Streiflichter aus Wittenberge im 1. Weltkrieg 1914 - 1918


Trabajo de Investigación, 2012

43 Páginas


Extracto


Vorbemerkungen

Die nachfolgenden Darstellungen sollen einige Fakten aus der Stadtgeschichte im 1. Weltkrieg beleuchten.

Eine vollständige Geschichte dieser Zeit muss erst noch geschrieben werden.

Wer den 2. Weltkrieg und die Nöte und Mängel bis in die Nachkriegszeit bewusst miterlebt hat, kann sich auch heute noch in die damalige Zeit versetzen. Viele Erscheinungen haben sich wiederholt, der Krieg zwang zu vielen, aber er demoralisierte auch.

Der 1. Weltkrieg führte in die Revolution vom 9. November 1918.

Ere führte zum Zusammenbruch des Kaiserreiches. Er führte auch zum Zusammenbruch von Weltbildern, die zum Teil in Jahrhunderten geformt wurden.. Der Glanz einer feudalen Gesellschaft oder das, was in Deutschland im Bündnis mit der Großbourgeoisie übrig geblieben war, verlosch.

In Deutschland und nicht nur da, war der blutige Krieg das bis dahin unerreichte Völkergemetzel und der Ausgangspunkt für Entwicklungen, mit denen wir es bis heute zu tun haben.

Der Verfasser stützte sich auf im Stadtarchiv vorhandene zeitgenössische Chroniken, auf Pressematerialien, Protokolle vom Stadtverordnetenversammlungen und des Magistrats u.a.

Besonders informativ ist die Chronik eines Zeitzeugens, Richard Gätke.

Er schrieb sie aber als bekennender Nationalsozialist 1942 nieder und dementsprechend sind auch seine Wertungen.

Aber vieles bleibt noch offen.

Vor allem auch die Frage, warum die dem Kaiserreich folgende demokratische Republik nur 12 Jahre Bestand hatte.

Die Darstellung wurde bereits in den 90er Jahren durch den Prignitzer Heimatverein veröffentlicht. Sie wurde vom Autor erneut überarbeitet.

Als nach dem Mord von Sarajewo am 28.7.1914 an dem österreichischen Thronfolger Erzherzog Ferdinand Extraausgaben der Ortszeitungen in Wittenberge erschienen, ahnte wohl kaum jemand in der Stadt, welche ernsten Folgen dieses Ereignis für die weitere Geschichte des Ortes, ja des ganzen Landes hatte.

Noch am 28. Juli , also am selben Tage, hatte der örtliche Wahlverein der SPD in die Zentralhalle, in der Turmstraße 23, zu einer Versammlung eingeladen.

Redner war Wilhelm Siering, der 1912 Reichstagsabgeordneter für die Westprignitz wurde und hier bei der Wahl 5068 Stimmen erhielt, bei der Stichwahl sogar 7123.

Wittenberge war zu dieser Zeit eine Hochburg der Sozialdemokraten in einem Landkreis, der von Konservativen und Kaisertreuen beherrscht wurde.

Siering rief in dieser Versammlung noch gegen den Krieg auf, den er als „Todfeind aller wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung bezeichnete“ Die Arbeiterschaft solle ihre Feindschaft gegenüber dem Krieg erklären.

Erste Anzeichen für den bevorstehenden Krieg gab nun schon. Es zogen am 31. Juli zwei Züge der 3. Batterie des Kurmärkischen Feldartillerieregiments Nr. 39 aus Perleberg, die einzige Truppe in der Stadt nach Eikerhöfe, um die Elbbrücke zu bewachen. Sie sollten die Sprengung durch feindliche Agenten verhindern. Die Brücke war noch passierbar wenn man sich einen Schein vom Bahnhofskommandanten besorgt hatte. Er saß im „Damenzimmer“ des Wartesaales.

Im Juli waren viele Soldaten als Erntehelfer in der Prignitzer Landwirtschaft eingesetzt und sie erhielten nun den Befehl, den Ernteurlaub abzubrechen und in ihre Garnisonen zurückzukehren. Mehrere Extrazüge der Armee, so z.B. mit den Neustrelitzer Artillerieregiment, passierten den Wittenberger Bahnhof und ließen so manches ahnen. In Perleberg wurden schon mehrere Leerzüge zusammengestellt für den Truppentransport.

„Der Prignitzer „ schrieb:

Und wahrlich, ganzer Kreise sind schon, und nicht ganz zu Unrecht, von einer großen Kriegsfurcht befallen. Kriegsbegeisterung hat sich geradeso wie anderswo auch unserer Prignitzer Jugend bemächtigt und das ist ihr noch hoch anzurechnen, aber auf der anderen Seite sieht man im Geiste wieder Familienväter, Brüder und Söhne, die zur Fahne gerufen werden können, sowie die Schrecken, die zwischen Krieg und Frieden liegen, und unter all diesen Eindrücken beginnt naturgemäß auch schon das geschäftliche Leben ins Stocken zu geraten.. Die exportierenden Wittenberger Firmen, z.B. die Singer Company, können nicht mehr nach Österreich liefern, weil die Bahnen größtenteils für militärische Zwecke benutzt werden. Auch die Elbeschiffahrt leidet, wie wir gestern schon darlegten. Mögen die nächsten Stunden uns auch eine schwere, entscheidende Wendung bringen. Es ist Pflicht eines jeden, die Schickung mit Würde zu tragen und auf seinem Posten auszuharren. Auch hier gilt zunächst das gute deutsche Wort.

„Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.“[1]

Aber noch am 31.7. brachte „Der Prignitzer“ eine Meldung, dass einige Zeitungen, die am 30.7. eine Nachricht über deutsche Mobilmachung gebracht hatten, im Druck wegen „groben Unfugs“ gestoppt wurden. einen Tag später war das schon anders.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Mobilmachung in Deutschland wurde um 17 Uhr durch Anschläge in der ganzen Stadt verkündet.

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Am 1. August erschien „Der Prignitzer“ mit der Überschrift

Der Krieg ist unvermeidlich

Die Mobilmachung in Deutschland wurde um 17 Uhr durch Anschläge in der ganzen Stadt verkündet.

Sie druckte einen Ausschnitt aus der Rede Kaiser Wilhelms II. ab, die er vom Balkon des Berliner Schlosses gehalten hatte.

Er sagte::

.“ Neider überall zwingen uns zu gerechter Verteidigung. Man drückt uns das Schwert in die Hand. Ich hoffe, dass ich das Schwert mit Gottes Hilfe so führen kann, dass ich es mit Ehren wieder in dien Scheide stecken kann. Enorme Opfer an gut und Blut wird der Krieg von uns erfordern. Den Gegnern aber werden wir zeigen, was es heißt, Deutschland in so niederträchtiger Weise zu reizen. Und nun empfehle ich euch Gott. Jetzt geht in die Kirche, kniet nieder vor Gott und bittet ihn um Hilfe für unser braves Heer.“[2]

Am 2. August wurden die ersten 800 Reservisten der Stadt eingezogen, die wie überall in Deutschland von einem großen Teil kriegsbegeisterter Einwohner, mit Blumen geschmückt, zum Bahnhof begleitet werden..

Einige von ihnen haben sich schnell noch kriegstrauen lassen. Das Standesamt nennt für die Zeit vom 1. . 4. August 22 Paare. Dazu gehörten sicherlich auch Kriegsfreiwillige, die bald folgten. Sie setzten sich nach den Worten eines späteren Chronisten, der selbst Kriegsfreiwilliger war,

„besonders aus den Angehörigen der sogenannten gebildeten Stände zusammen, eben aus den Ständen, die von den Einpeitschern der SPD als die herrschenden Stände bezeichnet wurden.“

Kriegsbegeisterung zeigte sich naturgemäß bei der Jugend

So legten, nach einem Bericht des „Der Prignitzer“ Ende August 7 Untersekundaner am Wittenberger Realgymnasium die Notabschlußprüfung ab, um Kriegsfreiwilliger zu werden.

Zwei Wittenberger, nämlich Wilhelm Huck, Sohn des Bäckermeisters Wilhelm Huck aus der Bäckerstraße 5 und Otto Schmidtchen, Sohn des Obertelegraphenassistenten Paul Schmidtchen aus der Burgstraße 20 hatten sich schon vorher zu den Fahnen gemeldet.

Die Mehrzahl der Menschen hegte zu dieser Zeit den Glauben, für eine gerechte Sache in den Krieg zu ziehen. Sie sahen den Urheber des Konfliktes im „Erzfeind“ Frankreich, den man sicherlich, wie 1870/ 71 schnell niederringen würde. Die Zustimmung der Reichstagsfraktion der SPD zu den Kriegskrediten am 4. August 1914 hat das ihre dazu beigetragen, die Abneigung gegen den Krieg unter den Arbeitern zu dämpfen und glauben zu machen, für eine gerechte Sache zu kämpfen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ausmarsch 1914 Gemälde (Quelle: Kirche und Familie Evangeliosches Gemeindblatt für den kirchenkreis Wittenberge 12.8.1934

Begeisterung erfasste auch den Protokollanten des Lehrervereins Abelmann.

Er schrieb:

Mit atemloser Spannung lauschen wir den ersten Telegrammen mit wohltuender Freude und zuversichtlichem Vertrauen verfolgen wir den Siegeszug unserer braven Truppen. Mit selbstverständlichen Opfersinn unterstützen wir unsere in Not geratenen Kollegen in den Grenzprovinzen, bewilligten wir Kriegssteuer und ein Stück unseres Herzens packen wir in jeden Feldpostbrief und in jedes Feldpostpaket.

25 Lehrer wurden eingezogen, 5 wieder entlassen und drei wurden schon verwundet. 5 erhielten 1914 des Eiserne Kreuz..

Eine genauere Darstellung ihrer Erlebnisse und Heldentaten muß jedoch dem ersten Jahresbericht nach dem Friedensschlusse vorbehalten b leiben.[3]

Die Zeitungen sahen den Krieg als eine n Spaß an und brachten lustige Sachen, die zur Kriegsbegeisterung beitragen sollte

„Der Prignitzer“ veröffentlichte dazu ein Gedicht eines Poeten:

Du Fritze ziehst nach Frankreich schnell

Den Franzmann zu vermöbeln!

Red auf gut Deutsch mit dem Gesell

Sollt er Französisch pöbeln

Heut jeder seinen Mann muss stehn

Verwalkt die Völkerrassen

Ihr seid mein Dreibund und auf den

Kann ich mich wohl verlassen.

Druff Jungens! Eure Faust geballt!

Möcht ihr euch nicht verringern

Kommt siegreich wieder! Möglichst bald

Ihr wird det Ding schon fingern.[4]

Am 6. August wandte sich der Kaiser erneut an das deutsche Volk

Er wies darauf hin, dass sich „unsere Feinde “ zu tückischen Überfall rüsten.

„So muss denn das Schwert entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf ! Zu den Waffen!

Es geht um „Sein oder Nichtsein deutscher Macht und deutschen Wesens“.

„Wir werden uns wehren bis zum letzten Hauch von Mann und Roß. Und wir werden diesen Kampf bestehen auch gegen eine Welt von Feinden. Noch nie ward Deutschland überwunden, wenn es einig war.

Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war .

An den Militärzügen waren Inschriften angebracht, die „Der Prignitzer“ als Beispiel eines „prächtigen Geistes“ und „unverwüstlichen Humors“ charakterisierte.

Jeder Schuß

Ein Ruß,

Jeder Stoß

Ein Franzos!“

„Aus Serben

machen wir Scherben!:“[5]

Wir werden nicht ruhen und rasten,

Bis die Franzosen fasten.

Franzosen, Russen Serben,

Alle müssen sterben.

Wenn es Russenköpfe regnet

Und Franzosenköpfe schneit

Dann bitten wir den lieben Herrgott,

Dass das Wetter so bleibt.

Ein anderer Poet lieferte unter der Überschrift

Gut Deutsch folgendes Poem:

Unser Heer ist, wie mich deucht,

Zwar französische stark durchseucht:

„Cavallerie“ und „Artillerie“,

„Infanterie“ u nd „Compagnie“,

« Leutnant » und « Bataillon »,

General und «Escadron

Tambour, Biwak, Deserteur.

Einen Chef hat die Armee

Fähnrich trägt ein Portepee

Füselier und Grenadier

In Kasernen nimmt Quartier

Aaber!

Kloppe ,Keile, Wichse, Senge,

Haue,Bimse eine Menge,

Auf den Feind mit kräftgen Hieben

Das ist alles Deutsch geblieben.

Drum, ihr Jungens, drauf und dran,

Zeigt , wie jeder deutsch noch kann!

Jedes Feindesland, bald fall es,

Deutschland , Deutschland über alles![6]

Manche Gaststätten verkauften Russengift, frische Russenschenkel, Poincaresalat, Die Russen sollen noch Mooskauen lernen, Kosakenfett, 10 Stück Engländer für 10 Pfennige

Nächsten Tanzkränzchen in St. Petersburg

Sitzungszimmer für die

Eingemeindung Russlands

Die Presse wurde sofort unter Zensur gestellt. Sodass die Informationen natürlich entsprechend gefiltert waren.

Öffentliche Versammlungen waren kaum mehr erlaubt.

Der Prignitzer überschrieb einen Artikel mit

Die Augen auf: Spione !

Er behauptete, dass wir rings von Spionen umgeben sind. Verdächtige Personen, besonders wenn sie ausländisch sprechen, sollten sofort der Polizei oder einem deutschen Offizier gemeldet werden.

Natürlich wurde darauf hingewiesen, dass alle Spione sofort erschossen würden.

In Seehausen hatte man den Konzertmeister Finchow wegen Spionageversacht verhaftet. Er musste aber wieder freigelassen werden.

In Wittenberge hatte man den Engländer Paar wegen angeblich deutschfeindlicher Äußerungen festgenommen. Es konnte ihm aber nichts nachgewiesen werden und er wurde entlassen, allerdings abends, da man feindliche Kundgebungen gegen ihn fürchtete.[7]

Über die Bestrebungen der Sozialdemokratie wurde wie vor dem Krieg weiter berichtet.

Am 27.8. schreibt der Landrat nach oben:

Äußere Wahrnehmung beschränkt sich auf Verbreitung von Schriften und Abhaltung von Versammlungen.

Als Themen wurden genannt.

Das preußische Wahlrecht,

Frauenstimmrecht,

die Rechtsverhältnisse der Landarbeiter

Im Bericht an die Königliche Regierung vom 31.8.1914 wurde mitgeteilt, das die Beteiligung von Eisenbahnbediensteten an der beruflichen Organisation der Sozialdemokratie nicht wahrgenommen werde. Wahrscheinlich gab es eine diesbezüglich Anfrage.[8]

Schon am 5. August werden die Mitglieder der Wittenberger Schützengilde durch den Magistrat in einem Schreiben aufgefordert, sich für den Schutz der Öffentlichkeit zu Verfügung zu stellen.. Es geht vor allem um den Wachdienst, so z.B. des Wasserwerkes, des Elektrizitätswerkes, der Eingänge zum Hafen und an den Straßeneingängen. 12 Gildemitglieder werden zur Bewachung russischer Zivilgefangener abgestellt, die später den sogenannten „Russenteich“ anlegen. Am 1. Oktober übernimmt die Schützengilde auch den Polizeidienst in Wittenberge, da die Beamten zum Kriegsdienst eingezogen sind.

Der Wachdienst wurde erst am Jahresende aufgehoben

Beruhigend haben sicherlich auch die anfänglichen Erfolge der deutschen Truppen gewirkt.“ Der Prignitzer“ berichtete darüber im August und September.

Dafür einige Beispiele von Schlagzeilen:

2. September 1914 Die österreichisch russische Riesenschlacht, günstige Chance unserer Verbündeten

5. September 1914 Immer weitere Erfolge. Die Franzosen geben „mutig“ alles preis

15. September Noch keine Entscheidung vor Paris

19. September Erfolge im Westen und Osten.

Entscheidender Sieg auf unserem rechten Flügel

23. September 1914 Vorwärts! Neue Erfolge. Reims brennt

Am 5. September berichtete der Prignitzer:

„Bei dem verfolgenden Armeekorps befindet sich auch Generalfeldmarschall Graf Haeseler, der es sich nicht hat nehmen lassen, gewissermaßen als Kriegsfreiwilliger mitzugehen. Von den Höhen aus war deutlich zu sehen, dass die Einschließung von Verdun bereits vollzogen wird.“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


[1] Der Prignitzert NR 177 31.7.1914

[2] Der Prignitzer Nr. 178 1. August 1914

[3] Protokoll Lehrerverein S. 38/39

[4] Prignitzer 11.8.1914

[5] Der Prignitzer 7.8.1914

[6] Der Prignitzer 15.8.1914

[7] Der Prignitzer 7.8.1914

[8] BLHA Rep 2 A I Pol Akte Nr. 1043 Sonderakte betr. Gemeingefährliche Bestrebungen der Sozialdemokratie Blatt 61 und 63

Final del extracto de 43 páginas

Detalles

Título
Streiflichter aus Wittenberge im 1. Weltkrieg 1914 - 1918
Autor
Año
2012
Páginas
43
No. de catálogo
V198823
ISBN (Ebook)
9783656254157
Tamaño de fichero
6335 KB
Idioma
Alemán
Notas
Regionalgeschichtliche Arbeit zur Stadtgeschichte Wittenberge
Palabras clave
streiflichter, wittenberge, weltkrieg
Citar trabajo
Günter Rodegast (Autor), 2012, Streiflichter aus Wittenberge im 1. Weltkrieg 1914 - 1918, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198823

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