Die politische Intention der Apocolocyntosis


Hausarbeit, 2012

20 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

1. Einleitung

2. Hintergrund der Apocolocyntosis
2.1 Seneca und seine politische Geisteshaltung
2.2 Kaiser Claudius
2.3 Seneca und Claudius
2.4 Zeitgeschichtlicher Hintergrund

3. Apocolocyntosis – Verkürbissung
3.1 Inhalt der Apocolocyntosis
3.2 Darstellung des Claudius

4. Die politische Intention Senecas in der Apocolocyntosis
4.1 Die Agrippina - Problematik
4.2 Die Apocolocyntosis als politische Propagandaschrift?
4.3 „Negativer Fürstenspiegel“ und aristokratische Kritik

5. Schlusswort

6. Bibliographie
I. Textausgaben und Kommentare
II. Sekundärliteratur

1.Einleitung

Vae me, puto, concacavi me![1] Mit diesen Worten beendet Kaiser Claudius in der vom Philosophen, Staatsmann und Dichter Seneca verfassten Satire Apocolocyntosis sein Leben und begibt sich folgend auf eine Himmel- und Höllenfahrt. Claudius starb am 13. Oktober 54 und wurde wenige Zeit später als divus Claudius konsekriert. Kurz nach seiner Apotheose erschien die Apocolocyntosis, in der Seneca auf schärfste Weise mit Claudius abrechnet.Dass Seneca die Satire zum einen aus persönlichem Interesse geschrieben hat, ist offenkundig und in der Forschung grundlegend anerkannt. Jedoch wirft das Werk noch eine Frage bezüglich einerpolitischen Absicht auf, die in dieser Arbeit untersucht wird. Diese Frage nach der politischen Intention der Apocolocyntosis wurde in der Forschung kontrovers diskutiert und brachte noch keine endgültige Lösung hervor. So vertritt beispielsweise Kraft die These, dass Seneca die Satire verfasst hat, um sich in der politischen Auseinandersetzung zwischen dem neuen Kaiser Nero und dem leiblichen Sohn des Claudius, Britannicus, auf die Seite Neros zu schlagen.[2] Weiterhin behaupten eine Reihe von Forschern, beispielsweise Münscher[3] und neuerdings Horstkotte[4], dass die Apocolocyntosis gegen Agrippina gerichtet sei. Bringmann[5] und Kloft[6] verbinden mit der Schmähschrift eher eine Kritik der politischen Wirklichkeit und eine Verschmähung des Claudius allgemein als Herrscher. Diese Arbeit soll zeigen, dass Senecas politische Intention darin bestand, seine Einstellung bezüglich der Politik des Claudius darzustellen und ihn allgemein in seiner Herrscherfunktion zu kritisieren, wobei eine vorsichtige Tendenz aristokratischer Einflüsse möglich gewesen wäre. Neben diesem sollen die beiden Interpretationen bezüglich Agrippina und der politischen Propaganda widerlegt werden.

Zunächst wird der historisch-politische Hintergrund der Apocolocyntosis dargestellt, wobei die beiden wichtigsten Akteure Seneca und Claudius näher vorgestellt werden. Anschließend soll anhand einer kurzen Darstellung der wichtigsten Inhalte der Satire ihre Wirkung andeutungsweise gezeigt werden. Im Anschluss wird die politische Intentionsabsicht Senecas in der Apocolocyntosis aus den obengenannten Perspektiven diskutiert. Die wichtigsten Quellen zur Deutung der Intentionsabsicht des Werkes sind Senecas Apocolocyntosis selbst und weiterhin die historiographischen Darstellungen in Tacitus‘ ‚Annales‘ und Suetons ‚De vita Caesarum‘.

2. Hintergrund der Apocolocyntosis

2.1 Seneca und seine politische Geisteshaltung

Lucius Annaeus Seneca wurde um die Zeitenwende in Cordoba in der Provinz Spanien geboren. Da Senecas Vater, ein römischer Ritter und Rhetor, in Rom, dem geistigen und kulturellen Mittelpunkt jener Zeit, lebte, gelang Seneca frühzeitig in die Metropole. Er wurde in der Rhetorenschule ausgebildet, beschäftigte sich schon früh mit der Philosophie und strebte den Beruf des Anwalts respektive den cursus honorum an, den er unter Kaiser Caligula begann.Seneca erarbeitete sich als bekannter Redner ein sehr hohes Ansehen und wurde schon sehr bald in der Politik und in der Literatur tätig.[7]

Mit dem Beginn der Herrschaft Kaiser Claudius‘ brach für Seneca die schwerste Zeit seines Lebens an. Claudius ließ ihn auf Veranlassung seiner Gattin Messalina im Jahr 41 nach Korsika verbannen, wo er acht Jahre verbrachte. Nach dem Sturz Messalinas konnte die neue Gattin des Claudius, Agrippina, Seneca aus dem Exil zurückholen und ihn als Lehrer und Erzieher ihres Sohnes Nero einsetzen. Zugleich erhielt er als Entschädigung die Prätur.[8]

Nach Claudius‘ Tod gelang Nero an die Macht. Die ersten fünf Jahre stand der neue Kaiser unter dem Einfluss Senecas und des Prätorianerpräfekten Burrus, die dadurch die faktischen Regenten des Reiches waren.[9] Mit der Zeit traten aber die negativen Charakterzüge Neros, seine Zügellosigkeit und Verschwendungssucht unter der Einflussnahme übler Freunde immer mehr zum Vorschein[10], sodass sich Senecas und Burrus‘ Macht stetig verringerte. Nachdem Nero seinen Stiefbruder Britannicus, seine Mutter Agrippina und seine Gemahlin Octavia ermorden ließ, und auch der Prätorianerpräfekt Burrus 62starb[11], war es nur eine Frage der Zeit, Seneca, der immer mehr in Ungnade Neros gefallen war, zu beseitigen.

Wegen der angeblichen Teilnahme an der Pisonischen Verschwörung 65 zwang Nero Seneca zum Selbstmord.[12]

Wichtig zu erwähnen ist Senecas politische Geisteshaltung respektive seine Auffassung der Herrschertugend. Diese wird in seiner für Nero verfassten Schrift de clementia mehr als deutlich. In dieser führt er die wichtigsten Tugenden an, die ein in seinen Augen idealer Herrscher haben sollte, an. Die wichtigste Tugend aus Senecas Perspektiveist hierbei die clementia, die Milde im Sinne vom Abgehen eines Richters von der Höchststrafe.[13] Aus diesem Grund versuchte er Nero nach diesen Maßgaben zu erziehen und somit einen im Gegensatz zu Claudius perfekten Herrscher auf den Thron zu setzen.

2.2 Kaiser Claudius

Claudius wurde am 1. August 10 v. Chr. in Lugdunum in Gallien als Sohn des Nero Claudius Drusus und der Antonia Minor geboren. Claudius war von Kindheit an schwächlich und kränklich. Aufgrund seiner körperlichen Verfassung - er war zudem noch geh- und sprachbehindert –schien er kaum für öffentliche oder private Aufgaben geeignet.[14]

Nach der Ermordung Caligulas im Jahr 41 riefen die Prätorianer Claudius zum princeps aus. Als Kaiser unternahm er die Zentralisierung des Verwaltungsapparates und reduzierte die Befugnisse des Senats. Zudem besetzte er höchste Positionen mit Freigelassenen[15], verlieh Bürgerrechte an Provinziale und gab gallischen Adligen die Möglichkeit in den Senatorenstand einzutreten.[16] Militärischen Ruhm erlang er durch die Eroberung Britanniens Anfang 43.[17]

Einen großen Einfluss auf Claudius besaßen seine Frauen. Mit Valeria Messalina, seiner dritten Gattin, hatte Claudius eine Tochter, Octavia, und einen Sohn, Britannicus.[18] Messalina beeinflusste Claudius immens. Sie veranlasste über ihn Hinrichtungen vermeintlicher politischer Gegner, zu denen beinahe auch Seneca gezählt hätte.[19] Im Jahre 48 ließ Claudius, nachdem er erfahren hatte, dass sie sich in aller Form mit ihrem Geliebten Gaius Silius vermählt hatte, hinrichten.[20]

Im Jahre 49 heiratete er seine Nichte Agrippina die Jüngere, die die letzten fünf Jahre seiner Herrschaft maßgeblich beeinflusste. Sie bewegte Claudius dazu, ihren Sohn Nero zu adoptieren, mit dem klaren Ziel, diesem vor Britannicus, dem leiblichen Sohn Claudius‘, die Thronfolge zu sichern. Am 13. Oktober 54 starb Claudius, angeblich vergiftet durch seine Gattin Agrippina.[21]

2.3 Seneca und Claudius

Die Ermordung Caligulas und die Machtübernahme des Claudius stellten sich am Anfang für Seneca als Befreiung dar, da er unter Caligula sein politisches Engagement nicht durchsetzen konnte. Doch dies änderte sich schnell: Im Jahr 41 sah Claudius‘ Gattin Messalina in Seneca einen potenziellen Rivalen, bezichtigte ihn des Ehebruches und veranlasste Claudius, ihn in die Verbannung nach Korsika zu treiben. Acht Jahre verbrachte Seneca auf der tristen Insel und diese trafen ihn sehr schwer. In dieser Zeit tröstete er sich mit der Philosophie und unternahm noch einen Versuch, seine Rückkehr zu bewirken, indem er in einer Trostschrift für den Freigelassenen Polybius Claudius als perfekten Herrscher darstellt und seine Herrschaft verherrlicht.Diese verzweifelte und zugleich geheuchelte Wertschätzung gegenüber Claudius bereute Seneca später durchaus und stellte seine wahre Ansicht mit der Apocolocyntosis dar.[22] Auch nach seiner Rückberufung an den Kaiserhof 48 änderte sich nichts an seiner Einstellung zu Claudius, dem er die acht langen Jahre in der Verbannung zu verdanken hatte. Dieser persönliche Groll, den Seneca gegen den Kaiser hegte, spiegelt sich selbstverständlich in der Apocolocyntosis wider und war sicher ein Motiv.

2.4 Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Der unmittelbare zeitgeschichtliche Hintergrund der Apocolocyntosis ist der Tod des Kaisers Claudius. Wie oben schon aufgeführt starb er am 13. Oktober 54, wahrscheinlich durch die Initiative seiner Gattin Agrippina, die ihrem Sohn Nero den Weg zur Herrschaft freimachen wollte.[23] Neros Lehrer und Erzieher Seneca erhielt die Aufgabe eine feierliche Leichenrede vorzubereiten, die Nero am Tag der Beerdigung hielt. Solange er vom hohen Alter der gens Claudia sprach und die Konsulate und Triumphe der Ahnen verlauten ließ, waren alle Anwesenden aufmerksam und geneigt. Sobald er aber auf die providentia und sapientia des Toten einging, konnte niemand mehr ernsthaft bleiben, obwohl die Rede von Seneca verfasst wurde und viel Präzision aufwies. Schon hier zeichnet sich ab, mit welch geringer Ernsthaftigkeit die Bevölkerung den verstorbenen Claudius und dessen Konsekration nahm.[24]

[...]


[1] Sen. apocol. 4,3: „Wehe mir, ich glaube, ich habe mich beschissen!“

[2] Kraft, K.: Der politische Hintergrund der Apocolocyntosis, Historia 15, 1966, S. 98-122.

[3] Münscher, K.: Senecas Werke. Untersuchungen zur Abfassungszeit und Echtheit, Philologus Suppl. 16,1, Leipzig 1922, S. 50.

[4] Horstkotte, H.: Die politische Zielsetzung von Senecas Apocolocyntosis, Athenaeum 63, 1985, S. 337-359.

[5] Bringmann, K.: Senecas Apocolocyntosis und die politische Satire in Rom, A&A 17, 1971, S. 56-69; Bringmann, K.: Senecas Apocolocyntosis: Ein Forschungsbericht 1959-1982, ANRW II 32. 2, 1985, S. 885-912.

[6] Kloft, H. Marginalien zur Apocolocyntosis und zum Prinzipat des Nero, AKG 54, 1972, S. 205-222.

[7] Schönberger, O. (Hrsg.), Lucius Annaeus Seneca. Apocolocyntosis divi Claudii. Einführung, Text und Kommentar, Würzburg 1990, S. 7.

[8] Tac. ann. 12,8.

[9] Tac. ann. 13,2.

[10] Tac. ann. 14,52; Suet. Ner. 10,1; Tac. ann.13,25.

[11] Tac. ann. 13,15-17; Tac. ann. 14,1-9; Tac. ann. 14,64; Tac. ann.14,51.

[12] Tac. ann. 15,60-64.

[13] Albrecht, M. von: Geschichte der römischen Literatur von Andronicus bis Boëthius. Mit Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die Neuzeit. Band 2, München 42004, S. 942.

[14] Suet. Claud. 2,1.

[15] Suet. Claud. 28-29.

[16] Tac. ann. 11,23-24.

[17] Suet. Claud. 17,1.

[18] Suet. Claud. 27,1.

[19] Ad Polybium…

[20] Suet. Claud. 26,2.

[21] Tac. ann. 12,66-69; vgl. Suet. Claud. 44f.

[22] Schönberger 1990, S.

[23] Tac. ann. 12,66-69.

[24] Tac. ann. 13,3.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die politische Intention der Apocolocyntosis
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Institut für Klassische Altertumskunde )
Note
1,0
Jahr
2012
Seiten
20
Katalognummer
V198873
ISBN (eBook)
9783656253433
ISBN (Buch)
9783656253655
Dateigröße
495 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
intention, apocolocyntosis, Seneca, Verkürbissung
Arbeit zitieren
Anonym, 2012, Die politische Intention der Apocolocyntosis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198873

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die politische Intention der Apocolocyntosis



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden