Einsatz von Methoden des Lean Management im Anlaufmanagement


Seminararbeit, 2011

49 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen des Anlaufmanagements
2.1 Begriffsdefinitionen
2.1.1 Anlaufmanagement
2.1.2 Serienanlauf
2.1.2.1 Vorserie
2.1.2.2 Nullserie
2.1.2.3 Hochlauf
2.2 Zieldimensionen im Anlauf

3 Die Lean Philosophie

4 Adaption von Lean-Methoden auf das Anlaufmanagement
4.1 Lean Launch Management nach Scholz-Reiter/König
4.1.1 Anlaufmanagement als Kernkompetenz
4.1.2 Anlaufverständnis des Lean Launch Management Ansatzes
4.1.3 Die SMED-Methode
4.1.4 Adaption der SMED-Methode auf das Anlaufmanagement
4.1.5 Ausblick
4.2 Lean Ramp-up nach Dombrowski/Hanke
4.2.1 Ganzheitliche Produktionssysteme als Basis für das Lean Ramp-up
4.2.2 Anlaufverständnis des Lean Ramp-up Ansatzes
4.2.3 Lean Ramp-up Ansatz für KMU
4.2.4 Ausweitung des Lean Ramp-up Ansatzes
4.2.4.1 Lean Ramp-up Ordnungsrahmen
4.2.4.2 Schwerpunktbildung im Lean Ramp-up
4.2.5 Ausblick
4.3 Ganzheitliches Anlaufmanagement der MBtech Consulting GmbH
4.3.1 Ziele des Ganzheitlichen Anlaufmanagement
4.3.2 Umsetzung der „Launch Excellence“

5 Weitere Methoden des Anlaufmanagements und deren Lean-Tauglichkeit

6 Schlussbetrachtungen

7 Anhang

8 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Produktlebenszyklus früher und heute

Abbildung 2: Anlaufmanagement im Produktentstehungsprozess

Abbildung 3: Die drei Phasen des Serienanlaufs

Abbildung 4: Arten des Hochlaufs

Abbildung 5: Zieldimensionen im Anlaufmanagement

Abbildung 6: Das Toyota Produktionssystem

Abbildung 7: Abgrenzung Anlaufphase, Anlaufmanagement und Zielstellung Fast Ramp-up

Abbildung 8: Stufen des Single Minute Exchange of Die

Abbildung 9: Übertragung SMED Methode auf das Anlaufmanagement

Abbildung 10: 4P-Modell von LIKER

Abbildung 11: Zielerreichungspfad für die Kernkompetenz Anlaufmanagement

Abbildung 12: Anlaufverständnis von DOMBROWSKI/HANKE

Abbildung 13: Lean Ramp-up Ordnungsrahmen

Abbildung 14: Praxisbeispiel eines Ordnungsrahmens

Abbildung 15: Aufbaustruktur des Ordnungsrahmens

Abbildung 16: Handlungs- und Gestaltungsfelder im Lean Ramp-up

Abbildung 17: Zieltypen und deren Priorisierung der Zieldimensionen Qualität, Kosten und Zeit

Abbildung 18: Schwerpunkte für First-Mover

Abbildung 19: Veränderung des Serienanlaufs unter Einsatz des Ganzheitlichen Anlaufmanagements

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Die steigende Bedeutung des Anlaufmanagements lässt sich laut FITZEK, im Wesentlichen, auf nachfolgende Ursachen zurückführen. Nämlich, die veränderten Rahmenbedingungen auf den Absatzmärkten, der daraus resultierenden Variantenvielfalt auf der Herstellerseite (1), der fortwährenden Reduktion der Wertschöpfungs- und Entwicklungstiefe (2) und, zu guter Letzt, der Verringerung der Entwicklungsdauer für neue Produkte (3).[1]

Aufgrund der hohen Konkurrenzdichte auf dem Weltautomobilmarkt sehen sich die Automobilproduzenten dazu gezwungen dem Kunden Fahrzeuge anzubieten, die speziell an seine Bedürfnisse angepasst sind (1). Verdeutlicht wird diese Annahme durch eine Erhebung des Center for Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen. Das CAR hat ermittelt, dass der deutsche Automobilkäufer aktuell die Möglichkeit hat, aus 376 verschiedenen Modellreihen zu wählen. Im Jahr 1995 hingegen, konnte er lediglich aus 227 Modellen wählen. Bis ins Jahr 2015 wird mit einem erneuten Zuwachs auf 415 Modellreihen gerechnet.[2] Diese Zahl verdeutlicht, dass eine weiterhin steigende Zahl von Varianten in die Serienproduktion überführt werden muss. Außerdem ist anzumerken, dass es sich bei der zuvor genannten Modellanzahl um eine Momentaufnahme handelt. Ein Großteil der Modelle wird einen Nachfolger erhalten, dessen Serienanlauf es ebenso zu beherrschen gilt.

Der Rückgang der Wertschöpfungs- und Entwicklungstiefe der Automobilhersteller (2) liegt darin begründet Investitionsrisiken zu minimieren und sich auf die Kernkompetenzen zu konzentrieren.[3] Dies hat zur Folge, dass gerade in der Anlaufphase nicht nur unternehmensintern schnell auf Probleme reagiert werden muss, sondern auch vermehrt externe Partner in die Anlaufphase zu integrieren sind.

Auch die verkürzte Entwicklungsdauer für Neuentwicklungen (3) lässt sich anhand von Zahlen belegen. Während in den achtziger Jahren eine Neuentwicklung sechs Jahre in Anspruch nahm, hat sich die Entwicklungszeit bis Mitte Zweitausend auf vier Jahre verkürzt.[4] Ähnlich verhält sich dies mit den Modellzyklen. Der durchschnittliche Modellzyklus betrug 1980 noch 10,6 Jahre. Zwanzig Jahre später wird bereits alle sechs Jahre ein neues Modell auf den Markt gebracht.[5]

Verdeutlicht werden diese beiden Entwicklungen in Abbildung 1, welche den idealtypischen Verlauf des Produktlebenszyklus und seine relevanten Änderungen aufzeigt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Produktlebenszyklus früher und heute[6]

Der kontinuierliche Anstieg, der Anzahl von Serienanläufen, spiegelt sich nicht nur in den zuvor aufgeführten Indikatoren, wie bspw. einer steigenden Variantenvielfalt, wieder, sondern auch in Erhebungen über die tatsächlich zu bewältigenden Anlaufszenarien. So zeigt eine Studie, dass mehrere Automobilhersteller in letzten 20 Jahren eine Verdreifachung ihrer Serienanläufe zu bewältigen hatten.[7]

Doch nicht ausschließlich die zuvor genannten Punkte zeugen von einer gesteigerten Bedeutung des Anlaufmanagements. So stellen ROMBERG/HAAS fest, dass mehr als die Hälfte aller Fahrzeuganläufe nicht die gesteckten Ziele, hinsichtlich der Zieldimensionen Qualität, Zeit und Kosten, erreichen.[8] Und das, obwohl gerade der Faktor Zeit für eine erfolgreiche Produkteinführung so wichtig ist.[9] Ein zeitlicher Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb sichert dem Innovator die Konsumentenrente und entscheidet somit maßgeblich über den Erfolg eines Produktes.

Die Bedeutung des Anlaufmanagements ist somit eindeutig als sehr hoch einzustufen und ist deshalb als Wettbewerbsvorteil anzusehen.

Auch der Einsatz von Lean Methoden hat sich in den letzten Jahrzehnten als Erfolgsfaktor herausgestellt. Die Studienergebnisse von WOMACK/JONES/ROOS aus dem Jahre 1990, die Sie in dem Buch „ The Machine that changed the World: The Story of Lean Production“ veröffentlichten, werden nach wie vor auch in aktuellen Untersuchungen bestätigt. So fand die „ Lean Management Studie 2009 “ heraus, dass 93% der erfolgreichsten Studienteilnehmer mit Lean Methoden arbeiten, während 70% der Unternehmen mit dem geringsten Erfolg, keine Lean Methoden einsetzen.[10]

Während die Lean Philosophie, aus dem Produktionsbereich kommend, bereits ausgiebig erforscht wurde und von dort aus auch erfolgreich auf andere Unternehmensbereiche adaptiert werden konnte, wurde dem Einsatz von Lean Methoden im Bereich des Anlaufmanagements noch nicht sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt. Diese Arbeit möchte deshalb untersuchen, welche „schlanken“ Ansätze im Bereich des Anlaufmanagements existieren. Dies allerdings nicht, ohne zuvor einen Einblick in die Grundlagen des Anlauf- und des Lean Managements zu geben.

2 Grundlagen des Anlaufmanagements

In diesem Kapitel sollen relevante Begriffe definiert und die Zieldimensionen des Anlaufmanagements erläutert werden.

2.1 Begriffsdefinitionen

2.1.1 Anlaufmanagement

ROMBERG/HAAS prägen ein ganzheitliches Verständnis des Anlaufmanagements. Sie verstehen unter dem Begriff Anlaufmanagement weit mehr als nur die Phase vom SOP (Start of Production), bis zum Erreichen der Sollproduktionsmenge und definieren das Anlaufmanagement als einen interdisziplinären Prozess, der den gesamten PEP (Produktentstehungsprozess) einschließt, also von der Produktplanung bis zur Kammlinie reicht (siehe Abbildung 2).[11] BISCHOFF stellt fest, dass sich immer mehr Autoren, in der jüngeren Vergangenheit, diesem Verständnis anschließen.[12]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Anlaufmanagement im Produktentstehungsprozess[13]

Abbildung 2 visualisiert die Einbindung des Anlaufmanagementprozesses wie er, nach den zuvor erwähnten Autoren, zu verstehen ist.

2.1.2 Serienanlauf

Die Phase des Serienanlaufs wird von CLARK/FUJIMOTO der Produktentwicklung zugeordnet und gilt dementsprechend als letzte Phase des Produktentwicklungsprozess.[14] Dies sieht auch WANGENHEIM so und bezeichnet den Serienanlauf als „physische[n] Transfer des Entwicklungsergebnisses [die ersten vier Wörter im Original kursiv hervorgehoben] aus den Laborbedingungen der Entwicklung in die Umgebung der Serienproduktion […].“[15] Er nennt die Vorserie, die Nullserie und den Hochlauf als Bestandteile des Serienanlaufs, stellt jedoch fest, dass die Begrifflichkeiten hier nicht allgemeingültig definiert sind.[16]

Entgegen CLARK/FUJIMOTO beschreiben SCHUH/STÖLZE/STRAUBE den Serienanlauf als die Phase nach dem abgeschlossenen Entwicklungsprozess und vor Erreichung der geplanten Produktionskapazität, wenngleich auch diese Autoren feststellen, dass eine eindeutige Definition nicht existiert und, zum Teil, lediglich Vor- und Nullserie als Serienanlauf bezeichnet werden und nicht sauber zwischen Produktionsanlauf und Produktionshochlauf unterschieden wird.[17] Einigkeit herrscht jedoch bei den zuvor genannten Autoren über die Aufteilung der Phasen im Serienanlauf. Nachfolgende Abbildung zeigt die in dieser Arbeit verwendete Definition der Serienanlaufphasen. Außerdem schließt sich diese Arbeit der Meinung an, dass der Serienanlauf die letzte Phase der Entwicklung darstellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Die drei Phasen des Serienanlaufs[18]

Sinnvollerweise folgen an dieser Stelle noch einige Erläuterungen zu den Pilotserien und dem Hochlauf. In Anhang 1 findet sich zudem eine tabellarische Abgrenzung der Phasen des Serienanlaufs nach unterschiedlichen Kriterien.

2.1.2.1 Vorserie

Die Vorserienproduktion liefert Prototypen, die nicht mehr unter Laborbedingungen, sondern bereits unter seriennahen Bedingungen gefertigt werden. Auch die hergestellte Menge ist erheblich größer als dies in der Prototypenphase der Fall ist. Zur Produktion der Vorserie werden teilweise separate Pilotbänder eingesetzt oder bereits auf zukünftigen Serienbändern produziert. Als Unterscheidungsmerkmal ist der Vorserie jedoch eigen, dass nicht alle eingesetzten Bauteile bereits unter Serienbedingungen gefertigt wurden.[19] Gleichwohl gilt, je stärker sich die Vorserie an den späteren Serienbedingungen orientiert, desto genauer kann eine Aussage über die zukünftigen Ergebnisse der Serienphase ausfallen.[20] So beschreiben bereits CLARK/FUJIMOTO, dass Pilotserien in japanischen Unternehmen, anders als in westlichen Automobilproduktionsstätten, möglichst nah an der späteren Serienlinie durchgeführt werden und im optimalen Fall sogar direkt auf der Serienlinie. Dies kann beispielsweise so realisiert werden, dass auf dem Serienband abwechselnd aktuelle Modelle und Pilotserien laufen. Durch den Einsatz von sog. Leergehängen kann den Mitarbeitern eine entsprechend längere Taktzeit ermöglicht werden. Was jedoch in keinem untersuchten japanischen Unternehmen entdeckt wurde, waren separate Pilotwerke, wie sie in westlichen Unternehmen häufiger zu finden sind. Die japanische Art von Pilotserie erzeugt somit eine äußerst realistische Einlernphase der Bandmitarbeiter.[21] Interessant ist jedoch, dass eine empirische Untersuchung von TANI/WANGENHEIM, bei japanischen und deutschen Automobilzulieferern zu anderen Ergebnissen kommt. Hier wurde ermittelt, dass, entgegen der Erwartungen aus den zuvor genannten Untersuchungen, einige japanische Unternehmen existieren, die Pilotserien auf separaten Pilotanlagen, im Entwicklungsbereich, durchführen. Außerdem wurde ermittelt, dass gerade bei deutschen Zulieferern die Mitarbeiter der späteren Serienproduktion weitaus stärker in die Pilotserien involviert sind, als ihre japanischen Kollegen. Die Untersuchungsergebnisse zu den Pilotserien erklären sich die Autoren durch die hohe Affinität der japanischen Zulieferer zur Prozessfähigkeit des Entwicklungsobjekts, die durch kurze aber intensive Pilotserien sichergestellt wird.[22] „Die Pilotserien bei japanischen Zulieferern haben […] keinen Seriencharakter, sie stellen vielmehr eine Art Prototyping mit Serienwerkzeugen dar.“[23] Allerdings ist hier nochmals ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass das Untersuchungsobjekt im Falle CLARK/FUJIMOTO Automobilhersteller waren, während es sich bei der zweiten Untersuchung um Zulieferbetriebe handelte. Somit zeigt diese Unstimmigkeit zumindest auf, dass sehr wohl auch Unterschiede zwischen japanischen Unternehmen existieren und oft der Fehler begangen wird, „japanische Unternehmen“ mit „Toyota“, und deren Methoden, gleichzusetzen.

2.1.2.2 Nullserie

Im Anschluss an die Vorserie erfolgt die Nullserie. Alle Komponenten, die in der Nullserie verbaut werden, sollen zumindest aus Serienwerkzeugen hergestellt werden, während Teile, die nicht im Unternehmen gefertigt werden, bereits dem Serienprozess entstammen sollen. In dieser Phase gehen die Produkt- und Prozessentwicklung endgültig ineinander über.[24]

2.1.2.3 Hochlauf

Der Produktionshochlauf ist die Phase nach der Nullserie. Der Hochlauf beginnt mit dem ersten kundenfähigen Fahrzeug, dem sog. "Job No.1" oder SOPund endet mit dem Erreichen einer stabilen Produktion. Wobei die Begrifflichkeit „stabil“ hier, je nach Unternehmen, eine andere Bedeutung erhält und meist an einem Ziel, wie einer bestimmten Produktqualität oder einer definierten Durchlaufzeit, festgemacht wird.[25] Grundsätzlich erfolgt der Hochlauf schon vor dem Verkaufsbeginn, sodass der Vertriebskanal zum Verkaufsstart mit einer ausreichenden Menge an Produkten ausgestattet ist.[26] Die Art und Weise, diesen Zustand zu erreichen, spiegelt sich in der Hochlauf- oder auch Anlaufkurve wieder. Hier werden unterschiedliche Methoden angewandt (siehe Abbildung 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Arten des Hochlaufs[27]

Speziell US- und europäische Unternehmen verwenden häufig die Abschaltmethode (1.a), bei der, zu einem bestimmten Zeitpunkt, die Produktion des alten Modells eingestellt wird und, mit steil ansteigender Anlaufkurve, versucht wird, die Kammlinie zu erreichen. Durch Vermeidung von Mischproduktion gestaltet sich diese Art des Hochfahrens relativ leicht. Bei Problemen in der Produktion besteht allerdings die Gefahr hoher Produktions- und Absatzverluste. Japanische Unternehmen bevorzugen hingegen eher die die Block- (1.b) bzw. die Stufenmethode (1.c). Diese Methode ermöglicht einen geschmeidigen Übergang von altem zu neuem Modell, mit einer stetigen Anpassung an das neue Produkt und die neuen Prozesse. Erkauft wird dieser Vorteil allerdings durch einen wesentlich komplexeren Produktionsbetrieb. In Kombination mit der Verwendung des „Leergehängemodells“ (2.b) und einer vorübergehenden Erhöhung der Belegschaft, kann die ursprüngliche Bandgeschwindigkeit beibehalten und lediglich die Ausbringungsmenge reduziert werden, um Platz für die Leergehänge zu schaffen.[28] So stellen CLARK/FUJIMOTO fest:

„Das japanische Modell des »Schrittweisen Hochfahrens - leere Gehänge, zusätzliche Arbeiter« betont Kontinuität und Stabilität der Betriebsbedingungen und Aufgabenverteilung und schafft dadurch ein Umfeld, das rasches Lernen begünstigt.“[29]

Der Produkterfolg ist in großem Maße von einer zügigen Erreichung eines stabilen Zustands in der Serienproduktion abhängig. Dieser wiederum kann nur durch einen zügigen Lernprozess der Mitarbeiter, während der Anlaufphase, erreicht werden.

2.2 Zieldimensionen im Anlauf

Die drei Zieldimensionen des Serienanlaufs sind die Qualität, die Kosten und die Zeit. Sie bilden ein magisches Dreieck (siehe Abbildung 5), das es in Balance zu halten gilt.[30]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Zieldimensionen im Anlaufmanagement[31]

BISCHOFF identifiziert das termin- und qualitätsgerechte Erreichen der Kammlinie, bei Einhaltung des Budgets, sogar als wesentlichen Erfolgsfaktor im weltweiten Wettbewerb.[32] Auch NAGEL sieht die zuvor genannten Dimensionen als die relevanten Ziele des Anlaufmanagements.[33]

3 Die Lean Philosophie

Das Kapitel ‎3 dieser Arbeit möchte eine kleine Einführung in die Lean Philosophie geben, klären woher die Begrifflichkeit „Lean“ stammt, welche Idee hinter dem Gedanken steckt und welche betriebswirtschaftlichen Bereiche durch diese Philosophie bereits beeinflusst wurden.

Der Begriff der „Lean Production“ wurde von John F. Krafcik geprägt. Er war der erste der den Begriff verwendete um zu beschreiben, was in einer Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT), dem „International Motor Vehicle Program (IMVP)“, entdeckt wurde.

„Plants operating with a “lean” production policy are able to manufacture a wide range of models, yet maintain high levels of quality and productivity.“[34]

Das IMVP hatte zur Aufgabe die weltweite Automobilindustrie zu analysieren. So beschrieben WOMACK/JONES/ROOS, die drei Hauptverantwortlichen des IMVP, zwei Jahre später, als Ergebnis ihrer Studien das Buch „The Machine That Changed the World: The Story of Lean Production“, in dem Sie ausführlich über neue Produktionsmethoden aus Japan berichteten, die der Produktionsmethodik der westlichen Automobilindustrie, beruhend auf FORD‘s Methoden der Massenfertigung, deutlich überlegen waren.[35]

Als Entwickler dieser neuen Produktionsmethoden gilt Taiichi Ohno. Er war der Produktionsverantwortliche bei Toyota und entwickelte u.a. mit Shigeo Shingo das sogenannte Toyota-Produktionssystem (TPS), welches anerkannte Methoden und Prinzipien wie 5-Why, Just-in-Time, Kanban, Single Minute Exchange of Die (SMED), das Pull-Prinzip, Poka-Yoke und Kaizen hervorgebracht hat. Nachfolgende Abbildung zeigt den Zusammenhang der Methoden des TPS. Das „Dach“ des TPS stellt hierbei das Ziel dar, dem alle zuvor genannten Methoden dienen. Nämlich der Verkürzung der Produktionszeit durch die Eliminierung nicht werthaltiger Elemente.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Das Toyota Produktionssystem[36]

So formulierte OHNO in seinem Buch zum TPS das Ziel, dem es alle Anstrengungen unterzuordnen gilt, folgendermaßen:

„Die Grundlage des Toyota-Produktionssystems ist die völlige Beseitigung der Verschwendung.“[37]

OHNO sieht alle Prozesse und Dinge als Verschwendung an, welche die Kosten für ein Produkt erhöhen, ohne gleichzeitig die Wertschöpfung im Erstellungsprozess des Produktes zu vergrößern. Die Verschwendung wird im Japanischen als „muda“ bezeichnet und ist mittlerweile auch in der westlichen Welt ein fester Begriff geworden.[38]

Mit der Veröffentlichung der IMVP-Studie wurde der Begriff bereits zu Beginn der Neunziger populär und viele Unternehmen starteten Programme, welche die Einführung der „Lean Production“ zum Ziel hatten. Häufig wurde jedoch das TPS falsch interpretiert und einzelne Methoden eingesetzt, ohne die komplette Kultur des TPS zu verstehen und diese nachhaltig zu implementieren.[39] Der anhaltende Erfolg Toyota’s auf dem Weltmarkt führte zu weiteren Analysen des Erfolgsmodells „Toyota“. Man gelangte zu der Erkenntnis, dass der Erfolg des Unternehmens nicht ausschließlich im Produktionssystem und den zuvor erwähnten Methoden und Praktiken zu sehen ist, sondern vielmehr in der gesamten Kultur des Unternehmens. So widmen sich beispielsweise MORGAN/LIKER dem „Toyota Product Development System“ und beschreiben, wie, auch während des PEP, Verschwendung vermieden werden kann und wie Toyota diesen Prozess erfolgreich meistert. Ganz entscheidend ist hierbei der Wert eines Produktes aus Sicht des Kunden. Diesen Wert gilt es, möglichst genau, zu definieren. Schließlich bildet er das Fundament um eine Entscheidung zu treffen, was aus Sicht des Kunden Verschwendung ist und was nicht.[40] Während für einen guten Käse eine hohe Reifezeit unerlässlich ist und diese somit eine hohe Wertschätzung des Kunden erfährt, gilt eine lange „Reifezeit“, nach der Automobilproduktion, nicht als Qualitätsmerkmal und erhöht deshalb auch nicht den Kundennutzen. Ein großes Warenausgangslager ist vielmehr ein Zeichen für Verschwendung, da ein Fahrzeug, in seiner höchsten Wertschöpfungsstufe, auf dem Hof steht und auf einen Abnehmer wartet, der bereit ist, den aufgerufenen Preis dafür zu zahlen. Mit Produktmerkmalen, die der Kunde nicht bereit ist zu zahlen, die aber trotzdem fest im Produkt integriert sind, verhält es sich ebenso. Auch sie sind reine Verschwendung.

LIKER beschreibt in einem späteren Werk erneut ausführlich die Kultur Toyotas und bestätigt die Ausführungen, die beschreiben, dass es sich bei dem TPS nicht lediglich um eine Aneinanderreihung von Werkzeugen handelt. Das TPS ist vielmehr als System zu verstehen, das versucht dem Menschen Praktiken zu vermitteln, die ihm helfen seine Arbeit stetig zu verbessern. Wichtig ist hierbei, zu erwähnen, dass der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht die schnellere Maschine. Viele Unternehmen sind bei dem Versuch gescheitert ein schlankes Produktionssystem, wie das TPS, einzuführen, da der zuvor genannte Grundsatz keine ausreichende Beachtung fand. So ist ein Kulturwandel ohne die Einbindung aller Mitarbeiter und Hierarchien des Unternehmens, nicht zu bewerkstelligen.[41] Eine Einführung einzelner Instrumente aus dem Fundus des TPS ist zwar durchaus möglich, wird jedoch in den meisten Fällen zu einem kurzfristigen Erfolg und einer baldigen Rückkehr zu althergebrachten Mustern führen.[42] LIKER drückt dies nachfolgend sehr treffend aus:

„Schlank bedeutet nicht, Instrumente nachzuahmen, die Toyota für einen bestimmten Fertigungsprozess entwickelt hat. Schlank bedeutet Prinzipien zu entwickeln, die auf Ihre Organisation passen, und diese sorgfältig anzuwenden, um eine hohe Leistungsfähigkeit zu erzielen, die für Kunden und die Gesellschaft Wert generiert.“[43]

Gleichzeitig bedeutet diese Aussage, dass das Instrumentarium, das Toyota entwickelt hat, nicht als starrer und unveränderbarer Baukasten zu betrachten ist. Viel wichtiger ist, getreu dem Motto „kapieren statt kopieren“, selbst schlanke Methoden für das eigene Unternehmen zu entwickeln und diese zur Perfektion zu bringen. Die Methoden sollen sich auch nicht auf den Bereich der Produktion beschränken, denn, wie schon zuvor erwähnt, hat auch Toyota seine Prinzipien auf alle Unternehmensbereiche übertragen und dies mit großem Erfolg.[44]

Die Erkenntnisse aus diesem Kapitel zeigen, dass eine Anwendung schlanken Gedankenguts in seiner ursprünglichen Form, nämlich im Bereich der Fertigung, zu großem Erfolg führen kann und dies auch in anderen Unternehmensdisziplinen, wie dem PEP, funktioniert. Da dem Anlaufmanagement aufgrund der immer weiter steigenden Zahl von zu bewältigenden Serienanläufen eine immer größere Bedeutung zukommt, möchte sich diese Arbeit in den folgenden Kapiteln eingehend mit neuen Ansätzen des Anlaufmanagements beschäftigen. Zum Einen mit Ansätzen, die sich ausdrücklich mit der „Adaption von Lean-Methoden auf das Anlaufmanagement“ beschäftigen und zum Anderen mit neuartigen Ansätzen des Anlaufmanagements, die sich nicht ausdrücklich der Schlankheit verschrieben haben, aber aufgrund ihrer Herangehensweise „schlanke Elemente“ enthalten könnten (siehe Kapitel ‎5).

4 Adaption von Lean-Methoden auf das Anlaufmanagement

Die folgenden Kapitel widmen sich der Beschreibung und Analyse ausgewählter Ansätze, die sich mit der Adaption von Lean Methoden auf das Anlaufmanagement beschäftigen. Nach langer Recherche konnten lediglich drei Ansätze ausfindig gemacht werden, die sich konkret dieser Thematik verschrieben haben. Nämlich dem „Lean Launch Management“, einem Ansatz von SCHOLZ-REITER/KÖNIG, und dem „Lean Ramp-up“, der von DOMBROWSKI/HANKE stammt. Außerdem ist noch die Unternehmensberatung MBtech (eine Tochter der Daimler AG) zu erwähnen, die mit „Ganzheitliches Anlaufmanagement“, als kommerzieller Vertreter, ebenfalls einen Lösungsansatz anbietet. Auch dieser soll im Kapitel ‎4 analysiert werden.

Weitere Ansätze aus dem anglo-amerikanischen Raum wie die „lean launch strategy“ von BOWERSOX/STANK/DAUGHERTY und die Veröffentlichung „The role of lean launch execution and launch timing on new product performance“ von CALANTONE/DI BENEDETTO, die dem Wortlaut nach ebenfalls von Relevanz zu sein scheinen, sind klar von den nachfolgend analysierten Ansätzen abzugrenzen. Der Ansatz „lean launch strategy“ beschäftigt sich beispielsweise mit dem Pull-Prinzip im Bezug auf Neuprodukteinführungen. Wobei im Mittelpunkt der Betrachtungen nicht der Produktanlauf in der Produktion steht, sondern vielmehr die logistischen Aktivitäten, um den Markt mit neuen Produkten zu versorgen. Weg von dem System der Forecasts (deutsch: Prognosen), hin zum Taktgeber Kunde, der nach dem Pull-Prinzip Ware anfordert. Als Beispiel wird der PC-Hersteller Dell aufgeführt, der erst nach Eingang des Kundenauftrags fertigt und dadurch Verschwendung durch Überproduktion vermeidet.[45] Die zweite Veröffentlichung von CALANTONE/DI BENEDETTO entspringt ebenfalls dem Forschungsgebiet des Marketing und bezieht sich bezüglich des „lean launch“, also der schlanken Markteinführung, auf die Aussagen von BOWERSOX/STANK/DAUGHERTY.[46] So berührt die Veröffentlichung von CALANTONE/DI BENEDETTO das Thema dieser Arbeit nur am Rande, mit Aussagen zum PEP und der Forderung „[…] the finalization of the product form to the last possible point in time of the product development process […]”[47] zu verschieben. Die folgenden Kapitel möchten sich den, zu Beginn des Kapitels, erwähnten Ansätzen nun eingehend widmen.

4.1 Lean Launch Management nach Scholz-Reiter/König

4.1.1 Anlaufmanagement als Kernkompetenz

SCHOLZ-REITER/KÖNIG fordern das Anlaufmanagement als eine Kernkompetenz, im Sinne von PRAHALAD/HAMEL zu entwickeln.[48] Das bedeutet, dass das Anlaufmanagement den (a) Zugang zu einer Vielzahl von Märkten ermöglicht, (b) der wahrgenommene Kundennutzen des Endproduktes wesentlich von der Kernkompetenz beeinflusst wird und (c) die Kernkompetenz schwierig zu kopieren ist.[49] Die Erfüllung der drei Voraussetzungen wird folgendermaßen begründet:

(a) Durch eine schnelle Erreichung der Kammlinie und einen schnellen Anlauf, können, noch vor dem Wettbewerb, bestehende und neue Märkte erschlossen werden
(b) Die tatsächliche Erreichung eines schnellen Serienanlaufs und eine steile Anlaufkurve wird durch den Kunden unmittelbar wahrgenommen
(c) Die gelebte Kultur eines Unternehmens, die sich ein Unternehmen selbst aufbaut ist aufgrund der engen Verzahnung einzelner Inhalte nur schwer zu kopieren[50]

Die Gründe, die für die Entwicklung der Kernkompetenz Anlaufmanagement angeführt werden, decken sich, im Wesentlichen, mit den Ausführungen des ersten Kapitels dieser Arbeit.[51]

[...]


[1] Vgl. Fitzek 2006, S. 2–7

[2] Vgl. Autohaus online 2011, S.1

[3] Vgl. Fitzek 2006, S.4–5

[4] Vgl. Bischoff 2007, S.2

[5] Vgl. Schuh, Kampker, Franzkoch 2005, S.405

[6] Quelle: Bischoff 2007, S.2

[7] Vgl. Schuh, Kampker, Franzkoch 2005, S.405

[8] Vgl. Romberg, Haas 2005, S.11

[9] Vgl. Schuh, Stölzle, Straube 2008, S.4

[10] Vgl. Abegglen Management Consultants AG 2009, S.7

[11] Vgl. Romberg, Haas 2005, S.14–15

[12] Vgl. Bischoff 2007, S.5

[13] Quelle: Bischoff 2007, S.5

[14] Vgl. Clark, Fujimoto 1992, S.176

[15] von Wangenheim 1998, S.60

[16] Vgl. von Wangenheim 1998, S. 60–64

[17] Vgl. Schuh, Stölzle, Straube 2008, S.1–2

[18] Quelle: Schuh, Stölzle, Straube 2008, S.2

[19] Vgl. Schuh, Stölzle, Straube 2008, S.2

[20] Vgl. von Wangenheim 1998, S.63–64

[21] Vgl. Clark, Fujimoto 1992, S. 190–192

[22] Vgl. Tani, von Wangenheim 1998, S.49

[23] Tani, von Wangenheim 1998, S.40

[24] Vgl. von Wangenheim 1998, S.64–65

[25] Vgl. von Wangenheim 1998, S.65–66

[26] Vgl. Nagel 2011, S.19

[27] Quelle: Clark, Fujimoto 1992, S.194

[28] Vgl. Clark, Fujimoto 1992, S. 193–195

[29] Clark, Fujimoto 1992, S.195

[30] Vgl. Romberg, Haas 2005, S.36

[31] Quelle: Bischoff 2007, S.4

[32] Vgl. Bischoff 2007, S.3

[33] Vgl. Nagel 2011, S.31

[34] Krafcik 1988, S.41

[35] Vgl. Womack, Jones, Roos 1992, S. 9–21

[36] Quelle: Liker 2007, S.65

[37] Ohno 1993, S.30

[38] Vgl. Ohno 1993, S.83

[39] Vgl. Faust 2009b, S.157

[40] Vgl. Morgan, Liker 2008, S.27

[41] Vgl. Liker 2007, S.70–71

[42] Vgl. Liker 2007, S.77

[43] Liker 2007, S.77

[44] Vgl. Liker 2007, S.77

[45] Vgl. Bowersox, Stank, Daugherty 1999, S. 557–568

[46] Vgl. Calantone, Benedetto 2011, S. 1–13

[47] Calantone, Benedetto 2011, S.3

[48] Vgl. Scholz-Reiter, König 2010, S.42

[49] Vgl. Prahalad, Hamel 1990, S.83–84

[50] Vgl. Scholz-Reiter, König 2010, S.44

[51] Vgl. Scholz-Reiter, König 2010, S.42

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Einsatz von Methoden des Lean Management im Anlaufmanagement
Hochschule
Hochschule Mannheim
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
49
Katalognummer
V199432
ISBN (eBook)
9783656257233
ISBN (Buch)
9783656258131
Dateigröße
2426 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lean Launch Management, Lean Ramp-up, schlanker Anlauf, schlankes Anlaufmanagement, Anlaufmanagement, Lean Management, Lean Production, SOP, PEP, Toyota Produktionssystem, Serienanlauf, Ganzheitliches Produktionssystem, Produktentstehungsprozess, Produktionsanlauf, GPS, Lean Thinking, Launch Excellence, Fast Ramp-up, SMED, Schnellrüsten, Pull-Prinzip, Frontloading, Lessons-Learned, Digitale Fabrik, TPS, Verschwendung vermeiden, Muda
Arbeit zitieren
Dominic Dentz (Autor:in), 2011, Einsatz von Methoden des Lean Management im Anlaufmanagement, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199432

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