Schreibdidaktik und das Textmuster „Berichten“

Definitionen, didaktische Hinweise für den Unterricht, Kritik einer Aufgabenstellung und Vorschlag für ein Bewertungsraster


Trabajo, 2010

22 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Einführung

1. Das Textmuster „Berichten“ im Unterricht der Sekundarstufe I
1.1 Die schülerorientierte Definition des „Berichtens“
1.2 Didaktische Hinweise für den Unterricht

2. Eine Schreibaufgabe und ihre Kritik
2.1 Die Aufgabenstellung
2.2 Der Stimulus
2.3 Die Hilfestellung

3. Eine Bewertungsskala und ihre Kritik
3.1 Die Bewertung der Dimension „Inhalt“ der vorgegebenen Bewertungsskala
3.2 Das Erstellen einer Bewertungsskala für die Dimension „Aufbau“
3.3 Die Entwicklung einer Bewertungsskala für die Textsorte „Nachricht“

4. Schlussbemerkung – Eine alternative Aufgabe zum Textmuster „Berichten“

Literatur

Anhang
Handout zum Referat

Einführung

Das Berichtschreiben im Unterricht der Sekundarstufe I weist einige spezifische Problematiken auf. „Berichten“ fällt manchen Schülerinnen und Schülern in der Sekundarstufe I zunächst schwer, da in der Grundschule das Textmuster „Erzählen“ dominiert. Beim Erzählen sind Kreativität, Identifikation, Spannung und Komik erwünschte Qualitäten der Schreibprodukte. In Abgrenzung davon wird der Unterricht zum Berichten häufig als langweilig wahrgenommen. Studien zum Unterrichten belegen, dass meistens lediglich einige Musterbeispiele des Berichtens besprochen und nachgeahmt werden. Auf die Schülerinnen und Schüler wirkt das Berichten vielfach wie ein sehr kontrolliertes Schreiben mit zahlreichen Verboten. Gegenüber dem Schreiber scheint wenig Toleranz vorzuherrschen: Man kann mehr falsch machen als beim Erzählen.[1] Diese Kritik aus der Perspektive der Schreibdidaktik gilt es mitzubedenken, wenn Schreibaufgaben zum Textmuster „Berichten“ entwickelt werden.

In der vorliegenden Arbeit zum Thema „Berichten“ werden in einem ersten Abschnitt zentrale Grundlagen für Unterricht, Aufgabenstellung und Bewertung geklärt, indem die Merkmale des Textmusters „Berichten“ vorgestellt und didaktische Hinweise für das Unterrichten gegeben werden. Dieser erste Teil bietet die Basis für die anschließende Kritik einer vorgegebenen Schreibaufgabe, die im zweiten Abschnitt entwickelt wird. Der dritte Abschnitt widmet sich der Problematik des Bewertens eines berichtenden Schreibprodukts. Zuerst wird die vorgegebene Bewertungsskala zur Dimension „Inhalt“ einer Kritik unterzogen, zweitens eigene Vorschläge für eine Bewertungsskala zur Dimension „Aufbau“ entwickelt und drittens ein eigenes Bewertungsraster für die Textsorte „Nachricht“ im Ganzen vorgestellt. Die Schlussbemerkung enthält einen Vorschlag für eine alternative Aufgabenstellung zum Unterrichtsthema „Einen Bericht schreiben“, der im Zusammenhang mit schreibdidaktischen Empfehlungen zum berichtenden Schreiben erörtert wird.

1. Das Textmuster „Berichten“ im Unterricht der Sekundarstufe I

1.1 Die schülerorientierte Definition des „Berichtens“

Grundsätzlich zählt „Berichten“ neben dem „Beschreiben“ zu den Unterarten des informierenden Schreibens. Die Wiedergabe von Inhalten spielt im Leben auch außerhalb der Schule in der Gegenwart der Informationsgesellschaft eine bedeutende Rolle. Deshalb werden die Textmuster Inhaltsangabe und Zusammenfassung im Unterricht der Sekundarstufe I intensiv geübt. Zentrale Aufgabe für die Schülerinnen und Schüler ist es, aus verschiedenen Informationsangeboten einen Text zu erstellen beziehungsweise aus vorliegenden Texten einen neuen Text zu bilden. Die entstehenden Texte richten sich an bestimmte Adressaten, die informiert werden sollen, womit die Adressatenorientierung als die hauptsächliche Funktion derartiger Texte bestimmt ist. Für informierendes Schreiben ist Reformulierung notwendig. Als wichtigste Merkmale gelten: Aktualität, das Finden passender Begriffe, die Sachverhalte unmissverständlich klären, eine klare Gliederung, eine sachliche Grundhaltung, Kohärenz (der „rote Faden“ in der Darstellung) sowie ein hoher Abstraktionsgrad. Details und Beispiele müssen entsprechend umgewandelt werden.[2]

Definitionen des Berichtens umfassen gemäß schreibdidaktischen Standardwerken und Schülerhilfen in der Regel mehrere Dimensionen[3]: Ein Bericht wird als eine informationsbezogene, wahrheitsgemäße Darstellung über einen abgeschlossenen Handlungs-, Erfahrungs- oder Ereigniskomplex definiert. Berichtendes Schreiben ist adressatenorientiert. Der Autor trägt somit die Verantwortung für den Kenntnisstand anderer Personen. Der Berichterstatter hat eine bestimmte, institutionell zugeordnete Rolle, aus der heraus er berichtet,[4] z. B. als ein Lehrer, der über einen Unfall in der Klasse berichtet, oder als ein Journalist, der die Öffentlichkeit über den Ausgang eines Rechtsstreits informiert.

Als zentrale Merkmale des Berichts gelten:

- Relevanz: Die Themen und Inhalte müssen von Interesse für die Zielgruppe sein. Es soll nur Wesentliches aufgenommen werden.
- Aktualität. In einem Bericht wird der Leser über eine neue Sachlage informiert.
- Exklusivität: Der Leser erfährt zum ersten Mal etwas über ein interessantes Problem.
- Authentizität: Ein Bericht ist glaubwürdig, zuverlässig und sachorientiert. Bei Personen wird nicht ihr Charakter bewertet, sondern ihre Funktion angeben. Der Abstraktionsgrad ist hoch. Daten und Fakten müssen exakt sein.
- Informativität: Diese entsteht durch die Beantwortung der W-Fragen (Was geschah? Wer ist beteiligt? Wo geschah es? Wann geschah es? Warum geschah es? Wie geschah es?).
- Dominierendes Tempus sollte in der Regel das Präteritum sein. Allerdings erfordert eine funktional angemessene Tempusverwendung in einem Bericht oft den Beginn mit dem Perfekt. Der Ereignishintergrund wird im Plusquamperfekt geschrieben, Berichtselemente mit Relevanz für die Gegenwart erfordern das Präsens und die Abschätzung künftiger Folgen das Futur.[5]

Negative Definitionen können die zentralen Merkmale eines guten Berichts noch zusätzlich verdeutlichen. Vermeiden sollte man in Berichten laut der Definitionen in aktuellen Schülerhilfen und Schulbüchern[6]: persönliche Eindrücke und Gefühle[7], Meinungen und Vermutungen, überflüssige Kleinigkeiten, persönliche Ausschmückungen und wörtliche Rede[8].

1.2 Didaktische Hinweise für den Unterricht

Es empfiehlt sich im Unterricht zum Thema „Berichten“, lebensnahe Themen und Inhalte auszuwählen, die für die Schülerinnen und Schüler relevant und interessant sind. Man sollte ihnen die Verantwortung bewusst machen, dass sich die Leser auf sie als Schreiber verlassen können müssen. Neuere Veröffentlichungen aus der Fachdidaktik legen nahe, kein sklavisches Verfolgen stereotyper Formmuster einzufordern, sondern durch die gemeinsame Lektüre von veröffentlichten Berichten aufzuzeigen, dass Berichte auch unterhaltend sein oder sogar Kommentare durch die Berichterstatter enthalten können. Auch sei es empfehlenswert, eine Diskussion darüber anzuregen, ob Berichte über „Privates“ grundsätzlich ethisch vertretbar sind. In der Literatur wird vorgeschlagen, vor der eigenen Textproduktion im Unterricht eine gemeinsame Analyse veröffentlichter Berichte durchzuführen.[9]

In meinen Schulpraktika an zwei Gymnasien ergaben Gespräche mit Lehrerinnen und Lehrern allerdings, dass eine Analyse von in verschiedenen Medien veröffentlichten Berichten auch zu großer Verwirrung über die idealtypischen Merkmale des Textmusters „Berichten“ führen kann. Die Lehrkräfte empfehlen deshalb ein umgekehrtes Vorgehen: Zunächst sollte die Textproduktion nach den oben genannten idealtypischen Merkmalen erfolgen, bevor die gemeinsame Analyse verschiedener Berichtsformen deren jeweilige Besonderheiten erkennen lässt.[10]

Ältere didaktische Anweisungen und Merkmalsdefinitionen verlangen, nichts als die Tatsachen in logischer Reihenfolge anzuführen, niemals subjektive Gefühle zu äußern, keine Stellungnahmen zu formulieren und immer das Tempus Präteritum zu benutzen. Vergleicht man allerdings die Formen Erfahrungsbericht, Sachstandsbericht und Ereignisbericht, ergeben sich für diese Regeln folgende Relativierungen[11]:

a) Erfahrungsbericht (z. B. Erlebnisbericht, Reisebericht, autobiographischer Bericht, Zeitungsreportage, Praktikumsbericht)
- Es besteht eine Verwandtschaft zum Erzählen.
- Bei dieser Berichtsform stützt das subjektive Erleben das Merkmal Authentizität, da entscheidend ist, wie der Berichterstatter etwas erlebt hat. Deswegen muss die Beschreibung von Gefühlen nicht unterdrückt werden, da sie informierenden Charakter haben, z. B. wenn bei dem Bericht über eine Klettertour die extrem gefährlichen Stellen des Weges beschrieben werden. Die Informationsorientierung bleibt dabei im Vordergrund.
- Erlebnisberichte beruhen auf einem Vergegenwärtigungsbedarf. „Frische“ Erlebnisse haben eine Bedeutung für die Gegenwart, z. B. wenn das Ziel einer Klassenfahrt gesucht wird.

b) Sachstandsberichte (z. B. Hintergrundbericht, Forschungsbericht, Wetterbericht, Waldschadensbericht)
- Sie enthalten aktuelle und exklusive Informationen zu einem Sachverhalt oder Problem und sind referierend, analytisch beziehungsweise prognostisch.
- Für einen Sachstandsbericht ist das Präsens das dominante Tempus.
- Sachstandsberichte setzen in der Regel eigene Recherche voraus, denn dies sichert die Exklusivität des Berichts. Vorbereitende Schreibanlässe sind Fragebögen, Gesprächsprotokolle und Dokumentenauswertungen. Der Sachstandsbericht eignet sich in der Schule deshalb besonders für Projektarbeit.
- Im Vordergrund steht das Referieren, da Informationen aus zweiter Hand in den Bericht eingearbeitet werden müssen, z. B. aus Fachtexten oder Interviews.
- Die Präsentation der Ergebnisse ist das Hauptziel des Sachstandsberichts. Diese Berichtsform ist am wenigsten verwandt mit dem Erzählen.

c) Ereignisbericht (z. B. Katastrophenbericht, Unfallbericht, Sportbericht, politische Ereignisse, Nachricht)
- Diese Berichtsform steht häufig im Zentrum des Unterrichts, da die als idealtypisch geltenden Merkmale eines Berichts für den Ereignisbericht in besonderer Weise zutreffen und die Textproduktion durch Schülerinnen und Schüler keine tiefgreifenden eigenen Recherchen erfordert.
- Ereignisberichte sind thematisch abgeschlossen und gelten einem singulären Ereignis.
- Der Ereignisbericht geht nicht chronologisch vor, sondern es werden die wichtigsten Informationen zuerst genannt, damit vom Ende her gekürzt werden kann (Prinzip der auf den Kopf gestellten Pyramide). Typisch ist der Lead-Stil, die Kombination aus Informationsschlagzeile, Untertitel, Vorspann (= Lead) und Bericht. Dieser Stil ist üblich für „harte Nachrichten“. „Soft news“ enthalten allerdings häufig auch schildernde und exemplifizierende Berichtsformen oder auch die Herstellung von Nähe durch direkte Rede.

Im Unterricht kann die Vorbereitung auf die Textproduktion von Ereignisberichten dadurch unterstützt werden, dass eine tabellarische Gegenüberstellung von Merkmalen des „Erzählens“ und „Berichtens“ erfolgt.[12]

[...]


[1] Vgl. Feilke, 2005, S. 7f.

[2] Fix/Abraham, 2006.

[3] Vgl. zu der folgenden Zusammenstellung über die Definition des Berichtens: Fix, 22008, S. 97f., Feilke, 2005, besonders S. 6, 9f., Widmann, 2006, besonders S. 8, 12, 23, 25, 37, 53; Burbiel/Stoll, 22002, besonders S. 15, 17f., 20.

[4] Vgl. Feilke, 2005, S. 8.

[5] Burbiel/Stoll spezifizieren die Verwendung der verschiedenen Tempora für Einleitung, Hauptteil und Schluss eines Berichts in ihrer Schülerhilfe zum Thema „Bericht“. Vgl. Burbiel/Stoll, 22002, S. 20.

[6] Vgl. deutsch.kombi 3, 2005, S. 61.

[7] Die Schilderung persönlicher Eindrücke und Gefühle können für die Textsorte „Erlebnisbericht“ allerdings durchaus relevanten, informierenden Charakter haben. Vgl. Abschnitt 1.4.

[8] Fix relativiert dies, da wörtliche Rede in einigen Berichtsformen zum Merkmal „Authentizität“ beitragen kann. Vgl. Fix, 22008, S. 98.

[9] Vgl. Feilke, 2005, S. 7.

[10] Einigkeit bei Fachdidaktik und Lehrkräften besteht nach meiner Einschätzung darin, dass Berichten die Abschätzung der Folgen von Ereignissen beinhalten kann, wodurch der Charakter der Abgeschlossenheit etwas relativiert wird.

[11] Vgl. für das Folgende: Feilke, 2005, S. 8-15.

[12] Vgl. zu dieser Abgrenzung von Erzählen und Berichten die Lernhilfe des Hauschka-Verlags: Widmann (2006), S. 1-4 sowie die tabellarische Übersicht bei Fix, 22008, S. 106-108.

Final del extracto de 22 páginas

Detalles

Título
Schreibdidaktik und das Textmuster „Berichten“
Subtítulo
Definitionen, didaktische Hinweise für den Unterricht, Kritik einer Aufgabenstellung und Vorschlag für ein Bewertungsraster
Universidad
University of Duisburg-Essen  (Germanistik)
Curso
Schreiben in der Sekundarstufe I: Analyse und Bewertung von Schülertexten
Calificación
1,0
Autor
Año
2010
Páginas
22
No. de catálogo
V199333
ISBN (Ebook)
9783656258391
ISBN (Libro)
9783656258667
Tamaño de fichero
1028 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
schreibdidaktik, textmuster, berichten, definitionen, hinweise, unterricht, kritik, aufgabenstellung, vorschlag, bewertungsraster
Citar trabajo
Dr. Christiane Streubel (Autor), 2010, Schreibdidaktik und das Textmuster „Berichten“, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199333

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