaulicht daran in Anlehnung an Robert N. Bellahs Konzept der Zivilreligion die Hypothese der Existenz einer „Erfolgsreligion“. Dabei kommen religionswissenschaftliche und theologische Überlegungen zur Sprache.

1. Zum Verständnis

1.1 Verfasser

Bis vor wenigen Jahren kannte hierzulande kaum jemand Wallace D. Wattles. Nicht viel ist von ihm überliefert. Er wurde 1860 in den USA geboren und verstarb 1911. Seine Bücher sind heute größtenteils als Download im Internet auf Englisch erhältlich. Bekannt wurden sie v.a. aufgrund der Tatsache, dass sich die Verfasserin des Bestsellers und Regisseurin des gleichnamigen Films „The Secret – Das Geheimnis“, Rhonda Byrne, auf Wattles als Quelle der Inspiration beruft.

1.2 Übersetzer und Übersetzung

Helmut Linde, der das Traktat – als solches muss es aufgrund seines Stils und seiner Kürze streng genommen bezeichnet werden – ins Deutsche übersetzt hat, ist nach eigener Angabe Autodidakt. Er betreibt seit 1975 u.a. „Linde-Seminare“, die der Selbst- und Welterkenntnis dienen sollen, bietet Einzel- und Paarberatungen an, gibt Hilfestellungen in Ernährungsfragen usw. Einen therapeutischen Anspruch erhebt er nicht.[2]

Die von Linde vorgelegte Übersetzung ist verständlich und liest sich größtenteils flüssig. Einige Begriff des englischen Originals, etwa „Supreme“ als Bezeichnung für Gott, hat er im Deutschen beibehalten (s. seine Vorbemerkungen). Seine Entscheidungen diesbezüglich sind nachvollziehbar.

1.3 Hinweise zum Verständnis

Grundsätzlich sind zum Verständnis des Traktats drei Hinweise wichtig:

1. Wattles steht insofern in der Tradition esoterischen Denkens, als er einen Ansatz vertritt, der beansprucht, Naturwissenschaft und Religion miteinander in Einklang zu bringen[3]: Der von ihm als „science“, also als „Wissenschaft“ bezeichnete Weg hin zum materiellen Reichtum, der bei genauer Befolgung in kausaler Weise zum Erfolg führen müsse, wird etwa mit der Mathematik verglichen (88). Gleichzeitig ist Wattles der Ansicht, seine Methode entspreche ganz und gar dem Willen Gottes: „Wenn du dieses Bestreben [i.e. reich zu werden, Anm. d. Verf.] vernachlässigst, verleugnest du die Pflicht dir selbst, Gott und der Menschheit gegenüber“ (23).

2. Wattles operiert dabei mit unterschiedlichen Gottesbegriffen. Es ist für das Verständnis seines Werkes hilfreich, sich diese zu vergegenwärtigen: Um die Wirkungsweise seiner „Wissenschaft“ zu erläutern, führt er das Konzept einer selbst aktiv denkenden „Ur-Substanz“ (38) bzw. „Formlosen Substanz“ (39) bzw. „Formlosen Intelligenz“ (40) ein (die im gleichen Kontext in Anlehnung an biblische Traditionen als „Vater“ bezeichnet wird), die in jedem Augenblick darauf hinwirke, Materie neu zu erschaffen: „ Es gibt einen denkenden Stoff, aus dem alle Dinge geschaffen sind und der in seinem Ur-Zustand in die Zwischenräume des Universums eindringt, sie durchdringt und ausfüllt. Ein Gedanke in dieser Substanz erschafft das Ding, an das gedacht wurde. Der Mensch kann in seinem Denken Dinge formen, und wenn er sie der Formlosen Substanz aufprägt, kann das Gedachte erschaffen werden. “ (41)[4]

Gleichzeitig spricht Wattles auf vordergründig traditionelle Weise von „Gott“, und zumindest für ihn selbst sind dieser Gott und der biblisch bezeugte Gott wohl identisch (so führt er immer wieder biblische Zitate an, um seine Sichtweise zu begründen). Sein Gottesbild mag zum besseren Verständnis seines Werkes anhand des folgenden Textbeispiels näher beleuchtet werden: „Du musst dich vom letzten Überrest der alten Idee befreien, dass es da eine Gottheit gäbe, deren Wille es sei, dass du arm bist … Die Intelligente Substanz, die Alles in Allem ist und die in Allem und in dir lebt, ist eine bewusst Lebende Substanz. … Es ist der Wunsch Gottes, dass du reich bist. Er möchte dich reich machen, weil er sich besser durch dich ausdrücken kann, wenn du viele Dinge zur Verfügung hast, um ihm Ausdruck zu geben.“ (46f.) Dahinter steht der Gedanke, dass Gottes Schöpfung fortlaufend wirkt – theologisch formuliert handelt es sich dabei sozusagen um eine creatio continuo ex nihilo – und dass Gott sich dabei in seiner und durch seine Schöpfung ausdrückt: „Gott will, dass jene, die Musik auf Klavieren und jedem anderen Instrument spielen können, die Mittel haben, ihre Talente im vollsten Umfang zu entwickeln … Er will all diese Dinge, weil er es selbst ist, der sie genießt und schätzt; es ist Gott, der spielen, singen, Schönheit genießen, Wahrheit verkünden, feine Kleidung tragen und gute Lebensmittel essen will. 'Es ist Gott, der in euch wirkt, damit ihr wollet und tuet', sagte einst Paulus.“ (58)

Schließlich verwendet Wattles auch noch den abstrakten Begriff „Supreme“ für Gott (63).

3. Wattles versteht seine Schrift selbst als „Lehrplan“ (104), sozusagen als katechetische Anleitung zum Reich-Werden. Daher fasst er das Geschriebene am Ende vieler Kapitel nochmals zusammen. Im Zuge dessen formuliert er nach und nach ein eigenes Glaubensbekenntnis, das einzuprägen und zu glauben er dringend empfiehlt: „Lies diese Aussagen des Glaubens-Bekenntnisses immer und immer wieder; fixiere jedes Wort in deinem Gedächtnis und meditiere über sie [sic!], bis du fest glaubst, was sie sagen.“ (44)

2. Inhalt des Traktats

Da das Traktat relativ viele Aspekte zur Sprache bringt, ist es angemessen, auf seinen Inhalt näher einzugehen. Dabei dienen im Folgenden die Kapitel des Buches selbst als Gliederung.

Vorwort

Wattles versteht sein Traktat als pragmatisches Ergebnis metaphysischer Erkenntnis. Er verweist auf die monistische Theorie, „dass Eines Alles ist und Alles Eins ist, dass sich eine Substanz selbst anscheinend als viele Elemente der materiellen Welt offenbart“; und er verweist auf deren Ursprung im Hinduismus und auf ihre Rezeption bei Hegel und Emerson. Darüber hinaus beansprucht er, dass der von ihm beschriebene Weg zum Reichtum „eine genaue Wissenschaft [ist], und Misserfolg ist unmöglich.“ Dafür aber müsse der Leser ihm glauben, so „wie er es tun würde, wenn Marconi oder Edison eine Behauptung hinsichtlich eines elektrischen Gesetzes machen würden.“ (16)

Das Recht reich zu sein

Wattles geht davon aus, dass jeder Mensch ein Recht auf Reichtum habe. Dieses Recht begründet er damit, dass alles Leben nach Entfaltung strebe – und dass unbegrenzte menschliche Entfaltung im Rahmen der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung nur dort stattfinden könne, wo ein Mensch Zugriff habe auf alle Möglichkeiten zur Entfaltung. Dafür aber, so die Argumentation, brauche der Mensch Geld und Reichtum.

„Des Menschen Recht zum Leben bedeutet sein Recht, freien und uneingeschränkten Gebrauch von allen Dingen machen zu können, die zu seiner vollsten geistigen, spirituellen und körperlichen Entfaltung notwendig sind oder mit anderen Worten, sein Recht reich zu sein.“ (20) Und weiter: „Der Wunsch nach Reichtum ist der Wunsch nach einem reicheren, volleren Leben in Hülle und Fülle; und dieser Wunsch ist angemessen und löblich. Der Mensch, der nicht wünscht, mehr in der Fülle zu leben ist unnormal, und so ist auch der Mensch unnormal, der nicht wünscht, genug Geld zu haben, um alles kaufen zu können, was er will.“ (21)

Weiter führt Wattles aus, wofür der Mensch Geld und Reichtum benötigt: Für sein körperliches Wohlbefinden („gute Nahrung, bequeme Kleidung, warmes Obdach und Freiheit von übermäßig schwerer Mühe“, 22), für seinen Geist („Der Geist ist nicht zufrieden, wenn Bücher fehlen und die Zeit, sie zu studieren, wenn keine Gelegenheit für Reisen und Beobachtung oder intellektuelle Gemeinschaft besteht.“, 22) und für seine Seele („Um seelisch vollständig zu leben, muss der Mensch lieben können. Armut schränkt Liebe in ihrem Ausdruck ein. Das höchste Glück des Menschen liegt darin, denen Gutes zu tun, die er liebt; Liebe findet ihren natürlichsten und spontansten Ausdruck im Geben.“, 23).

So kommt Wattles zu dem Ergebnis: „Es ist vollkommen richtig, dem Weg zum Reich-Werden deine größte Aufmerksamkeit zu widmen, denn dies ist die edelste und notwendigste aller Bemühungen. Wenn du dieses Bestreben vernachlässigst, verleugnest du die Pflicht dir selbst, Gott und der Menschheit gegenüber; du kannst Gott und der Menschheit keinen größeren Dienst erweisen, als das Meiste aus dir selbst zu machen.“ (23)

[...]


[1] Wallace D. Wattles, The Science. Der Weg zum Reich-Werden, Börsenmedien AG, Kulmbach, 2010. Hinweis: Im Handel sind auch andere Übersetzungen ins Deutsche erhältlich.

[2] Vgl. www.linde-seminare.de, Stand: 25.5.2012.

[3] Haringke Fugmann, Was ist Esoterik? Eine Arbeitshypothese, Beiträge zur Erforschung religiöser und geistiger Strömungen, 1, München, 2012.

[4] Die Ähnlichkeiten zur Vorstellung einer prima materia im aristotelischen Sinne sind deutlich.

Fin de l'extrait de 17 pages

Résumé des informations

Titre
Das Phänomen der Erfolgsreligion
Sous-titre
Mit einer Analyse der "Science of Getting Rich" von Wallace D. Wattles (1910)
Université
University of Bayreuth
Auteur
Année
2012
Pages
17
N° de catalogue
V198293
ISBN (ebook)
9783656248187
ISBN (Livre)
9783656250043
Taille d'un fichier
678 KB
Langue
allemand
Mots clés
The Science of Getting Rich, Wallace D. Wattles, Robert N. Bellah, Zivilreligion, Erfolgsreligion, Rhonda Byrne, The Secret – Das Geheimnis, Monismus, Recht auf Reichtum
Citation du texte
Haringke Fugmann (Auteur), 2012, Das Phänomen der Erfolgsreligion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198293

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