Persönlichkeitsschutz gegenüber den Medien im Internationalen Privatrecht


Seminararbeit, 2012

39 Seiten, Note: 12 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Einfuhrung in Thematik und Problembeschreibung
I. Charakteristikavon Personlichkeitsrechtsverletzungen durch die Medien
1. Parteien
2. Qualitat von Personlichkeitsverletzungen in den Medien
3. Ubiquitat von Mediendelikten gegen Personlichkeitsrechte
4. Lokalisierung des Verletzungsortes
a). Realisierung der Personlichkeitsrechte im Verletzungsfall
b) Verletzung bei Interessenkollision
c) Interessenkollision bei Kenntnisnahme Dritter
II. Delikte gegen die Personlichkeit durch Onlinemedien

B. Schutz von Personlichkeitsrechten vor den Medien im IPR: aktuelle Rechtslage und Vereinheitlichung des europaischen Kollisionsrechts
I. Internationaler Sachverhalt
1. Begriff des Auslandsfalls
2.. Interessen an der Anknupfung im Kollisionsrecht
a). Parteiinteressen
b) Ordnungs- und Verkehrsinteressen
c) Beachtlichkeit grundrechtlicher Schutzinteressen
II. Rechtslage nach dem einschlagigen Kollisionsrecht, Deliktsstatut gem. Art. 40 EGBGB
1. Anwendbarkeit des EGBGB
2. Umfang des Deliktsstatuts bei Personlichkeitsrechtsverletzungen
3. Das anwendbare Recht fur Mediendelikte gegen Personlichkeitsrechte
3.1. Tatortprinzip
3.1.1. Handlungsort
3.1.2. Erfolgsortrecht als Option fur den Verletzten
a) Befristung, Art. 40I3 EGBGB
b) Phanomen mehrerer Erfolgsorte als Folge der Ubiquitat
c) Lokalisierung potentieller Erfolgsorte als Verletzungsorte
d) Grundsatze fur die Anknupfung an den Erfolgsort
aa) Mosaikbetrachtung
(1) Vorteile einer Mosaiklosung
(2) Kritik
(3) Stellungnahme
(a) Relativitat bzw. Teilbarkeit von Personlichkeitsrechten
(b) Praktibiltat
(aa) Schadensersatzanspruche
(aaa) Verletzungen aufierhalb des Verbreitungsgebiets
(bbb) Immaterialschaden
(ccc) Internetdelikt
(bb) quasinegatorische Anspruche gegen Onlinemedien
(c) Sonderbehandlung von Gegendarstellungsanspruchen
(d) Fazit
bb) Prinzip strikten Gleichlaufs des anwendbaren Rechts mit der internationalen Zustandigkeit
cc) Schwerpunktbetrachtung: Anknupfung an den gewohnlichen Aufenthalt
(l) Vorteile einer Schwerpunktlosung
(2) Beurteilung
(a) Allgemein
(b) besonderere Vorteile
(c) Vorschlag fur Onlinemedien
4.. Ausnahmen vom Tatortprinzip und Beachtlichkeit des Renvoi
a) Ausnahmen vom Tatortprinzip, Artt. 40 11,41, 42 EGBGB
b) Beachtlichkeit des Renvoi
c) ordre-public-Klausel, Art. 40 III EGBGB
III. Vergleich der Erfolgsortsanknupfung mit dem US-amerikanischen Rechts im Hinblick auf eine Vereinheitlichung des Kollisionsrechts bezugl. Personlichkeitsverletzungen auf europa- ischer Ebene
1. Dringlichkeit der Kollisionsrechtsvereinheitlichung fur den Personlichkeitsrechtsschutz in Europa
2 Vergleich mit den U.S.-amerikanischen Praxiserfahrungen
a) singlepublication rule und Anknupfung an die most significant relationship, §150 Second Statement
b) Konsequenz fur eine kunftige, EU-einheitliche Kollisionsregel

C. Fazit.

A. Einfuhrung in Thematik und Problembeschreibung

Ziel dieser Arbeit ist es, die Behandlung von medienbedingten Personlich- keitsrechtsverletzungen im deutschen Internationalen Privatrecht mit den auftretenden Problemen darzustellen und die Moglichkeiten fur eine einheit- liche europaische Kollisionsnorm herauszuarbeiten. Insbesondere wird auf die Schwierigkeiten bei der Anknupfung an den Erfolgsort und die diesbezuglichen Losungsmoglichkeiten eingegangen, sowie hierzu ein Vergleich zum Kollisionsrecht in den U.S.A. gezogen. Um der besonderen Materie der Personlichkeitsrechte als Immaterialrechtsguter - und den Schwierigkeiten bei der Feststellung ihrer Verletzung - sachgerecht begegnen zu konnen, erfolgt zunachst eine Darstellung der typischen Merkmale von Personlichkeitsrechtsverletzungen durch die Medien.

I. Charakteristika von Personlichkeitsrechtsverletzungen durch die Medien

Bei der zunehmenden, durch das Vorgehen von Privatpersonen - gegen sie betreffende Darstellungen bzw. Berichterstattung in den Medien - ausgelosten Klageflut1 konnen fur die Problematik der personlichkeits- verletzenden Mediendelikte bestimmte Charakteristika ausgemacht werden.

1. Parteien

Oftmals steht dem Einzelnen ein relativ machtiges Medienunternehmen gegenuber.2 Auf Seiten der Medien besteht i.d.R. schon aufgrund ihrer alltaglichen Erfahrung im Spannungsfeld zwischen Personlichkeitsrechten und Informationsfreiheit ein Informationsvorsprung vor dem Einzelnen.

2. Qualitat von Personlichkeitsverletzungen in den Medien

Zudem werden viele Massenmedien international verbreitet, sodass es bei Personlichkeitsverletzungen zu Beruhrungspunkten mit unzahligen Staaten kommen kann, weshalb man auch von sog. Streudelikten spricht.3 Fur die dazugehorigen sog. multistate-Delikte[4] ist kennzeichnend, dass durch eine Handlung in einem Staat mehrere Verletzungen in verschiedenen Staaten ausgelost werden, wobei nur ein Einzelner geschadigt wird.5 Bei Personlich- keitsverletzungen ist genau dies der Fall. Aus verschiedenen Teilschaden, die in diversen Landern in unterschiedlicher Intensitat eintreten, ergibt sich ein erlittener Gesamtschaden.6 Da bei Personlichkeitsverletzungen meist der Schadenserfolg u.a. auch an demjenigen Ort eintritt, an dem auch die scha- digende Handlung getatigt wurde, sind im Gegensatz zum klassischen Dis- tanzdelikt Handlungs- und Erfolgsort i.d.R. nicht klar voneinander abzugrenzen.7 Dies wird besonders gut vorstellbar, wenn etwa eine inter­national erhaltliche Zeitschrift personlichkeitsverletzende Berichte, Bilder, Behauptungen o.a. sowohl am eigenen Standort, im Inland, sowie im Aus- land publiziert. Insofern kann festgehalten werden, dass Verletzungen des Personlichkeitsrechts v.a. im Medienbereich - aufgrund grenzuberschrei- tender Verbreitung und Zuganglichkeit von Printmedien, Rundfunk- und Fernsehsendungen - heute schon beinahe regelmafiig eine international Komponente haben.8 Delikte, die anhand von Massenmedien begangen werden, unterfallen so haufig dem Phanomen der „Streudelikte“.9

3. Ubiquitat von Mediendelikten gegen Personlichkeitsrechte

Die Tatigkeit von Medien ist typischerweise auf das Verbreiten von Infor- mationen an die Offentlichkeit ausgerichtet. Der Kreis der tatsachlichen Re- zipienten ist dabei in aller Regel kaum oder nur schwer eingrenzbar. Zudem kommt die Beliebigkeit der Erscheinungsorte von Personlichkeitsrechten, von denen angenommen wird, dass sie sich grundsatzlich „uberall und nirgends“ befinden.10 Geht man davon aus, die Personlichkeit habe keine ortliche Lage, sondern entfalte ihre Macht vielmehr weltweit11, so legt dies - im Verletzungsfall - eine supranationale Betroffenheit nahe. Wahrend die deliktische Verletzung etwa der Rechtsguter Leben, Gesundheit und Eigentum geographisch durchaus feststellbar ist, existiert kein raumlicher Anknupfungspunkt fur Personlichkeitsrechtsverletzungen durch die Me­dien.12 Dies tragt bei zur Annahme, die Personlichkeit als Immaterialgut entziehe sich grundsatzlich einer klassischen ortlichen Fixierung.13 Die Vor- stellung, dass die Personlichkeit oder etwa die Ehre von Personen in einem bestimmten Staat belegen seien, gehe fehl. Demnach lasst sich zwar der Ort des Schadenseintritts sinnvoll bestimmen, nicht aber der der Personlich- keitsverletzung.14 Die Personlichkeit des Einzelnen als immaterielles Rechtsgut stellt demnach ein solches dar, welches z.T. als ,,nichtlokalisie- rungsfreundlich“15 umschrieben wird und fur das ein Belegenheitsort nur schwer auszumachen ist.16 Man spricht insofern auch von der ubiquitaren Natur bzw. der Ubiquitat von Personlichkeitsrechten.17

4. Lokalisierung des Verletzungsortes

Wie bereits angedeutet macht eben diese Ubiquitat der Personlichkeit - zudem mangels physischen Substrats - die Bestimmung des Verletzungs­ortes schwer.18 Die Verletzung tritt an sich uberall dort ein, wo ein Anspruch der jeweiligen Person auf Geltung und Achtung in einem Sozialwesen besteht.19 Wird nichtsdestotrotz eine Lokalisierung von Personlichkeitsrech- ten angestrebt, sei dies eine blofie Fiktion20, die letztlich dazu diene, eine Anknupfung trotz der o.g. Schwierigkeiten zu ermoglichen.21

a) Fur Immaterialrechtsguter bleibt - vor einer Anknupfung an den Erfolgs- ort - deren Festlegung an einem bestimmten Ort vorzunehmen.22 Die ent- sprechende, normative Feststellung wird bei Mediendelikten von den natio- nalen Rechtsordnungen oft unterschiedlich getroffen.23 Die Unkorperlichkeit von Personlichkeitsinteressen fuhrt dazu, dass diese abstrakt nicht ohne weiteres lokalisierbar sind. Jedoch wird die Lokalisierbarkeit des Person- lichkeitsrechts und seiner Verletzungen regelmafiig erst in der konkreten Konfliktsituation entscheidend sein, in der das anwendbare Recht zu be­stimmen ist. Im tatsachlichen Verletzungsfall aktualisieren sich die Person- lichkeitsinteressen und werden somit - auch raumlich konkretisierbar - von der Fiktion zur Realitat.24 Im Endeffekt bedeutet diese Moglichkeit einer Lokalisierung von Personlichkeitsrechten, dass es grundsatzlich auch fur deren Verletzung einen Verletzungsort geben kann.

b) Die o.g. Sichtweise von den Personlichkeitsrechten als solche mit einer weltweiten, absoluten Machtentfaltung ist im Kern ein eher idealistisches Bild.25 Es bedarf einer rechtlichen Differenzierung zwischen Personlich- keitsrechten und Personlichkeit als solcher. Personlichkeitsrechte gelten demnach als rechtliche Abstraktion zum Schutz der Personlichkeit und sind somit durchaus als genuin rechtliches Konstrukt lokalisierbar. Die konkrete Verletzung ergibt sich dabei aus einer Interessenkollision.26 Diese ist uberall dort zu verorten, wo eine Verletzung zur Kenntnis Dritter gebracht wird27, auf deren Achtung der Verletzte vernunftigerweise Wert legen kann28, vgl. oben. Demnach ist der Verletzungserfolgsort raumlich an dem Ort zu fixieren, wo die Interessen kollidieren.29

c) Personlichkeitsrechtsverletzungen sind vielmehr Delikte mit haufig einer Vielzahl von Verletzungsorten, als dass sie einen solchen entbehren wurden.30 Denn wo der vermeintlich Geschadigte Ansehen geniefit und wo letzteres auch Schaden genommen haben kann, ist vergleichsweise leicht feststellbar.31 Verletzungen werden sichtbar, wo Bilder, Meinungen oder Tat- sachen verbreitet werden, welche den sozialen Achtungsanspruch mit einem Minderwert belasten und den Betroffenen so in den Augen Dritter herab- setzen.32 Mafigebliche Orte sind folglich alle Orte, an denen die Interessen der hinter dem Recht stehenden Person mit denen des Schadigers kolli­dieren.33 Eine Personlichkeitsverletzung tritt also ein, wo in irgendeiner

Weise eine Kenntnisnahme des Informationsgehalts stattfindet.34 In diesem Moment wird der Ruf bzw. das Personlichkeitsbild des Betroffenen, das Dritte von ihm haben, beeinflusst oder potentiell beschadigt.35 Bei Streudelikten umfasst das Personlichkeitsrecht also jeden Publikationsort der angegriffenen Presseveroffentlichung.36 Zwar ist fur das Deliktsstatut grundsatzlich der Ort des Schadenseintritts kein Erfolgsort und also unerheblich.37 Geht es aber um immaterielle Schaden, so wirkt sich die fehlende dogmatische Unterscheidung zwischen Rechtsgutsverletzung und Schaden gerade bei Personlichkeitsrechten gar nicht aus.38 Der Betroffene braucht zudem fur die kollisonsrechtliche Frage nach einem Erfolgsort nicht notwendigerweise auch selbst von der verletzenden Information Kenntnis erlangen. Anders mag dies auf materiellrechtlicher Ebene vorausgesetzt sein.39 Die Lokalisierung von Personlichkeitsrechtsverletzungen ist also nicht an der korperlichen Integritat oder an einer materiellen Gegebenheit wie der Belegenheit der Sache festzumachen.40 Die Schwierigkeit, aufgrund eines Rahmenrechts einen von der Handlung verschiedenen Verletzungs- erfolg auszumachen, schliefit die Existenz eines Erfolgsortes nicht aus, sondern erschwert nur dessen Feststellung.41

II. Delikte gegen die Personlichkeit durch Onlinemedien

Nicht wegzudenken sind heute neben den herkommlichen auch die Online­medien. Durch die extreme Streuwirkung von Internetdelikten kann ohne weiteres rasant ein internationales Publikum erreicht werden. Die Verlet- zungsintensitat ist insbesondere aufgrund der technischen Moglichkeiten im Internet intensiviert42, die Probleme der herkommlichen Medien geradezu potenziert. Dies ist umso beachtlicher, als dass die herkommlichen Medien in grofiem Umfang durch das Internet als Medium uberlagert werden. Die Zielgesteuertheit der traditionellen Medien wird im Internet grofitenteils zu einer wesentlich breiteren Empfangergesteuertheit. Die Lokalisierung des Verletzungsortes ist hier ebenfalls durch das Realisationsmoment bestimmt.43 Die Intemetdelikte werden im Grundsatz gleich denen durch klassische Medien behandelt, z.T. ist aber aufBesonderheiten einzugehen.

B. Schutz von Personlichkeitsrechten vor den Medien im IPR: aktuelle Rechtslage und Vereinheitlichung des europaischen Kollisionsrechts

Im Folgenden wird die aktuelle Rechtslage bei internationalem Sachverhalt nach dem Deliktsstatut gem. Art. 40 EGBGB analysiert, sodann auf die Moglichkeiten fur eine europaisch einheitliche, kollisionsrechtliche Behan- dlung der (medienbedingten) Personlichkeitsverletzungen geschlossen.

I. Internationaler Sachverhalt

Ein sich grenzuberschreitend auswirkender, internationaler Sachverhalt wird angenommen, wenn die Personlichkeitsverletzung einen Auslander betrifft oder ein solcher die verletzende Information zur Kenntnis nimmt.

1. Begriff des Auslandsfalls

Dieser auch sog. Auslandsfall ertreckt sich uber mindestens zwei Staaten, d.h. Handlungs und Verletzungserfolgsort driften regelmafiig auseinander.44

2. Interessen an der Anknupfung im Kollisionsrecht

Bezuglich der Anspruche aus Verletzungen von Personlichkeitsrechten durch die Medien bestehen zwischen den nationalen Sach- und Kollisions- rechten z.T. erhebliche Unterschiede, vgl. unten.45 Dies bekraftigt die Rele- vanz der Kollisionsnorm fur den Verletzten und das Medienorgan, fur die die Anwendung des Rechts eines Staates zu erheblich unterschiedlichen Rechtsfolgen fuhren kann, als die Berufung eines anderen. Zudem sind nach o.g. regelmafiig mehr als nur eine Anknupfungsmoglichkeit denkbar.46 Ziel des Kollisionsrechts ist es, insbesondere dasjenige Recht ausfindig zu machen, welches den engsten - nicht blofi raumlichen - Bezug zum Sach­verhalt aufweist.47 Denn in aller Regel ist dies die Rechtsordnung, welche am ehesten kulturelle, soziale und politische Hintergrunde des Sachverhalts bewerten und in die Entscheidungsfindung miteinbeziehen kann.48 So kann neben der Anwendung rein materiellen Rechts auch bei der Ermittlung einer Rechtsordnung durch Kollisionsregeln eine internationalprivatrechtliche Gerechtigkeit angestrebt werden.49 Als Bausteine zur Schaffung einer inso- fern jeweils geeigneten Kollisionsnorm dienen insbesondere die spezi- fischen kollisionsrechtlichen Interessen.50

a) Insbesondere zu beachten sind dabei die Parteiinteressen, einmal das des Geschadigten an optimalem Schutz51 und das der Medien - als Schadiger - an Vorhersehbarkeit des anzuwendenen Rechts52. Daneben hat der Verletzte nicht selten ein Interesse an der grundsatzlichen MaBgeblichkeit des ihm bekannten Rechts seiner sozialen Umwelt, uber die er sich im Normalfall vergleichsweise leichter informieren kann.53 Im Hinblick auf die besondere Verletzlichkeit des Personlichkeitsrechts wegen der hohen Wirkungsbreite von Massenmedien ist fur ihn ein schneller und effektiver Rechtsschutz von Bedeutung, der wiederum von einer klaren Rechtslage abhangt. Auf Seite der Medien als Verletzer ist ein grundsatzliches Interesse an der Anwendung des ihnen vertrauten Heimatrechts anzunehmen. Vordergrundig ist es dem Kollisionsrecht an den Verteidigungsmoglichkeiten fur den Personlichkeits- schutz des Verletzten gelegen, wobei aber die Medienfreiheit einer generellen Nichtbeachtung der Schadigerinteressen entgegensteht. Letzteres wurde vor allem kleinere Publikatoren hart treffen, die sich u.a. mangels ausreichender Finanzkraft hohen Risiken ausgesetzt sahen, die mit einem kritischen Journalismus verbunden sind.54

b) Daneben steht vor allem das allgemeine Interesse an der kollisions­rechtlichen Ordnung sowie an grundsatzlicher Verkehrserleichterung. Ersteres umfasst zum einen die Ziele des inneren und aufieren Entscheidungseinklangs, der Eindeutigkeit der Gesetzeslage einer Rechtsordnung sowie der Praktikabilitat der jeweiligen Anknupfung.55 Der innere Entscheidungseinklang verlangt nach einheitlicher Anknupfung fur Personlichkeitsverletzungen, unabhangig von einzelnen deliktischen An- spruchen.56 Neben dieser widerspruchsfreien Einheit der inlandischen Rechtsordnung bei der Anknupfung steht das Ziel des aufieren Entschei- dungseinklangs. Hiemach ist erstrebenswert, dass dieselbe Rechtsfrage - hier Personlichkeitsverletzungen - moglichst in alien Staaten nach dem- selben Recht beurteilt wird.57 Diese Idealvorstellung ist freilich nur durch eine Kollisionsrechts-Vereinheitlichung realisierbar.58 Solange dies nicht auf europaischer Ebene geschieht, kann diesem Interesse auch im nationalen Kollisionsrecht - u.a.59 durch etwa Wahl international gebrauchlicher An- knupfung - Rechnung getragen werden.60 Neben den Parteiinteressen muss insbesondere das allgemeine Interesse an Vorhersehbarkeit von Ent- scheidungen und damit Rechtssicherheit61 beachtet werden, sowie an den hierfur erforderlichen Ausschluss moglicher Anknupfungsmanipulationen62. Die insofern angestrebte Rechtssicherheit fordert auch die Durchsetzung des Verkehrserleichterungsinteresses, erleichtert Uberprufbarkeit und Reprodu- zierbarkeit des geltenden Rechts.63

c) Die Gestaltung sowie Auslegung deutscher Kollisionsnormen muss sich regelmafiig auch an den Grundrechten messen lassen, da diese wie das Sachrecht Teil der deutschen Rechtsordnung und insofern den Wertungen des Grundgesetzes unterworfen sind.64 Eine solche, deutliche Wertent- scheidung des Verfassungsrechts stellt auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Kommunikationsgrundrechten aus Art. 5 I GG dar, allem voran das Zw/h-Urteil65. Darin wird der Meinungs- und Pressereiheit ein besonders hoher Stellenwert zugesprochen, den diese fur das Funktionieren einer freiheitlich-demokratischen Staatsordnung haben.66 Der wertsetzende Gehalt des Art. 5 GG ist daher auch bei der Auslegung und Anwendung der - im Folgenden genauer behandelten - Tatortregel „interpretationsleitend“67 zu berucksichtigen.68 Daneben steht Art. 10 EMRK, der das Recht auf freie Meinungsaufierung konstatiert und insofern sinnidentisch69 mit Art. 5 I GG ist. Selbiges gilt fur den staatlichen Schutz- auftrag70 fur die Personlichkeit aus Art. 1 I, 2 I GG bzw. Art. 8 I EMRK. Bestehen zwischen Bundesverfassungsgericht und EGMR Unterschiede in der Wertung der darin enthaltenen Rechtsgarantien, sind die deutschen Ge- richte an endgultige Urteile des EGMR laut Art. 46 II EMRK gebunden71. Die deutschen Gerichte trifft hinsichtlich der Gewahrleistungen der Kon- vention wie auch der Entscheidungen des EGMR aber vielmehr eine blofie Berucksichtigungspflicht Eine unmittelbare Bindung bestehe dagegen nicht.72 Das Grundgesetz steht infolgedessen als Prufungsmafistab im Vor- dergrund.73 Bei der folgenden Auslegung der Tatortregel ist eine ,,praktische Konkordanz“ der grundrechtlichen Schutzinteressen anzustreben.74

II. Rechtslage nach dem einschlagigen Kollisionsrecht, Deliktsstatut gem. Art. 40 EGBGB

1. Anwendbarkeit des EGBGB

Die Verordnung des Europaischen Parlaments und des Rates uber das auf aufiervertragliche Schuldverhaltnisse anzuwendende Recht75 schliefit fur ihren Anwendungsbereich Personlichkeitsverletzungen nach Art. 1 II lit. g Rom II- VO ausdrucklich aus. Fur diese gilt damit weiterhin das Einfuhrungsgesetz zum BGB76 (i.F. nur: „EG“). Im deutschen Kollisonsrecht entscheidet fur Personlichkeitsverletzungen nach aktueller Rechtslage - nach ganz uberwiegender Auffassung77 - weiterhin das allgemeine Deliktsstatut fur unerlaubte Handlungen, Art. 40 EG(BGB).78

[...]


1 Muller, ZRP 2011,93 (Interview).

2 nb. herkomml. Printmedien, TV- und Rundfunkunternehmen od. reiner Internetuntern. gibt stehen Mischformen, d.h. etwa Konzerne, denen mehrere Presseuntern.zugleich unterstehen u. d. infolgd. ub. vielfache Recherche- u. Publikationsmogkn. verfugen

3 Wullrich, S.66.; anders als die sog. Distanzdelikte, b. denen Handlgs- und Erfolgsort typischerw. i. versdn. Staaten fallen, sind hier regelm. mehr als zwei ROrdngn. betroffen.

4 Riegl, S. 4.; entw. handelt es s. b. Streudelikten um jew. mehrere Handlgs- und Erfolgsorte, od um e HandlgOrt b mehreren Erfolgsorten bzw. in umgek. Konstellation; weiter kann i bilaterale - und multilat Streudelikte, sog. multistate-Delikte (Mehrstaatsdelikte) unterteilt werden. Bei ersteren werden du. eine Handlg. mehrere Einzelschaden verursacht, wobei aber zw. Schadiger und Geschadigtem immer nur eine, jew. rauml. abgrenzb. RGutsVerletzg. vorliegt, s. Wullrich, S. 76 f.

5 Wullrich, S.67

6 Leonhard, S. 24

7 Wullrich, S.67

8 Koch/Magnus/Winkler von Mohrenfels, § 6 Rn 61.

9 MuKo/Kreuzer, Art. 38 EGBGB, Rn. 39.

10 Schack UFITA 108 (1988), 51, 64;

11 Kohler, S.206.

12 Wullrich, S.68.

13 SchackUFITA 108 (1988), 51,52.

14 vgl. von Bar, S. 575, 582 (Fn.57).

15 Brocker, S. 167 ff.

16 Hohloch, JuS 1995, 928: „..., da Ehre und Personlichkeit sich nicht absolut lokalisieren lassen“.

17 vgl. Leonhard, S. 22; z. Ubiquitatderlnformation grdlgd SieberNJW 1989, 2569, 2579; Spindler ZUM 1996; 533, 534;

18 Lorenz, FS Heldrich, S. 841, 852.

19 Koch/Magnus/WinklervonMohrenfels,S.164.; diesaber seinicht selbstverstandlich: ImmaterialRGutsverltzgn seien weder selbst, no drohende Sanktionen an e best Ort gebunden u einer Lokalisierung ebenso wenig zuganglich, von Bar, S.575, 588; es sei daher ,,sprachlich nicht besonders glucklich, von einem Erfolgsort zu reden“,so: Bamberger/Roth-Spickhoff, Art. 40 EGBGB, Rn. 21.

20 ebd.

21 Wullrich, S. 69.

22 Auer, S. 136.

23 Wullrich, S. 70; anschaul. Bspe. hierfur in: Leonhard, S. 22, 23.

24 nach Wullrich, S.70.; Du. Kollision der entgegengesetzen Interessen - einmal an Achtg von PersonlichkR, andererseits an Pressefreiht- sowie du.Abwagg ebendieser Interessen kommt d. Recht uberh. z. Vorschein. Z. einen geschieht dies du. d. Frage, an welche Allgemeinht s. Verbotsnormen und Verhaltensanfordergn. richten. Anderers. du. die Frage, wo sich d. soziale Umfeld befindet, in welchem diejew. Achtungsanspr. gewahrt werden sollen, so: Fricke, S. 94.

25 Mankowsi RabelsZ 63 (1999), 203, 274.

26 Wullrich, S. 70.

27 Kerpen, S. 233 (,,Die Beziehung einer Person zu den anderen Menschen wird dort beeintrachtigt, wo Veroffentlichungen od. Verbreitungen ub. sie wahrgenommen werden“ ); Witzleb RabelsZ 69 (2005), 124, 129, Fn. 20 (,,Ein Rufschaden kann erst dann eintreten, wenn ein Dritter die herabwurdigende Aufierung wahrnimmt“).

28 Koch/Magnus/Winkler von Mohrenfels, S.

29 Friedrich, S.148 ff.

30 Brocker, S. 187.

31 Wullrich S. 71.

32 Schwiegel-Klein, S.56.

33 Brocker, S.177.

34 Wagner, JZ 1993, 1034, 1035.

35 Schack UFITA 108 (1988), 51,71; Staudinger/von Hoffmann, Art. 40 EGBGB, Rn. 59; Looschelders ZVglRWiss 95 (1996), 48, 75 ff.

36 Wullrich, S.71

37 Schack, UFITA 108 (1988) 51, 63 f.

38 Rauscher ZZP Int. 1 (1996), 151, 155.

39 Fricke, S. 93.

40 Ehmann/Thorn AfP 1996, 20, 23.

41 von Hinden, S. 80f.

42 Wanckel, S. 185 f.

43 nach: Wullrich, S. 73 f.

44 Fricke, S. 5.

45 Heiderhoff, Eine Europaische Kollisionsregel fur Pressedelikte, EuZW 2007, 428; Wullrich, S. 260.

46 Heiderhoff, Eine Europaische Kollisionsregel fur Pressedelikte, EuZW 2007, 429.

47 Leonhard, S.80.

48 Ehricke EuGRZ 1993, 113, 114.

49 Fricke, S. 7.

50 Heck, S. 32; Kegel/Schurig, IPR, S.134.

51 Heldrich, S. 361, 370.

52 Leonhard, S.80.

53 Wullrich, S. 265.

54 vgl. Wullrich, S. 236 f.

55 Fricke, S. 12 ff. m.w.N.

56 Heldrich, S. 361, 373.

57 vgl. Fricke, S. 14

58 Heldrich, FS Ficker, 205/220, insb. Fn. 39.

59 etwaNeuhaus, S. 54 f. fur die Berucksichtigung eines kunftigen Einklangs

60 Kegel/Schurig, S. 123

61 Kegel/Schurig, IPR, S. 143

62 Heldrich, S. 361, 374.

63 vgl. Wullrich, S. 264

64 Spanier-Urteil des BVerfG 04.05.1971, BVerfGE 31, 58; von Bar/'Mankowski IPR I Rn 40 ff.; MuKo/'Sonnenberger Einl. IPR Rn 336 ff.; Erman/Hohloch, Das Deliktsstatut S.247;

65 BVerfG 15.01.1958, BVerfGE 7, 198.

66 von Hinden, S.99.

67 vgl. BVerfG 25.8.1998, NJW 1999, 483, 484.

68 von Hinden, S. 100.

69 Heldrich, NJW 2004, 2634.

70 vonHinden, S. 101.

71 so z.B in der Caroline-Entsdg vom 24.6.2004: EGMR NJW 2004, 2647; siehe hierzu: Mann, NJW 2004, 3220; ausfuhrlich ZUM 2004, 651 ff. mit Anm.

Herrmann, 665 f.

72 Herrmann, S. 22; BVerfGE 111, 307.

73 vgl.: vonHinden, S. 101.

74 ebd.

75 die gem. Art. 32 Rom II-VO in Deutschland seit 11. Jan. 2009 inkraftgetretene (i.F. nur mehr) Rom II-VO

76 EGBGB i.d.F. vom 21. Sept. 1994

77 Bamberger/Roth/'Spickhoff,Art. 40 EG, Rn 47; von Bar, IPR II, Rn. 661 ff.; Kropholler, IPR, §53 V 4, S. 530, Fn 132 m.w.N.; aADanckwert, S. 158 ff. fur Personalstatut; Personlichkeitsrechtsverl. werden i. d. meisten Landern dem Deliktsstatut unterstellt, vgl. Heldrich, in: von Caemmerer (Hg), Vorschlage und Gutachten, S. 361, 369.

78 BT-Drucks 14/343 S. 10; Danckwerts, S. 793, 795 f. gegen die Anknupfungan das Personalstatut.

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Details

Titel
Persönlichkeitsschutz gegenüber den Medien im Internationalen Privatrecht
Hochschule
Universität Passau
Veranstaltung
Aktuelle Probleme des internationalen Privat- und Verfahrensrechts
Note
12 Punkte
Autor
Jahr
2012
Seiten
39
Katalognummer
V198514
ISBN (eBook)
9783656247746
Dateigröße
593 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
persönlichkeitsschutz, medien, internationalen, privatrecht, IPR, Internationales Privatrecht, Persönlichkeitsrecht
Arbeit zitieren
Frido Diwald-Dünkelsbühler (Autor:in), 2012, Persönlichkeitsschutz gegenüber den Medien im Internationalen Privatrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198514

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