Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Zum Begriff der Berufsschule
3 Zum Begriff der mathematischen Kompetenzen
3.1 K1 Mathematisch argumentieren
3.2 K2 Probleme mathematisch lösen
3.3 K3 Mathematisch modellieren
3.4 K4 Mathematische Darstellungen verwenden
3.5 K5 Mit Mathematik symbolisch, formal und technisch umgehen
3.6 K6 Mathematisch kommunizieren
4 Vorausgesetzte Kompetenzen
4.1 Betriebliche Bewerbungsverfahren
4.2 Mathematische Kompetenzen im Überblick
5 Übergang der Sekundarstufe in eine berufliche Ausbildung als Herausforderung
6 Förderung mathematischer Kompetenzen in der Berufsschule
6.1 Kompetenzorientierter Berufsschulunterricht
6.2 Kompetenzorientierter Mathematikunterricht
6.3 Verknüpfung beruflicher Handlungskompetenz mit mathematischen Kompetenzen
7 Ausgewählte Beispiele im kaufmännischen Berufsschulbereich mit Analyse der mathematischen Kompetenzen
7.1 Personalwirtschaft
7.2 Materialwirtschaft
7.3 Absatzwirtschaft
7.4 Betriebliche Leistungserstellung
8 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Gegenstand dieser Ausarbeitung sind die mathematischen Kompetenzen von Lernenden in der Berufsschule. Dazu wird vorab in Abschnitt 2 die Berufsschule definiert sowie das Wesen der Berufsschule erläutert.
Um die Begrifflichkeiten zu komplettieren und zur Verdeutlichung des mathematischen Kompetenzbegriffs, werden ferner in Abschnitt 3 auf die unterschiedlichen mathematischen Kompetenzen, die das Grundgerüst der mathematischen Bildungsstandards und den Schwerpunkt dieser Arbeit bilden, eingegangen.
Der darauffolgende Abschnitt 4 beschäftigt sich mit mathematischen Kompetenzen, die seitens der Betriebe sowie der beruflichen Ausbildung per se vorausgesetzt werden, um diese erfolgreich zu absolvieren und auf dem Arbeitsmarkt Bestand zu haben. Dabei wird zwischen den allgemein, den in den gewerblich-technischen sowie in den kaufmännischen Berufen geforderten mathematischen Kompetenzen differenziert.
Darauf aufbauend wird in Abschnitt 5 der Übergang von der Sekundarstufe in eine berufliche Ausbildung thematisiert. Hierbei werden die Komplexität von Übergangsmaßnahmen und deren negative Auswirkungen geschildert.
In Abschnitt 6 die Förderung mathematischer Kompetenzen in der Berufsschule ihre Zuwendung. Im Mittelpunkt stehen dabei der kompetenzorientierte Berufsschul- und Mathematikunterricht mit Untermauerung von Beispielen sowie die Verknüpfung beider Unterrichte.
Abschließend bildet Abschnitt 7 den Kern dieser Arbeit. Hier wird anhand von exemplarischen kaufmännischen Aufgabenstellungen analysiert, welche mathematischen Kompetenzen damit vermittelt und gefördert werden.
2 Zum Begriff der Berufsschule
Um sich mit der Thematik der vorliegenden Arbeit auseinandersetzen zu können, ist es wichtig, den Begriff der Berufsschule zu definieren.
„Berufsschulen [sind] berufliche Teilzeitschulen, in denen Jugendliche nach Erfüllung der (allgemeinen) Vollzeitschulpflicht als Auszubildende, ungelernt Beschäftigte oder Arbeitslose ihre Berufsschulpflicht erfüllen. […] Die Berufsschulen sind Teil des sogenannten „dualen Systems“, womit in der Bundesrepublik Deutschland das Zusammenwirken von (in der Regel) privaten Betrieben und den (in der Regel) öffentlichen Berufsschulen bei der beruflichen Erstausbildung bezeichnet wird.“[1]
Demzufolge findet die berufliche Ausbildung an unterschiedlichen Lernorten statt, nämlich in den Ausbildungsbetrieben und in den dazugehörigen Berufsschulen[2]. Darüber hinaus erfolgt die Ausbildung oftmals ergänzend in überbetrieblichen Berufsbildungsstätten[3] erfolgen. Die Auszubildenden besuchen demzufolge ein bis zwei Tage pro Woche die Berufsschule und verbringen die restlichen Tage pro Woche in ihren Ausbildungsbetrieben.
Um die Berufsschule jedoch besuchen zu können, bedarf es einiger Voraussetzungen wie beispielsweise einen Ausbildungsbetrieb und –vertrag. Zudem ist die in der nachstehenden Grafik vereinfacht dargestellte schulische Vorbildung von Bedeutung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vorausgesetzte Bildungswege, eigene Bearbeitung nach Bundesagentur für Arbeit. (2011)
Die Abbildung lässt erkennen, dass keine bestimmten Schulabschlüsse für eine duale Berufsausbildung vorgeschrieben werden. Dennoch belegen Studien, dass auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt höhere Bildungsabschlüsse verlangt werden. Unternehmen achten vermehrt bei der Bewerberauswahl auf die erzielten Schulabschlüsse und die Noten. Besondere Beachtung gilt dabei dem Fach Mathematik. Die Berufsschule hat somit an mathematische Kompetenzen, die in der Sekundarstufe I und II vermittelt wurden, anzuknüpfen.
3 Zum Begriff der mathematischen Kompetenzen
Bevor mathematische Kompetenzen definiert werden können, muss zunächst der Kompetenzbegriff allgemein definiert werden.
„Kompetenzen sind die bei Individuen verfügbaren oder von ihnen erlernbaren Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen
- motivationalen (=antriebsorientierten),
- volitionalen (= durch Willen beeinflussbaren) und
- sozialen (= kommunikationsorientierten)
Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen nutzen zu können.“[4]
Wie in Abschnitt 2 (Zum Begriff der Berufsschule) ist auch hier der Begriff der mathematischen Kompetenzen zu klären. Dabei wird im Folgenden verkürzt auf die in den Bildungsstandards verankerten Kompetenzen[5]
- K1 Mathematisch argumentieren,
- K2 Probleme mathematisch lösen,
- K3 Mathematisch modellieren,
- K4 Mathematische Darstellungen verwenden,
- K5 Mit Mathematik symbolisch, formal und technisch umgehen und
- K6 Mathematisch kommunizieren
eingegangen.[6]
3.1 K1 Mathematisch argumentieren
„Mathematisches Argumentieren bedeutet, Situationen zu erkunden, für die Mathematik charakteristische Vermutungen und Fragen zu formulieren, Lösungswege zu beschreiben und Zusammenhänge zu begründen. Dabei gibt es verschiedene Stufen, die von der intuitiven, anschaulichen Begründung bis zum Beweis reichen. Durch adäquate Argumentationsformen wird eine Kultur des Begründens und Argumentierens bei den Lernenden gefördert.“[7]
Es geht also primär um die Prüfung und den Nachvollzug von (anderen) Argumentationen. Gefördert wird diese Kompetenz durch Aufgaben, bei denen man Fragen stellen kann, die für die Mathematik charakteristisch sind (z.B. „Ist das immer so?“, „Gibt es...?“, „Wie verändert sich...?“). Dabei eignen sich besonders Aufgaben, deren Lösungswege beschrieben und begründet werden müssen.[8]
3.2 K2 Probleme mathematisch lösen
„Mathematisches Problemlösen im Sinne der KMK-Bildungsstandards findet statt, sobald in einer Situation nicht unmittelbar ein Lösungsverfahren angewendet werden kann, sondern ein Lösungsweg entwickelt oder ausgewählt werden muss. Dafür verwenden die Lernenden heuristische Hilfsmittel und Strategien wie das systematische Probieren, das Einzeichnen von Hilfslinien, das Auswählen von Hilfsgrößen, das Vorwärts- und Rückwärtsarbeiten sowie Hilfsmittel und Darstellungsformen. Ein wesentlicher Bestandteil des Problemlösens ist die Reflexion von Lösungswegen und von verwendeten Strategien.“[9]
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass dieser Bereich durch das Anwenden geeigneter Lösungsstrategien auf gewisse Problemstellungen gekennzeichnet ist. Dabei sollen die Lernenden heuristische Hilfsmittel bzw. Prinzipien verwenden, wie z.B.:
- Analogieprinzip (Wurden ähnliche Probleme behandelt?)
- Rückwärtsarbeiten (Was wird für das Gesuchte gebraucht?)
- Systematisches Probieren
- Veranschaulichung durch eine mathematische Figur, Tabelle, Skizze
- Vorwärtsarbeiten (Was folgt aus den gegebenen Daten?)
- Zerlegungsprinzip (Welche Teilprobleme gibt es?)
Bei dieser Kompetenz geht es aber auch darum, das Ergebnis plausibel zu überprüfen und die Lösungswege zu reflektieren.[10]
3.3 K3 Mathematisch modellieren
„Eine reale Situation wird durch die Lernenden analysiert, vereinfacht und strukturiert, um sie in ein mathematisches Modell zu übersetzen. Die Lernenden arbeiten innerhalb des gewählten mathematischen Modells und interpretieren und überprüfen anschließend das Ergebnis im realen Kontext. Nach erfolgter Validierung wird dieser Modellierungskreislauf bei Bedarf erneut durchlaufen.“[11]
Dieser Kompetenzbereich zeichnet sich also durch die Übertragung realer Probleme in den mathematischen Modellierungskreislauf[12] aus. Hierbei wird das zu modellierende Problem in mathematische Begriffe, Strukturen und Relationen mithilfe von mathematischen Modellen als Schlüsselrolle übersetzt. Dieser Übersetzungsprozess bildet in diesem Kontext die Kernkompetenz zwischen inner- und außermathematischen Inhalten. Auch bei der Kompetenz K3 werden die Ergebnisse des zu modellierenden Problems entsprechend interpretiert und geprüft.[13]
3.4 K4 Mathematische Darstellungen verwenden
„Die Mathematik bietet verschiedene, sich gegenseitig ergänzende Darstellungsformen, wie Symbol, Tabelle, Graph und Wort, um Objekte und Situationen zu beschreiben. Die Lernenden unterscheiden und interpretieren Darstellungen, wählen Darstellungsformen aus und wenden sie an. Sie erkennen Beziehungen zwischen Darstellungsformen und wechseln bei Bedarf zwischen ihnen.“[14]
Im vorliegenden Kompetenzbereich werden somit verschiedene Darstellungsformen von den Lernenden verstanden, verwendet und interpretiert. Wichtig ist hierbei, dass die Lernenden die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Formen der Darstellung erkennen und je nach Problemstellung auswählen sowie zwischen ihnen wechseln können. Das bloße Vorhandensein einer mathematischen Darstellung reicht folglich nicht für den Erwerb dieser Kompetenz aus.[15]
3.5 K5 Mit Mathematik symbolisch, formal und technisch umgehen
„Mathematische Symbole, Verfahren und Werkzeuge dienen dazu, Zusammenhänge strukturiert darzustellen. Die Lernenden übersetzen die symbolische und formale Sprache in Umgangssprache und umgekehrt. Sie führen Lösungs- und Kontrollverfahren durch und nutzen dazu Variable, Terme, Gleichungen, Funktionen, Diagramme und Tabellen. Sie setzen Werkzeuge wie Messgeräte, Taschenrechner, Formelsammlung und Software sinnvoll ein.“[16]
In erster Linie geht es hier nicht nur um das Kennen, sondern vielmehr um das Anwenden von z.B. mathematischen Definitionen oder Formeln. Auch das Arbeiten mit Variablen, Termen, Gleichungen und Funktionen mit dem Einsatz von Hilfsmitteln, um Lösungs- und Kontrollverfahren sinnvoll durchführen zu können, wird mit der Kompetenz K5 sichergestellt. Diese stellt ein Werkzeug für die Kompetenz K3 (Mathematisch modellieren) dar, denn durch routinierte Anwendungsaufgaben können die Lernenden Zusammenhänge besser erkennen und den Übersetzungsprozess zwischen inner- und außermathematischen Inhalten herstellen erfolgreich zu Ende führen.[17]
3.6 K6 Mathematisch kommunizieren
„Die Lernenden nutzen Fachbegriffe, Umgangssprache und geeignete Medien, um ihre Überlegungen und Lösungswege darzustellen, zu dokumentieren und zu präsentieren. Zur Kommunikation über mathematische Zusammenhänge gehört es auch, Äußerungen und Texte zu mathematischen Inhalten zu verstehen und zu überprüfen.“[18]
Dieser Kompetenzbereich zeichnet sich dadurch aus, dass mathematische Texte und Äußerungen verstanden sowie Überlegungen, Lösungswege bzw. Ergebnisse dokumentiert, mathematisch dargestellt und präsentiert werden. Dabei gilt es, die Fachsprache adressatengerecht unter Nutzung geeigneter Medien zu verwenden. Zudem sollen die Lernenden Äußerungen von anderen und Texte zu mathematischen Inhalten verstehen und überprüfen. Es gibt jedoch Schwierigkeiten bei der Differenzierung von Kommunizieren und Argumentieren – vor allem, wenn es um die Erläuterung von Lösungswegen geht. Wesentlich ist beim Kommunizieren daher die Sprache.[19]
[...]
[1] Bardy, P. (1985), S. 21.
[2] Der Begriff „Berufsschule“ ist nicht gleichgestellt mit dem Begriff „Berufliche Schule“. Dieser Begriff bildet den Oberbegriff für die Schulformen „Berufliches Gymnasium“, „Fachoberschule“, „Höhere Berufsfach- schule“, „Berufsfachschule“, „Fachschule“ sowie „Berufsschule“.
[3] „Überbetriebliche Ausbildung ergänzt Lernen am Arbeitsplatz durch systematische Werkstattunterwei- sung für fast ale anerkannten gewerblich-technischen Ausbildungsberufe in von Organisationen der Wirtschaft (z.B. Kammern) betriebenen überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (ÜBS).“ (Kath, F. (2006), S. 466).
[4] Weinert, F. E. (2001), S. 27.
[5] In den Bildungsstandards wird zudem zwischen den Anforderungsbereichen I, II und III unterschieden.
Diese werden aufgrund der Begrenztheit dieser Arbeit allerdings außer Acht gelassen. Anzumerken ist
jedoch, dass diese dafür zuständig sind, die Kompetenzen unterschiedlich stark zu fördern.
[6] Die Untermauerung von geeigneten Beispielen fällt an dieser Stelle weg. Sie findet stattdessen in Ab-
schnitt 7 (Ausgewählte Beispiele im kaufmännischen Berufsschulbereich mit Analyse der mathemati-
schen Kompetenzen) ihre Anwendung.
[7] Hessisches Kultusministerium (2011), S. 13.
[8] Weitere Ausführungen dazu können nachgelesen werden in Leiß, D., Blum, W. (2006), S. 36 ff.
[9] Hessisches Kultusministerium (2011), S. 13.
[10] Weitere Ausführungen dazu können nachgelesen werden in Leiß, D., Blum, W. (2006), S. 39 f.
[11] Hessisches Kultusministerium (2011), S. 13.
[12] Der Modellierungskreislauf (nach Blum/Leiß) umfasst die Phasen Konstruieren/Verstehen (Phase 1),
Vereinfachen/Strukturieren (Phase 2), Mathematisieren (Phase 3), Mathematisch arbeiten (Phase 4),
Interpretieren (Phase 5), Validieren (Phase 6) und Darlegen (Phase 7). Weitere Ausführungen dazu
können nachgelesen werden in Borromeo Ferri, R. (2011), S. 20 ff.
[13] Weitere Ausführungen dazu können nachgelesen werden in Leiß, D., Blum, W. (2006), S. 40 ff.
[14] Hessisches Kultusministerium (2011), S. 12.
[15] Weitere Ausführungen dazu können nachgelesen werden in Leiß, D., Blum, W. (2006), S. 43 ff.
[16] Hessisches Kultusministerium (2011), S. 13.
[17] Weitere Ausführungen dazu können nachgelesen werden in Leiß, D., Blum, W. (2006), S. 46 ff.
[18] Hessisches Kultusministerium (2011), S. 12.
[19] Weitere Ausführungen dazu können nachgelesen werden in Leiß, D., Blum, W. (2006), S. 48 ff.