Von der Notwendigkeit seniorengerechter Hilfsmittel bis zur Markteinführung


Masterarbeit, 2012

78 Seiten, Note: 2,6


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Abstract

2. Einführung
2.1. Der demographische Wandel
2.2. Relevanz
2.2.1. Bevölkerungsalterung und Pflegebedürftigkeit
2.2.2. Verhalten von pflegebedürftigen Migranten
2.2.3. Krankheitsrisiken
2.2.4. Gesellschaftliche Veränderungen

3. Fragestellung

4. Methodisches Vorgehen / systematische Literaturrecherche und deren Ergebnisse.

5. Der Notfallassistent als Hilfsmittel in der Kranken- und Pflegeversicherung
5.1. Definition Heil- und Hilfsmittel
5.2. Kostenübernahme von Hilfsmitteln durch die Krankenversicherung
5.3. Leihweise Überlassung von Hilfsmitteln
5.4. Hilfsmittel im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung
5.5. Vertragsrechtliche Verhältnisse unter der Anwendung technischer und nichttechnischer Hilfsmittel
5.5.1. Rechtsbeziehungen zwischen den Berufsverbänden der Leistungserbringer und den Verbänden der Krankenkassen
5.5.2. Rechtsbeziehungen zwischen Versicherten und Lieferanten
5.5.3. Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Lieferanten
5.5.4. Rechtsbeziehungen zwischen Versicherten und Krankenkassen
5.5.4.1. Mitgliedsarten in einer gesetzlichen Krankenkasse
5.5.4.2. Die ärztliche Verordnung
5.5.4.3. Sachleistungsprinzip
5.6 Rechtliche Grundlagen von Umbaumaßnahmen des Wohnumfeldes und von Hilfsmitteln Seite:
5.7. Der Notfallassistent

6. Zulassungsverfahren von Hilfsmitteln im GKV-Hilfsmittelverzeichnis.

7. Rechtliche Grundlagen im Schadensfall
7.1. Das Bürgerliche Gesetzbuch
7.1.1. Die natürliche Person
7.1.2. Die juristische Person
7.1.3. Die Geschäftsfähigkeit
7.1.4. Haftungsmöglichkeiten
7.2. Produkthaftung aus dem Produkthaftungsgesetz
7.2.1. Ursprünge der Produkthaftung
7.2.2. Erläuterungen des Produkthaftungsgesetzes

8. Kosten- und Nutzenabwägung
8.1. Lebensqualität im Zusammenhang mit dem individuellen Nutzen
8.1.1. Technische Lösungen aus ethischer Sicht
8.1.2. Ethik im Zusammenhang mit der Medizin
8.1.3. Ethik und rechtliche Zusammenhänge
8.2. Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
8.3. Ökonomie im Kontext mit der Patientenversorgung
8.4. Ökonomische Aspekte bei der Entwicklung technischer Lösungen
8.5. Betriebswirtschaftliche Finanzplanung
8.6. Markteinführung

9. Ergebnisse

10. Ausblick

11. Literaturverzeichnis

12. Abkürzungsverzeichnis

13. Anlagenverzeichnis

14. Anlagen

1. Abstract

Der Notfallassistent ist ein technisches Hilfsmittel, an dessen Entwicklung ich im Rahmen meines Masterstudiums an der Fachhochschule (FH) Frankfurt mitwirkte. Er besteht aus im Wohnumfeld fest installierten Teilen und aus einer mobilen Einheit, welche über ein W-Lan Netzwerk miteinander verbunden sind. Die mobile Einheit verfügt zudem auch über Mikrofon, Monitor und Web-Cam.

Im Rahmen dieser Arbeit wurde geprüft, wer bei einem Produktfehler am Notfallassistenten haftbar gemacht werden kann, wie eine Kassenfinanzierung aussehen könnte und es wurde auf eine Kosten-Nutzen-Abwägung eingegangen.

Bevor die Haftung angesprochen wird, möchte ich die Herstellerpflichten erwähnen. Diese umfassen die Überprüfung der Zulieferteile, eine sachgerechte Firmenausstattung vorzuhalten und die Endproduktkontrolle. Hinzu kommt für das Personal die Belehrungs- und Aufsichtspflicht. Im Falle einer Entwicklung an der FH Frankfurt kann dies durch die Lehrenden und die Studenten gewährleistet werden. Außerdem müssen bei der Produktion der aktuelle Stand der Technik berücksichtigt und die Unfallverhütungsvorschriften eingehalten werden. Eine weitere Pflicht ist die Gefahrenabwendungspflicht, welche die Verkehrssicherheit des Notfallassistenten als Produkt beinhaltet.

Die Haftung im Schadensfall im Zusammenhang mit dem Notfallassistenten wird recherchiert. Dies ergibt die Möglichkeit der Ableitungen von Ersatzansprüchen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG). Der Anspruch auf Schmerzensgeld ist nur nach dem BGB ableitbar. Nach dem ProdHaftG muss ein Hersteller nur den Schaden ersetzen, welcher nicht am beweglichen Produkt (mobiler Teil des Notfallassistenten) entstanden ist. Ein Anspruch besteht für den Geschädigten auch nur bei privater Nutzung des Notfallassistenten und wenn die Inverkehrbringung keinen wirtschaftlichen Zweck verfolgt. Zudem ist abzuwägen, ob zum Zeitpunkt der Inverkehrbringung alle Rechtsvorschriften beachtet und der aktuelle technische Stand eingehalten wird. Mit dem aktuellen Stand der Wissenschaft darf der Fehler auch nicht erkennbar sein.

Nun wurde überlegt, wie eine Kassenfinanzierung aussehen könnte. Die Abrechnung von Hilfsmitteln gegenüber der Krankenkasse erfolgt auf Grundlage einer ärztlichen

Verordnung. Es besteht die Möglichkeit Hilfsmittel, wie den mobilen Teil des Notfallassistenten, im Hilfsmittelverzeichnis listen zu lassen. Dies stellt allerdings für die Kassenfinanzierung keine rechtlich binde Wirkung dar. Eine weitere Option ist die leihweise Überlassung des mobilen Teiles. Hingegen können die fest im Wohnumfeld installierten Teile des Notfallassistenten von der Pflegekasse als Wohnumfeld verbessernde Umbaumaßnahme bezuschusst werden.

Ein weiterer Schritt der Arbeit beschäftigt sich mit der Gegenüberstellung der anfallenden Kosten durch die Nutzung des Notfallassistenten und dem durch die Nutzung des Notfallassistenten für den Nutzer entstehenden Vorteil. Die Problematik liegt hierbei in der Messung des individuellen Nutzens für den Nutzer. Es können im Rahmen dieser Arbeit keine konkreten Entwicklungskosten und kein konkreter Verkaufspreis ermittelt werden. Demnach ist eine genaue Gegenüberstellung der langfristigen Kosten von Menschen mit und Menschen ohne Nutzung des Notfallassistenten in dieser Arbeit nicht errechnet worden.

Die Kosten betreffend ist aus ethischer Sicht zu erwähnen, dass Gesundheitsleistungen nicht nach dem Kriterium der Würdigkeit verteilt werden sollten.

2. Einführung

Im Verlauf meines Masterstudiums haben wir in einem Projekt zusammen mit anderen Fachdisziplinen mit der Entwicklung technischer Lösungen für hilfsbedürftige Menschen begonnen. Eine solche Lösung kann der Notfallassistent sein. Dieser besteht aus einem im Wohnumfeld mobilen Teil und aus fest im Wohnumfeld installierten Einheiten. Alle Teile sind mit einem W-Lan Netzwerk verbunden. Zudem besteht die Möglichkeit bei Bedarf Hilfe von einem Pflegestützpunkt oder von Nachbarn anzufordern (s. 5.7. Der Notfallassistent).

Die Idee des Entwickelns und Anwendens technischer Lösungen zum momentanen Zeitpunkt lässt sich mit verschiedenen Begebenheiten begründen (s. 2.2. Relevanz). Zu bedenken sind auch die Entwicklungszeiten technischer Lösungen, wie z.B. dem Notfallassistenten. Würde heute z.B. bedingt durch den demographischen Wandel ein Bedarf festgestellt werden, kann die Produktion von Notfallassistenten ohne eine vorherige Entwicklungszeit nicht starten.

Werden nun Pflegekräfte personell durch technische Lösungen unterstützt und entlastet, so muss die technische Lösung auch für den Endkunden (Versicherten) finanzierbar sein.

Bezogen auf den momentan stattfindenden demographischen Wandel mit seinen möglichen Auswirkungen auf den Pflegemarkt und den vorherrschenden Arbeitsbedingungen könnten technische Lösungen Personal entlasten.

2.1. Der demographische Wandel

Der demographische Wandel in der Bundesrepublik Deutschland bezieht sich auf Erkenntnisse der Demographie als wissenschaftliche Disziplin. Diese beschäftigt sich mit der Verteilung von Bevölkerungszahlen anhand von relevanten Merkmalen, sowie mit durch Geburten, Sterbefällen und Zuwanderung veränderten Strukturen. Die Zu- und Abwanderung, Sterblichkeit, Fruchtbarkeit und andere Prozesse können die Struktur und den Umfang einer Bevölkerung auf einen bestimmten Zeitpunkt gesehen beeinflussen. Zur Strukturierung einer Bevölkerung werden Gliederungskategorien gebildet. Diese können z.B. Vitalstruktur, Sozialstruktur und Regionalstruktur sein. Mit der Vitalstruktur wird nach Alter und Geschlecht gegliedert. Die Sozialstruktur gliedert die Einkommensgröße, den Familienstand und den Erwerbsstatus. Hinzu kommt noch die Gliederung nach politischen und geographischen Gebieten, die Regionalstruktur.[1]

2.2. Relevanz

Bedingt durch den demographischen Wandel können Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt auftreten, die den Einsatz eines Notfallassistenten notwendig machen. Das Angebot von Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland wird sich in Zukunft verändern. Der Bedarf an Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt wird steigen und die Anzahl der erwerbstätigen Fachkräfte wird zurückgehen. Diese Entwicklung verursacht einen flächendeckenden Fachkräftemangel. Auch die ansteigende Zahl von Zuwanderern wird den Fachkräftemangel im besten Fall zeitlich verzögern und nicht aufhalten können. Demnach werden Menschen mit einer beruflichen Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz erhalten. Für Ungelernte und Hilfskräfte wird der Bedarf hingegen sogar leicht abfallen. Bezogen auf den Pflegemarkt wirkt neben der Anzahl von ausgebildeten und dem Markt zur Verfügung stehenden Pflegekräften, auch die Beschäftigungsstruktur auf die zeitliche Entwicklung des Fachkräftemangels ein. Schon im Jahr 2005 blieben 39.000[2] Vollzeitstellen im Bundesgebiet unbesetzt. Für die Auswirkung auf die Beschäftigungsstruktur sind die Wochenarbeitszeit und die Anzahl der Vollzeit-, Teilzeitstellen und der Minijobber wichtige Faktoren. Dies kann man sich so vorstellen, dass eine bestimmte Anzahl von Pflegekräften dem Markt zur Verfügung steht. Der Markt benötigt eine bestimmte Anzahl von zu erbringenden Pflegestunden. Arbeitet jede Pflegekraft nur wenige Stunden, werden mehr Pflegekräfte benötigt. Arbeitet im Gegensatz dazu jede Pflegekraft auf einer vollen Stelle, werden weniger Pflegekräfte benötigt und der Fachkräftemangel wird somit etwas minimiert. Eine relativ hohe Anzahl von Teilzeitstellen und Minijobbern ist auf einen hohen Frauenanteil in den Pflegeberufen von 84% zurückzuführen. Tendenziell arbeiten Frauen in Ostdeutschland mehr auf Vollzeitstellen. Zudem haben Pflegekräfte in Ostdeutschland oftmals eine höhere Wochenarbeitszeit als ihre Kollegen in Westdeutschland. Würden im gesamten Bundesgebiet ostdeutsche Beschäftigungsstrukturen aufzufinden sein, so würde die Zahl der Pflegevollzeitstellen im gesamten Bundesgebiet um 9,5% steigen.[3] Damit würde der Fachkräftemangel etwas sinken. Zur Darstellung gibt es verschiedene Hochrechnungen. Je nach Rechenmodell könnte bis zum Jahr 2016 oder 2019 der Bedarf an ausgebildeten Pflegekräften gedeckt werden, wenn Beschäftigungsstrukturen wie in Ostdeutschland im gesamten Bundesgebiet vorlägen. Liegen diese nicht vor, können personelle Engpässe bis dahin mit angelernten und unausgebildeten Pflegekräften kompensiert werden. Im Jahr 2025 werden je nach Rechenmodell zwischen 64.000 und 121.000 Vollzeitstellen in Pflegeberufen unbesetzt bleiben.[4] Dies sind weitere Gründe die für den Einsatz und für die Notwendigkeit personalunterstützender und entlastender Techniken sprechen.

Eine Entlastung von Pflegekräften durch technische Lösungen, wie dem Notfallassistenten, könnten meiner Meinung nach dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

In Zeiten steigender Anforderungen im Gesundheitssektor ist bei gering vorhandenem Kapital Vertrauen eine Grundvoraussetzung für eine gute Zusammenarbeit aller an der Versorgung Beteiligten. Die bei Patienten und bei professionell im Gesundheitswesen tätigen Berufsgruppen vorhandenen Ängste sollten reduziert werden. Durch die Zusammenführung verschiedener Berufskulturen entstehen neben dem Abbau von Ängsten auch neue Chancen.[5]

Eine solche Chance könnte die berufsgruppenübergreifende gemeinsame Entwicklung des Notfallassistenten zur Unterstützung des menschlichen Personals sein.

Ein weiteres Argument für die Entwicklung solcher technischer Hilfsmittel lässt sich aus kulturellen Verhaltensweisen und aus der Bevölkerungsalterung ableiten.

2.2.1. Bevölkerungsalterung und Pflegebedürftigkeit

Die Bevölkerungsalterung nimmt bedingt durch eine steigende Lebenserwartung zu. Der Grad der Nachfrage nach Pflegeleistungen hängt nicht nur von den Umständen des demographischen Wandels ab. Es gibt auch Annahmen, die Pflegebedürftigkeit würde bei den meisten Menschen zeitlich nach hinten verschoben werden. Demnach würde die Nachfrage nach Pflegeleistungen nicht so stark ansteigen. Der Anstieg würde sich hauptsächlich auf die höhere Anzahl von älteren Menschen und nicht auf eine Verlängerung der pflegebedürftigen Zeit, bedingt durch eine höhere Lebenserwartung, beziehen. Eine andere theoretische Annahme geht von einem Zusammenhang zwischen Kalenderalter und Pflegebedürftigkeit aus. Nach dieser würde es einen stärkeren Anstieg der Pflegebedürftigen geben. Zudem sollte mit einer Veränderung der Krankheitsbilder von Pflegebedürftigen gerechnet werden. Ein Beispiel hierfür ist die starke Zunahme der Demenzerkrankungen mit der Steigerung des Lebensalters. Jährlich ziehen bis zu einem Viertel der im häuslichen Umfeld lebenden Demenzkranken in eine stationäre Pflegeeinrichtung. Dies bedingt eine Verschiebung vom ambulanten in den stationären Bereich. Nach Hochrechnung der Anzahl der Demenzkranken im Bundesgebiet soll es im Jahr 2050 zwischen 240% und im schlimmsten Fall 325% mehr Demenzkranke geben.[6]

Bei demenzkranken Menschen können technische Hilfsmittel am Beispiel des Notfallassistenten unterstützend dazu beitragen, dass der Versicherte im ambulanten Bereich wohnen bleiben kann.

2.2.2. Verhalten von pflegebedürftigen Migranten

Aus soziokulturellen Gründen nehmen ausländische Pflegebedürftige nur ein geringes Maß an Pflegeleistungen von professionellen Anbietern in Anspruch. Verglichen mit deutschen Senioren leben Senioren mit Migrationshintergrund oftmals in Mehrgenerationenhaushalten. In diesen gibt es eine hohe Pflegebereitschaft gegenüber den älteren Verwandten. Der Familie gegenüber verspüren Migranten oft ein hohes Maß an Solidarität. Gegensätzlich verspüren die pflegebedürftigen Mitglieder dieser Migrantenfamilien das Bedürfnis nach Pflege und Betreuung im Rahmen der eigenen Familie. Neben den soziokulturellen Ursachen gibt es noch Zugangsbarrieren zu Informationen über Leistungsansprüche als Ursachen der geringen Inanspruchnahme professioneller pflegerischer Leistungen. Diese Barrieren können im Bereich der Kommunikation liegen und werden durch Verständigungs- und Sprachprobleme verursacht. In Zukunft sollte mit einem Wandel im familiären Denken der ausländischen Bevölkerung gerechnet werden. Demnach wird zukünftig auch die Nachfrage nach professioneller pflegerischer Leistung steigen. Allgemein werden momentan im Bundesgebiet größtenteils Pflegebedarfe im engen familiären Kreis und somit im ambulanten Bereich abgedeckt. An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob der heutigen Generation im Alter genügend jüngere Menschen im engen Verwandtschaftsgrad zur Verfügung stehen. Nennenswerte soziodemographische Änderungen durch eine Abnahme der jüngeren Familienangehörigen werden erst ab dem Jahr 2030 auftreten. Wird sich die Annahme bis dahin bestätigen, wird es auch in Migrantenfamilien zu pflegerischen Engpässen in der Versorgung durch Familienangehörige im ambulanten Bereich kommen.[7]

Auch hier kann ein Notfallassistent bei Wegfall von Familienangehörigen bis zu einem gewissen Maß unterstützen, Hilfen übernehmen und Sicherheit geben.

2.2.3. Krankheitsrisiken

Einen weiteren wichtigen Aspekt stellt der Zusammenhang zwischen Krankheit und Lebensalter dar. Das Krankheitsrisiko, das Risiko der Multimorbidität (an mehreren Krankheiten gleichzeitig zu erkranken) und das Risiko an chronischen Krankheiten zu erkranken nimmt mit steigendem Alter statistisch gesehen zu.[8] Die Risiken werden allerdings auch in das vierte Lebensalter (ab 80 Jahren) verschoben. Nach der Expansionsthese steigt das Krankheitsrisiko im Alter auf Grund des medizinischen Fortschrittes und des individuellen Fehlverhaltens. Der medizinische Fortschritt lässt Mediziner Krankheiten frühzeitiger erkennen und verlängert somit die Lebenszeit. Somit leben ältere Menschen länger mit ihren Krankheiten und diese können chronisch werden. Hieraus kann ein Pflege- oder Betreuungsbedarf entstehen. Hingegen geht die modernere Kompressionsthese von einer Verschiebung der gesundheitlichen Belastungen in ein höheres Alter aus. Demnach würde sich die Anzahl der gesunden Lebensjahre verlängern. Im letzten Lebensabschnitt kann es zu Erkrankungen kommen. Diese müssen allerdings nicht zwangsläufig auftreten. Zudem scheint es Zusammenhänge zwischen dem Krankheitsrisiko, der Sterblichkeit und dem sozioökonomischen Status zu geben. Wird von einer unterschiedlichen Gesundheitsentwicklung in unterschiedlich hohen sozialen Schichten ausgegangen, so kann die These vertreten werden, dass das Krankheitsrisiko nicht nur vom Lebensalter sondern auch von der Zugehörigkeit der sozialen Schicht beeinflusst wird.[9]

Eine Problematik könnte auftreten, wenn die ärmeren Menschen eher auf technische Hilfsmittel angewiesen sind und diese nicht von den Kassen übernommen werden. Für diese Zielgruppe kann die Hilfe eines Notfallassistenten sinnvoll erscheinen. Es ist allerdings zu überlegen, ob gerade die ärmeren Menschen über ausreichende monetäre Mittel verfügen, um sich eine solche technische Lösung wie den Notfallassistenten leisten zu können.

2.2.4. Gesellschaftliche Veränderungen

Auch die durch die gesellschaftlichen Veränderungen bedingte Kostenentwicklung und deren Verschiebungen könnten technische Lösungen lukrativ machen. Die Zunahme der Singlehaushalte könnte in den nächsten Jahrzehnten im Fall einer Pflegebedürftigkeit der Singles ein nennenswerter Kostenfaktor für Kranken- und Pflegekassen werden. Dies begründet sich daraus, dass eine Versorgung im ambulanten Bereich durch Familienangehörige nicht gewährleistet werden kann. Dem gegenüber steht eine finanzielle Entlastung im Bereich der rückläufigen beitragsfreien Familienversicherungen. Eine weitere Veränderung ergibt sich im Bereich der erwerbsfähigen Personen. Diese Änderung ergibt sich aus der rückläufigen Zahl der erwerbsfähigen Personen. Demzufolge könnte der Generationenvertrag ernsthaft gefährdet sein, da die durch die alten Menschen anfallenden Kosten (z.B. Rentenzahlungen) durch die Einzahlungen der jüngeren arbeitenden Menschen nicht mehr gedeckt werden können. Allerdings ist eine Kompensation durch eine steigende Erwerbstätigkeit von Frauen und der Erhöhung des Rentenalters möglich.[10]

Auch alleine lebende Personen (Singles) könnten im Alter von dem Gebrauch eines Notfallassistenten profitieren. Sie könnten im Fall eines auftretenden Hilfsbedarfes länger im eigenen Wohnumfeld bleiben und ambulant versorgt werden.

3. Fragestellung

In dieser Arbeit möchte ich rechtliche Aspekte zum Einsatz eines Notfallassistenten in der Praxis erörtern. Die erste von mir bearbeitete Fragestellung bezieht sich auf das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Zu diesem besteht der erste Bezug im Vertrags- und Haftungsrecht. Die durch die Nutzung des Notfallassistenten entstehenden vertraglichen Bindungen sollen dargelegt werden. Zudem wird die Frage bearbeitet, ob jemand und wer in einem eintretenden Haftungsfall im Rahmen des Haftungsrechtes belangt werden kann. Außerdem wird der Unterschied des BGB zum Produkthaftungsgesetzt (ProdHaftG) dargelegt.

Die Finanzierung des Notfallassistenten bezieht sich auf die Anschaffungs- und Betriebskosten. In diesem Zusammenhang ist die Frage zu beantworten, ob diese Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden können. Zudem soll geprüft werden, ob die gesetzliche Pflegekasse die Kosten als wohnfeldverändernde Umbaumaßnahmen übernimmt. Die Frage von anfallenden Eigenanteilen an Anschaffungs- und Betriebskosten ist zu klären.

Zur Beantwortung der Frage nach der Sinnhaftigkeit eines Notfallassistenten wird eine Rentabilitätsprüfung durchgeführt. Diese soll die anfallenden Kosten der Anschaffung und des Einsatzes eines Notfallassistenten mit dem Nutzen für hilfsbedürftige Menschen vergleichen. An Hand dieses Vergleichs wird abgeleitet, ob die anfallenden Kosten im Verhältnis zum erbrachten Nutzen stehen.

Ärzte können Hilfsmittel aus dem Hilfsmittelverzeichnis verordnen. Demnach werde ich die Bedingungen einer Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis recherchieren. Weiterführend werde ich die Möglichkeiten und Kriterien einer Aufnahme des aus mobilen und aus im Wohnraum fest installierten Teilen bestehenden Notfallassistenten in das Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung abklären.

4. Methodisches Vorgehen / systematische Literaturrecherche und deren Ergebnisse

Ausgehend vom AIIPS-Projekt in meinem Masterstudium habe ich die dieser Arbeit zu Grunde liegende Fragestellung abgeleitet.

Die angewendete Methode ist die systematische Literaturrecherche. Deren Dokumentation wurde in einer Exceltabelle festgehalten (s. Anlage 01). Sie beinhaltet Angaben der Datenbank, des Suchbegriffes (Schlüsselwörter), Anzahl der gefundenen Treffer, Anzahl der verwendeten Suchtreffer, die Einstellungen der verwendeten Datenbank (z.B. Filter, zu durchsuchende Kataloge, etc.), die Suchart, verwendete Ergebnisse (Literaturtitel).

Der erste Schritt lag in der Kontaktaufnahme mit einer Krankenkasse. Dies erfolgte zuerst über die Homepages und dann über per E-Mail gestellte Fragen zum Zulassungsverfahren für Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis am speziellen Fall einer technischen Lösung, die aus im Wohnumfeld fest installierten und aus mobilen Teilen besteht. Zudem wurde nach einer Finanzierungsmöglichkeit durch die Kasse ohne eine Zulassung im Hilfsmittelverzeichnis gefragt. Zeitlich wurde dies schon früh veranlasst, da ich mit einer längeren Antwortzeit rechnete.

Im nächsten Schritt wurde die Datenbank destatis des Statistischen Bundesamtes nach objektiven Daten durchsucht. Die verwendete Suchart war die „einfache Suche“. Weitere Einstellungen wurden nicht vorgenommen. Zur Recherche wurden diese Suchbegriffe verwendet:

(1) demographischer Wandel Gesundheitssystem, (2) Fachkräftemangel Pflege

In der Datenbank REHADAT wurde mit der Suchart „einfache Suche“ nach dem Suchbegriff „Hilfsmittel“ recherchiert. Hierfür wurden „Recht, Suche nach Urteilen“ als Einstellungen ausgewählt.

Die Recherche im Datenbank-Infosystem FH Frankfurt DBIS erfolgte mit dem Suchbegriff „Hilfsmittel“ und der ausgewählten Einstellung „Rechtswissenschaft“. Die Suchart war hier die „schnelle Suche“.

Mit dem nächsten Schritt wurde eine Literaturrecherche über Internetdatenbanken und Suchmaschinen durchgeführt. Hierfür habe ich die Suchmaschinen DIMDI, MEDPILOT, SCIRUS und die Datenbanken DBIS FH Frankfurt und REHADAT ausgewählt. Auf MEDLINE wurde bewusst verzichtet. Dies begründet sich damit, dass diese bei DIMDI in der Suche integriert ist.

Die in den Internetsuchmaschinen DIMDI, SCIRUS und MEDPILOT verwendeten Suchbegriffe lauten:
(1) Entwicklung Gesundheitssystem, (2) demographischer Wandel Gesundheitssystem, (3) Hilfsmittel Vertragsrecht, (4) Medizin Ethik, (5) Ökonomie Medizinethik, (6) Zivilrecht Haftungsrecht, (7) Hilfsmittel, (8) Haftungsrecht bürgerliches Gesetzbuch, (9) Preispolitik, (10) Produkthaftung.

In DIMDI wurde die Recherche mit der Suchart „einfache Suche“ und den Einstellungen „Datenbankvorauswahl, kein Filter“ durchgeführt.

Mit MEDPILOT wurde mit der Suchart „freie Suche“ und keinen weiteren ausgewählten Einstellungen oder Filtern recherchiert.

Für die Recherche mit SCIRUS wurden „Abstracts, Books, Articles, Journals – All, Prefered Web, Erscheinungsdatum bis 2012, als Sucheinstellung gewählt. Als Suchart wurde „freie Suche“ verwendet.

Mit dem nächsten Arbeitsschritt wurde nach Fachliteratur recherchiert. Hierzu wurde Frankfurter Kataloge (FRANKA) verwendet. Bei den Sucheinstellungen wurden die Kriterien „UNI Frankfurt Bibliothek, FH Frankfurt Bibliothek, RETRO: Zettelkatalog UNI, Stadtbücherei Frankfurt“ verwendet. Als Suchart wurde die „freie Suche“ verwendet. Nach den Suchbegriffen (1) Entwicklung Gesundheitssystem, (2) demographischer Wandel Gesundheitssystem, (3) Zivilrecht Haftungsrecht, (4) Hilfsmittel, (5) Medizin Ethik, (6) Haftungsrecht bürgerliches Gesetzbuch, (7) Preispolitik, (8) Produkthaftung, (9) Ökonomie Medizinethik, (10) Hilfsmittel Vertragsrecht wurde recherchiert.

Die Ergebnisse der Literaturrecherche sind folgende:

Die in DIMDI, MEDPILOT, SCIRUS, FRANKA, REHADAT, DBIS FH F und destats erzielten Suchtreffer, die Anzahl der verwendeten Literatur und deren Titel sind im Anhang (s. Anlage 01) einsehbar.

Da es in anderen Ländern andere Rechtssysteme gibt, habe ich rechtliche Literatur aus dem Ausland nicht zur Verwendung mit einbezogen.

Die gefundene Literatur wurde nach Titel, Erscheinungsdatum und dem Inhalt des Abstracts oder Klappentextes (falls vorhanden) selektiert. Zu gebrauchende Literatur wurde am PC (z.B. im Internet oder per Download) gesichtet oder bei einer Bibliothek (Universität Frankfurt und FH Frankfurt) bestellt und gesichtet.

Die Literatur der zwei Autoren Trenczek und Schmidt habe ich bei der Recherche meiner Diplomarbeit gefunden. Die Werke von Blattner und Geyer sowie die drei Duden habe ich aus meiner privaten Büchersammlung herangezogen.

Das Buch von Gethmann-Siefert (2011) konnte nicht gesichtet werden, da es in den Bibliotheken noch nicht verfügbar war.

Die Literatur der Autoren Dettling, Feger, Gsell, Janssen, Kraas, Rosenthal (2003), Umbach, Schlichting, Eibach, Schildmann, Wehkamp, Dibelius, Williams, Matys, Pepels, Gebistorf und Nagle wurde bestellt und gesichtet, aber nicht verwendet.

5. Der Notfallassistent als Hilfsmittel in der Kranken- und Pflegeversicherung

Da die Begrifflichkeiten Heil- und Hilfsmittel oftmals sehr eng miteinander verwendet werden, möchte ich diese gerne erläutern.

5.1. Definition Heil- und Hilfsmittel

Da ich den Notfallassistenten aus heutiger Sicht als Hilfsmittel ansehe, so möchte ich eine Differenzierung zwischen Hilfs- und Heilmitteln anbringen.

Die heutige Differenzierung zwischen Heil- und Hilfsmitteln besteht erst seit 1988. Vor dieser Zeit wurden alle zur Heilung benötigten Mittel ausgenommen Brillen, Verbands- und Arzneimittel bis zum Ende der Behandlungsbedürftigkeit als Heilmittel bezeichnet. Die danach eingesetzten Mittel wurden als Hilfsmittel bezeichnet. Demnach war die Beendigung einer Behandlungsbedürftigkeit eines Versicherten die Bezeichnungsgrenze zwischen Heil- und Hilfsmitteln. Aufgrund des Gesundheits-Reformgesetzes trat in den Bereichen Heil- und Hilfsmittel eine Unterscheidungsproblematik im Zulassungsrecht für die Leistungserbringer (s. 5.5. Vertragsrechtliche Verhältnisse unter der Anwendung technischer und nichttechnischer Hilfsmittel) auf. Zur Lösung haben die Spitzenverbände der Krankenkassen am 09.02.1988 unter Berücksichtigung des Gesundheits-Reformgesetzes eine klare Definition einer Abgrenzung nach Heil- und Hilfsmitteln festgelegt.[11]

Die Definitionen sollen eine Zuordnung und eine Differenzierung von Heil- und Hilfsmitteln durch Krankenkassen, Ärzte und weitere Leistungserbringer sicherstellen und somit auch für die Gewährleistung der Gleichbehandlung der Versicherten sorgen. Nach den Spitzenverbänden der Krankenkassen ist die Art der Leistungserbringung (nicht mehr die Behandlungsbedürftigkeit) das objektive Kriterium der Leistungszuordnung zu den Bereichen Heil- oder Hilfsmitteln. Heilmittel sind nach dieser Definition als nach § 32 SGB V erbrachte Dienstleistungen anzusehen. Die Erbringung dieser obliegt nach § 124 SGB V zugelassenen, ausgebildeten und berufserfahrenen Personen. Die für diese Arbeit relevanteren Hilfsmittel werden hingegen von Leistungserbringern abgegeben, welche nach § 126 SGB V zugelassen werden. Nach § 33 SGB V sind Hilfsmittel serienmäßig hergestellte sächliche Mittel oder technische Produkte. Diese können unverändert oder nach handwerklicher Ergänzung oder Abänderung vom zugelassenen Leistungserbringer abgegeben werden. Als Hilfsmittel sind auch technische Produkte (Geräte) die z.B. Flüssigkeiten in den Körper einbringen anzusehen. Dies können z.B. Inhalationsgeräte oder Spritzenpumpen sein.[12]

Versicherten steht nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V die Kassenleistung zur Behandlung einer Krankheit zu. In dieser Gesetzesstelle werden auch §§ 27 bis 52 SGB V erwähnt. Nach § 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB V hat der Versicherte ein Recht auf Heil- und Hilfsmittel.[13]

Die Versorgung mit Hilfsmitteln kann nach Rosenthal als medizinische Leistung gesehen werden und wird von der zuständigen Kasse als Sachleistung erbracht.[14]

Die von der Krankenkasse zu erstattenden Hilfsmittel werden im Sozialgesetzbuch in § 33 SGB V geregelt und durch einen Vertragsarzt verordnet. Der Anspruch des Versicherten auf Hilfsmittel begründet sich aus der Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung, der Vorbeugung einer drohenden Behinderung oder darin, eine Behinderung auszugleichen. Er umfasst den Ersatz von Körperersatzteilen, Seh- und Hörhilfen, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln. Sollen Hilfsmittel erstattet werden, dürfen sie keine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sein.

Als allgemeine Grundbegriffe des täglichen Lebens sind Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Ernähren (BSG SozR 4 – 2500 § 33 Nr. 25 Rd Nr. 18 – Elektro- Hilfsmotor für Rollfiets mwN; BSGE 50, 77 = SozR 2200 § 182b Nr. 17), elementare Körperpflege (BSG SozR 2200 § 187 Nr. 3 Badhelfer; BSG SozR 2200 § 182b Nr. 10 – WC Automatik), unter Berücksichtigung der Selbstständigkeit bei intimen Verrichtungen (BSG SozR 4 – 2500 § 33 Nr. 4 Rd Nr. 7, 9 – Blasen- und Darmentleerung) anerkannt. Diese unterstützt der Notfallassistent indem er selbstständiges Wohnen (BSG SozR 4 – 2500 § 33 Nr. 2 S 15) unterstützt. Die Schaffung und Erschließung eines körperlichen und geistigen Freiraumes, ausreichend auch die Sicherung der Bewegungsfreiheit und des körperl Freiraums bei übersteigertem Bewegungsdrang und fehlendem Gefahrenbewusstsein (BSG SozR 4 – 2500 § 33 Nr. 10 - Reha Kinderwagen) kann besonders für demenziell erkrankte Nutzer des Notfallassistenten relevant sein. Zudem hilft der Notfallassistent bei der qualitativen Erweiterung des persönlichen Freiraums (s. BSG SozR 4 – 2500 § 33 Nr. 1 insbes RD Nr. 20 ff: keine Abhängigkeit von der Hilfe fremder Personen durch vom Ehemann zu bedienenden zweisitzigen Elektrorollstuhl), indem der Nutzer sich mit mehr Sicherheit in seinem Umfeld bewegen kann.[15]

Der Gebrauch des Notfallassistenten als Hilfsmittel könnte meiner Meinung nach mit dem Anspruch auf Ausgleich von Behinderungen begründet werden.

Besteht nun ein Anspruch auf ein Hilfsmittel, so hat der Versicherte auch einen Anspruch auf notwendige Änderung des Hilfsmittels, auf die Erstbeschaffung und auf die Instandsetzung von Hilfsmitteln durch die Kasse. Zudem hat er Anspruch auf die Ausbildung im Gebrauch des jeweiligen Hilfsmittels.

5.2. Kostenübernahme von Hilfsmitteln durch die Krankenversicherung

Einen weiteren wichtigen Aspekt stellt die Kostenübernahme durch die Krankenkasse dar. Die Krankenkasse übernimmt Kosten für Hilfsmittel nach vertraglich vereinbarten Preisen nach § 127 Abs. 1 SGB V. Zudem werden durch die Kasse übernommene Festbeträge für Hilfsmittel in § 36 SGB V geregelt.

Nimmt ein Versicherter Hilfsmittel in Anspruch, so kann er nach § 61 SGB V zuzahlungspflichtig werden. Die Zuzahlung wird nach § 33 Abs. 8 Satz 1 SGB V an den Anbieter des Hilfsmittels entrichtet.

Nach § 34 Abs. 4 SGB V kann der Bundesminister für Gesundheit mit der Zustimmung des Bundesrates und einer Rechtsverordnung bestimmte Hilfs- und Heilmittel von der Kostenübernahmepflicht durch gesetzliche Kassen ausschließen. Dies kann damit begründet werden, dass der therapeutische Nutzen oder der Abgabepreis gering sind (BGB1 I, S. 2237 vom 13.12.1989). Zudem kann mit einer Rechtsverordnung auch eine Kostenübernahme der Krankenkasse für geringfügige Kosten für die Erstbeschaffung, die Instandsetzung, die Änderung eines Hilfsmittels oder die Ausbildung im Gebrauch des Hilfsmittels festgelegt oder ausgeschlossen werden.[16]

5.3. Leihweise Überlassung von Hilfsmitteln

Die Krankenkasse hat nach § 33 SGB V Abs. 5 auch die Möglichkeit, Hilfsmittel leihweise zu überlassen.

Die leihweise Weitergabe von Hilfsmitteln an Versicherte ist nach dem BSG Urteil (3 RK -7/88) vom 09.02.1989 sozialversicherungsrechtlich gestattet.[17]

Es ist meiner Meinung nach denkbar, die mobilen Teile des Notfallassistenten auch leihweise an Versicherte abzugeben.

5.4. Hilfsmittel im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung

Der Hilfsmittelbegriff wird auch im Zusammenhang mit der Pflegekasse in § 40 SGB XI erwähnt. Versicherte können demnach einen Anspruch auf durch die Pflegekasse finanzierte Hilfsmittel haben. Die Notwendigkeit des Anspruches gegenüber der Pflegekasse wird durch eine Pflegefachkraft der Kasse oder den Medizinischen Dienst (MDK) überprüft. Besteht ein Anspruch auf Pflegehilfsmittel, können Versicherte diesen zur Erleichterung der Pflege, zur Linderung der Beschwerden oder zum Ermöglichen einer selbstständigeren Lebensführung haben. Wird ein Hilfsmittel von einem anderen Leistungsträger (z.B. Land oder Bund aufgrund eines Dienstunfalles) oder der Krankenkasse finanziert, so besteht kein Anspruch gegenüber der Pflegekasse.

Es ist auch möglich, Wohnumfeld verbessernde Umbaumaßnahmen, z.B. die Installation von Teilen des Notfallassistenten im Wohnumfeld, von der Versicherung bezuschussen zu lassen (s. 5.6. Rechtliche Grundlagen von Umbaumaßnahmen des Wohnumfeldes und von Hilfsmitteln).

Für „zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel“ kann die Pflegekasse nach § 40 Abs. 2 SGB XI monatlich einen Höchstbetrag von 31 € erstatten.

5.5. Vertragsrechtliche Verhältnisse unter der Anwendung technischer und nichttechnischer Hilfsmittel

Die grundsätzlichen Konstellationen zur Beziehung von Versicherungsleistungen bestehen aus den Versicherungsträgern (Kostenträger), den Leistungserbringern und den versicherten Leistungsempfängern. Die Versicherungsträger sind die Kranken- und Pflegekassen und unter den Leistungserbringern sind z.B. Vertragsärzte, Pflegedienste oder Sanitätshäuser als Lieferanten von Hilfsmitteln gemeint.

5.5.1. Rechtsbeziehungen zwischen den Berufsverbänden der Leistungserbringer und den Verbänden der Krankenkassen

Mit dem Gesundheits-Reformgesetz (GRG) erfolgte auch eine Neufassung des Sozialgerichtsgesetzes. Aufgrund dieser erfolgt die Zuweisung der Rechtsstreitigkeiten über Verträge mit Krankenkassen oder Krankenkassenentscheidungen an die Sozialgerichte. Seit diesem Zeitpunkt findet sich im Schrifttum überwiegend die Meinung, die Rechtsbeziehungen zwischen den Berufsverbänden der Leistungserbringer und den Verbänden der Krankenkassen seien dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Eine abschließende Regelung wurde allerdings nicht getroffen. Demnach wären Verträge nach §§ 125 und 127 SGB V dem öffentlichen Recht zugeordnet.[18]

Zwischen den Leistungserbringern und den Krankenversicherungsträgern bestehen Rahmenverträge.[19]

Diese werden im Zusammenhang einer Ausschreibung zwischen Krankenkassen, deren Arbeitsgemeinschaften oder Landesverbänden und Leistungserbringern über die Lieferung von Hilfsmitteln geschlossen. Zur Vertragsschließung können sich Leistungserbringer zusammenschließen (Leistungserbringerverband). Die Lieferung kann sich auf eine bestimmte Anzahl von Hilfsmitteln, eine Anzahl von durchgeführten Versorgungen oder auf einen Versorgungszeitraum beziehen. Außerdem muss eine wohnortnahe Versorgung und eine alles Notwendige umfassende Beratung des Versicherten gewährleistet sein. Sonstig anfallende notwendige Dienstleistungen müssen ebenso gewährleistet sein. Eine weitere Voraussetzung zur Schließung dieser Verträge stellt eine Zweckmäßigkeit im Bezug auf Wirtschaftlichkeit und in der Qualität der Versorgung dar (§ 127 Abs. 1 SGB V).

Zur Erlangung von einheitlichen Anforderungen an die Hilfsmittel gibt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen nach § 126 SGB V Empfehlungen ab.

Bei der Vertragsschließung sind die Produkt- und Versorgungsqualität einzuhalten.

Zur Gewährleistung einer wirtschaftlich optimalen, ausreichenden, zweckmäßigen und funktionsgerechten Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln regelt § 139 SGB V strukturelle und Aufnahmebedingungen des Hilfsmittelverzeichnisses sowie Qualitätsanforderungen.

[...]


[1] vgl. Rühl, S. 11 ff

[2] vgl. Afentakis, et al.

[3] vgl. Afentakis, et al.

[4] vgl. Afentakis, et al.

[5] vgl. Lohmann, S.58 ff

[6] vgl. Klie, et al., S.7 ff

[7] vgl. Klie, et al., S.7 ff

[8] vgl. Zimmermann, S. 24 ff

[9] vgl. Zimmermann, S. 24 ff

[10] vgl. Sachverständigenrat für die Konzentrierte Aktion im Gesundheitswesen (1996):
Gesundheitswesen in Deutschland, Band I, S. 24

[11] vgl. Rosenthal, S. 38

[12] vgl. Rosenthal, S. 39

[13] vgl. Rosenthal, S. 31

[14] vgl. Rosenthal, S. 33

[15] Weismantel in Nolte in Leitherer § 33 SGB V RZ RZ 12a

[16] vgl. Breulmann S. 13

[17] vgl. Breulmann, S. 2

[18] vgl. Rosenthal S. 77, 78

[19] vgl. Breulmann, S. 36

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Von der Notwendigkeit seniorengerechter Hilfsmittel bis zur Markteinführung
Hochschule
Frankfurt University of Applied Sciences, ehem. Fachhochschule Frankfurt am Main
Note
2,6
Autor
Jahr
2012
Seiten
78
Katalognummer
V198649
ISBN (eBook)
9783656250968
ISBN (Buch)
9783656251828
Dateigröße
671 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pflege, Pflegewissenschaft, Sozialwissenschaft, AAL, Notfall, Notfallmanagement, Industrialisierung, Recht, Hilfsmittel, Hilfsmittelzulassung, Produktrecht, Haftungsrecht, Barriere, Barrierefreiheit, Senior, Senioren
Arbeit zitieren
Christian Weismantel (Autor:in), 2012, Von der Notwendigkeit seniorengerechter Hilfsmittel bis zur Markteinführung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198649

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Von der Notwendigkeit seniorengerechter Hilfsmittel bis zur Markteinführung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden